SÜDKURIER NR. 250 | K S A M S TA G , 2 7 . O K T O B E R 2 012 konstanzer kulturleben 23 „Manchmal staune ich selbst über unseren Erfolg“ das Verhältnis zwischen Melodie und Rhythmus haben auf uns Menschen eine ziemlich große Auswirkung. Samstagsgespräch: Er ist der Chef einer der erfolgreichsten Musikgruppen Deutschlands: Ernst Hutter. Mit seinen Egerländer Musikanten kommt er am 16. November in die Wollmatinger Halle. Ein Gespräch über gute Texte, großen Erfolg und fehlende Anerkennung Das heißt, wer die Musik der Egerländer hört, fühlt sich auch besser? Ja, eindeutig. Das ist für mich einer der Gründe, warum der Erfolg der Egerländer nie nachgelassen hat. Der Erfolg zum Beispiel der volkstümlichen Musik lässt ja im Moment gewaltig nach. Das ist für mich aber auch klar. Ich habe das immer in den 90er-Jahren auch als Luxusmusik bezeichnet. Eine Musik, die die Gesellschaft nur konsumiert, die nicht mehr über die wahren Inhalte in der Musik nachdenkt. So war es ja auch lange Zeit in der Popmusik. Da hat man auch Dinge produziert, die hat man einfach so gemacht, weil es hip war. Aber man hat nicht so sehr über die Inhalte der ganzen Dinge nachgedacht. Da leben wir, glaube ich, wieder in einer Zeit, in der wir uns auch in der Musik, aber nicht nur in der Musik, Gedanken machen, was für uns gesellschaftlich besser ist, womit wir uns besser befassen. Herr Hutter, ich bin ein bisschen enttäuscht von Ihnen… Wirklich? Warum? Bei unserem letzten Gespräch vor sechs Jahren haben Sie gesagt, dass die Texte der Egerländer tiefsinniger seien als das, was andere Volksmusikgruppen machen. Jetzt habe ich durch das Booklet der neuen CD geblättert und folgenden Text gefunden „Kannst du Knödel kochen, frag ich mich seit Wochen. So wie einst die Mutter, hat gekocht mit Butter. Schön locker zart und fein, aber bitte nicht zu klein. Dann sollst du fürs Leben, meine Knödelköchin sein.“ Was ist denn da passiert? Hutter: (lacht) Der Text ist philosophisch, oder? (lacht weiter) Natürlich stammt der Text aus der 50er-JahreZeit, wo vielleicht manche Dinge, speziell auch in zwischenmenschlicher Hinsicht, ein bisschen anders gelaufen sind als heute. Wenn jemand alle diese Voraussetzungen mitbringt und die richtigen Knödel kochen kann, dann war es eine Frau fürs Leben. In den 50erJahren hat das noch einen Sinn gemacht. Heute ist es natürlich für uns ein Text, den wir zum Teil schmunzelnd rüberbringen, auch bei der Tournee, in Verbindung mit ganz leckeren Knödelgerichten, die über den Beamer laufen. Aber die Texte kommen heute noch an, sonst würden Sie sie nicht mehr spielen. Das stimmt. Allerdings: Wir haben ja auch andere Texte, die haben Sie aber auf der CD nicht gehört. Zum Beispiel haben wir gleich beim ersten Musikblock des Konzertabends einen Text, der heißt „Liebe und Musik, hält uns in Schwung, macht so manches Herz wieder jung. Ich brauch’ zum Glück dich und die Musik“. Ein anderer Text geht so: „Ohne Liebe geht es nicht, die braucht man mehr als Geld“. Hm. Das sind doch alles ziemlich aktuelle Texte. In der heutigen Zeit denkt man ja nicht ohne Grund wieder vermehrt über bestimmte Dinge nach, die vermeintlich in früherer Zeit vielleicht ein bisschen besser waren. Würden Sie sagen, dass Sie mit den alten Texten heute wieder einen Nerv bei dem Publikum treffen? Genau so, wie Sie das gerade formulieren, habe ich das auch verstanden. Wir haben schon in den letzten Jahren deutlich gespürt, dass unser Erfolg wieder zunimmt. Zum einen, weil handgemachte Musik wieder ziemlich im Auf- Seit 56 Jahren gibt es die Egerländer Musikanten jetzt. Der Erfolg ist ungebrochen, es werden immer noch Platten verkauft im Millionenbereich. Macht Sie dieser Erfolg stolz? „Das wird nie aufhören mich zu schmerzen“: Ernst Hutter, Chef der Egerländer Musikanten, über die fehlende Anerkennung seiner Musikgruppe im Feuilleton. Den Fans ist das eher egal, sie pilgern unverdrossen zu den Egerländer-Konzerten. B I L D : VE RAN STALTE R Zur Person ➤ Der Mensch: Ernst Hutter (54) hat von 1978 bis 1984 an der Musikhochschule Stuttgart studiert. Nach dem Tod von Ernst Mosch, dem langjährigen Chef der Egerländer Musikanten, übernahm Hutter dessen Blaskapelle. Hutter ist verheiratet und hat drei Söhne. Zwei von ihnen spielen jetzt bei den Egerländern mit. ➤ Das Orchester: Die Egerländer Musiwind ist, nicht nur in der Bläsermusik, sondern grundsätzlich. Man kann das auch in der Popmusik sehen oder im Jazz. Das hat wieder Aufwind. Es gab eine Zeit, da dachte man, jetzt werden die Computer alles übernehmen, auch in der Musik. Jetzt gibt es einen Gegentrend. Wir sind da Protagonisten, weil wir diesen Weg nie verlassen haben. Ist es das, was Sie auch mit dem Albumtitel „Liebe zur Musik“ meinen? Da stecken jetzt wirklich philosophi- kanten wurden 1956 von Ernst Mosch gegründet. Bis heute haben die Egerländer in 42 Ländern mehr als 40 Millionen Tonträger verkauft und 29 Goldene, Platinund Diamantene Schallplatten gewonnen. ➤ Das Konzert: Ernst Hutter und die Ergerländer Musikanten spielen am Freitag, 16. November, 19 Uhr, in der Wollmatinger Halle. Karten (ab 34,60 Euro) für das Konzert gibt es auch über die kostenlose SÜDKURIER-Telefonnummer 0800/9 99 17 77. (lün) sche Gedanken dahinter. Von mir persönlich, aber ich weiß, dass da auch die Musiker zum Teil so denken. Es gibt ja im Moment sehr große Diskussionen unter Gehirnforschern: Wie bestimmte Verhaltensweisen möglicherweise unsere gesellschaftlichen Dinge verändern können. So ist es mittlerweile auch in der Musik wissenschaftlich ohne Zweifel nachgewiesen, dass bestimmte musikalische Inhalte das Gesundheitsgefühl des Menschen eher verstärken. Spezielle Intervalle zum Beispiel oder Absolut, das macht mich sehr stolz. Sie können sich noch erinnern an unser Gespräch vor sechs Jahren, da war ich noch relativ frisch in dieser Tätigkeit. Mittlerweile haben wir unseren Erfolg wieder anwachsen lassen, wir haben sehr viel Zuspruch auch von der jüngeren Generation, wir haben junge Musiker integriert. Dass wir es wirklich geschafft haben in den letzten zehn, zwölf Jahren, die Inhalte, die uns sehr wichtig sind und die auch den Erfolg der Egerländer begründen, in die aktuelle Zeit zu transformieren, ja, das macht mich schon sehr stolz. Können Sie diesen Erfolg immer wirklich begreifen oder ist es Ihnen manchmal auch ein bisschen unheimlich, wenn Sie so davor stehen und denken, ‚Wahnsinn, wie das alles so funktioniert’? Da gibt es natürlich unterschiedliche Gefühlsregungen. Auf der einen Seite verstehe ich es schon, warum wir erfolgreich sind. Ich verstehe, warum die Musik so viele Menschen anspricht, rein musikalisch. Intellektuell verstehe ich das sehr leicht, weil unsere Musik inhaltlich aufgebaut ist. Ich kann aber auch immer noch staunend daneben stehen, was wir gemeinsam immer wieder schaffen, wenn wir auf der Bühne stehen. Wir sind einfach ein Orchester wie eine tolle Sportmannschaft, das sich gegenseitig immer puscht und zu Höchstleistungen anspornt. Der Gründer der Egerländer, Ernst Mosch, hat mal über sein Orchester gesagt, dass die Musiker alle auch gute Freunde sind, die durch diese Liebe zur Musik verbunden sind. Heute ist es schwer vorstellbar, dass es in diesem harten Musikgeschäft tatsächlich noch genauso funktioniert. Es muss so funktionieren, sonst wäre unser Erfolg nicht so da. Wenn wir ausschließlich, so wie das in manchen beruflichen Feldern heute zu sehr gemacht wird, professionell funktionieren würden, dann wäre der Erfolg nicht so nachhaltig. Davon bin ich total überzeugt. Es kommt auch sehr darauf an, welche Ausstrahlung man dem Publikum gegenüber hat. Und die ist umso besser, je wohler sich die Musiker miteinander auf der Bühne fühlen. Was viele Menschen gar nicht wissen – Sie haben auch ein großes Faible für Jazzmusik. Können Sie das überhaupt noch ausleben? Natürlich nicht mehr ganz so intensiv wie in früheren Zeiten, weil die Arbeit und der Erfolg mit den Egerländern im Moment schon so groß ist, dass sie sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber ich bin nach wie vor festes Mitglied bei der SWR-Bigband und spiele dort die meisten Konzerte als Posaunist mit. Allerdings habe ich bei der SWR-Bigband den Status, dass ich, wenn sich die Termine überschneiden, natürlich die Egerländer vorziehen muss. Wenn Sie die unterschiedliche Beachtung sehen, die Bigbands oder Jazzcombos oder Popmusikstars in der Musikkritik bekommen – schmerzt es Sie dann, dass die Egerländer im Feuilleton keine Anerkennung bekommen? Das wird nie aufhören, mich zu schmerzen. Ich kann es nicht verstehen, wie manche Pressemenschen für sich selbst in Anspruch nehmen, entscheiden zu können, was für sie Kultur ist oder was nicht. Ich wundere mich schon sehr oft, welche Unterschiede da gemacht werden. Da habe ich manchmal das Gefühl, dass die Verantwortlichen vielleicht nicht so sehr in der Lage sind, reinzuhören oder reinzugucken. Ist der Zuspruch des Publikums zumindest ein Schmerzmittel dagegen? Das müsste eigentlich auch ein Gradmesser sein. Schauen Sie, wir beide reden wirklich sehr respektvoll miteinander, das finde ich sehr angenehm. Aber bei manchen Leuten in der Presse habe ich das Gefühl, die reagieren nur auf die Dinge, wenn sie Erfolg sehen. Aber wenn sie dann wenigstens anerkennen würden, dass wir regelmäßig ausverkaufte Konzerte haben. Und ehrlich wenn man mal genau hinschaut, gibt es in ganz Deutschland vielleicht, außer Udo Jürgens, der regelmäßig auf Tournee ist, gar kein anderes Ensemble, das so viele Tourneekonzerte hat wie die Egerländer. Wenn man das so sieht, müssten die Egerländer in jedem Kulturteil vorkommen. Wir hätten auch mal in den Blättern, die einen hohen Anspruch vor sich hertragen, wie der Spiegel oder Focus, ein intelligentes Gespräch verdient. Fußballspieler und was weiß ich für Leute werden abgelichtet in Interviews, die vielleicht gar nicht so viel zu sagen haben wie Künstler wie wir. Das finde ich einfach schade. FRAGEN: MICHAEL LÜNSTROTH ANZEIGE 27.Oktober 2012 Wir gratulieren unserer PT 26 für ihr bestandenes Staatsexamen und wünschen ALLEN einen guten Start ins Berufsleben.