Lösungen zum Aufgabenblatt 2 Logik und modelltheoretische Semantik Universität München, CIS, SS 2014 Hans Leiß Abgabe: Di, 29.4.2014, in der Vorlesung Aufgabe 2.1 In einer Boole’schen Algebra hat jedes Element a ein Gegenteil a. Das ist in der Algebra B der Wahrheitswerte der “gegenteilige Wahrheitswert”, also 0 = 1 und 1 = 0, und intuitiv unter den Sätzen zum Satz ϕ der “Gegensatz” ¬ϕ. Betrachte folgende Algebra A = (A, +, ·, , 0, 1), 1 '$ • 3• · a • 0 a&% • wo A die Menge der Punkte auf einem Kreis ist, 1 der (im Bild) oberste und 0 der unterste Punkt, und zu Punkten a und b sei a ≤ b genau dann der Fall, wenn a und b auf demselben Halbkreis von 0 nach 1 liegen und b oberhalb a liegt. (Im Bild: alle b zwischen a und 1 einschließlich sind die b ≥ a, die b zwischen a und 0 einschließlich sind die b ≤ a.) Weiter sei a + b := das bzgl. ≤ kleinste Element x, das a ≤ x und b ≤ x erfüllt a · b := das bzgl. ≤ größte Element x, das x ≤ a und x ≤ b erfüllt a := das dem a “gegenüberliegende” Element (d.h. das auf der Geraden durch a und den Kreismittelpunkt) Wir haben also hier ein anschauliches Beispiel für den Begriff des “Gegenteils”, oder für die Redeweise “x ist das Gegenteil von y”. Frage: Ist diese Algebra A eine Boole’sche Algebra? Überprüfe, welche der Axiome wahr sind und welche ggf. nicht wahr sind, und begründe Deine Meinung mit Hilfe der Definitionen! (Z.B.: ist für jedes a tatsächlich a · a = 0, wie eines der Axiome verlangt?) Aufgabe 2.2 Sei A = (A, +, ·, , 0, 1) mit A = {a, b, c, d, e, f, g, h} und den durch folgende Tabellen definierten Operationen: + a b c d e f g h a a g g a a g g a b g b g b g b g b c g g c g c c g c d a b g d a b g d e a g c a e c g e f g b c b g f g f g g g g g g g g g h a b c d e f g h · a b c d e f g h a a d e d e h a h b d b f d h f b h c e f c h e f c h d d d h d h h d h e e h e h e h e h f h f f h h f f h g a b c d e f g h h h h h h h h h h a b c d e f g h f e d c b a h g Das ist eine Boole’sche Algebra, z.B. gilt von der Distributivität u.a. (a +A f ) ·A c = g ·A c = c = e +A f = (a ·A c) +A (f ·A c). • Bilde die Boolesche Algebra P(I) der Menge I = {1, 2, 3}. Gib einen Isomorphismus h zwischen A und P(I) an, also eine Bijektion, die mit den Operationen +, ·, , 0, 1 verträglich ist (ein Homomorphismus in beiden Richtungen). (Kurz gesagt: welches der Elemente a, . . . , h “entspricht” welcher der acht Teilmengen von {1, 2, 3} ?) Rechnen Sie für Ihr h : A → P(I) vor, daß h(a +A f ) = h(a) +P(I) h(f ), A h(a · f ) = h(a) · h(aA ) = h(a) P(I) P(I) . h(f ), (1) (2) (3) • Gib einen Homomorphismus von A in die Boole’sche Algebra B := P({k, l}) an, wo +B die Vereinigung, ·B der Durchschnitt, und B das Komplement bezüglich des Individuenbereichs {k, l} ist. Lösung von Aufgabe 2.2 + ist assoziativ: wenn a, b, c auf demselben Halbkreis von 0 nach 1 liegen, ist a + (b + c) das bzgl. ≤ größte der drei Elemente, und (a + b) + c auch, also gilt dann a + (b + c) = (a + b) + c. Wenn zwei der Elemente, etwa a und b auf verschiedenen Halbkreisen von 0 nach 1 liegen, und c etwa auf demselben Halbkreis wie a, so ist a + (b + c) = 1, weil schon b+c = 1 ist, und (a+b)+c = 1, weil schon a+b = 1 ist. Also ist auch hier a+(b+c) = (a+b)+c. + ist kommutativ: wenn a und b auf demselben Halbkreis von 0 nach 1 liegen, ist a + b das größere der beiden, und b + a ebenfalls; also gilt a + b = b + a. Wenn sie auf verschiedenen Halbkreisen von 0 nach 1 liegen, ist a + b = 0 = b + a. + ist idempotent: a liegt auf demselben Halbkreis wie a, also ist a + a das größere der beiden Elemente, also a, daher: a + a = a. 0 ist neutral bzgl. +: 0 liegt auf demselben Halbkreis von 0 nach 1 wie a, also ist a + 0 das größere der beiden Elemente, also a; daher gilt a + 0 = a. 2 Gegenteile sind erschöpfend, a+a = 1: a und a liegen (zumindest für a ∈ / {0, 1}) auf verschiedenen Halbkreisen von 0 nach 1, also ist a + a = 1. Auch wenn eines der Elemente 0 ist, ist das kleinste Element x, das a ≤ x und a ≤ x erfüllt, das Element 1. Daher gilt in jedem Fall a + a = 1. Die entsprechenden Aussagen für · und 1 sieht man mit analogen Argumenten. Aber A kann keine Boole’sche Algebra sein, denn auf den Folien wurde gezeigt, daß in einer Boole’schen Algebra aus a · b = 0 und a + b = 1 sich ergibt, daß a = b. Und das ist in unserem Beispiel nicht der Fall: wir finden ja leicht zwei Punkte a und b auf verschiedenen Halbkreisen von 0 nach 1, wo a 6= b ist. Also muß mindestens eines der Distributivitätsaxiome in A falsch sein. Gilt a · (b + c) = (a · b) + (a · c) ? Wähle b und c auf unterschiedlichen Halbkreisen von 0 nach 1. Dann ist b + c = 1, also a · (b + c) = a · 1 = a. Anderseits ist, wenn z.B. b ≤ a ≤ 1 ist, (a · b) + (a · c) = b + (a · c) = b + 0 = b. Aber sicher können wir solche Elemente mit a 6= b finden. Also ist das Distributivgesetz falsch. Konstruiere eine entsprechendes Beispiel, um zu zeigen, daß auch a + (b · c) = (a + b) · (a + c) i.a. falsch ist. (Welche möglichen Fälle, wie a, b, c auf dem Kreis relativ zu einander liegen, muß man betrachten?) 3