Seite 1 von 6 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 1 9 . 0 7 . 2 0 1 2 Hilfe bei schmerzenden Gelenken Krankheiten wie Fibromyalgie, Rheuma oder Arthrose bereiten oft unerträgliche Schmerzen in den Gelenken. Da jeweils eine spezielle Behandlung notwendig ist, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. "Hauptsache Gesund" stellt neue Therapieansätze vor. Forscher der Universitäten Münster und Hannover haben mit Hilfe einer Maus entschlüsselt, wie Knorpelsubstanz im Knochen angegriffen wird. Es geschieht durch ein spezielles Molekül auf der Oberfläche der Knorpelzellen. Die Wissenschaftler haben bereits einen Antikörper entwickelt, der erfolgreich verhindert, dass Labormaus Agnes an Arthrose erkrankt. Bis dieser Antikörper allerdings auch bei Menschen den Knorpelverschleiß verhindert, werden noch mehrere Jahre vergehen. Bis dahin können Betroffene einiges tun, um Gelenkschmerzen zu lindern. Die Medizin kennt viele erfolgreiche Therapien - manche von ihnen werden seit Jahrtausenden angewandt. Vor einer Therapie steht jedoch eine sichere Diagnose, denn es gibt eine Reihe von Krankheiten, die schmerzende Gelenke verursachen können. Die häufigsten sind Arthrose, Rheuma und Fibromyalgie. Während bei der Arthrose die Gelenke förmlich abgenutzt sind, handelt es sich beim Rheuma um eine entzündliche Reaktion des Körpers, bei der Fibromyalgie wiederum sind die Ursachen noch nicht vollständig erforscht. Fibromyalgie: ganzen Körper Migräne am Im Volksmund wird die Krankheit als Weichteil-Rheuma bezeichnet, ihr korrekter Name ist jedoch Fibromyalgie. Der Name setzt sich sich aus dem lateinischen Wort fibra (Faser) und den griechischen Wörtern mys (Muskel) und algos (Schmerz) zusammen. An Fibromyalgie erkrankte Menschen beschreiben die Krankheit wie eine Migräne am ganzen Körper. Die Schmerzen treten meist entlang der Sehnen-Muskel-Ansätze auf, daher auch die Bezeichnung Faser-MuskelSchmerz. Die ACR (American College of Rheumatology) hat 18 sogenannte Tender-Points, empfindliche Tastpunkte, festgelegt, die bei den Erkrankten häufig schmerzen. Nach einer gängigen Richtlinie handelt es sich um eine Fibromyalgie-Erkrankung, wenn mindestens elf davon über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten schmerzen. Inzwischen wird die Krankheit jedoch auch diagnostiziert und anerkannt, wenn weniger Punkte schmerzen. Bislang galten Fibromyalgie-Patienten oft als eingebildete Kranke oder Hypochonder. Denn sowohl Röntgenbild als auch MRT zeigen keinerlei krankhafte Veränderungen. Erst die Hirnforschung brachte nähere Hinweise. Im Hirnscan 1 Seite 2 von 6 konnte nachgewiesen werden, dass bei Fibromyalgie-Patienten Stress und Schmerzen im selben Hirnareal verarbeitet werden. Betroffene nehmen Stress also als Schmerz wahr. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich auch der Ansatz für eine sogenannte multimodale Schmerztherapie, wie sie zum Beispiel in Bad Liebenwerda praktiziert wird. Wer genießen kann, empfindet weniger Schmerz Sich selbst und seinen Körper besser kennenzulernen, ist die große Überschrift aller Schmerztherapien in Bad Liebenwerda. Dorthin geht auch Reinhard N., einer der wenigen Männer, die an Fibromyalgie erkrankt sind. An sein Leben vor der Therapie erinnert er sich der 60-Jährige nicht gerne: "Ich hatte Schmerzen im ganzen Körper, ich wusste weder woher das kommt, noch wie lange das dauert. Ich fühlte mich so richtig fertig. Ich war körperlich und nervlich einfach nur fertig." Sein Körper wollte ihm sagen, dass er etwas falsch macht, doch er konnte die Botschaft nicht entschlüsseln. In der Rheumaklinik in Bad Liebenwerda traf Reinhard N. auf Therapeuten wie Katja Gonsior, die gemeinsam mit der Rheumatologin Dr. Birgit Kittel bei der Behandlung von Fibromyalgie neue Wege gehen. "Häufig erwarten die Patienten, wenn sie hierher kommen, dass sie nach drei Wochen schmerzfrei sind. Den Zahn muss ich gleich in der ersten Stunde ziehen. Was wir jedem Schmerzpatienten mit auf den Weg geben, ist die Botschaft: Ich kann selbst etwas tun, um den Schmerz zu variieren.", sagt Dr. Birgit Kittel. Behandelt wird in Bad Liebenwerda ganzheitlich. Die Patienten sollen zunächst aus einem breiten Angebot herausfinden, welche Physiotherapie die Schmerzen lindert und was ihnen gut tut. Fragen, die sich Reinhard N. vorher nie gestellt hatte, denn immer wa- ren andere Dinge wichtiger, als der eigene Körper. Das ist oft so bei Fibromyalgie-Erkrankten. Ärzte und auch Psychologen wie Katja Gonsior sprechen deshalb auch von einer Fibromyalgie-Persönlichkeit: "Wir beobachten im klinischen Alltag, dass die Patienten häufig sehr perfektionistisch sind, sehr danach streben, alles möglichst genau zu machen, möglichst alles alleine zu machen, weil es ihnen ein anderer sowieso nicht recht machen kann. So geraten diese Patienten in eine Überforderungssituation, also in Stress. Und das äußert sich dann eben auch in Schmerzen." Nein sagen lernen Reinhard N. war anfangs skeptisch, als er eine begleitende Psychotherapie machen sollte. Er sei ja nicht verrückt. In den Gesprächen mit der Psychologin wurde ihm jedoch klar, wie stark sein Seelenleben das Schmerzempfinden beeinflusst: "Und dafür braucht man jemanden, der einen auf den Weg schickt. Und das ist gelungen. Mit viel Mühe und Kleinarbeit haben die Therapeuten mich soweit hingekriegt, dass ich gut "Nein" sagen kann. Und ich tue etwas für mich, bin nicht mehr nur für andere da." Weg ist der Schmerz nicht. Doch Reinhard N. ist ihm nicht mehr hilflos ausgeliefert. Rheumatoide Arthritis Rheumatoide Arthritis wird im Volksmund schlicht Rheuma genannt. Doch hinter dem Etikett "Rheuma" verbergen sich mehr als 400 verschiedene Krankheitsbilder. Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste Rheumaerkrankung, von ihr sind in Deutschland ca. 800.000 Menschen betroffen. Von rheumatoider Arthritis spricht man, wenn die Gelenkschmerzen an beiden Körperhälften auftreten und mindestens sechs Wochen andauern. Ähnlich wie bei der Fibromyalgie ist die genaue Krankheitsursache bisher unbekannt. 2 Seite 3 von 6 Man vermutet eine vererbbare Störung des Immunsystems. Symptome • Schwellungen an mehreren Gelenken, besonders der Finger- oder Zehengelenke • beidseits geschwollene Gelenke – also rechte und linke Hand oder Fuß • eine stark ausgeprägte Morgensteifigkeit, besonders der Fingergelenke • Schmerzen in Ruhestellung bzw. nachts in den Gelenken • die Schwellungen oder Schmerzen dauern sechs Wochen oder länger an Mit Rapsöl Entzündungen lindern Da es sich bei rheumatoider Arthritis um eine entzündliche Immunerkrankung handelt, kann man mit einer entsprechenden Ernährung die Schmerzen in den Gelenken lindern. Besonders gut eignet sich dabei Rapsöl, denn es enthält sehr viele Omega-3Fettsäuren, darunter AlphaLinolensäure. Diese besondere Fettsäure erlangte eine gewisse Berühmtheit, als Forscher Anfang der 1970erJahre wissen wollten, warum Eskimos so gesund sind, obwohl sie kaum Obst und Gemüse essen. Das Geheimnis lag im überdurchschnittlich hohen Fischverzehr. Auch Fisch enthält Alpha-Linolensäure. Doch entscheidend für eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit ist nicht allein die Menge, sondern auch das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6Fettsäuren. Und da kann Rapsöl punkten, denn bei ihm ist das Verhältnis eins zu zwei. Pflanzliche Öle, wie Raps-, Lein- oder Walnussöl haben noch einen weiteren Vorteil: Sie enthalten keine Arachidonsäure. Diese reagiert nämlich auf Entzündungsauslöser im Körper und verursacht so auch Gelenkschmerzen. Die im Rapsöl enthaltene AlphaLinolensäure wird im Körper so umgebaut, dass sie die Arachidonsäure, die vor allem über tierische Lebensmittel aufgenommen wird, unschädlich macht. Menschen mit rheumatoider Arthritis profitieren davon, wenn sie möglichst wenige Schweinefleischprodukte essen, denn in denen ist besonders viel Arachidonsäure enthalten. Heilen mit Radon Man sieht es nicht, man riecht es nicht, man schmeckt es nicht – und doch ist es da und wirkt. Das radioaktive Edelgas Radon steigt mit dem Wasser aus der Erde hoch und speist unter anderem im Sächsischen Staatsbad Bad Brambach, der stärksten Radonquelle der Welt, Trinkgläser und Badewannen. Dem Radon werden entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften zugeschrieben. Das macht es aus der Sicht von Prof. KarlLudwig Resch für Rheumatiker besonders interessant. Viele Rheumageplagte reisen mindestens einmal im Jahr für zwei Wochen nach Bad Brambach, um im heilenden Wasser zu baden. So auch das Ehepaar K. aus Leipzig. Ilse K. beschreibt ihre Erfahrungen so: "Ich habe Rheuma in den Kleingelenken, den Händen und Füßen. Ich hatte unheimliche Beschwerden. Ich konnte die Finger nicht mehr bewegen, ich konnte die Handgelenke nicht mehr bewegen. Durch das Radon habe ich wirklich sehr viel Erleichterung erfahren." Für die Therapie werden zehn bis zwölf Wannenbäder empfohlen. Dabei dringt das Radon über die Haut in den Körper ein und beruhigt das Immunsystem, das bei Rheumatikern außer Kontrolle geraten ist und irrtümlich die eigenen Körperzellen angreift, erklärt Professor Karl-Ludwig Resch: "Wenn das körpereigene Immunsystem beruhigt ist, hat man weniger Schmerzen, man kann sich besser bewegen. Nach sechs bis zehn Monaten lässt die Wir- 3 Seite 4 von 6 kung allerdings nach. Dann ist es Zeit für eine neue Serie von Radonbädern." Bei der Trink-Kur erreicht das Radon die Immunzellen über den MagenDarmtrakt. Bedenken, dass der Körper durch die radioaktive Strahlung Schaden nimmt, zerstreuen die Experten. Dafür sei die Dosis viel zu gering. Hilfe auch bei Schuppenflechte Die Erfahrungen zeigen, dass nicht nur Rheumapatienten von der Radontherapie profitieren. Auch bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und sogar bei Psoriasis (Schuppenflechte) sollen die Beschwerden zurückgehen. Wie viel vom Quellwasser getrunken und wie oft darin gebadet wird, legt der Kurarzt für jeden Patienten individuell vor Ort fest. Positive Erfahrungen mit Radon haben schon viele Menschen gemacht, doch wissenschaftlich fundierte Studien zur Heilwirkung von Radon gibt es bislang nicht. Eine Studie läuft momentan. Erste Ergebnisse sollen im Herbst veröffentlicht werden. Diagnose: Mit rotem Licht Rheumaherden auf der Spur Forscher der physikalisch-technischen Bundesanstalt in Berlin und ihre Kollegen in anderen Städten haben gemeinsam ein neues Diagnoseverfahren entwickelt, das mit Hilfe von Rotlicht Rheumaherde früher aufspürt als eine Röntgenuntersuchung. Dem Patienten wird ein fluoreszierender Farbstoff gespritzt, der sich im Körper verteilt und mittels Infrarot-Licht zum Leuchten gebracht wird. Zunächst fangen die Fingerspritzen an zu leuchten, dann wandert das Mittel in Richtung Handgelenk. Durch den Leuchteffekt verraten die Farbmoleküle den Standort, an dem sie sich gerade aufhalten. Sammeln sie sich in den Gelenken an, was durch rote Flecken erkennbar wird, ist das ein Hinweis auf eine rheumatoide Arthritis. Der Arzt kann mit dieser Methode den Entzündungsherd schon in einem sehr frühen Stadium entdecken. Das eröffnet neue Chancen der Behandlung, sagt Dr. Stephanie Werner: "Es gibt ein sogenanntes "Window of Opportunity", innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen nach Symptombeginn. Wenn man da mit einer adäquaten Therapie beginnt, ist die Prognose deutlich besser." Das neue Verfahren schont nicht nur den Körper des Patienten, sondern kostengünstiger als beispielsweise eine MRTUntersuchung. Noch ist das Verfahren nicht ausgereift und wird nur in ausgewählten Krankenhäusern und Kliniken angewandt. Sollten die Studien so erfolgreich sein wie momentan angenommen wird, könnte Rotlicht demnächst Röntgenstrahlen bei der Erkennung von Rheuma überflüssig machen. Hilfe durch Wärme und Fingerübungen Rotlicht oder Schafwolldecken Wärme gegen steife Gelenke - Während man zu Hause steife Gelenke auch gut mit Rotlicht behandeln kann, gibt es im Thermalbad Wiesenbad eine besondere Wärmepackung aus Schafwolldecken: die KennyPackung. Sie geht auf die australische Krankenschwester Kenny zurück, die die Schafwolldecken bei der Behandlung von Kinderlähmung einsetzte. Die erste Kenny-Packung wurde in Wiesenbad schon in den 1970er-Jahren verordnet, ebenfalls zur Behandlung von Kinderlähmung. Heute werden verschiedene rheumatische Erkrankungen und auch Arthrose mit der Kenny-Packung therapiert. Dazu werden mehrere Schafwolldecken über Wasserdampf erwärmt und anschließend um das betreffende Ge4 Seite 5 von 6 lenk gewickelt. Schafwolle kann Wärme hervorragend speichern und ist ein guter Ersatz für Moor. Gerade Patienten mit steifen Gelenken lassen sich nach einer Moorpackung schwer säubern. Der Einsatz einer Schafwolldecke umgeht das Problem. Fingerübungen gegen steife Gelenke Weg mit den Maschinen! So lautet das Credo von Physiotherapeutin Gitte Baumeier. Sie empfiehlt Rheumapatienten, ihren Brot- und Kuchenteig selbst zu kneten, das Geschirr von Hand zu spülen und kleine Wäsche in einer Schüssel kräftig sauber zu waschen. Dabei sollte das Wasser eine angenehm lauwarme Temperatur haben, denn die meisten Patienten mögen Wärme. Wärme macht die Gelenke beweglich und Bewegung hält die Finger elastisch. Abends kann man sich auch gut eine Schüssel mit drei Kilogramm RapsSamen oder Linsen füllen. Diese setzt man beim Fernsehen auf den Schoß, knetet den Inhalt und bewegt so nebenbei die Gelenke. Linsen oder Raps vorher in den Backofen schieben und auf 50-60 Grad erwärmen, dann so lange warten, bis es angenehm ist. Einige Menschen bevorzugen auch Kälte. Dann werden Linsen oder Raps einfach ins Gefrierfach gestellt. Zum Schluss kann man die Finger gründlich eincremen. Auch das ist eine gute Übung. Eine Hand cremt und übt so die Fingerfertigkeit, die andere wird dabei sanft massiert. Beim Eincremen jeden Finger einzeln abstreifen, auch die Fingerzwischenräume gründlich massieren. Rheuma-Lotse: Ein Modellprojekt der deutschen Rheumaliga Für Rheumakranke ist es oft schwer, eine geeignete Therapie, den richtigen Arzt oder die ideale Rehabilitationskur zu finden. Informationen gibt es spärlich und wenn, dann widersprechen sie sich oft, dazu kommt eine komplizierte Sozialgesetzgebung. Doch Rheumakranke brauchen nicht nur eine schnelle und effektive Therapie, sondern manchmal auch einen entsprechend gestalteten Arbeitsplatz, Hilfsmittel für den Alltag oder Sonderurlaub. Genau hier setzt das Modell des Rheuma-Lotsen an: Sie bemühen sich, den Betroffenen konkrete Hilfestellung zu geben. In Leipzig hilft dabei Heike Herbst. Kontakt Rheumazentrum Leipzig am Universitätsklinikum Leipzig e.V. Koordinationsstelle: Heike Herbst – RheumaLotsin, Liebigstraße 22 a • 04103 Leipzig (Haus am Park, Zimmer 133.1 – Gebäude Nr. 7) Telefon 0341 2252959 [email protected] Montag bis Donnerstag, 7:30 bis 12:00 Uhr und Dienstag, 13:00 bis 18:00 Uhr sowie nach Vereinbarung Buchtipps: Kursbuch Fibromyalgie: Das Standardwerk zu Fibromyalgie, chronischen Schmerzerkrankungen und funktionellen Störungen von Dr. med. Thomas Weiss, Südwest Verlag, 2012 Ernährungsratgeber Rheuma: Genießen erlaubt von Sven-David Müller und Christiane Weißenberger Schlütersche Verlagsanstalt, 2012 Rheuma- Ampel: Anti-EntzündungsFaktor und wichtige Fettsäuren von über 2.600 Lebensmitteln von SvenDavid Müller, Trias, 2011 5 Seite 6 von 6 Rheuma: Vorbeugen - erkennen - behandeln von Elisabeth Uitz, Andreas Mayer und Babak Bahadori, Verlagshaus der Ärzte, 2010 6