Modifikation von Pflanzen durch Gen

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August
LENZINGER
1985
Modifikation
von Pflanzen durch GenTransfer: Ergebnisse und Perspektiven
BERICHTE
spektrum der Agrobacterien: Fast alle zweikeimblättrigen
und einige einkeimblättrige Pflanzen sind infizierbar!
Das Gentransfersystem
molekularer Ebene
Prof. Dr. J. Schell, Max-Planck-Institut
für Züchtungsforschung, Köln 30, Bundesrepublik Deutschland
Wenn man eine züchterisch schon weitgehend optimierte
Kulturpflanze verbessern will, geht es darum, einzelne
Merkmale zu modifizieren, ohne die restlichen wertvollen
Eigenschaften der Pflanze zu verändern. Die Gene für die
erhöhte Krankheitsresistenz einer Wildpflanze sollen beispielsweise unter Beibehaltung aller anderen Gene der
Kulturpflanze auf eine solche übertragen werden. Bei einer
konventionellen Kreuzung ist dies sehr schwierig, denn bei
der Befruchtung werden nicht nur die wenigen nützlichen
Gene der Wildpflanze mit dem Erbgut der Kulturpflanze
vereinigt, sondern etwa eine Million anderer Gene dazu. Es
bedarf jahrelanger Anzucht und Auslese, um eine Pflanze
mit der gewünschten Merkmalskombination
zu isolieren.
Deswegen ist man an Verfahren zur Einführung einzelner
Gene ins Erbgut einer Pflanze interessiert. Ein System dieser Art ist von der Natur bereits erfunden worden: das ‘TiPlasmid des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens. Am Max-Planck-Institut
in Köln arbeitet man daran, dieses System zu nutzen, um die Wirkungsweise pflanzlicher Gene unter kontrollierten Bedingungen zu studieren
und um die Qualität von Kulturpflanzen zu verbessern.
Das Ti-Plasmid:
stem
ein natürliches
Gentransfersy-
Wenn Pflanzen dicht am Boden verwundet ,werden, entstehen binnen Wochen Wucherungen an der Ubergangsstelle
zwischen Wurzel und Sproß, sogenannte Wurzelhalsgallen.
Solche Tumore enthalten bakterielle Gene, die bei der Verwundung ins Genom der Pflanze eingeschleust wurden.
Diese Fremdgene bewirken die Ausbildung des Tumors.
Der überträger der nach Infektion eingeschleusten Fremdgene ist em ringförmiges DNA-Molekül, ein Plasmid, das in
den Bodenbakterien des Stammes Agrobacterium vorkommt. Die Gene, die durch das Ti-Plasmid (tumor inducing) übertragen werden, kodieren Proteine, welche die
pflanzlichen Wirtszellen zum Wucherwachstum und zur
Herstellung seltener Stoffwechselprodukte anregen. Letztere bestehen aus exotischen Aminosäurederivaten, sogenannten Opinen, die von Agrobacterien als Stickstoff- und
Kohlenstoffquelle verwertet werden können. Die Wirtszellen der Pflanzen werden also durch das Erbgut der Agrobacterien gewissermaßen ,,versklavt“.
Um dieses System für nützliche Zwecke zu verwenden,
mußte die Ubertragung der Fremdgene und ihre Etabl-terung im Wirtsgenom systematisch untersucht werden.
Weiterhin mußten einige Gene des Ti-Plasmids ,,entschärft“ werden, um die Tumorbildung zu verhindern. Die
Regeneration ganzer Pflanzen aus infizierten Wirtszellen
mußte gewährleistet sein. Und schließlich sollten interes-
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von Agrobacterium
auf
Zur Untersuchung der Genübertragung durch das Ti-Plasmid wird eine Schnittstelle einer Pflanze mit pathogenen
Agrobacterien infiziert. Das undifferenzierte Kallusgewebe, das an der Schnittstelle der behandelten Pflanze entsteht, wird entfernt und auf festen Nährböden weiter kultiviert. Dabei muß gesichert werden, daß nur die transformierten Zellen. aber keine anderen Zellen der Wirtsnflanze
weiter wachsen. Hierfür bietet sich eine einfacheLSelektionsmethode an. Normale Pflanzenzellen brauchen bestimmte Hormone für das Wachstum auf künstlichen Medien. Mit Ti-DNA transformierte Pflanzenzellen dagegen
teilen sich auch in Abwesenheit solcher Hormone. Das infizierte Gewebe wird deshalb auf hormonfreiem Medium
kultiviert. Unter bestimmten Bedingungen, die weiter unten erläutert werden, ist es auch möglich, ganze Pflanzen
aus dem transformierten Kallusgewebe zu regenerieren.
Die Untersuchung der Genübertragung beim Ti-Plasmid
ist durch die Methoden der Gentechnologie wesentlich erleichtert worden. Mit diesen Methoden ist es möglich, die
Ti-DNA zu isolieren, analysieren, modifizieren und ins
Bakterium wieder einzuführen. Mit Standardverfahren der
Gentechnologie können definierte Abschnitte des Plasmids
entfernt oder neue hinzugefugt werden. Hierfür werden
Restriktionsenzyme verwendet, welche die DNA an spezifischen Stellen schneiden, sowie das Enzym Ligase, welches DNA-Fragmente miteinander verkleben kann. Andere Methoden erlauben es, die Nukleotidsequenz entscheidender Bereiche des Ti-Plasmids genau zu bestimmen.
Ein großes Hindernis für die Anwendung dieses Systems
für nützliche Zwecke ist die Tumorbildung. Schließlich
möchte man ganze Pflanzen mit nützlichen Fremdgenen
gewinnen, nicht eine undifferenzierte Zehmasse. Glücklicherweise stellte man fest, daß die Ubertragung und Integrierung der T-DNA auch ohne Tumorbildung erfolgen
kann. Man kann nämlich einen großen Teil der T-DNA deletieren, so daß nur die Grenzsequenzen übrigbleiben. Dieses Restfragment wird ohne weiteres übertragen und in
pflanzliche Wirtszellen etabliert. Für die Ubertragung und
Integration der T-DNA sind Funktionen in anderen Bereichen des Ti-Plasmids zuständig. Dies ist besonders wertvoll, denn damit können die tumorinduzierenden Gene eliminiert werden. Zellen, die mit einem deletierten Stück TDNA transformiert werden, wachsen auf geeigneten Medien zu ganzen Pflanzen heran. Die regenerierten Pflanzen
sind gesund und vollkommen fertil. Das ursprünglich übertragene Stück T-DNA kann in allen Zellen der regenerierten Pflanze nachgewiesen werden. Daraus schließt man,
daß die Fremdgene bei der Zellteilung ordnungsgemäß
weitergegeben werden und sich funktionell in den Haushalt der Zelle einfugen können. Weitere Untersuchungen
zeigten, daß die T-DNA auch auf die Keimzellen der regenerierten Pflanzen übertragen wird. In Kreuzungen wird
sie an die Nachkommen der Pflanzen korrekt weitergegeben, wie man es nach den Mendel’schen Vererbungsregeln
erwartet. Damit sind einige der wichtigsten Voraussetzungen für die praktische Nutzung des Ti-Systems erfüllt. Der
nächste Schritt ist dann die Integration und Ubertragung
von anderen, nützlicheren Genen anstelle der Gene zwischen der 25 bp Duplikation der T-Region.
Die Expression fremder Gene in Pflanzen
Es hat sich gezeigt, daß praktisch jedes beliebige Stück
DNA zwischen den Enden der deletierten T-Region eingebaut und mit Hilfe des Ti-Plasmids übertragen werden
LENZINGER
Mikroorganismen und aus tierischen Zellen blieben in den
pflanzlichen Wirtszellen stumm.
Als Erklärung vermutete man, &ß die Kontrollsequenzen
der eingeführten Gene von den Ubersetzungsenzymen der
Pflanze nicht erkannt werden konnten. Es mußten also
,,Chimäre“ Gene (Mischgene) mit anderen Kontrollsequenzen konstruiert werden, die in der Pflanze mit Sicherheit
wirksam sein würden.
Zur Herstellung eines Chimären Gens wurde die Kontrollsequenz des Nos-Gens einschließlich des Promotors vor ein
Fremdgen gesetzt. Am anderen Ende des Fremdgens koppelte man die 3’ Schlußsequenz des Nos-Gens. Als Fremdgen wählte man zunächst ein bakterielles Gen, das Resistenz gegen die hemmende Wirkung eines Antibiotikums
bedingt. Verwendet wurden das tat-Gen (Chloramphenicol acetyl transferase), das Resistenz gegen Chloramphenicol hervorruft. und die APHCS’II- und APH (3’III-Gene
(aminoglycosid phosphotransferase), welche K>n&nycinresistenz bedingen. Diese Fremdgene wirkten nach Ubertragung anstandslos. Als Kallusgewebe von infizierten
Pflanzen auf antibiotikahaltiges Medium übertragen wurde, teilten sich die transformierten Zellen weiter, während
die normalen Pflanzenzellen eingingen.
Da das Ti-Plasmid recht groß und unhandlich ist, wurde eine Verfeinerung des Systems eingeführt, wodurch es mcjglieh wird, die genchirurgische Vorarbeit mit einem anderen
Plasmid durchzuführen. Gewählt wurde das gentechnologisch bewährte pBR322-Plasmid des Darmbakteriums E.
coli. In dieses kleine, sehr leicht zu isolierende Plasmid
wurden die Grenzsequenzen der T-Region sowie der Promotor und die 3’ Schlußsequenz des Nos-Gens eingebaut.
Ein anderer Abschnitt des Plasmids wurde ausgetauscht,
um die selbständige Vermehrung (Renlikationl des Plasmids in Agrobactekm
zu ermögl&&en: Mit diesem modifizierten E. coli-Plasmid wird nun die Konstruktion von chimären Genen vorgenommen. Anschließend wird das Plasmid in Agrobacterien eingeführt. Unter der Fernwirkung
eines ,,entschärften“ Ti-Plasmids kann dann das E. cdiPlasmid samt des eingebauten Chimären Gens auf Pflanzenzellen übertragen werden.
Auf diese Weise wurden Chimäre Resistenzgene auf Tabakzellen übertragen. Aus den transformierten Zellen des Kallusgewebes wurden ganze Tabakpflanzen regeneriert, deren Zellen alle die entsprechende Antibiotikaresistenz aufwiesen.
Der Erfolg dieser Versuche zeigt, daß im Grunde jedes beliebige Gen ins Pflanzengenom integriert und übersetzt
#erden kann. Aber für einen harmonischen Ablauf des
Stoffwechsels muß das neu eingeführte Genprodukt in
wohldosierten Mengen und zu den passenden Zeiten in der
Pflanzenentwickl&g
auftreten. Hier weist das bisher beschriebene System gewisse Unzulänglichkeiten auf. Denn
die Kontrollseauenzen des Nos-Gens. die zur Konstruktion
von Chimären Genen verwendet wurden, erlauben zwar die
Übersetzung des Fremdgens, aber die Expression des Gens
in der Pflanzenzelle ist niedrig und konstitutiv (kontinuierlich). Deswegen ist man bemüht, Chimäre Gene mit anderen Kontrollsequenzen zu konstruieren, die eine regulierbare Expression ermöglichen. Viele Pflanzengene sind
beispielsweise lichtinduzierbar, d.h., sie werden nur dann
übersetzt, wenn die Pflanze im Licht steht. Hierfür sind
spezielle Kontrollsequenzen verantwortlich, die diesen Genen vorgeschaltet und nur im Licht aktivierbar sind. Die
Etablierung von Chimären Genen mit solchen Kontrollsequenzen in Pflanzenzellen gäbe einerseits Aufschlüsse über
den Mechanismus der Lichtinduktion,
zum anderen erlaubt sie die Steuerung der Genexpression von außen durch
Licht.
In einer ersten Versuchsreihe dieser Art ist das bakterielle
tat-Gen an einer lichtinduzierbaren Kontrollsequenz ge-
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wachsen, so erfolgt eine 2Ofache Erhöhung der tat-Aktivität im Vergleich zu dunkel gehaltenem Gewebe. Neuere
Untersuchungen zeigen, daß eine Ergrünung des Gewebes
für die Ausprägung dieses Effektes notwendig ist. Offensichtlich hängt die Ubersetzung des Chimären Gens sowohl
vom Licht als auch von der Chloroplastenentwicklung
ab.
In weiteren Versuchen werden auch andere Kontrollsequenzen lichtinduzierbarer Gene getestet, so etwa die Kontrollsequenz des im vorigen Abschnitt erwähnten chsGens.
Die ersten Aminosäuren der kleinen Untereinheit des RuBisCo-Enzyms bilden einen Fortsatz mit Signalcharakter.
Dieser Fortsatz sorgt dafür, daß die Peptidkette vom CytoPlasma, wo sie synthetisiert wird, in die Chloroplasten
transportiert wird. Hier schließt sie sich mit einer zweiten,
größeren Untereinheit zum fertigen Enzym zusammen, wobei die Signalsequenz entfernt wird. Die Aminosäuresequenz dieses Fortsatzes ist in den ersten Nukleotiden der
entsprechenden Gensequenz im Kern kodiert. In neueren
Versuchen wurde die Signalsequenz der kleinen Untereinheit aq die Gensequenz des APH(3’)11-Enzyms gekoppelt.
Nach Ubertragung durch das Ti-Plasmid konnte die gesamte Sequenz in der DNA des Kerns einer Tabakzelle integriert werden. Es konnte nachgewiesen werden, daß das
neusvnthetisierte Enzvm vom Cvtonlasma in die Chloroplast”en der transformi&ten Zelle& tfansportiert wird. Dies
zeigt, daß man die Anhäufung bestimmter Proteine in den
Chloroplasten durch gentechnologische Kunstgriffe sichern kann.
Noch andere Gene der Pflanze sind dadurch gekennzeichnet, daß sie in bestimmten Gewebetypen übersetzt werden,
in anderen aber nicht. So gibt es Gene, die nur in Blättern
aktiv sind, und solche, die nur im Wurzelgewebe angedreht
sind. Auch hier vermutet man, daß vorgeschaltete Kontrollsequenzen verantwortlich sind. Man nimmt an, daß
diese Sequenzen mit bestimmten gewebespezifischen Stoffen reagieren, wodurch die Ubersetzung der angeschlossenen Gene begünstigt wird. Mit Hilfe des GentransfersySterns von Agrobacterium soll geklärt werden, welche Nukleotidsequ&zen
für eine gewebsspezifische Expression
verantwortlich sind und mit welchen Stoffwechselnrodukten der Zelle sie interagieren.
Es ist geplant, die bisher beschriebenen Untersuchungen
zur Genexpression in Pflanzen als Grundlage für praktische Anwendungsmöglichkeiten
zu nutzen. Um sowohl die
Quantität als auch die Qualität mancher Pflanzenprodukte
zu verbessern, sollen die entsprechenden Gene isoliert, gentechnologisch modifiziert und im Genom geeigneter Pflanzen mittels Gentransfer etabliert werden. Ein Forschungsschwerpunkt dieser Art ist die Verbesserung des Proteingehaltes der Kartoffel, insbesondere des Speicherproteins
Patatin. Dieses Protein wird ausschließlich in Kartoffelknollen synthetisiert. Um die Menge an Patatin in der
Knolle zu erhöhen, wäre es denkbar, die Anzahl an Patatingenen im Kartoffelgenom zu erhöhen. Gentechnologische
Veränderungen der vorgeschalteten Kqptrollsequenzen
könnten ebenfalls zu einer verbesserten Ubersetzung des
Gens und folglich zur erhöhten Synthese des Proteins führen. Ein anderes wichtiges Ziel der angewandten Forschung im Bereich des Gentransfers ist die Verbesserung
der Resistenz moderner Kulturpflanzen gegen Pilz- und Viruserkrankungen. Eine Möglichkeit besteht in der Identifizierung von Genen, welche die natürliche Resistenz mancher Pflanzenarten bedingen (siehe folgendes Kapitel).
Sollte es gelingen, solche Gene zu isolieren, wird man als
Nächstes versuchen, sie durch Gentransfer in andere
Pflanzen einzuführen.
Andere, noch weitgehend hypothetische Pläne, zielen darauf hin, Resistenz mit Mitteln der Gentechnologie künstlich zu erzeugen. Hierzu sollen bestimmte Gene des Erregers an gut regulierbaren Kontrollsequenzen gekoppelt
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und an weiteren Vermehrungsschritten gehindert werden.
Auch viruseigenes Repressorprotein könnte benutzt werden, um eingedrungene Virus-DNA zu inaktivieren. Solche
Proteine werden normalerweise nach Infektion produziert,
indem entsprechende Gene des Virus übersetzt werden. Sie
werden in geringen Mengen synthetisiert und sorgen !Xir
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das geregelte Ablesen des restlichen Virusgenoms. Durch
Kopplung solcher Repressorgene an anderen Kontrollsequenzen im Pflanzengenom könnte der Pegel an RepressorProtein in der Pflanzenzelle erhöht tierden. Dies wurde
wiederum die Ablesung von eingeschleuster Virus-DNA
blockieren.
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