Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen Mikrosystemtechnische Realisierung eines Zeitbereichsfilters für ultrakurze optische Pulse M. Bohling1, J. Jahns1, J. Mohr² und M. Börner² , 1FernUniversität in Hagen, LG Optische Nachrichtentechnik, Universitätstr. 27 / PRG, 58084 Hagen, [email protected]; ² Karlsruher Institute of Technology (KIT), Abt. Mikrooptik, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen Kurzfassung In diesem Beitrag berichten wir über ein eindimensionales Mikro-Retroreflektor-Array (RA), das mit Hilfe der LIGATechnik (Lithografie-Galvanik-Abformung) aus PMMA (Polymethylmethacrylat) hergestellt worden ist. Durch die hohe Güte der Fertigungstechnologie und die damit verbundene Präzision lässt sich das RA als Zeitbereichsfilter für ultrakurze optische Pulse verwenden. Ferner lassen sich durch Verkippung des RA relativ zur optischen Achse die äquidistanten Verzögerungen, die durch Wellenfrontteilung entstehen, variabel einstellen. Man hat somit eine mikrosystemtechnische Komponente vorliegen, die es ermöglicht den zeitlichen Verlauf ultrakurzer optischer Pulse im Subpikosekunden-Bereich vorzugeben. 1 Einleitung Für eine Vielzahl von Anwendungen, wie beispielsweise in der Zwei-Photonen-Mikroskopie [1], der synthetischen Chemie [2] und der Lasermaterialbearbeitung [3], besteht die Notwendigkeit zur Manipulation der Pulsform von ultrakurzen optischen Pulsen. Die Lösung bieten geeignete Elemente zur optischen Zeit- bzw. Zeitfrequenz-Filterung die eine gezielte Beeinflussung von Amplitude und/oder Phase von ultrakurzen optischen Pulsen ermöglichen und im Ergebnis zur Änderung der Pulsform führen. Die Umsetzung der Filteraufgabe kann dabei mit unterschiedlichen Ansätzen, wie in [4] beschrieben, erfolgen. Ein Vorschlag etwa verfolgt den Ansatz eine Fresnel-Zonen-Platte mit gezielt ausgelassenen Zonen zu verwenden [5]. Zeitbereichsfilterung lässt sich auch mit einer Anordnung aus Retroreflektoren durchführen, wie in [6] gezeigt. Die Autoren berichten über ein mit Ultrapräzisionsbearbeitung hergestelltes Retroreflektor-Array und stellen ihre durchgeführten theoretische Betrachtungen und experimentellen Ergebnisse vor. Die zu dem Filterelement durchgeführte Bestimmung der zeitlichen Eigenschaften mittels ultrakurzer optischer Pulse und Autokorrelationsmessung findet man in [7]. Eine deutliche Verbesserung der Fertigungsqualität von optischen Strukturen lässt sich mit der LIGA-Technik erreichen [8]. Der vorliegende Beitrag (siehe auch [9]) behandelt die mit dieser Technik umgesetzte, hochpräzise Realisierung eines Mikro-Retroreflektor-Arrays (RA). Erwähnenswert sind die Fertigungstoleranzen, die deutlich unter λ/10 der verwendeten zentralen Ultrakurzpuls-Laserquelle liegen. Wie noch gezeigt wird, lässt sich mit dieser mikrostrukturierten Komponente ein optisches Transversalfilter für ultrakurze optische Pulse im Zeitbereich implementieren. In Bild 1 sieht man die ISBN 978-3-8007-3555-6 REM-Aufnahme des RA mit der Periode p=100 μm. Die Strukturtiefe ist dabei durch 0.5p gegeben. Durch Verkippung des RA sind zwar die gewünschten zeitlichen Verzögerungen einstellbar, die zur Vollständigkeit eines Transversalfilters zusätzlich erforderlichen Filterkoeffizienten sind aber noch nicht vorhanden. Mit Hilfe einer Maske zur statischen bzw. dynamischen Einstellung der Filterkoeffizienten ist diese Forderung zu erfüllen. Bild 1 Die REM-Aufnahme zeigt das MikroRetroreflektor-Array (RA). Die gesamte Anordnung erfordert somit eine mikrosystemtechnische Realisierung. Zwei aufbautechnische Ansätze sind hierzu vorstellbar, nämlich eine PIFSO-Konfiguration (planar integrated free-space optics) mit ko-planarer Anordnung der Bauelemente wie u.a. bei einem fs-Pulsformer nach [10], wie auch eine LIGAbasierte Anordnung analog zu dem miniaturisierten Spektrometer nach [8]. Die PIFSO-Anordnung erlaubt ggf. die Erweiterung zu einem komplexen optischen System. Die LIGA-Realisierung wäre ggf. im Hinblick 443 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen auf die Fertigung der RA-Einzelkomponente günstig. Über den aufbautechnischen Aspekt hinaus, bietet die Mikrosystemtechnik weiterhin interessante Möglichkeiten zur funktionalen Erweiterung der Filteraufgabe. Beispielsweise ist es denkbar, bei geeigneter Modifikation der RA-Komponenten die Funktion der Filterkoeffizienten gleich durch ein geeignetes Tiefenprofil in das Bauelement (statisch) zu integrieren. Unser Beitrag ist wie folgt gegliedert: Die zum Verständnis erforderlichen Grundlagen werden im folgenden Abschnitt vorgestellt, gefolgt von einem Abschnitt, der die zum Funktionsnachweis des RA durchgeführten Experimente mit einem Monochromator beschreibt und exemplarisch ein Beispiel zum Vergleich von Simulationsrechnung und Experiment zeigt. Schließlich wird abschließend unser mikrosystemtechnischer Ansatz vorgestellt. 2 Grundlagen Durch die Möglichkeit der variabel einstellbaren Verkippung des RA um den Winkel α, wie es Bild 2 zeigt, ergeben sich Unterschiede in den optischen Weglängen um jeweils c0τD zwischen den Retroreflektoren des Arrays, c0 ist dabei die Lichtgeschwindigkeit und p die Periode der Retroreflektoren. Damit lässt sich das RA als zeitdiskretes Filter mit Vorwärtskopplung auffassen. Dieser Filtertyp ist bekannt u.a. als FIR-Filter (Finite Impulse Response), tappeddelay-line oder unter dem hier bevorzugten Begriff Transversalfilter. In allgemeiner Form ist dieses Filter in Bild 3 gezeigt. Es besteht aus einer Kette von Laufzeitgliedern τD. Das Signal wird nach jedem Laufzeitglied abgezweigt und mit einem Filterkoeffizienten gewichtet. Die gewichteten Anteile werden aufsummiert und bilden das Ausgangssignal. Im Fall des RA ergibt sich eine Vereinfachung, da sich sämtliche Filterkoeffizienten mit h1=…=hm=1 ansetzen lassen. Die Verzögerungen zwischen den einzelnen Filterzweigen wachsen dabei um τD, Gl. (1). Bild 3 RA als zeitdiskretes Filter mit Vorwärtskoppelung. Das Ausgangssignal uout(t) lässt sich als diskrete Faltung von Impulsantwort h(t) mit dem Eingangssignal uin(t) beschreiben M p τ D = 2 ⋅ sin α c0 uout (t ) = ∑ hmuin (t − mτ D ) (1) Es werden somit zeitlich äquidistante Verzögerungen τD zwischen den, durch Wellenfronteilung generierten, rückreflektierten Anteilen der auftreffenden Wellenfront erzeugt, Gl. (1). (2) m =0 Nach Fouriertransformation erhält man den korrespondieren Ausdruck für den Zeitfrequenzbereich Gl. (3). M U out (ν t ) = U in (ν t )∑ hm e − i 2πν t mτ D (3) m=0 Bild 4 zeigt grafisch den Zusammenhang zwischen den Gln. (2) und (3). Im Zeitfrequenzbereich ergeben sich diskrete Linien im freien spektralen Abstand δνt, der entsprechend dem Fourierformalismus invers proportional zur Verzögerung τD ist. Man kann somit von einem „einfachen Frequenzkamm“ sprechen. Bild 2 RA Funktionsprinzip. ISBN 978-3-8007-3555-6 Bild 4 Links: Impulsantwort. Rechts: funktion. 444 Übertragungs- © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen Aus Gl. (3) ergibt sich durch Betragsquadratbildung Sνt(νt)=|Uout(νt)|2 und durch Konvertierung in den Wellenlängenbereich die zu erwartende spektrale Intensitätsverteilung Sλ(λ)= Sνt(νt)|dνt/dλ|. 3 Der Vergleich von Simulation und Experiment ist in Bild 7 exemplarisch für den Kippwinkel α=15.25° gezeigt. Bedingt durch Justageungenauigkeiten ergibt sich eine leichte Verschiebung zu größeren Wellenlängen hin beim experimentellen Ergebnis. Experimente zum Funktionsnachweis und Vergleich mit der Simulationsrechnung Bild 5 zeigt schematisch den experimentellen Aufbau. Der von unten kommende Puls uin(t) erfährt am Strahlteiler ST eine Umlenkung und trifft auf das um den Winkel α verkippte RA. Bild 7 Vergleich von Simulation und Experiment. Links: Simulation. Rechts: Experimentelles Ergebnis. 4 Bild 5 RA Experimenteller Aufbau zum Funktionsnachweis. Es entsteht eine Sequenz von Pulsen u1(t)… um(t), deren Anzahl m durch die ausgeleuchteten Retroreflektoren vorgegeben ist. An dieser Stelle wird deutlich, dass das RA als optisches Zeitfilter wirkt. Die Pulssequenz propagiert weiter in Richtung Monochromator (roter Kasten), der hier der Einfachheit halber aus Gitter G und Linse +L bestehend dargestellt ist. Im Fernfeld F erhält man eine modulierte spektrale Intensitätsverteilung. Der Abstand der Peaks ist dabei abhängig vom Kippwinkel α des RA. Exemplarisch zeigt Bild 6 zwei experimentelle Ergebnisse. Der linke Verlauf wurde für den Kippwinkel α=0° bestimmt. Wie man sieht, ist eine leichte Modulation erkennbar, die sich im Experiment nicht ganz unterdrücken ließ. Rechts in Bild 6 sieht man einen spektralen Verlauf, erhalten für den Kippwinkel α=8.5°. Dieser Wert korrespondiert mit einem zeitlichen Abstand τD=98.6 fs zwischen den Pulsen. Mikrosystemtechnischer Ansatz Unser Ansatz beruht auf der Verwendung einer vorstrukturierten Platte [8], [11] die mit zwei erhabenen Bereichen zur Aufnahme von RA und (Amplituden)Filter versehen ist. Beide Komponenten werden analog der Beschreibung in [9] folgend durch die bekannte LIGAMaskentechnik auf die erhabenen Bereiche appliziert. In einem weiteren Schritt erfolgt die Metallisierung mit einer Au-Schicht und schließlich in einem letzten Schritt die Positionierung des Strahlteilers. Als Ergebnis erhält man einen sehr kompakten, fest fixierten Aufbau zur Zeitbereichsfilterung, Bild 8. Bild 8 Mikrosystemtechnischer Ansatz zur Realisierung eines Zeitbereichsfilters. 5 Zusammenfassung Wir haben am Beispiel eines Mikro-Retroreflektor-Arrays gezeigt, dass die LIGA-Technologie sich hervorragend zur Mikrostrukturierung von optischen Komponenten zur Zeitbereichsfilterung von ultrakurzen optischen Pulsen eignet. Auf diesen Ergebnissen aufbauend könnte, für fest vorgegebene Filtereinstellungen, die in diesem Beitrag vorgestellte mikrosystemtechnische Realisierung eines Zeitbereichsfilters umgesetzt werden. Bild 6 Experimentelle Ergebnisse. Links: Messung bei α=0°. Rechts: Messung bei α=8.5°. ISBN 978-3-8007-3555-6 445 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen 6 Danksagung Wir danken für die Unterstützung durch die Karlsruhe Nano Micro Facility (KNMF, www.knmf.kit.edu) einer HGF Forschungseinrichtung am Karlsruher Institut für Technolgy (KIT, www.kit.edu). 7 Literatur [1] W. Denk, J. H. Strickler, W. W. Webb; Two-Photon Laser Scanning Fluorescence Microscopy; Science; vol. 37, no. 248; pp. 73-76, 1990 [2] A. Zeweil; The birth of molecules; Scientific American; pp. 76-82, 1990 [3] N. N. Nidialkov, S. E. Imamova, P. A. Atanasov, Ablation of metals by ultrashort laser pulses; J. Phys. D: Appl. Phys.; vol. 37; pp. 638-643, 2004 [4] A. M. Weiner; Femtosecond pulse processing; Optical and Quantum Electronics; vol. 32; pp. 473487, 2000 [5] O. Mendoza-Yero, B. Alonso, G. Mínguez-Vega, Í. J. Sola, J. Lancis, J. 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