Bedeutendster Gegenen

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Der Utilitarismus
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Weiterführung der hellenistischen Glücksethik im Blick auf die
Gesellschaft!
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Hauptautoren: !
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Jeremy Bentham (1748-1832)!
John Stuart Mill (1806-1873)!
In der Gegenwart: !
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Dieter Birnbacher, Peter Singer!
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Bedeutendster Gegenentwurf zum Kantianismus (Prinzipienethik):
Konsequentialismus!
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Klassischer Haupttext: Der Utilitarismus (1861)
Grundprinzip des
Utilitarismus
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Folgenorientierung (erwartbare oder tatsächliche Folgen einer
Handlung?)!
•
Kurzformel: !
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„Das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl über den
größtmöglichen Zeitraum“!
Teleologische Ethik: Nützlichkeit für das Erreichen „guter Ziele“
entscheidend
Die fünf Grundpfeiler
des Utilitarismus
•
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Konsequentialismus!
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Gleichheitsgrundsatz (Egalitarismus)!
Hedonistische Wertbasis (Moral durch das außermoralische Gute
definiert)!
Maximierungsstruktur!
Kalkülisierungsideal (Nutzensummenberechnung)
Utilitarismus als
Naturalismus
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Deskriptiver Teil: !
•
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Normativer Teil:!
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•
Alle Menschen streben von Natur nach der Vermeidung von Schmerz und
dem Gewinn von Lust (Zit. Bentham)!
Das moralisch Richtige besteht in der Maximierung der Differenz zwischen
Lust und Leid!
Nutzenprinzip: !
•
Definition des Moralischen über seine Nützlichkeit zur Realisierung des
außermoralisch Guten
Glück und Präferenzen
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Nutzen als Summe von Glückszuständen!
•
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Solche Zustände sind intrinsisch gut, negative intrinsisch schlecht!
Glück als positiv (lustvoll) getönte mentale Zustände (WYSIWYGPrinzip): pleasure, happiness, lust, joy etc.!
Zentrale Rolle der individuellen Präferenzen!
Gewichtung der Präferenzen nur nach ihrer Intensität/Stärke
John Stuart Mill,
Der Utilitarismus
•
Bei Mill Übergang vom quantitativen zum qualitativen Utilitarismus:!!
•
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Wertunterschiede zwischen Lustformen!
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Anthropologische Annahme: wer beides kennt, zieht immer die höhere Lust
vor
Sinnliche und geistige Lüste!
Geistige Lust höherwertig!
Begründung: Urteil der Kenner→ gebildete vs. naturwüchsige
Präferenzstrukturen !
Fortsetzung Mill
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Die Glückszustände jedes Individuums zählen gleich; Mill: „Equal
claim of everbody to happiness“!
•
In der radikalen Versionen: alle Glückszustände (Lustquanten)
zählen gleich!
•
Idee des „benevolent spectator“: wie würde ein wohlwollender,
unparteischer Beobachter urteilen?!
•
Verrechenbarkeit des Nutzens für ein Individuum bzw. eine soziale
Gruppe mit dem Gesamtnutzen!
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Zentralität des Gesamtnutzens
Probleme und Vorzüge
des Utilitarismus
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Entscheidend ist die Erhöhung der Gesamtsumme der Differenz
zwischen Freud und Leid!
•
Kein absoluter Wert des Individuums; diese als verrechenbare
Posten in der Bilanz!
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Einschluß aller empfindungsfähigen Wesen in die „moral
community“!
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Pathozentrik; Bentham: „The question is not: can they reason, but:
Can they suffer?“!
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Gleichstellung der Zukunft mit der Gegenwart:
Zukunftsverantwortung in die Theorie eingebaut
Fortsetzung
•
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Maximum der Nutzensumme entscheidend!
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Idee eines formalisierten Berechnungsverfahrens: der utilitaristische
Kalkül! !
Prinzip der einfachen Aggregation (es gibt keine intrinsisch schlechten
Handlungen, entscheidend ist ihr Effekt für den sozialen Nutzen)!
•
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Bentham: „Sum up all the values of the pleasures on the one side and those of all
the pains on the other“!
Plausibilität des Gedankens bei Übertragung auf die
Wohlfahrtsökonomie: Sozialreformerischer Impuls - Geld als
Quantifizierungsvariable!
!
Fortsetzung; Probleme
•
Problem: wie können Lusteinheiten quantifiziert werden? Nur
technische Schwierigkeit oder prinzipielle Unmöglichkeit? !
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Differenzierungsversuch: Übergang vom Aktutilitarismus zum
Regelutilitarismus!
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AU: Nützlichkeitskriterium auf Einzelhandlungen bezogen!
RU: solche Regeln sind zu befolgen, deren Befolgung auf Dauer den
Gesamtnutzen maximiert
Fortsetzung; Probleme
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Kontraintuitiver Charakter:!
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Keine absoluten Verbote (Rechtfertigung von Tötungen etc., wenn
Nutzensumme steigt)!
•
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Beispiel Organspende!
Singer: Menschsein ≠ Personsein!
Nutzenmaximierung zwingt zu radikalem Verzicht auf die Verfolgung von
Eigeninteressen!
•
Unvereinbarkeit mit normativ strukturierten Institutionen: Beispiel
Sport - Korrektur von Schiedsrichterentscheidungen bei
entsprechender Lustbilanz?!
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Unvereinbarkeit mit der Idee der Menschenrechte
Die Pflichtethik
Immanuel Kants
Überblick:
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Lebensdaten, Kontext!
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Praktische Regeln und die Idee eines kategorischen Imperativs!
Quellen!
Glückseligkeit und Glückswürdigkeit!
Grundcharaktere: Rationalismus, Formalismus, deontologischer
Charakter, Universalismus, Apriorismus!
Das einzig Gute: der gute Wille
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Der KI als Metaregel: Vernunft prüft den Verstand!
Der Universalismus und die weiteren Formulierungen des KI!
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Naturgesetzformel!
Selbstzweckformel und die Idee der Menschenwürde!
Pflicht und Neigung: Freiheit und Notwendigkeit!
Vom Apriorismus zur sozialen Praxis:!
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Geschichtsphilosophie!
Pädagogik!
Kants Ethik auf dem Prüfstand
Immanuel Kant,
1724-1804
•
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Stilles Leben in Königsberg!
•
Verfasser der drei Kritiken!
•
Vollendung der deutschen
Aufklärung: „Mündigkeit“!
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Kritik der reinen Vernunft!
•
Kritik der praktischen Vernunft!
•
Kritik der Urteilskraft!
Bedeutendster deutscher
Philosoph, heute weltweit
wichtiger Bezugspunkt aller
philosophischen Debatten
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Quellentexte zur Moralphilosophie!
!Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: Ermittlung des obersten Prinzips der
Moral!
!Kritik der praktischen Vernunft:Voraussetzungen und Konsequenzen dieses
Prinzips!
!Metaphysik der Sitten: Konkretisierung und Rechtstheorie!
!Geschichtsphilosophische Schriften: Einbettung der Moral in die
Menschheitsentwicklung!
!Pädagogik-Vorlesung: „Gründung eines moralischen Charakters“!
• Hilfreiche Texte:!
!Ralf Ludwig, Kant für Anfänger: Der kategorische Imperativ, DTV!
!Schulbuch „Projekt Leben“, Kantkapitel, 244-255.
Grundgedanken:
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Bis jetzt behandelte Ethiken: „Glücksethiken“!
•
Glück als unser natürliches, Pflicht als unser moralisches
Handlungsmotiv!
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Unabhängigkeit der Moralgeltung von Gott, aber: Gott als Instanz
der (jenseitigen) Verbindung von Glückswürdigkeit und
Glückseligkeit
Kant: Ethik der „Glückswürdigkeit“!
Grundgedanke: nur wer so handelt, daß alle glücklich sein könnten,
wenn alle so handeln würden wie er, ist würdig, glücklich zu sein!
Grundgedanken, Fortsetzung:
•
Rationalismus
•
•
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•
Prinzip der Normbegründung und der Handlungsprüfung ist die Vernunft!
Gefühle sind in der Moralbegründung irrelevant!
Formalismus
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Die Ethik gibt keine Inhalte, sondern nur ein formales Prüfungsverfahren
vor!
•
Sie will unsere Alltagsintuitionen formalisieren und besser begründen!
Deontologisch-kategorischer Charakter
•
Sie zielt auf unbedingte Sollens- bzw.Verbotssätze
Grundgedanken;
Fortsetzung:
•
Universalismus !
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Die Grundidee besteht in der Verallgemeinerbarkeit als Moralkriterium:
Einbeziehung aller (Betroffenen)!
•
Nähe und Differenz zur goldenen Regel: ! !
! Verallgemeinerung des eigenen Standpunktes vs. Standpunkt „einer von allen“
(Kant: „die Menschheit in meiner Person“)!
•
Apriorismus
•
Kant abstrahiert von aller Erfahrung: nicht was tatsächlich gilt, sondern was
gelten soll, ist gefragt
Durchführung der
Moralbegründung:
•
•
Ausgangspunkt: regelgeleitetes Handeln nach Maximen!
Drei verschiedene Arten von Gebotsformeln (Imperativen)!
•
1. Regeln der Geschicklichkeit: wenn Du Zweck a erreichen willst,
gebrauche Mittel b: hypothetisch!
•
2. Ratschläge der Klugheit: wer ein gutes Leben haben will, sollte a tun:
hypothetisch (weil auf private Entwürfe des guten Lebens bezogen)!
•
3. Gesetze der Sittlichkeit: Geltung unabhängig von der Existenz gesetzter
Zwecke: kategorisch (z.B.„Du sollst nicht lügen“) Geltungsbegründung
(nicht inhaltliche Ableitung!) durch die Metaregel des KI
Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten:
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu
denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten
werden, als allein ein guter Wille. (...) Der gute Wille ist nicht durch
das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu
Erreichung irgend eines vorausgesetzten Zweckes, sondern allein
durch das Wollen, d.i. an sich, gut. (...)
„Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch
kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur, es diesem Willen
gänzlich an Vermögen fehlete, seine Absichten durchzusetzen, ... und
nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch,
sondern als die Aufbietung aller Mittel, sofern sie in unserer Gewalt
sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst
glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat. Die
Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werte weder etwas
zusetzen, noch abnehmen.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA
1-3, Unterstreichung MJ)
Verstand,Vernunft und
Urteilskraft
•
Der Verstand bildet Maximen: z.B. „ich soll geliehenes Geld immer
zurückgeben“!
•
Die Vernunft als das Vermögen der Reflexion bzw. der Bildung sog.
„regulativer Ideen“ prüft mithilfe der Metaregel des KI den
moralischen Gehalt der Maxime!
•
Die Urteilskraft befindet darüber, ob eine gegebene Situation unter
die fragliche Maxime fällt oder nicht
Der Kategorische
Imperativ:
•
Drei Hauptformeln (in der
Grundlegung...)!
I.
„Handle nur nach derjenigen
Maxime, durch die [d.h. von
der] du zugleich wollen
kannst, daß sie ein allgemeines
Gesetz werde.“!
II.
„Handle so, als ob die
Maxime deiner Handlung
durch deinen Willen zum
allgemeinen Naturgesetz
werden sollte.“!
III.
„Handle so, daß du die
Menschheit, sowohl in deiner
Person, als in der Person
eines jeden anderen, jederzeit
zugleich als Zweck, niemals
bloß als Mittel brauchest.“
Ergänzungen zum KI:
•
Moralisch handeln als Handeln aus Pflicht, nicht bloß als
pflichtgemäßes Handeln!
•
Ausklammerung der Gefühle, persönlicher (Vor-)lieben etc. als
„Neigung“ (unser empirisches Wollensprofil)!
•
Freiheit als Handeln aus Einsicht, Unfreiheit als Gesteuertwerden
durch die persönlichen Neigungen (empirischer vs. intelligibler
Charakter)!
•
Mensch als „Bürger zweier Welten“: Sinnenwelt und geistige Welt
Kants Moralphilosophie
im Kontext
•
Geschichtsphilosophie!
•
•
Hintergrund: Idee der Aufklärung: „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“
durch den „Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen“!
Zentraler Text: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht!
•
„Wir sind im hohen Grad durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind zivilisiert bis
zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber, uns
schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität
gehört noch zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das
Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht bloß
die Zivilisierung aus. ... Alles Gute aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung
gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend.“
Geschichtsphilosophie
• Prinzip der Entfaltung all unserer Anlagen!
• Entwicklung unserer Naturanlagen nur in der Gattung,
nicht im Individuum möglich!
• Die ungesellige Geselligkeit und Schopenhauers
„Stachelschweingleichnis“
Recht und Moral
•
„Zum ewigen Frieden“ (1795)!
•
Zentrale Bedeutung für Idee der Menschenrechte, Stellung der Vereinten
Nationen!
•
Spannung zwischen Moral und Politik: auch ein „Volk von Teufeln“ könnte
einen Staat gründen!
•
•
•
Regulative Idee einer Unterordnung der Politik unter die Moral!
Staatsbürgerrecht,Völkerrecht und Weltbürgerrecht!
Zentral: republikanische Verfassung (Gewaltenteilung)
Die Pädagogik:
•
Kants Pädagogik; das Ideal der Autonomie und die Idee einer
besseren Welt!
•
„Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, daß sie in die
gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie
aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand
dadurch hervorgebracht werde“!
•
Vier Schritte des Erziehungsprozesses: !
•
Disziplinierung-Kultivierung-Zivilisierung-Moralisierung
Fortsetzung Pädagogik
•
•
Disziplinierung
•
Bezähmung der Wildheit!
•
Der Mensch kann entweder bloß dressiert, abgerichtet, mechanisch unterwiesen, oder
würklich aufgeklärt werden. Man dressiert Hunde, Pferde, und man kann auch Menschen
dressieren. ... Mit dem Dressieren aber ist es noch nicht ausgerichtet, sondern es kommt
vorzüglich darauf an, daß Kinder denken lernen“!
Kultivierung
•
•
Verschaffung der Geschicklichkeit: „Besitz eines Vermögens, welches zu allen beliebigen
Zwecken zureichend ist“ (Kulturtechniken, hard und soft skills)!
Zivilisierung
•
Erwerb von „Manieren“, Fähigkeit, durch gute Umgangsformen eigene Ziele zu erreichen
Fortsetzung Pädagogik
•
Moralisierung
•
An ihr entscheidet sich das Gelingen des Kulturprozesses: „wir leben im Zeitpunkte
der Disziplinierung, Kultur und Zivilisierung, aber noch lange nicht in dem Zeitpunkte
der Moralisierung“!
•
„Die erste Bemühung bei der moralischen Erziehung ist, einen Charakter zu gründen.
Der Charakter besteht in der Fertigkeit, nach Maximen zu handeln.“!
•
„Die Moralische Kultur muß sich gründen auf Maximen, nicht auf Disziplin.“!
•
Es kommt bei der Moralisierung darauf an, daß der Zögling „die Gesinnung bekomme,
daß er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die
notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zur gleichen Zeit
jedermanns Zwecke sein können.“
Kritik an Kant
•
Schillers Einwand:!
•
•
Kant und der Motorradunfall!
•
•
•
Von persönlicher Neigung kann man nicht abstrahieren!
Was macht den Willen konkret „gut“?!
Operation gelungen, Patient tot?!
Konflikte zwischen Pflichten!
•
Das Lügenverbot und der Nazi
Die Moralphilosophie
des „Common Sense“
Common Sense und
Moral
•
Allen gemeinsam:!
•
•
•
Skepsis in Bezug auf die Reichweite universalistischer Prinzipien!
Differenzpunkte: !
•
•
•
Zweifel an der Motivationskraft rein rationaler Überlegungen!
Positive (Shaftesbury etc.) vs. negative Hintergrundmetaphysik!
Einschätzung der Beziehung zwischen dem Guten und dem Richtigen!
Anknüpfungspunkt für feministische Ethiktheorien (Carol Gilligan,
Martha Nussbaum)
David Hume: Skepsis
bez. des Rationalismus
„Endziel aller moralischen Spekulationen ist, uns unsere Pflicht zu lehren und durch treffende
Schilderungen von der Hässlichkeit des Lasters und der Schönheit der Tugend entsprechende
Gewohnheiten zu erzeugen und uns zu bestimmen, das eine zu meiden, dem anderen uns
zuzuwenden. Läßt sich das aber jemals von verstandesmäßigen Folgerungen und Schlüssen
erwarten, die von sich aus keinerlei Macht über die Affekte ausüben, auch nicht die tätigen Kräfte
des Menschen in Bewegung setzen? Sie ermitteln Wahrheiten; wo aber die ermittelten
Wahrheiten farblos sind und weder Verlangen noch Wider-willen hervorrufen, können sie auf
unser Tun und Verhalten keinerlei Einfluß gewinnen. ... Unterdrückt man alle warmen Gefühle und
alle Voreingenommenheit für die Tugend ebenso wie allen Abscheu vor dem Laster, macht man
die Menschen vollkommen gleichgültig gegen diese Unterschiede, so hört die Moral auf, ein
praktisches Anliegen zu sein, hat keinerlei Tendenz mehr, unser Leben und Handeln zu
bestimmen.“ (David Hume, Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral)
Mitgefühl und Moral
•
Britische Moralphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts:
naturalistische Psychologie im Zeichen von Sympathie, Wohlwollen
(Benevolenz) und Mitgefühl!
• Hauptvertreter:!
•
•
•
Earl of Shaftesbury (1671-1713)!
•
Großer Einfluß auf Schiller!
•
Verschmelzung von Schönheit und Tugend im Zeichen des Enthusiasmus: Idee der „moral
grace“!
Francis Hutcheson!
(1694-1746)!
Joseph Butler! (1692-1752)
David Hume
Humes Handlungsmodell
•
„Reason is, and ought to be the slave of the passions, and can never
pretend to any other office than to serve and obey them.“!
•
„Morals excite passions, and produce or prevent actions. Reason of itself is
utterly impotent in this particular. The rules of morality, therefore, are not
conclusions of our reason.“!
(beide Zitate aus: A Treatise of Human Nature, 1739/40)!
• Eigennutz und Sympathie als Gegenpole: Idee einer Harmonisierung
beider!
•
Ausgang von der Sympathie im Sinne der affektiven Bezogenheit
der Menschen aufeinander
Handlungsmodell:
Fortsetzung
•
•
Problem: Zufälligkeit und Schwanken affektiver Zuneigungen!
•
Daher Basis fundamentaler gemeinsamer Interessen, vor allem an der
Erhaltung des Staates, die Stabilität verbürgen!
•
•
Ethik als Lehre von den staatserhaltenden Tugenden!
•
Aufstellung eines Tugendkatalogs (in Anlehnung an den römischen Autor
Cicero)
Humes Strategie: Ausweitung des Affektbegriffs im Sinne des Ausdrucks
ursprünglicher Sozialität („fellow-feeling“)!
Gegenstand moralischer Urteile dementsprechend nicht Einzelhandlungen,
sondern positive (Tugenden) bzw. negative (Laster) Charakterzüge, d.h.
Handlungsdispositionen!
•
•
Arthur Schopenhauer, 1788-1860!
•
Negativistische Metaphy-sik: der
‚Weltkern‘ ist nicht gut, nicht vernünftig,
sondern ein blinder Wille!
•
Ablehnung des Rationalismus in der
Moral
Hauptwerk: Die Welt als Wille und
Vorstellung!
Schrift Über die Grundlage
der Moral
•
Idee einer metaphysischen Grundlegung (einer Gesamtdeutung der
Wirklichkeit, die der Moral ihren Platz und ihr Prinzip zuweist)!
•
Betonung der negativen emotionalen Erfahrungen: Leidhaftigkeit des
Daseins!
•
•
Nähe zu fernöstlichen, insbes. Buddhistischen Motiven!
Frage nach dem moralischen Wert von Handlungen im Rahmen einer
Psychologie der Handlungsmotive
Fortsetzung
•
Ausschlaggebend für‘s Handeln sind emotional gefärbte Motive, nicht
Überlegungen!
•
•
Das stärkere Motiv setzt sich immer durch!
•
Handlungen, die auf das „Wohl und Wehe“ des Handelnden zielen, sind
egoistisch!
•
Zwischen egoistischen und moralischen Handlungen besteht eine strenge
Disjunktion!
•
Der moralische Wert einer Handlung liegt allein in ihrer Beziehung auf
Andere
„Wohl und Wehe“ für einen oder mehrere Menschen ist der letzte
Zweck jeder Handlung!
Fortsetzung:
•
Es sind nur drei Grund-Triebfedern denkbar:!
•
•
•
Egoismus, der das eigene Wohl will !
Bosheit, die das fremde Wehe will!
Mitleid, welches das fremde Wohl will!
•
Mitleid als einzige Motivation aller Moral: Zitat Grundlage der Moral,
247f.!
•
Mitfreude etc. kommt nicht vor; radikaler Gegensatz zu
Shaftesbury!
•
Kern des Mitleids: die Erfahrung des „das bin ich“ (tat vam asi), das
Schwinden der Grenze zum Anderen!
•
(252f.): Gerechtigkeit als präventives Mitleid
MARTHA NUSSBAUM
•
•
geb. 1947!
•
Gemäßigt feministisches
Selbstverständnis!
•
Neostoische bzw. neoaristotelische
Ethik!
•
Wichtigste Titel:!
Eine der bekanntesten
amerikanischen Philosophinnen!
•
The Therapy of Desire !
•
Upheavals of Thought.The Intelligence of
Emotions
•
•
Idee des guten Lebens zentral: Eudämonie!
•
EU‘s beziehen sich auf das, was ein Selbst als intrinsisch seinen
Wertschätzungen zugehörig empfindet - dies schließt den
Selbstwert anderer ausdrücklich ein!
•
HU‘s beziehen sich auf andere nur im Maß ihrer Nützlichkeit für
das Selbst
Wichtig: Unterscheidung zwischen eudämoni-stischen und
hedonistischen Urteilen. (Moral ist eudämonistisch!)!
•
Gefühle sind evaluative Urteile über das, was für‘s Leben wichtig ist
(für Individuum/soziale Gruppe)!
•
Sie beziehen sich auf Personen und Sachverhalte, die für das
Gedeihen des Selbst (sein gelingendes Leben ⇒Eudämonie):!
•
•
Sehr wichtig sind!
Aber nicht (vollständig) kontrolliert werden können.!
•
Weil Gefühle kognitive Elemente aufweisen, können sie partiell
durch Bildung und Überlegung beeinflußt werden!
•
Erziehung der Gefühle daher als zentrale pädagogisch-moralische
Aufgabe
•
Compassion als „a painful emotion occasioned by the awareness of
another person‘s undeserved misfortune“!
•
C is „a conception of human flourishing and the major
predicaments of human life, the best one the onlooker is able to
form“!
•
Verbindung zum übergreifenden Moralkonzept:!
•
„Compassion depends upon the judgments about flourishing the spectator
forms; and these will only be as reliable as is the spectator‘s general moral
outlook“
•
Die philosophische Mitgefühlsdebatte:!
•
Viele Philosophen (z.B. Platon, Seneca, Spinoza, Nietzsche) sehen Mitgefühl
negativ; Hauptvorwurf: es sei herablassend und verletze die Würde des
Bemitleideten!
•
Nussbaums Position: der Kampf zwischen Mitgefühlsgegnern und -Freunden
spiegelt zwei Anthropologien und politische Visionen:!
•
Mensch exklusiv als Vernunftwesen, das Würde hat!
•
Mensch als verletzbares und ungesichertes Wesen, das Würde hat
•
Zusammenfassung:!
•
„Compassion is our species‘ way of hooking the good of others to our
fundamentally eudaimonistic (though not egoistic) structure of our
imaginations and our most intense cares.“!
•
Compassion bedarf der Einbindung in durchdachte Theorien über!
•
•
a.) die menschlichen Basisgüter,!
•
b.) Handeln und Schuldhaftigkeit!
•
c.) über das Ausmaß unserer moralischen Verpflichtungen!
Durch Kunst und Literatur kann und muß Compassion sensibilisiert werden
(ähnlich bei Richard Rorty) (Frage: Bedeutung der Massenmedien?)
•
•
Friedrich Nietzsches Suche nach einem Standpunkt!
„jenseits von Gut und Böse“
•
•
Philosoph und Altphilologe, nur für einige Jahre Professor in Basel!
•
Enorme Wirkung auf alle Bereiche der Kultur: Religion, Kunst,
Musik, Literatur, Philosophie, Lebensreform!
•
•
Radikaler Denker, der Religion und Moral scharf kritisiert!
Seit 1889 geistig umnachtet; Pflege und „Vermarktung“ durch die
rassistische und später dem NS nahestehende Schwester Elisabeth
Förster-Nietzsche!
Ideengut wurde in extrem verflachter Form von den
Nationalsozialisten aufgenommen
•
Einfluß Schopenhauers, aber positive Wende von dessen
Willensbegriff!
•
•
Idee der „Umwertung aller Werte“!
•
Lt. Nietzsche innerer Zusammenhang zwischen der
abendländischen Moral und dem Gottesbegriff!
Psychologie des Verdachts: Suche nach Lügen, Tarnungen, Ausreden,
Illusionen als Geschäft des Philosophen (Zitat GdM)!
•
•
„Fällt der Imperator, fallen auch die Imperative“!
Nähe zu Freuds Psychoanalyse und dessen Religionskritik (vgl. Die
Zukunft einer Illusion)
•
•
•
„Jenseits von Gut und Böse“ und v.a.:!
„Zur Genealogie der Moral“!
Literaturtipps:!
•
•
•
Als allererster Einstieg: Projekt Leben, 258/259 u. 364/65!
Nietzsche insgesamt: Wiebrecht Ries, Nietzsche zur Einführung, Junius-Verlag!
Gründliche Darstellung: Werner Stegmeier, Nietzsches „Genealogie der
Moral“, Darmstadt 1994
•
•
Was bedeutet es, nach der Herkunft der Moral zu fragen?!
•
Frage nach dem Wert der Moral: hemmt oder fördert sie das
menschliche Gedeihen? !
•
Antidemokratisches Denken: es kommt nicht auf das Glück der Vielen,
sondern auf das Erreichen der höchsten Entwicklungshöhe durch einige
Wenige ( Übermensch) an!
•
Letztes Ziel: Bejahung des Lebens, so wie es ist (
Das Verhältnis von Genese und Geltung, oder: die Rose und der
Misthaufen!
Amoralismus, denn in
Moral wird das Leben, so wie es ist, normativ kritisiert!), als ewige
Wiederkehr des Gleichen
•
Erste Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“!
•
These: „gut“ hieß ursprünglich „wohlgeraten“ - Selbstbezeichnung der
Vornehmen und Mächtigen; „schlecht“ waren die Geringen und zu kurz
Gekommenen (Herrenmoral); später habe die Ohnmächtigen den Spieß
umgedreht, um sich an den Herren zu rächen (Sklavenmoral)!
•
An die Stelle des deskriptiven Gegensatzes von Gut und Schlecht tritt damit
der normative Gegensatz von Gut und Böse!
•
Entstehung der universalistischen Moral als raffiniertester Trick der
Verlierer: Herrschaft des Geistes des Ressentiments
•
„Schuld“ und „Schlechtes Gewissen“:!
•
Nietzsche nimmt ‚evolutionsbiologische‘ Perspektive ein, fragt nach der
Nützlichkeit von Moralvorstellungen!
•
Entstehung des Schuldbegriffs als Verinnerlichung materieller „Schulden“
mittels (Recht auf) Grausamkeit !
•
Der „freie Wille“ als Philosophenerfindung, um Vergeltung rechtmäßig
erscheinen zu lassen!
•
„schlechtes Gewissen“ als Verinnerlichung des Schuldgefühls zur
Dauerangst vor einem strafenden Gott!
•
Befreiung von diesen Kategorien (vgl. religiöse Herkunft Nietzsches) als
menschheitlicher Durchbruch (!), statt dessen: die „große Gesundheit“, das
Leben ohne Ressentiment und Moral
•
Asketische Ideale: !
•
•
Verneinung des Daseins im Sinn höherer Ideale als Grund der Moral!
•
Bisher einzige Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn (Zitat GdM
411), daher Notwendigkeit neuer Werte: „Brüder, bleibt der Erde treu“
Typus des „Priesters“ als Vertreter dieser Ideale hoch ambivalent:
Verfeinerung, Sublimierung, Geistigkeit, aber auch Nihilismus:Verleugnung
dieser Welt, Zucht, schlechtes Gewissen, Sinngebung um den Preis der
Verneinung der Welt!
! Erfahrung von Moral als Zwang
und Repression!
!
Extreme Übersteigerung des
Ideals subjektiver Authentizität!
Wahrheitsmoment der
!
psychologischen Kritik: nicht überall,
wo Moral draufsteht, ist auch Moral
drin!
! Wirkungsgeschichte: Nietzsches
als Inspirator der LebensreformBewegung!
! Stilisierung zur Heilands-Gestalt
•
John Deweys Suche nach einer pragmatistischen Ethik
•
Mit Charles S. Peirce u.
William James
bedeutendster
pragmatistischer
Philosoph!
•
•
Zentralbegriff: Erfahrung!
•
Intersubjektivität und
Werterfahrung
Innere Verbindung von
Philosophie, Pädagogik und
demokratischer Praxis!
Ausschnitt aus der Homepage der !
„University of Delaware“, USA:
•
Werte: „emotional besetzte Vorstellungen über das
Wünschenswerte; reflexive Standards zur Bewertung unserer
Wünsche“ (Soziologe Hans Joas)!
•
Werte sind für‘s Handeln zentral, Normen erwachsen erst aus
Werten!
•
Hintergrundproblem: Gegensatz von Wertrelati-vismus und
Wertobjektivismus (Willkür vs. Präexistenz)!
•
Dewey: Ausgangspunkt Wünsche; sie erwachsen aus organismischen
Interaktionen mit der Umwelt
•
Durch den intersubjektiven Austausch werden Wünsche reflektiert,
kritisiert und bewertet!
•
So entsteht die moralkonstitutive Unterscheidung zwischen dem,
was faktisch „desired“ ist und dem, was der Handelnde für
normativ „desirable“ hält.!
•
Werte sind weder subjektiv, noch objektiv, sie entstehen vor dieser
Unterscheidung im Austausch zwischen Menschen und ihrer
Umwelt
•
„Es ist ebenso erstaunlich wie deprimierend zu sehen, daß die
Menschheit so viel Energie auf den (mit Waffen des Fleisches wie
des Geistes geführten) Kampf um die Wahrheit der religiösen,
moralischen und politischen Glaubensbekenntnisse gewendet hat
im Unterschied zu der geringen Anstrengung, Glaubensbekenntnisse einer Überprüfung auszusetzen, indem man nach ihnen
handelt.“!
Aus: John Dewey, Die Suche nach Gewißheit
•
Kampf gegen die Vorstellung unveränderlicher moralischer Ideen,
bes. gg. die Idee eines höchsten Guts!
•
Weg von Prinzipien, hin zu situationsgerechtem Handeln: !
•
„eine moralische Situation ist eine, in der Urteil und Wahl vor der
eigentlichen Handlung gefordert sind“!
•
•
„Handeln ist immer spezifisch, konkret, individualisiert, einzigartig“!
Der Zweck heiligt niemals die Mittel, schon die Unterscheidung selbst ist
fragwürdig
•
„Nicht Perfektion als ein endgültiges Ziel, sondern der immer
andauernde Prozeß der Vervollkommnung, der Reifung, der
Verfeinerung ist das Ziel des Lebens, Ehrenhaftigkeit, Fleiß,
Besonnenheit, Gerechtigkeit, wie Gesundheit, Reichtum und
Bildung sind nicht Güter, die man besitzen soll, wie sie es wären,
wenn sie unwandelbare Ziele ausdrückten, die es zu erreichen gilt.
Sie sind Richtungen der Veränderung in der Qualität der Erfahrung.
Wachstum selbst ist das einzige moralische ‚Ziel‘.“
•
Optimismus und Pessimismus sind der moralischen Situation
gleichermaßen unangemessen.!
•
Meliorismus (W. James) ist dagegen „der Glaube, daß die
spezifischen Bedingungen, die in einem bestimmten Augenblick
bestehen, seien sie vergleichsweise schlecht oder vergleichsweise
gut, in jedem Fall verbessert werden können.“
•
Der Erziehungsprozeß fällt mit dem moralisch Prozeß vollkommen
in eins!
•
„Wachsen oder die kontinuierliche Neugestaltung der Erfahrung
(ist) das einzige Ziel“!
•
„Erziehung bedeutet, jeweils den Grad und die Art von Wachstum
zu erhalten, die in der Gegenwart möglich sind. Dies ist eine
konstante Funktion, unabhängig vom Alter.“
•
„Regierung, Geschäft, Kunst, Religion, alle sozialen Institutionen
haben eine Bedeutung, einen Zweck: Dieser Zweck besteht darin,
die Fähigkeiten der menschlichen Individuen freizusetzen und zu
entwickeln, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht, Klasse oder
ökonomischen Status. ... Demokratie hat viele Bedeutungen, aber
wenn sie eine moralische Bedeutung hat, dann findet sie sich in der
Entscheidung, daß der Prüfstein aller politischen Institutionen und
industriellen Einrichtungen in dem Beitrag besteht, den sie zum allseitigen Wachstum jedes Mitglieds der Gesellschaft
beisteuern.“ (John Dewey, Die Erneuerung der Philosophie)
Die Diskursethik von Jürgen Habermas
•
•
Geb. 1929!
•
Hauptwerk 1981:!
Bekanntester lebender
deutscher Philosoph!
•
•
Theorie des kommunikativen
Handelns!
Begründung der Ethik auf der
Basis der menschlichen
Sprache
Diskursethik; Grundzüge:
•
Anspruch ähnlich Kant: Rekonstruktion der tatsächlichen
normativen Voraussetzungen unseres Alltagshandelns!
•
Linguistisch-intersubjektivitätstheoretische Wende: nicht Analyse
des Bewußtseins einer moralischen Person, sondern Anknüpfung
an den moralischen Gehalt der Verständigung zwischen Personen!
•
Methode der Präsuppositionsanalyse: welche moralischen
Verpflichtungen und Rechte müssen Personen notwendig
unterstellen, wenn sie sich auf die Verständigung durch Argumente
einlassen?
Diskursethik; Grundzüge:
•
Gebrauch von Sprache mit der Absicht, andere nicht zu den
eigenen Zwecken bloß zu überreden, sondern gemeinsam einen
Konsens⇐ zu finden (Einsicht aller statt Durchsetzung einiger)!
•
Unterschied Konsens
•
Wenn Konsens problematisch wird (neue Fragen,
Meinungsverschiedenheiten etc. auftauchen), sollte das
kommunikative Handeln in einen Diskurs überführt werden
Kompromiß!
Zentral:
Geltungsansprüche
•
Geregelte Argumentationen, in denen strittige Geltungsansprüche
unter den Teilnehmern mit dem Ziel der Verständigung durch
Gründe verhandelt werden.!
•
•
Begründungstheoretischer Prozeduralismus!
Geltungsansprüche lassen sich dreifach untergliedern:!
•
Wahrheit (Bezug auf objektive Welt)!
•
Richtigkeit (Bezug auf intersubjektive Regelungen)!
•
Aufrichtigkeit (Bezug auf persönliches Erleben)
Forts.
Geltungsansprüche
•
Idee der diskursiven (statt religiösen, traditionellen,
konventionellen etc.) Rechtfertigung!
•
Moralische Diskurse beziehen sich auf den Geltungsanspruch
normativer Richtigkeit!
•
Vier normative Komponenten des Diskurses (idealisierende
Voraussetzungen seines Gelingens ⇒ Vorgriff auf „ideale Kommunikationsgemeinschaft“)
Der normative
Diskursbegriff:
1. Argumentationsprozess entscheidend!
•
Es muß begründet werden!
•
Als Grund kommt nur in Frage, worauf sich jede/jeder prinzipiell einlassen
kann (Gegenbeispiele: „Gott hat mir befohlen, daß...“; „Bei uns machen wir
das schon immer so“)!
•
Rhetorische Tricks (z.B. sog. persuasive od. ad hominem-Argumente) sind
verboten, es gilt alleine der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“
Der normative
Diskursbegriff:
2. Herrschaftsfreiheit!
•
Jede Person muß frei sagen können, was sie denkt, ohne
Sanktionen befürchten zu müssen!
•
In Status, Macht, sprachlichem Talent etc. überlegene
Argumentationsteilnehmer müssen sich in Zurückhaltung üben!
•
Strukturelle Machtkomponenten (Lehrer vs. Schüler, Eltern vs.
Kinder, Boss vs. Angestellter etc.) müssen so weit wie möglich
ausgeschaltet werden
Der normative
Diskursbegriff:
3. Partizipation!
•
Es müssen alle von dem Problem Betroffenen mit gleichem Recht am
Diskurs teilnehmen können!
•
Umgekehrt besteht auch für alle Betroffenen die moralische Pflicht, sich zu
beteiligen!
•
Problem: Diskurs geht von sprachkompetenten Erwachsenen aus; was ist
mit „moralträchtigen“ Wesen, die nicht (Tiere, schwerstbehinderte
Menschen) noch nicht (Embryonen und Säuglinge), oder nicht mehr
(demente oder sprachgelähmte Personen) mitreden können?!
•
Habermas‘ Lösungsansatz: advokatorische Diskurse („anwaltliche“ Vertretung dieser
Gruppen durch kompetente Sprecher)
Der normative
Diskursbegriff:
4. Ausrichtung auf Konsens, nicht Kompromiß!
•
Wille aller Beteiligten, zu einem Konsens zu gelangen, d.h. zu
einer Zustimmung aller aus Einsicht in die moralische
Rechtfertigung der Lösung!
•
Problem: setzt (wie der Diskurs im Ganzen) Fehlen von
Handlungsdruck und moralisch hochkompetente Sprecher
voraus
Die Moralprinzipien
• Moralprinzip D: !
•
Gültig sind genau die Handlungsnormen, denen alle möglicherweise
betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten.!
• Universalisierungsgrundsatz U:!
•
Die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung
der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden
einzelnen voraussichtlich ergeben, müssen von allen zwanglos akzeptiert
und den Auswirkungen der bekannten alternativen Regelungsmöglichkeiten
vorgezogen werden können.
Zusammenfassung zu
Habermas‘ Diskursethik
•
Im Kern wie die Kantische Pflichtethik!
•
•
•
•
rationalistisch und kognitivistisch!
universalistisch!
Präskriptiv, deontologisch!
Strenge Trennung des Richtigen vom Guten, der Normen von den Werten!
•
Unterschied zu Kant: Sprache als Fundament; Intersubjektivität als
Medium der Begründung (dialogisch vs. monologisch)!
•
Kritikpunkte: Ausblendung der Emotionen, Geringschätzung des
situativen Elements, Geringschätzung der Werte
John Rawls (1921-2002)
•
Bedeutendster
amerikanischer
Philosoph der
Politik und des
Sozialen!
•
Epochemachendes
Werk:!
•
•
Theory of Justice von
1971!
•
Kerngedanke:
Gerechtigkeit als
Fairneß!
Im Zentrum Fragen
der politischen und
sozialen
Gerechtigkeit, nicht
der persönlichen
Moral!
•
Verbindung von
Moral- und
politischer
Philosophie
Gerechtigkeit als soziales
Problem
•
Frage: was zeichnet die wohlgeordnete Gesellschaft aus? Antwort:
Verteilungsgerechtigkeit!
•
Zentral: Gerechtigkeit als Fairness im Blick auf die gesellschaftlichen
Güter:!
•
•
•
•
•
•
Materielle Güter!
Rechte!
Pflichten!
Lebenschancen!
Soziale Grundlagen von Sicherheit und Selbstachtung!
Es geht um die Verteilungsprinzipien, die das institutionelle Gefüge
der Gesellschaft bestimmen
Vertragstheoretischer
Ansatz
•
Neubelebung der vertragstheoretischen Tradition seit Thomas
Hobbes (1588-1679)!
•
•
Grundidee: fiktiver Natur- oder Urzustand; Begründung der Gesellschaft
durch Vertragsschluß!
Bei Rawls Gedankenexperiment einer fiktiven Verfassungswahl:!
•
Gerechtfertigte und objektiv verbindliche Prinzipien der Gerechtigkeit sind
diejenigen Prinzipien, die freie, rationale, am Eigeninteresse ausgerichtete
Menschen wählen würden, wenn sie in einen Zustand der Gleichheit
versetzt würden und die Aufgabe hätten, die fundamentalen Normen und
Institutionen ihrer zukünftigen Gesellschaft festzulegen!
•
Rationale Einigung unter fairen Bedingungen
Der „Schleier der
Unwissenheit“
- Frage: Wie motiviert man rationale Egozentriker zur Moral?!
- Antwort: indem man Ihnen jedes Wissen über ihre Ausgangsposition entzieht: Veil
of Ignorance!
- Die Wählenden wissen nicht, welches Vermögen, welchen sozialen Status, welche
natürlichen Gaben etc. sie haben!
- Idee der Entindividualisierung als Ausschaltung der faktischen Unterschiede in
den Ausgangspositionen!
- Unter diesen Bedingungen würde jeder die Normen wählen, die allen
gleichermaßen die besten Startchancen gewähren
Die zwei Grundprinzipien
von Rawls
1) Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste
Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist!
2) Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen so beschaffen
sein: !
a) Sie müssen ... den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil
bringen!
b) Sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß
fairer Chancengleichheit offenstehen!
Dualismus von notwendig gleicher Freiheit in der Politik und erlaubter
Ungleichheit in der Ökonomie unter dem Primat der Politik
Verhältnis zur nichtphil.
Moralbegründung:
•
Wie verhält sich die Vertragstheorie zu unseren moralischen
Alltagsintuitionen?!
•
Antwort: sie soll als eine Klärung, Methodisierung und
Systematisierung verstanden werden können!
•
Idee eines wechselseitigen Austauschs zwischen moralischen
Einzelurteilen und Explikationsprinzipien, bis ein - temporäres Gleichgewicht erlangt ist: Reflexive equilibrium!
•
Spätwerk „The Law of Peoples“ (Völkerrecht): Einbeziehung
nichtliberaler Gesellschaften
Gerechtigkeit und
Pluralismus:
•
„Gerechtigkeit als Fairness versucht, eine Konzeption politischer
Gerechtigkeit zu präsentieren, welche in den grundlegenden
intuitiven Gedanken wurzelt, die in der politischen Kultur eines
demokratischen Verfassungsstaates gefunden werden können. Wir
vermuten, dass diese Gedanken von jeder der widerstreitenden
umfassenden Morallehren bejaht werden, die in einer hinreichend
gerechten demokratischen Gesellschaft Einfluss haben. Daher
versucht Gerechtigkeit als Fairness den Kernbereich eines
übergreifenden Konsens zu bestimmen, das heißt der gemeinsamen
intuitiven Gedanken, die sich, in eine politische
Gerechtigkeitskonzeption eingearbeitet, als ausreichend erweisen,
einen gerechten Verfassungsstaat zu garantieren. Mehr können wir
nicht erwarten, aber mehr benötigen wir auch nicht.“
•
Rawls und Habermas gemeinsam: der Primat des Richtigen vor dem
Guten, der Normen vor den Werten!
•
Kommunitarismus als Sammelnamen für Autoren, die dem
widersprechen und, oft an Aristoteles anknüpfend, die Wichtigkeit
von Wertgemeinschaften in der Moral betonen:!
•
•
Charles Taylor, Amitai Etzoni, Alisdair MacIntyre, Michael Sandel!
Betonung der persönliche moralischen Identität und der
handlungsorientierenden Kraft von Werten
•
Gegensatz zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft: !
•
Vorwurf, bei Rawls und Habermas werde von den Affekten, von persönlichen
Werten und Bindungen in der Nahwelt völlig abstrahiert
reduktionistische
Anthropologie!
•
Differenzierte Position von Hans Joas:!
•
Werte und „partikulare Visionen des Guten“ sind tatsächlich entscheidend und
liefern affektive Handlungsgründe; normativer Universalismus kann nicht zur
moralischen Handlung motivieren; (vgl. auch Unterscheidung Erzählung/Diskurs)
aber: Universalismus der Normen unentbehrliches Korrektiv des Denkens ins
Werten!
•
Manche Werte (Idee der unverlierbaren Menschenwürde) können (overlapping
consensus!) ins Normative verallgemeinert werden
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