3. Abbildung (Messung) der Liquidität Exkurs: Neuere Rechnungslegungsvorschriften und theoretische Bilanz • US-amerikanische „Generally Accepted Accounting Principles“ (US-GAAP) bzw. IFRS (International Financial Reporting Standards) • Zweck: Bereitstellung von Informationen im Jahresabschluss, die für den Aktionär bzw. den Gläubiger entscheidungserheblich sind („decision usefulness“) • hier: Bewertung des Goodwills • Der (derivative) Goodwill ist der Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis P für die Eigentumsrechte des Unternehmens und der Summe der einzelnen Werte der Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der übernommenen Schulden. Beispiel: Unternehmen 1 erwirbt Unternehmen 2 P = 4.000; Buchwert Vermögensgegenstände 5.000; Schulden (Verbindlichkeiten) 2.700; Buchwert Eigenkapital 2.300; Unternehmen 1 zahlt 4.000 – 2.300 = 1.700 mehr als den Buchwert des Eigenkapitals für die Eigentumsrechte und übernimmt die Schulden in Höhe von 2.700. Der bezahlte Goodwill ist folglich 1.700! © Jochen Drukarczyk 21 3. Abbildung (Messung) der Liquidität • Dieser Goodwill muss gemäß US-GAAP vom erwerbenden Unternehmen 1 aktiviert werden. Er gilt als selbständig bewertbarer Vermögensgegenstand. Damit wird der gesamte gezahlte Kaufpreis P = 4.000 aktiviert (Erstbewertung). • Wie erfolgt die Bewertung des Goodwills in den Folgeperioden (Folgebewertung)? Der Financial Accounting Standard Board (FASB) argumentiert, dass ein Goodwill künftige erwartete Nettoeinzahlungen (benefits) reflektiert: Nur deshalb zahlt der Aufkäufer mit P = 4.000 mehr als den Buchwert des Eigenkapitals (2.300). Folglich darf der Goodwill nur dann niedriger bewertet werden, wenn sein Wert wegen niedrigerer benefits gefallen ist. Spätere Wertsteigerungen des Goodwill dürfen nicht erfasst werden. • Die niedrigere Bewertung von Goodwill erfolgt formal über Abschreibungen auf den Goodwill: Ab t (GW ) = max{0, GWt −1 − GWt }. • Beispiel: Die Eigentümer des kaufenden Unternehmens 1 schätzen die Nettoeinzahlungen des Unternehmens 2 so ein: © Jochen Drukarczyk 22 3. Abbildung (Messung) der Liquidität (1) (2) Umsatzerlöse Betriebliche Aufwendungen Abschreibungen Zinsaufwendungen Reinvestitionen Tilgungen Ausschüttungen (7)=(1)-(2)-(4)-(5)-(6) (3) (4) (5) (6) (7) 1 4.000 2.640 2 4.200 2.772 3 4.400 2.904 4 4.500 2.970 5 4.500 2.970 6 ff. 4.500 2.970 500 216 600 544 590 216 660 552 600 216 720 560 650 216 780 534 700 216 840 474 840 216 840 474 F0BW = 2.700; i v = 0, 08 Alternativrendite der Eigentümer = 0,12; gezahlter Preis P0 = 4.000 BKW0 (EK) = E0 = 4.174 V0BW = 5.000 = 2.700 + 2.300; GW0 = 1.700 • Der Goodwill im Zeitpunkt 0 ist 1.700. • Wie hoch ist Goodwill am Ende der Periode 1? Ist eine Abschreibung auf den Goodwill in Periode 1 vorzunehmen? V1BW = V0BW − Ab1 + I1 = 5.000 − 500 + 600 = 5.1001) F1BW = 2.700 (beachte:Tilgung in t = 1 ist Null) E1 = 4.174(1,12) − 544 = 4.130,9 GW1 = E1 − (V1BW − F1BW ) = 4.130,9 − (5.100 − 2.700) = 1.730,9 EK1BW = 2.400 1) V1BW = Buchwert des Vermögens in t = 1 ; V0BW = Buchwert des Vermögens in t = 0. Beide Angaben ohne Goodwill! © Jochen Drukarczyk 23 3. Abbildung (Messung) der Liquidität GW1 > GW0 Î keine Abschreibung! Wertansatz ist unverändert, da Zuschreibung nicht zulässig ist! Bilanzvermögen am Ende der Periode 0 V0BW 5.000 F0BW 2.700 GW0 1.700 EBW 0 a) 2.300 b) 1.700 6.700 6.700 Der Wert des Unternehmens 2 für den Käufer wird nicht vollständig ausgewiesen, weil Käufer nur 4.000 für die Eigentumsrechte bezahlt, er aber maximal 4.174 hätte bezahlen können. © Jochen Drukarczyk 24 3. Abbildung (Messung) der Liquidität Bilanzvermögen am Ende der Periode 1: V1BW 5.100 F1BW 2.700 GW1 1.700 E1BW 4.100 6.800 6.800 Beachte: E1BW = 4.100 < E1 = 4.130,9 ; der Wert des Unternehmens wird auch in t=1 nicht vollständig ausgewiesen. Die Abweichung entsteht, weil Zuschreibung zum Goodwill nicht zulässig ist. • Wie hoch ist Goodwill am Ende der Periode 2? Ist eine Abschreibung auf den Goodwill vorzunehmen? V2BW = V1BW − Ab 2 + I2 = 5.100 − 590 + 660 = 5.170 F2BW = 2.700 (es erfolgt auch in t = 2 keine Tilgung) E2 = 4.130,9 (1,12) – 552 = 4.074,6 GW2 = E 2 − ( V2BW − F2BW ) = 4.074,6 − (5.170 − 2.700) = 1.604,6. GW2 p GW1 Jetzt ist eine AbEK BW = 2.470 2 schreibung notwendig Die Abschreibung beträgt Ab2(GW) = 1.700-1.604,6=95,4. © Jochen Drukarczyk 25 3. Abbildung (Messung) der Liquidität Das Bilanzvermögen sieht nach Abschreibung so aus: V2BW 5.170,0 F2BW 2.700,0 GW2 1.604,6 EBW 2 4.074,6 6.774,6 6.774,6 Jetzt weist die Bilanz den korrekten investitionstheoretischen Wert des Eigenkapitals E2 aus. Die Bilanzsumme signalisiert immer dann den Wert des Unternehmens bei Fortführung, wenn der Buchwert des Goodwills durch eine Abschreibung korrigiert BW worden ist. Ungenau ausgewiesen wird E t , wenn - der Käufer weniger als den maximalen Grenzpreis bezahlt, - beim Goodwill Zuschreibungen erfolgen müssten (die nicht zulässig sind) bzw. - kein Goodwill vorliegt bzw. der Goodwill bereits voll abgeschrieben ist und weitere Minderungen des Wertes des Eigenkapitals deshalb nicht kenntlich gemacht werden können. © Jochen Drukarczyk 26