Skalenfarbe Schwarz 0001 DIHYDROERGOTAMIN DIHYDROERGOTAMIN FDA, 1946 Nützliches Derivat des giftigen Mutterkorns WIRKUNG Dihydroergotamin ist ein semisynthetisches Mutterkornderivat mit komplexer Wirkung. Es wirkt als partieller Antagonist an Noradrenalin-, Dopamin- und Serotoninrezeptoren. Wahrscheinlich führt es über eine Stimulation des Serotoninrezeptors 5-HT1D zu einer Konstriktion der zerebralen (wie auch peripherer) Arterien. Dihydroergotamin hat auch eine venokonstriktive und eine blutdruckerhöhende Wirkung. PHARMAKOKINETIK Biologische Verfügbarkeit stark variabel* 0,5 - 2% Max. Plasmaspiegel Halbwertszeit Aktive Metaboliten Ausscheidung 30-60 min 1-2 h** wahrsch. wichtig extrarenal * Gastrointestinale Resorption unvollständig und unregelmässig; ausgeprägter präsystemischer Metabolismus. ** Die terminale Halbwertszeit, die für toxische Auswirkungen wichtig sein kann, beträgt 15-20 h. INDIKATIONEN UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN Die wichtigste Indikation von Dihydroergotamin ist der Migräneanfall. Seine Wirksamkeit ist allerdings (wie diejenige von Ergotamin) nur in relativ wenigen Studien befriedigend nachgewiesen. Die parenterale Verabreichung ergibt auch bei schweren Attacken innerhalb einer Stunde bei rund 75% der Behandelten eine deutliche Besserung. Als Alternative steht ein Nasalspray zur Verfügung, der etwa der Hälfte der Kranken hilft. Die orale Verabreichung gilt bei Migräneanfällen als ungenügend wirksam. Das Medikament wird auch zur (oralen) Intervallbehandlung der Migräne empfohlen, ist aber für diese Indikation kaum kritisch geprüft. Dihydroergotamin kann auch zur (intravenösen) Akutbehandlung von Cluster-Kopfschmerzen verwendet werden. Ob orales Dihydroergotamin einen nützlichen Beitrag zur Behandlung der orthostatischen Hypotonie leistet, ist nicht eindeutig nachgewiesen (eventuell in Kombination mit dem Sympathomimetikum Etilefrin). Wegen seiner venokonstriktiven Wirkung wird Dihydroergotmain auch postoperativ mit Heparin zusammen zur Prophylaxe venöser Thrombosen gegeben. Nach neueren Studien ist diese Kombination jedoch nicht wirksamer als niedermolekulares Heparin allein. Noch weniger überzeugend ist der Nutzen des Medikaments bei varikös bedingten Beinbeschwerden. Dihydroergotamin kann Brechreiz, Erbrechen, Obstipation, Kältegefühl und Kribbeln in den Extremitäten verursachen. Unter üblichen therapeutischen Dosen sind eigentliche vaskuläre Spasmen mit Angina pectoris oder peripheren Durchblutungsstörungen (Claudicatio) selten. Im Vergleich mit Ergotamin scheint Dihydroergotamin durchschnittlich weniger unerwünschte Wirkungen hervorzurufen. 78 Aber auch Dihydroergotamin kann einmal (in hohen, wiederholt verabreichten Dosen) den gefürchteten Ergotismus verursachen: Diskreten Symptomen wie Parästhesien, Krämpfen und muskulärem Müdigkeitsgefühl folgen periphere Gangrän, neuropsychische Störungen und gastrointestinale Ischämien. Einzelfälle von retroperitonealer Fibrose sind nach chronischer Einnahme beobachtet worden. KONTRAINDIKATIONEN Schwangerschaft. Koronare Herzkrankheit. Ungenügend kontrollierte Hypertonie. INTERAKTIONEN Makrolidantibiotika (Erythromycin usw.) reduzieren den hepatischen Metabolismus von Ergotderivaten und führen so zu erhöhten Plasmaspiegeln (Ergotismus-Risiko!). Hundert wichtige Medikamente (1994) 0001 Skalenfarbe Schwarz Skalenfarbe Schwarz 0002 DIHYDROERGOTAMIN DOSIERUNG (Erwachsene) Indikation Verabreichung Migräneanfall i.m.* Initialdosis Erhaltungsdosis Dosis Intervall Dosis Intervall 0,5-1,0 mg** 30 min - - * Ausser der i.m. Injektion kommt auch die s.c. oder i.v. Injektion sowie die Verabreichung als nasler Spray in Frage. ** Maximaldosis pro Anfall 2mg, pro Tag 4 mg. Schwangere Frauen Kontraindiziert. Keine teratogene Wirkung bekannt, jedoch Risiko der Auslösung von Wehen. Stillende Mütter Wird wahrscheinlich mit der Muttermilch ausgeschieden: nach Möglichkeit vermeiden! Kinder Nur ausnahmsweise in sehr vorsichtiger Dosierung (Einzeldosis: 0,1 bis 0,5 mg) verwenden. SPEZIELLE HINWEISE Einzelne Fachleute befürworten bei Migräneanfällen die routinemässige Verabreichung eines Antiemetikums (z.B. Metoclopramid). Nach anderen ist dies aber nicht notwendig. KOSTEN Dosis* 4 mg Präparat Kosten Dihydergot (i.m.) 6.20 Dihydergot-Nasalspray 15.* Maximaldosis pro Tag. Bei Verwendung des Nasalsprays reduziert eine kleinere Dosis die Kosten nicht, da die Ampulle in 24 h aufgebraucht sein muss. VERFÜGBARE FORMEN Alte Menschen Keine speziellen Vorsichtsmassnahmen notwendig, sofern keine zusätzlichen Erkrankungen vorhanden sind. An koronare Probleme denken! Tabletten zu 2,5 mg (Dihydergot, Ergotonin), Retardkapseln zu 5 mg (Ikaran retard), Tropflösung zu 2 mg/ml (Dihydergot, Ergotonin). Ampullen zu 1 mg/ml (Dihydergot). Nasalspray zu 4 mg/ml (Dihydergot). Niereninsuffizienz Besonders bei längerer Behandlung Dosisreduktion notwendig. KOMMENTAR Leberinsuffizienz Der reduzierte Lebermetabolismus kann zu hohen Dihydroergotaminspiegeln führen: Dosis reduzieren! Literatur Beutler M. Medikamentöse Therapie des Migräneanfalls. pharma-kritik 1993; 15: 25-8 Bongard O, Bounameaux H. Severe iatrogenic ergotism: incidence and clinical importance. Vasa 1991; 20: 153-6 Passweg J. Behandlung der orthostatischen Hypotonie. pharma-kritik 1987; 9: 73-8 Scott AK. Dihydroergotamine: a review of its use in the treatment of mitgraine and other headaches. Clin Neuropharmacol 1992; 15: 289-96 Welch KMA. Drug therapy of migraine. N Engl J Med 1993; 329: 1476-83 Hundert wichtige Medikamente (1994) 0002 Skalenfarbe Schwarz Dihydroergotamin ist offenbar etwas besser verträglich als Ergotamin. Ob eine der beiden Verbindungen bei Migräneanfällen wirksamer oder praktischer anzuwenden ist, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht entschieden werden. Beide Ergotderivate werden neuerdings von Sumatriptan, einem wesentlich teureren Migränemittel konkurrenziert. Überzeugende Argumente, weshalb Sumatriptan (ausser bei therapierefraktären Fällen) vorgezogen werden sollte, sind nicht vorhanden. Kurativer/präventiver Nutzen Symptomatischer Nutzen Verträglichkeit Kostenvorteil QQQQ QQQQ QQQQ QQQQ 79