Schlußfolgern über Nicht-Wissen Schlußfolgern über Nicht-Wissen Vorgehensweise zum Problemlösen mittels Logik: Schlußfolgern in der klassischen Logik. Beispiele: • Gegeben: 1. Ausgangspunkt. Ein System der realen Welt und eine Frage dazu. α = {γ, γ → β} Schlußregel: Modus Ponens. 2. Modellbildung. Abstraktion des Systems (; Modell) und der Frage. γ ∧ (γ → β) | 3. Formalisierung. Beschreibung von Modell und Frage als Formel α bzw. β. 4. Schlußfolgern bzw. Inferenz. • Gegeben: β α = {γ ∧ ¬δ, γ ∧ ¬δ → β} Schlußregel: Modus Ponens. (a) Überprüfung ob α |= β gilt. (b) Bestimmung möglicher Folgerungen β 0 aus α. γ ∧ ¬δ ∧ (γ ∧ ¬δ → β) | • Gegeben: β α = {γ ∧ δ, γ ∧ δ → β} Bemerkungen: Schlußregel: Modus Ponens. • Nach dem Schlußfolgerungsprozeß weiß man α ∧ β bzw. α ∪ β. • Das klassische Schlußfolgern basiert auf unserem Wissen über die Dinge. γ ∧ δ ∧ (γ ∧ δ → β) | β • Beim klassischen Schlußfolgern nimmt unser Wissen immer weiter zu: Je mehr man weiß bzw. je “größer” α ist, um so mehr kann man folgern. Bemerkungen: Fragen: • Kann man auch über Nicht-Wissen schlußfolgern? • Die Mengenschreibweise bei den Formeln steht für eine logische UND-Verknüpfung. • Muß beim Schlußfolgern das Wissen immer zunehmen? • Schlußfolgern über Nicht-Wissen erfordert besondere Ableitungsprinzipien. • Die zwei wichtigsten Ansätze hierzu sind Negation-as-Failure und das logische Schließen mittels Defaults (Default-Logik). c Stein/Lettmann 2004 1 Non-Monotonicity Schlußfolgern über Nicht-Wissen Schlußfolgern über Nicht-Wissen 1. Negation-as-Failure. Gegeben: c Stein/Lettmann 2004 2 Non-Monotonicity 2. Default-Logik. α = {γ, γ ∧ ¬δ → β} Gegeben: Ableitungsprinzip: |naf ≡ Modus Ponens + Negation-as-Failure [Doyle/McDermott 1980] α = {γ, γ ∧ M δ → β} Ableitungsprinzip: |def ault ≡ Modus Ponens + Default γ ∧ (γ ∧ ¬δ → β) |naf β γ ∧ (γ ∧ M δ → β) |def ault β Schreibweise: Mδ β Bemerkungen: Bemerkungen: • Läßt sich eine Formel δ nicht aus α ableiten∗ , so darf unter Vorbehalt ihr Gegenteil, ¬δ, konjunktiv zu α hinzugenommen werden. Aus semantischer Sicht ist dies gleichbedeutend damit, daß ¬δ vorläufig als wahr angenommen wird. Idee: Closed-World-Assumption. “Alles, was gilt, ist ableitbar.” bzw. “Was nicht ableitbar ist, das gilt auch nicht.” • Durch Negation-as-Failure wird α (unter Vorbehalt, auf Basis aktuellen Wissens) so modifiziert, daß der Modus Ponens bzw. Resolution anwendbar wird (vgl. vorherige Folie zur klassischen Logik). • Dieses Ableitungsprinzip findet in der Programmiersprache Prolog Verwendung, wobei statt des Modus Ponens das Resolutionsverfahren eingesetzt wird. Idee: “Solange kein Widerspruch bei der Annahme eines Sachverhalts auftritt, gehe von seiner Gültigkeit aus.” M δ ≡ “it is consistent to assume δ.” • Das “M ” (Modality) bei der Default-Logik kennzeichnet einen logischen Fakt, der defaultmäßig als vorhanden angesehen wird bzw. für den der Wert “wahr” angenommen wird. Dadurch wird α (unter Vorbehalt, auf Basis aktuellen Wissens) so modifiziert, daß der Modus Ponens anwendbar wird (vgl. vorherige Folie zur klassischen Logik). (∗) Der Ableitungsprozeß in der Defalut-Logik ist üblicherweise datengetrieben, also Forward-Chaining. (∗) Bei Negation-as-Failure in Prolog wird versucht, δ mittels Backward-Chaining abzuleiten. 3 Non-Monotonicity • Läßt sich eine Formel ¬δ nicht aus α ableiten∗ , so darf unter Vorbehalt ihr Gegenteil, δ, konjunktiv zu α hinzugenommen werden. Aus semantischer Sicht ist dies gleichbedeutend damit, daß δ als wahr angenommen wird. c Stein/Lettmann 2004 4 Non-Monotonicity c Stein/Lettmann 2004 Schlußfolgern über Nicht-Wissen Schlußfolgern über Nicht-Wissen Beobachtung: α = {C, (C → B), ((B ∧ ¬D) → E)} Beispiel: Eine Besonderheit bei Schlußfolgern über Nicht-Wissen ist, daß bei Zunahme des Wissens über die Welt das folgerbare Wissen abnehmen kann: α wird größer, die Menge β der Folgerungen aus α jedoch kleiner. |β| = Anzahl der Folgerungen |β| = Anzahl der Folgerungen |α| = Wissen über die Welt Klassische, monotone Situation Ableitungsprinzip: |naf ≡ Modus Ponens + Negation-as-Failure β = {E}. Gilt α |naf β ? Frage: Zeitpunkt t1 t2 t02 Weltwissen D ist unbekannt D ist wahr ¬D ist wahr Folgerungen B, E B B, E |α| = Wissen über die Welt Nicht-monotone Situation Bemerkungen: Bemerkung: • Kommt man von der Situation zum Zeitpunkt t1 in die Situation zum Zeitpunkt t2 , so darf unter der Annahme der Closed-World-Assumption E nicht in der Menge der abgeleiteten Fakten sein, denn E kann in dieser Situation nicht gefolgert werden. Üblich in diesem Zusammenhang ist der Begriff des nicht-monotonen Schließens. • Die Mengenschreibweise bei den Formeln steht für eine logische UND-Verknüpfung. Frage: Wie operationalisiert man nicht-monotones Schließen? c Stein/Lettmann 2004 5 Non-Monotonicity Schlußfolgern über Nicht-Wissen Schlußfolgern über Nicht-Wissen Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten, um Schlußfolgern über Nicht-Wissen (nicht-monotones Schließen) zu operationalisieren: (a) Jedes Mal, wenn sich das Weltwissen ändert, werden alle Folgerungen (abgeleitete Fakten) gelöscht und der Inferenzprozeß von vorne gestartet: |β| = Anzahl der Folgerungen |αt1 | |β| = Anzahl der Folgerungen |αt2 | |α| = Umfang d. Weltwissens |αt1 | c Stein/Lettmann 2004 6 Non-Monotonicity Viele Modelle (z. B. in der Diagnose) lassen eine Aufteilung in folgende Mengen zu: • R, universelle Formeln über die Welt (Regeln). • Pt, aktuelles Faktenwissen über die Welt zum Zeitpunkt t (Prämissen). ∪P. • |{z} Ft , Folgerungen aus R | {z t} α β |αt2 | |α| = Umfang d. Weltwissens Es gelte P1 ⊂ P2. Die beiden Konzepte zur Operationalisierung des nicht-monotonen Schließens lassen sich wie folgt illustrieren: R ∪ P1 (b) Die Menge der Folgerungen (ableitbaren Fakten) wird inkrementell konsistent bzgl. der Schlußregel gehalten: a t2 : |β| = Anzahl der Folgerungen R ∪ P2 ⊥ |β| = Anzahl der Folgerungen ⊥ t1 : R ∪ P1 ∪ F1 b ∪ P2 \ P1 R ∪ P2 ∪ F2 Truth-Maintenance |αt1 | |αt2 | |α| = Umfang d. Weltwissens |αt1 | |αt2 | |α| = Umfang d. Weltwissens Bemerkung: Mit P1 ⊂ P2 gilt unmittelbar F1 ⊆ F2 für die monotone Situation. Für die nicht-monotone Situation läßt sich keine Aussage über die Relation zwischen F1 und F2 machen. Bemerkung: Systeme, die dabei helfen, einen nicht-montonen Schlußfolgerungsprozeß nachzubilden, heißen Truth-Maintenance-Systeme (TMS) oder auch Reason-Maintenance-Systeme (RMS). Zwei wichtige Vertreter sind das Justification-based TMS und das Assumption-based TMS. 7 Non-Monotonicity c Stein/Lettmann 2004 8 Non-Monotonicity c Stein 2000-2004