Okulare Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) Diplomarbeit der Fakultät für Biologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen vorgelegt von Miriam Judith Henze Tübingen, Oktober 2002 Okulare Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) Diplomarbeit der Fakultät für Biologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen vorgelegt von Miriam Judith Henze Tübingen, Oktober 2002 Erklärung: Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbst verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Tübingen, den [Miriam Judith Henze] Zusammenfassung Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurden die Akkommodation und damit in Beziehung stehende Merkmale des Auges bei der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) untersucht. Fotoretinoskopische Messungen ergaben, dass Akkommodationsgeschwindigkeit (bis zu 150 dpt/s), -breite (55 dpt) und -präzision (keine signifikante Abweichung von der Zielentfernung) mit denen des Chamäleons vergleichbar sind und die anderer terrestrisch lebender Vertebraten deutlich übertreffen. Eine Fovea, welche als besonderer Fokusindikator dienen könnte, besitzen die Tiere nicht. Normalerweise akkommodiert die Zacken-Erdschildkröte in beiden Augen unabhängig voneinander. Wie beim Chamäleon kommt es jedoch zu einer zentralnervösen Kopplung, wenn eine Beute binokular fixiert wird. Die Refraktion und die Abbildungsqualität in der das Auge horizontal halbierenden Ebene unterscheiden sich bei Divergenzwinkeln von bis zu 30° nicht von der Situation in der optischen Achse. In Übereinstimmung damit findet man in der Retina ein horizontales Band hoher Ganglienzelldichte: Das Bildauflösungsvermögen sinkt vom Zentrum zur Peripherie hin kaum. In der das Auge vertikal halbierenden Ebene nimmt die Refraktion von oben nach unten kontinuierlich ab (Differenz innerhalb von ± 30° bis zu 59 dpt). Dies kann als Anpassung an die durchschnittliche Objektentfernung für verschiedene Regionen des visuellen Feldes interpretiert werden. Allerdings zeigen die Untersuchungen, dass im ventralen Gesichtsbereich ein Astigmatismus auftritt, der zur Peripherie hin wächst. Die hieraus resultierende schlechtere Bildqualität im unteren Teil des visuellen Feldes lässt sich nicht mit der dort noch vergleichsweise hohen retinalen Auflösung und der Lebensweise der Tiere (am Boden nach Beute jagend) in Einklang bringen. Wie bei vielen Vertebraten kontrahiert der Schließmuskel in der Iris von Geoemyda spengleri mit zunehmender Lichtintensität und bei Nahakkommodation. Da die Linse der Schildkröten in die vordere Augenkammer hervorragt, sollte durch eine Verengung der Pupille nicht nur die Tiefenschärfe sondern auch die Brechkraft des Auges vergrößert werden, indem sich der Krümmungsradius der anterioren Linsenoberfläche verringert. Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Einführung ........................................................................................................................7 1.1 Die Verwandtschaftsverhältnisse der Reptilien..........................................................8 1.2 Das Reptilienauge .......................................................................................................8 1.3 Akkommodationsmechanismen..................................................................................9 1.4 Akkommodation bei Reptilien..................................................................................10 1.5 Die Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) ..................................................11 1.6 Zielsetzung................................................................................................................12 Material und Methoden .................................................................................................15 2.1 Herkunft und Haltung der Versuchstiere ..................................................................15 2.2 Auswahl der Versuchstiere .......................................................................................15 2.3 Infrarot-Fotoretinoskopie..........................................................................................15 2.4 Eichung der Fotorefraktion.......................................................................................18 2.5 Aufnahme und Auswertung der IR-Videosequenzen ...............................................18 2.6 Akkommodation .......................................................................................................19 2.7 Die Refraktion abseits von der optischen Achse ......................................................20 2.8 Astigmatismus ..........................................................................................................20 2.9 Pupillengröße ............................................................................................................21 2.10 Retrogrades tracing ..................................................................................................21 2.11 Ganglienzelldichte ....................................................................................................22 Ergebnisse........................................................................................................................23 3.1 Eichung der Fotorefraktion.......................................................................................23 3.2 Akkommodationsbreite und -genauigkeit.................................................................25 3.3 Akkommodationsgeschwindigkeit ...........................................................................29 3.4 Kopplung der Akkommodation ................................................................................29 3.4.1 Infrarotdurchlässiger Filter ...............................................................................31 3.4.2 Ophthalmische Linsen ......................................................................................33 3.5 Variation des Refraktionsstatus innerhalb des visuellen Feldes und Astigmatismus ..................................................................................................................................37 Inhaltsverzeichnis 4 3.6 Fundusgeometrie.......................................................................................................41 3.7 Pupillenreaktionen ....................................................................................................41 3.8 Binokulare Unabhängigkeit der Pupillennahreaktion...............................................44 3.9 Topographie der Retina ............................................................................................46 Diskussion........................................................................................................................49 4.1 Small-eye artefact .....................................................................................................49 4.2 Die Bedeutung der dynamischen Akkommodation..................................................50 4.3 Die Rolle der Akkommodationskopplung ................................................................52 4.4 Das periphere Sehfeld...............................................................................................53 4.4.1 Kurzsichtigkeit im unteren und Weitsichtigkeit im oberen Sehfeld.................53 4.4.2 Astigmatismus im unteren Sehfeld...................................................................55 4.5 Der Schließmuskel der Iris .......................................................................................56 4.6 Spezialisierungen der Retina ....................................................................................58 4.7 Schlussbemerkung ....................................................................................................60 5 Abkürzungen...................................................................................................................61 6 Literaturverzeichnis .......................................................................................................63 7 Danksagung .....................................................................................................................69 1 Einführung ...there are some features of our eyes that are common to all animals that detect light... There are also aspects of our eyes that reflect adaptations to our more recent environment rather than our line of descent. It is this mix of various factors that produced the eyes we were born with. (Rodieck 1998) Kaum ein anderes Sinnesorgan wird so häufig als Wunder der Evolution bezeichnet wie das Auge – sicher nicht ganz zu unrecht, wenn man bedenkt, dass hier ohne Kenntnis der komplexen Eigenschaften des Lichts ein Gebilde entstanden ist, das daraus eine enorme Fülle von Informationen über die Welt erhalten kann. Höher entwickelte Augen sind im Tierreich mehrmals unabhängig voneinander entstanden (Land und Nilsson 2002). Die paarigen Augen der Vertebraten (Wirbeltiere) stammen jedoch alle von einer Urform ab. Man findet stets den gleichen Grundplan, der entsprechend der phylogenetischen Vorgeschichte einer Art und den Anforderungen, die Lebensweise und Umgebung an sie stellen, abgewandelt und perfektioniert ist (Rodieck 1998). Bei den Reptilien und Vögeln spielt der visuelle Sinn unzweifelhaft die wichtigste Rolle. Fische und Amphibien, Tiere, die sich immer oder zu einem beträchtlichen Teil ihres Lebens im aquatischen Milieu aufhalten, stützen sich weit weniger auf ihre Augen. Im Vergleich zu Luft ist Wasser ein schlecht geeignetes Medium für die Lichttransmission. Es ist oft aufgewühlt und durch Schwebstoffe getrübt. Außerdem absorbiert es elektromagnetische Strahlung im Spektralbereich des Lichts, so dass sich diese in ihm nur eine begrenzte Distanz fortpflanzt. Selbst im klarsten Meerwasser dringt in Tiefen von über 900 m keine Sonne mehr vor (Land und Nilsson 2002). Obwohl die meisten Säugetiere terrestrisch leben, dominiert auch bei ihnen das Sehvermögen nur in Ausnahmefällen – etwa bei den Primaten. In der Regel verlassen sie sich eher auf ihr Gehör und ihren Geruchsinn, was sicher darauf beruht, dass die überwiegende Zahl der Säuger nachtaktiv ist. Reptilien und Vögel sind in der Mehrheit auf ein Sehen in der Luft und am Tage spezialisiert. Was die Ausnutzung visueller Information angeht, so haben sie den höchsten Standard erreicht. Ihre Augen zeigen eine Reihe struktureller und funktioneller Besonderheiten (Granda und Dvorak 1977) und sind daher dankbare Studienobjekte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Akkommodation und damit verbundene Aspekte des Auges bei einer Schildkrötenart untersucht. Schildkröten bilden eine Entwicklungslinie innerhalb der Reptilien, deren Bauplan sich in den letzten 200 Millionen Jahren kaum verändert hat. Sie stellen damit die ältesten aller heute lebenden Formen dar (Nöllert 1992, Cogger und Zweifel 1999). 7 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 1.1 Die Verwandtschaftsverhältnisse der Reptilien Zu den rezenten Reptilien zählen neben den Schildkröten, den Brückenechsen, Doppelschleichen, Schlangen, Echsen und Krokodilen genau genommen auch die Vögel. Aus traditionellen Gründen gesteht man diesen jedoch eine eigene Klasse zu. Es gilt heute als weitgehend gesichert, dass die Squamata (Schuppenkriechtiere), zu denen die Amphisbaenia (Doppelschleichen), Serpentes (Schlangen) und Sauria (Echsen) gehören, die Schwestergruppe der Rhynchocephalia (Brückenechsen) sind. Zusammen bilden sie die Unterklasse der Lepidosauromorpha, die man den Archosauromorpha, den Krokodilen und Vögeln, gegenüberstellt (Cogger und Zweifel 1999). Wie die Schildkröten in den Stammbaum einzuordnen sind, ist unklar. In den klassischen Lehrbüchern (z. B. Romer 1966) werden sie als ein Ast beschrieben, der abzweigt, bevor sich die übrigen, rezent vertretenen Entwicklungslinien aufspalten. Diese Hypothese wird vor allem mit einem ursprünglichen Merkmal ihres Schädels begründet. Danach zeigen altertümliche Schildkröten im Gegensatz zu den letzten gemeinsamen Vorfahren der Lepidosauromorpha und Archosauromorpha noch das vollständig geschlossene Schläfendach der frühen Amnioten. Bei den rezenten Arten ist es zwar oft reduziert, allerdings in wechselnder Weise und stets vom Rand her, nie durch Fensterbildung, wie es bei den beiden anderen Gruppen der Fall ist. Ob die Klassifizierung der Reptilien anhand der Struktur ihrer temporalen Schädelregion gerechtfertigt ist, wird schon seit langem kontrovers diskutiert. Unterschiede im Bau des Schläfendachs lassen vermuten, dass die Situation bei den Schildkröten nicht widerspiegelt, was bei den Stammformen vorlag. Möglicherweise haben sie einst Schläfenfenster besessen, die sekundär wieder geschlossen wurden. Ergebnisse neuerer Untersuchungen unterstützen diese Annahme: Molekulare Daten legen nahe, dass die Schildkröten die Schwestergruppe der Archosauromorpha bilden, morphologische Studien weisen auf eine enge Verwandtschaft zu den Lepidosauromorpha hin. Allerdings liefern einige Analysen auch Belege für die traditionelle Theorie (Rieppel 2000, Zardoya und Meyer 2001). Die Frage nach dem Ursprung der Schildkröten bleibt also letztlich ungeklärt. 1.2 Das Reptilienauge Eingangs wurde erwähnt, dass Reptilien über ein hervorragendes Sehvermögen verfügen. Dies trifft zwar auf die Mehrzahl der rezenten Arten zu, ist aber eine generalisierte Aussage, die die gravierenden Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen nicht berücksichtigt. So ist der visuelle Sinn bei den Krokodilen eher schwach ausgebildet. Ihre Augen sind recht einfach gebaut und an das Sehen unter geringen Lichtverhältnissen angepasst. Das Gleiche gilt für die nachtaktiven Brückenechsen. Bei den im Boden grabenden Doppelschleichen sind die Augen in weitem Ausmaß reduziert. Man nimmt an, dass dies bei den Vorfahren der Schlangen, die vermutlich ebenfalls unterirdisch lebten, genauso der Fall war. Aus Rudimenten ist bei ihnen sekundär wieder ein funktionsfähiges Sinnesorgan entstanden. Darauf beruht 8 Einführung wohl die Tatsache, dass das Auge der rezenten Schlangen zahlreiche Eigentümlichkeiten aufweist und selbst dem ihrer nächsten Verwandten kaum ähnelt. Wenn vom typischen Reptilienauge die Rede ist, ist meist das der Echsen gemeint. Diese überwiegend tagaktiven Tiere stützen sich stark auf visuelle Information. Sie besitzen hoch entwickelte Augen mit erstaunlichen Spezialisierungen. Auch die Schildkröten verfügen über ein hervorragendes Sehvermögen (Duke-Elder 1958, Underwood 1970). Der Bauplan ihres Auges stimmt mit dem der Echsen weitgehend überein: Hinter der Iris befindet sich eine weiche, leicht verformbare Linse. Sie ragt geringfügig in die vordere Augenkammer vor. Ein Ring aus Knochenplättchen am Übergang von der Sklera zur Kornea gibt dem quergestreiften Ziliarmuskel Widerlager, der primär für die Akkommodation verantwortlich ist. Wenn er kontrahiert, stoßen Ziliarfortsätze an die Linse an. Die Iris weist einen kräftigen, quergestreiften Schließmuskel auf, der eine ergänzende Funktion bei der Akkommodation übernimmt. Die Retina ist avaskular und wird indirekt durch die Aderhaut ernährt. Eine besondere Struktur zur Verbesserung der metabolischen Versorgung wie der Conus papillaris bei den Echsen existiert nicht (DukeElder 1958, Underwood 1970, Granda und Dvorak 1977). Mit einer einzigen Ausnahme, in der eine leichte Einsenkung festgestellt wurde, konnte bisher bei keiner Art eine Fovea entdeckt werden. Dagegen ist bei den meisten tagaktiven Echsen eine tiefe Grube in der Netzhaut vorhanden. Wegen ihrer konvexen Wände (lat. clivus = Abhang) wird diese Fovea als konvexikliv bezeichnet. Am besten ausgebildet ist sie beim Chamäleon. Einige Anolis besitzen sogar zwei Foveae: neben der zentralen tritt noch eine weitere, temporale auf (Duke-Elder 1958, Walls 1942). 1.3 Akkommodationsmechanismen Das Wort „Akkommodation“ kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt „Anpassung“ (lat. accommodare = anpassen). Bezogen auf das Sehen beschreibt es Veränderungen, die stattfinden, um das Auge auf eine bestimmte Entfernung zu fokussieren (es daran anzupassen). Sehr kleine Augen mit einer geringen visuellen Auflösung besitzen eine hohe Tiefenschärfe (Green et al. 1979). Dies kann dazu führen, dass sich jede Art von Akkommodation erübrigt, weil von der Unendlichkeit bis hin zu einem Abstand von nur wenigen Millimetern vor dem Auge alles scharf auf der Netzhaut abgebildet wird (Sivak 1980, Collett und Harkness 1982). Steigt die Augengröße und die visuelle Auflösung, so sinkt die Tiefenschärfe. Deckt diese die Spanne der biologisch, d. h. für das Tier relevanten Entfernungen nicht mehr ab, wird ein Mechanismus erforderlich, der es ermöglicht, das Auge auf verschiedene Distanzen einzustellen. Grundsätzlich kann das geschehen, indem die Brechkraft der optischen Medien oder der Abstand zwischen den dioptrischen Elementen und der Rezeptorebene variiert wird. Beide Optionen findet man bei den Vertebraten verwirklicht. Knochenfische, Knorpelfische, Am- 9 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte phibien und Schlangen können ihre Linse, die eine feste Brennweite aufweist, in Richtung der Retina oder von dieser weg bewegen. Bei Säugetieren, Schildkröten, Echsen und Vögeln bleibt die Position der Linse gleich, stattdessen wechselt ihr Krümmungsradius und damit ihre Brechkraft. Zusätzlich verändert sich bei einigen Vögeln die Wölbung der Kornea, welche an der Luft ein wesentliches Brechungselement bildet (Sivak 1980, Martin 1987, Land und Nilsson 2002). Außer den bisher beschriebenen dynamischen Mechanismen, die intraokulare Muskelaktivität erfordern, kommen auch statische Strukturen in Frage, um den Fokus des Auges auf verschiedene Entfernungen einzustellen. Sie sind besonders dann sinnvoll, wenn die Distanz eines Objekts, das sich in einem bestimmten Bereich des visuellen Feldes befindet, vorhersehbar ist. Für ein am Boden lebendes Tier gilt im Allgemeinen: Je niedriger im visuellen Feld etwas erscheint, umso dichter ist es. Entsprechend erweist es sich als vorteilhaft, die Brechkraft der dioptrischen Elemente oder den Abstand zwischen ihnen und der Rezeptorebene so zu variieren, dass die Fokalebene des Auges im unteren visuellen Feld bei geringeren Entfernungen liegt als im oberen. Etwas Derartiges findet man z.B. bei Vögeln, die auf der Erde nach Nahrung suchen. Sie sind im unteren Gesichtsfeld kurzsichtig (lower field myopia). Dadurch werden nahe Objekte am Boden und entfernte am Horizont gleichzeitig scharf auf der Netzhaut abgebildet (Sivak 1980, Land und Nilsson 2002). 1.4 Akkommodation bei Reptilien Die Fähigkeit zur Akkommodation und der zugrunde liegende Mechanismus differieren unter den verschiedenen Reptiliengruppen gewaltig. Anatomische Merkmale lassen vermuten, dass Amphisbaenen, Brückenechsen und Krokodile, wenn überhaupt, nur geringfügig in der Lage sind, zu akkommodieren (Underwood 1970, Sivak 1980). Eine Untersuchung an Krokodilen hat ergeben, dass diese Tiere den Verlust an Brechkraft nicht ausgleichen, der beim Untertauchen durch den Wegfall der Luft-Kornea Grenzfläche entsteht. Während ihr Auge an der Luft emmetrop (normalsichtig) ist, wird es unter Wasser in bedeutendem Ausmaß hyperop (weitsichtig). Eine Fokussierung des Auges auf verschiedene Entfernungen konnten in keinem der beiden Medien beobachtet werden (Fleishman et al. 1988). Schlangen besitzen die Fähigkeit zur Akkommodation und haben einen Mechanismus entwickelt, der unter den Vertebraten einmalig ist. Sie verschieben die Linse entlang der optischen Achse, indem sie durch Kontraktion bzw. Erschlaffung der Irismuskulatur den intraokularen Druck variieren (Sivak 1980). Als typisch für die Sauropsiden (Reptilien und Vögel) gilt die Weise, in der Schildkröten und Echsen akkommodieren: Im Grundzustand ist ihr Auge auf das Unendliche fokussiert. Zur Naheinstellung wird durch Kontraktion des Ziliarmuskels Druck auf die sehr weiche Linse ausgeübt und ihr Krümmungsradius vermindert (Duke-Elder 1958, Sivak 1980). Bei den Schildkröten besitzt der Schließmuskel der Iris eine unterstützende Funktion bei der Akkom- 10 Einführung modation: Wenn er kontrahiert, wird der vordere, durch die Pupille ragende Teil der Linse zusammengepresst und seine Wölbung weiter erhöht (Sivak 1980). Einige semiaquatische Schlangen scheinen diesen Ergänzungsmechanismus ebenfalls zu nutzen (Walls 1942, Underwood 1970, Sivak 1980, Schaeffel und Mathis 1991). Generell verringern viele Reptilien ihre Pupillengröße, wenn sie akkommodieren bzw. Akkommodation erforderlich wäre (Chamäleons bei der Nahakkommodation (Ott et al. 1998), Seeschlangen an Land (Walls 1942, Underwood 1970), Krokodile im Wasser (Fleishman et al. 1988)). Dies hat aber in der Regel keinen Effekt auf die Linse, sondern dient lediglich der Erhöhung der Tiefenschärfe. Was die Akkommodationsbreite angeht, so ist sie bei einzelnen Vertretern aus der Gruppe der Schlangen, Echsen und Schildkröten beträchtlich (45 dpt beim Chamäleon (Ott et al. 1998), > 100 dpt bei semiaquatischen Schlangen (Schaeffel und Mathis 1991), > 100 dpt bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys (früher: Pseudemis) scripta elegans) (Sivak 1980, Northmore und Granda 1991a)). Allerdings variiert sie zumindest unter den Schildkröten in Abhängigkeit von der Lebensweise ganz erheblich: Bei den semiaquatischen Süßwasserschildkröten ist die Akkommodationsfähigkeit enorm, bei den Land- und Meeresschildkröten dagegen vergleichsweise gering (Ehrenfeld und Koch 1967). 1.5 Die Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) Die nachfolgend beschriebenen Untersuchungen fanden an der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri, Gmelin 1798) statt. Sie gehört zur Familie der Emydidae, zu den in der Regel amphibisch lebenden Sumpfschildkröten. Vertreter dieser Gruppe, insbesondere Emys orbicularis, die Europäische Sumpfschildkröte, und Trachemys (früher: Pseudemis) scripta elegans, die RotwangenSchmuckschildkröte, sind beliebte Versuchstiere beim Studium des visuellen Systems. Entsprechend existieren Veröffentlichungen über zahlreiche Aspekte ihres Sehvermögens. Für Experimente an einer relativ nah verwandten Art kann diese Literatur wichtige Anhaltspunkte liefern und einen lohnenden Vergleich bieten. Ihren lateinischen Namen, Geoemyda spengleri, erhielt die Zacken-Erdschildkröte zu Ehren von Lorentz Spengler (1720-1807), dem Verwalter der königlichen Kunstkammer in Kopenhagen. Er lieferte den Panzer des ersten beschriebenen Exemplars. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Tiere blieb zunächst noch unbekannt. Nach heutigen Erkenntnissen erstreckt es sich auf Südchina, Vietnam und die indonesischen Inseln Borneo und Sumatra (Manthey und Grossmann 1997, Uetz 1999). Populationen in Japan (Ryukyu-Inseln), ursprünglich als eine Lokalform von Geoemyda spengleri betrachtet (Geoemyda spengleri japonica), werden inzwischen einer eigenständigen Art zugerechnet (Geoemyda japonica, Yasukawa et al. 1992). Die Zacken-Erdschildkröte bewohnt die feucht-kühlen Nebelwälder der Höhenlagen um etwa 800-1000 m üNN. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sumpfschildkröten lebt Geoemyda 11 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Abb. 1: Die Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri). Links eine Seitenansicht: Zu erkennen sind der kräftige Mittelkiel und die stark gezackten hinteren Marginalschilder des Rückenpanzers. Rechts eine Frontalaufnahme: Auffallend sind die großen Augen, mit denen das Tier aufmerksam die Umgebung mustert. spengleri vorwiegend terrestrisch. Sie ernährt sich fast ausschließlich carnivor und ist ein gefräßiger Jäger, der sich an tote Nahrung nur schwer gewöhnen kann. In ihrer natürlichen Umgebung, dem Falllaub und Unterwuchs des Waldes, sind die kleinen Tiere hervorragend getarnt. Ihr Panzer, der höchstens eine Länge von 13 cm erreicht, erinnert in Farbe und Gestalt an ein abgestorbenes Blatt (Abb. 1): Er ist gelblichbraun getönt, manchmal marmoriert. Der kräftige dorsale Kiel täuscht eine Mittelrippe vor. Die Marginalschilder sind hinten stark gezackt und leicht aufwärts gebogen wie die gesägten Ränder eines toten Blattes. Dies ermöglicht es den Schildkröten mit dem Waldboden zu verschmelzen, wo sie stundenlang regungslos auf Beute lauern. Ihre großen, hochbeweglichen Augen sind weit geöffnet und mustern aufmerksam das Umfeld (Abb. 1). Entdeckt ein Tier ein krabbelndes Insekt, streckt es den Kopf vor, nähert sich unerwartet flink dem Opfer und schlägt mit seinem kräftigen Hakenschnabel blitzschnell zu (Rudloff 1986, Rudloff 1990, Buskirk 1993, Manthey und Grossmann 1997). Die Lebensweise dieser Schildkröten lässt vermuten, dass ihr visueller Sinn gut entwickelt ist und ein hervorragendes Fokussierungssystem für sie sehr von Vorteil wäre. 1.6 Zielsetzung Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollte das Fokussierungssystem der Zacken-Erdschildkröte untersucht werden. Von einem anderen Reptil, dem Chamäleon, ist bekannt, dass es die Akkommodation als alleinigen Parameter für die visuelle Entfernungseinschätzung nutzt (Harkness 1977). Sein Fokussierungssystem erfüllt dazu besondere Anforderungen (Ott et al. 1998). Ein Ziel war es zu überprüfen, ob das der Zacken-Erdschildkröte von seinen Leistungen her ebenfalls für eine solche Aufgabe in Betracht kommt. Deshalb wurden die Breite und die Geschwindigkeit der Akkommodation sowie ihre Genauigkeit bei der Fixierung einer 12 Einführung Beute bestimmt. Weiterführende Experimente dienten dazu, das Verhältnis der beiden Augen zu klären. Beim Chamäleon wurde beobachtet, dass die Augen zwar normalerweise getrennt voneinander akkommodieren, beim Anvisieren einer Beute jedoch gekoppelt werden (Ott et al. 1998). Eine Ermittlung der Refraktion abseits von der optischen Achse sollte Aufschluss darüber geben, ob neben dem dynamischen Mechanismus eine statische Struktur zur Fokussierung des Auges auf verschiedene Entfernungen existiert. In diesem Zusammenhang wurde auch die Abbildungsqualität in der Augenperipherie betrachtet, insbesondere wurden bestimmte Regionen auf einen Astigmatismus hin untersucht. Da der Schließmuskel der Iris bei den Schildkröten laut Literatur (Walls 1942, Duke-Elder 1958, Underwood 1970, Granda und Dvorak 1977, Sivak 1980) an der Akkommodation beteiligt ist, wurden Veränderungen der Pupillengröße analysiert. Eine wesentliche Rolle für die präzise Einstellung der Brennebene des Auges auf eine bestimmte Entfernung spielt, wie genau eine Unschärfe des Bildes auf der Netzhaut erkannt werden kann. Diese Fähigkeit wiederum wird durch das retinale Auflösungsvermögen begrenzt. Im Hinblick auf regionale Unterschiede und die mögliche Existenz besonderer Spezialisierungen wie einer Fovea sollte die Ganglienzellverteilung im Auge einer Zacken-Erdschildkröte ermittelt werden. 13 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 14 2 Material und Methoden 2.1 Herkunft und Haltung der Versuchstiere Für die Experimente standen 11 adulte Individuen der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) zur Verfügung. Bei den Tieren, 7 Weibchen und 4 Männchen, handelte sich um Wildfänge, die über eine Reptilienhandlung bezogen wurden. Sie waren gemeinsam in einem großen Glasterrarium (Länge x Breite x Höhe = 200 cm x 55 cm x 50 cm) untergebracht, das von 8 bis 20 Uhr mit zwei Leuchtstoffröhren (Reptisun 5.0 UVB) beleuchtet wurde. Eine Klimaanlage sorgte dafür, dass die Raumtemperatur tagsüber bei 26°C lag und nachts auf 19°C abfiel. Durch häufiges Besprühen und die Verwendung eines Bodensubstrats mit hohem Wasserspeichervermögen (Cocosan: Pflanzenerde aus Kokosnussschale) konnte die Luftfeuchtigkeit im abgedeckten Terrarium bei nahezu 100 % gehalten werden. Gewölbte Rindenstücke und Pflanzen boten den Tieren Rückzugsmöglichkeiten. Durch das zum Teil übereinander liegende Holz entstanden trockene Aussichtsplätze. Zwei flache, mit Wasser gefüllte Kunststoffschalen dienten als Badebecken. Sie wurden täglich gereinigt, um Infektionen vorzubeugen. Gefüttert wurde ein- bis zweimal die Woche. Eine Ausnahme bildete die Zeit direkt vor Versuchen, in denen die Aufmerksamkeit der Schildkröten auf Beute gelenkt werden sollte. In dieser erhielten sie keine Nahrung. Auf dem Speiseplan standen Larven des Großen Schwarzkäfers (Zophobas morio) und Mehlwürmer (Tenebrio molitor), gelegentlich auch neugeborene Mäuse (Mus musculus), Regenwürmer (Lumbricus terrestris), Nacktschnecken (Arion sp.) und Kellerasseln (Porcellio scaber). 2.2 Auswahl der Versuchstiere Die Untersuchung der Ganglienzellverteilung in der Retina erfolgte an einem Tier, das für die Zucht nicht in Frage kam. Für die Verhaltensexperimente wurden die Schildkröten nach ihrer Kooperationsbereitschaft ausgewählt. Um individuelle Unterschiede erkennen zu können, wurde bei allen Messungen dokumentiert, an welchem Exemplar sie stattgefunden hatten. Damit es nicht zu Verwechslungen kam, wurden die Tiere auf ihren Panzern mit den Nummern 1 bis 11 markiert (1-7: Weibchen, 8-11: Männchen). 2.3 Infrarot-Fotoretinoskopie Der Refraktionsstatus (= Brechungszustand) des Auges wurde mit Hilfe exzentrischer Fotorefraktion (= Fotoretinoskopie) bestimmt. Die verwendete Messanordung basiert auf einem Entwurf von F. Schaeffel (Schaeffel et al. 1987, Schaeffel 1994a). 15 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Vor den unteren Bereich der Objektivöffnung einer infrarotsensitiven Videokamera (Canon Ci-20 PR) wurde eine Aperturblende gesetzt (Abb. 2 und Abb. 3). Auf dieser waren 13 Infrarot-Leuchtdioden (IR-LEDs, Infineon SFH 484-2) in vier Reihen mit unterschiedlicher Exzentrizität zur optischen Achse der Kamera angebracht. Sie wurden simultan bei maximaler Stromstärke betrieben. Das Licht einer IR-LED, das ins Auge eintritt, wird vom Augenhintergrund teilweise zurückgeworfen und ist in der Pupille als Fundusreflex sichtbar (Abb. 4), sofern das Auge nicht genau auf die Kamera Abb. 2: Verwendete fotoretinoskopische Apparafokussiert ist. In diesem Fall treffen tur. Zu sehen sind die infrarotsensitive Videokamera sich die zurückkehrenden Strahlen und das Infrarot-Fotoretinoskop. Letzteres besteht aus wieder in der Lichtquelle und die einer Blende mit Infrarot-Leuchtdioden, die vor dem Pupille bleibt dunkel. Liegt die unteren Bereich des Kameraobjektivs angebracht ist. Die gesamte Apparatur wurde auf einer optischen Bank Bildebene des Auges dagegen vor (Metallschiene mit Zentimetereinteilung) befestigt. der Kamera, so kreuzen sich die Strahlen schon dort und es gelangt Licht aus dem unteren Bereich der Pupille in das Objektiv. Das Licht aus dem oberen Bereich wird durch die einseitige Aperturblende abgeschirmt. Umgekehrt erscheint nur der obere Teil der Pupille hell, wenn sich die Bildebene des Auges hinter der Kamera befindet. Die Abb. 3: Infrarot-Fotoretinoskop. Dargestellt ist eine Frontalansicht des verwendeten Infrarot-Fotoretinoskops. Es besteht aus einer Blende, die den unteren Bereich der Objektivöffnung einer infrarotsensitiven Videokamera abdeckt. Auf ihr sind 13 Infrarot-Leuchtdioden (IR-LEDs) angebracht. Sie sind in vier Reihen mit unterschiedlicher Exzentrizität (E1 bis E4) zur optischen Achse der Kamera angeordnet und werden simultan betrieben. 16 Fokus vor der Kamera Fokus auf der Kamera Fokus hinter der Kamera Fotoretinoskopie ein vertikaler Intensitätsverlauf in der Pupille entsteht. Oben links in jeder Zelle ist das Auge, oben rechts die Kamera mit der LED-bestückten Blende (Siehe Abb. 3!) dargestellt. Dazwischen wurde der Strahlengang des Infrarotlichts eingezeichnet, das von einer LED der Exzentrizität E1, E2 oder E3 stammt und vom Augenfundus reflektiert wird. Der Teil des Strahlenbündels, der in die Kameraöffnung gelangt, ist heller eingefärbt als der Rest. Unterhalb ist das jeweils in der Pupille sichtbare Helligkeitsprofil (umrahmt von der weißen Iris) abgebildet. Wenn das Auge auf die Blende fokussiert, gelangt kein Licht in die Kamera (mittlere Spalte). Befindet sich die Brennebene davor, treten Strahlen aus dem unteren Pupillenbereich in die Kameraöffnung, liegt sie dahinter, aus dem oberen. Die Höhe des in der Pupille erscheinenden Reflexes nimmt mit zunehmender Exzentrizität der Lichtquelle (von E1 nach E3) ab. Bei simultanem Betrieb aller LEDs kommt es durch die Überlagerung der einzelnen Fundusreflexe zu einem Intensitätsgradienten im vertikalen Pupillenmeridian (letzte Zeile). Abb. 4: Prinzip der Infrarot-Fotoretinoskopie (nach F. Schaeffel). In der Tabelle ist schematisch gezeigt, wie bei der Infrarot- Überlagerung der Einzelreflexe LED mit E3 LED mit E2 LED mit E1 Helligkeitsprofil verursacht durch Material und Methoden 17 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte zurückkehrenden Strahlen haben sich dann noch nicht getroffen und die Blende verdeckt das Licht aus dem unteren Pupillenteil. Die Höhe des in der Pupille sichtbaren Reflexes nimmt bei gleicher Fokussierung des Auges mit zunehmender Exzentrizität der Lichtquelle ab. Bei der gewählten Anordnung von IRLEDs ergibt sich durch die Überlagerung der einzelnen Fundusreflexe ein nahezu linearer Intensitätsverlauf im vertikalen Pupillenmeridian. Die Steigung dieses Intensitätsprofils lässt sich durch lineare Regression sehr genau bestimmen. Da sie sich linear mit der Refraktion ändert, kann von ihr auf den Refraktionsstatus des Auges geschlossen werden (Schaeffel 1994a). Die genaue Beziehung ist artspezifisch und zudem individuell verschieden. Sie muss experimentell durch Eichung ermittelt werden. 2.4 Eichung der Fotorefraktion Für jedes Tier wurde eine Eichgleichung erstellt, die eine Umrechnung der Steigungen des zu beobachtenden Intensitätsprofils in Refraktionswerte ermöglichte. Dazu wurden den Schildkröten ophthalmische Linsen bekannter Stärke in einem Bereich von - 3 bis + 20 Dioptrien (dpt) dicht vor die Augen gehalten und die Steigungen des Intensitätsprofils gemessen. Um zu gewährleisten, dass sich das Auge im entspannten Zustand befand (Ruheakkommodation), wurde es mit einem infrarotdurchlässigen Filter (Kodak Wratten 87C) abgedeckt. Dieser war für die Tiere undurchsichtig, ließ aber das zur Refraktionsmessung verwendete Licht im Infrarotbereich passieren. Da die absolute Helligkeit der Fundusreflexe Einfluss auf die Steigung der Eichgeraden besitzt (Schaeffel 1994a), wurde versucht, die durch den Filter verursachte, leichte Abschwächung der Reflexhelligkeit durch die Wahl eines niedrigeren Blendenwertes am Videoobjektiv auszugleichen (4 anstatt 5,6 wie bei allen anderen Messungen). Für den Unterschied in der Position der vorgesetzten Linse zu den Hauptebenen des Auges wurde keine Korrektur vorgenommen. Bei geringem Abstand zur Kornea ist der dadurch verursachte Effekt vernachlässigbar, wie Untersuchungen an Hühnern gezeigt haben (Schaeffel et al. 1994). Zur Auswertung wurden nur solche Videosequenzen herangezogen, in denen das Auge über eine längere Periode durch den Filter und die Linse zur Kamera hin ausgerichtet war und die Steigung des Intensitätsprofils einen recht konstanten Wert angenommen hatte. Auf diese Weise sollten Schwankungen, die auf aktiver Akkommodation beruhten, weitgehend ausgeschlossen werden. 2.5 Aufnahme und Auswertung der IR-Videosequenzen Die Entfernung zwischen dem Infrarot-Fotoretinoskop und dem Auge betrug bei allen Refraktionsmessungen 70 cm. Um ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis zu erhalten, war es nötig, bei 18 Material und Methoden geringer Raumhelligkeit zu arbeiten. Musste man die Lichtintensität aus experimentellen Gründen erhöhen, so wurden Kaltlichtquellen verwendet. Damit konnte gezielt beleuchtet werden, ohne dass Streulicht in die Kamera gelangte. Das Kamerabild ließ sich über einen angeschlossenen Monitor verfolgen. Es wurde zunächst eine analoge Videoaufzeichnung erstellt, diese dann digitalisiert und über eine Videokarte (Matrox Meteor-II) in einen PC eingelesen. Zur Auswertung der Fundusreflexe diente ein in Borland C+ + geschriebenes Programm (chickref, Urheber: F. Schaeffel), das auf einen Teil der mit der Videokarte gelieferten Software zugriff. Mit Hilfe der Cursortasten wurde ein rundes Fenster geeigneter Größe in die Pupille gelegt. Innerhalb desselben ermittelte das Programm durch lineare Regression die Steigung des Intensitätsprofils im vertikalen Meridian. Ein positiver Wert entsprach einer von unten nach oben zunehmenden Helligkeit, ein negativer dem umgekehrten Fall. Bei Null war kein Gradient vorhanden. Die erhaltene Steigung wurde notiert und entsprechend der Eichgleichung für das jeweilige Tier in einen Refraktionswert umgerechnet. 2.6 Akkommodation Zur Untersuchung des Akkommodationsverhaltens bei der visuellen Beutefixierung wurde der Refraktionsstatus des Auges gemessen, während den Schildkröten Mehlwürmer in verschiedenen Entfernungen präsentiert wurden. Die Tiere saßen in einem Kasten, der mit einem Guckloch ausgestattet war. Davor befand sich in Längsrichtung eine optische Bank (Metallschiene mit Zentimetereinteilung), auf der eine Futterhalterung bewegt werden konnte. Wenn eine motivierte Schildkröte einen lebenden Wurm entdeckte, streckte sie ihren Kopf so weit wie möglich aus dem Loch hervor. Der Abstand zwischen Auge und Beute wurde anhand der Videoaufzeichnungen einer Übersichtskamera bestimmt. Da unter schwachen Lichtverhältnissen die visuelle Auflösung und damit in der Regel auch die Genauigkeit der Akkommodation abnimmt, wurde der Wurm seitlich durch eine Kaltlichtquelle angestrahlt. Die Kamera mit dem Infrarot-Fotoretinoskop war auf der Metallschiene in Höhe des Gucklochs und der Klemme der Futterhalterung in 70 cm Entfernung zur Schildkröte angebracht. Aus dem umfangreichen Videomaterial wurden Sequenzen herausgesucht, in denen die Kameraachse weitgehend mit der optischen Achse des Auges übereinstimmte. Bei einer gleichzeitigen Messung der Refraktion beider Augen war dies allerdings nicht möglich, so dass dann auch größere horizontale Abweichungen akzeptiert wurden. Auf den ermittelten Refraktionswert hatte das keinen Einfluss (Siehe Abschnitt 3.5!). Ein weiteres Auswahlkriterium bildete die Motivation der Tiere. Es wurden lediglich Aufnahmen ausgewertet, in denen das Verhalten der Schildkröte den Schluss zuließ, dass sie tatsächlich auf den angebotenen Wurm blickte (aufgeregte Versuche, diesen durch Vorschieben des Panzers und Ausstrecken des Kopfes zu erreichen). 19 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Um zu klären, ob die Akkommodation während der Beutefixierung binokular gekoppelt wird, wurde den Schildkröten ein selbstkonstruiertes Monokel mit Klebeband auf dem Kopf befestigt. Es bestand aus einer kleinen Scheibe eines infrarotdurchlässigen Filters (Kodak Wratten 87C) bzw., in weiterführenden Experimenten, aus einer harten Kontaktlinse (Procornea Nederland B.V.), die in einer Drahtfassung vor einem der beiden Augen angebracht wurde. 2.7 Die Refraktion abseits von der optischen Achse Um zu überprüfen, inwieweit sich die Refraktion des Auges abseits von der optischen Achse (off axis) verändert, wurde die Videokamera mit dem Infrarot-Fotoretinoskop über den horizontalen und den vertikalen Meridian des visuellen Feldes geschwenkt. Dafür war die Apparatur am Ende zweier zusammenlaufender Metallstangen befestigt, mit denen sie kontinuierlich auf einer horizontalen oder einer vertikalen Kreisbahn in einem Radius von 70 cm um die Schildkröte bewegt werden konnte. Das Tier war mit Klebeband auf einer kleinen, dreh- und höhenverstellbaren Plattform fixiert. Es wurde so positioniert, dass sich eines seiner Augen im Zentrum der beschriebenen Halbkreise befand. Bei der Auswertung der aufgenommenen Videosequenzen wurde neben der Refraktion auch die jeweilige Abweichung der Kameraachse von der optischen Achse des Auges bestimmt. Die Infrarot-Leuchtdioden wirken aus einer Distanz von 70 cm zusammen fast wie eine punktförmige Lichtquelle und erzeugen einen scharf umrissenen Purkinje-Reflex auf der Kornea. Wenn man davon ausgeht, dass die optische Achse des Auges durch das Zentrum der Pupille verläuft, so kann man auf dem Bildschirm aus der Entfernung des ersten (= kornealen) Purkinje-Reflexes zur Pupillenmitte auf den horizontalen und vertikalen Divergenzwinkel zwischen Augen- und Kameraachse schließen. Der Umrechnungsfaktor ist unter anderem von der Krümmung der Kornea abhängig. Er musste für die beiden Meridiane experimentell ermittelt werden. Dazu wurde auf dem Monitor der Abstand der ersten Purkinje-Reflexe zweier Punktlichtquellen festgestellt, die mit dem Auge einen Winkel bekannter Größe einschlossen. Diese Lichtquellen waren in der horizontalen bzw. vertikalen Ebene durch die optische Achse des Auges so angeordnet worden, dass sie zusammen mit dem Auge und der optischen Achse zwei rechtwinklige Dreiecke abgrenzten. Unter Kenntnis der Streckenlängen ließ sich der genannte Winkel durch einfache trigonometrische Berechnungen bestimmen. 2.8 Astigmatismus Um zu klären, ob Veränderungen im Brechungszustand abseits von der optischen Achse Folge eines peripheren Astigmatismus sind, wurde die Refraktion außer – wie sonst – im vertikalen auch im horizontalen Meridian bestimmt. 20 Material und Methoden Zu diesem Zweck wurde die Kamera mitsamt dem Fotoretinoskop 90° um ihre Längsachse gedreht. Die Aperturblende mit den IR-LEDs befand sich daraufhin seitlich, so dass durch die Überlagerung der Fundusreflexe ein Intensitätsverlauf im horizontalen Pupillenmeridian entstand. Aufgrund der veränderten Ausrichtung der Kamera war auch das Videobild um 90° gedreht. Im Auswertprogramm wurde folglich durch das gewohnte Vorgehen die Steigung des Helligkeitsprofils nicht im vertikalen sondern im horizontalen Meridian bestimmt. Aus dem so erhaltenen Wert ließ sich unter Verwendung der Eichgleichung für das jeweilige Tier die Refraktion errechnen. 2.9 Pupillengröße Um festzustellen, ob zwischen dem Refraktionsstatus des Auges und der Pupillengröße eine Beziehung besteht, wurde der Durchmesser der Pupille für die Fern- sowie für die maximale Nahakkommodation bestimmt. Dies geschah zum einen bei niedriger, zum anderen bei hoher Umgebungshelligkeit, so dass die Lichtintensität als ein weiterer Faktor in die Analyse einbezogen werden konnte. Für die Messungen wurden die Tiere auf ein Podest gesetzt, in dessen direktem Umkreis sich ihnen kein interessantes Blickziel bot. Zur Induktion der Nahakkommodation wurde eine Pinzettenspitze unmittelbar (weniger als 0,5 mm) vor das Auge der Schildkröte gehalten. Durch zwei Kaltlichtquellen war es möglich, die ursprünglich geringe Raumhelligkeit stark zu erhöhen. Mit der fotoretinoskopischen Anordnung, die auch in den übrigen Experimenten Verwendung fand, wurden unter den verschiedenen Versuchsbedingungen InfrarotAufnahmen gemacht. Anhand der auf den Videoaufzeichnungen zu erkennenden Fundusreflexe ließ sich qualitativ beurteilen, ob das Auge nah- oder fernakkommodiert war. Einzelbilder, die eindeutig einer der beiden Kategorien zugeordnet werden konnten, wurden gespeichert und zur Ermittlung des Pupillendurchmessers in ein Graphikprogramm (Corel Draw 8, Corel Corporation) importiert. Um Absolutwerte zu erhalten, wurde der äußere Durchmesser der Iris als Maßstab genutzt. Er war zuvor mit Hilfe von Makroaufnahmen des Auges mit eingefügter Millimeterskala bestimmt worden. 2.10 Retrogrades tracing Für die topographische Untersuchung der Netzhaut wurden die retinalen Ganglienzellen über retrogrades tracing vom Nervus opticus aus angefärbt. Dazu wurde die Schildkröte mit dem Inhalationsnarkotikum Forene (Abbott, Wirkstoff Isofluran) tief betäubt und dann dekapitiert. Unter semi-sterilen Bedingungen wurden die Augen freipräpariert und aus den Orbitae (Augenhöhlen) entnommen. Das rechte Auge wurde für anderweitige Untersuchungen in flüssigem Stickstoff gefroren. Auf den Nervenstumpf des linken Auges wurde mit der Spitze einer 21 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Glaskapillare Tetramethylrhodamin (Molecular Probes) appliziert. Es handelt sich dabei um einen fluoreszierenden tracer-Farbstoff, der im Axon durch die Dyneine entlang der Mikrotubuli unidirektional Richtung Zellkörper (retrograd) transportiert wird. Das Präparat wurde unter Carbogenbegasung 48 Stunden bei 20°C in einem Kulturmedium (Dulbecco’s MEM / nut mix F-12 HAM, Life Technologies) inkubiert, das mit Antibiotika (4 % Penizillin / Streptomycin, Sigma-Aldrich) und einem Antimykotikum (0,2 % Amphotericin B, Sigma-Aldrich) versetzt war. Nach einem Tag wurde das Medium gewechselt, um eine ausreichende Nährstoffversorgung und den Schutz vor Bakterien und Pilzen sicherzustellen. Im Anschluss an die Inkubation wurde der vordere Teil des Auges an der Ora serrata (Grenze zwischen lichtempfindlichem und lichtunempfindlichem Bereich der Retina) abgetrennt und der Glaskörper entfernt. Der verbliebene Augenbecher wurde über Nacht in 4 % PFA (Paraformaldehyd) in PBS (Phosphat-gepufferte Salzlösung, 0,1 M, pH 7,4) fixiert und dann mit PBS gespült. Schließlich wurde die Retina vorsichtig herausgelöst, von den Resten des Nervus opticus befreit und derart mit vier seitlichen Einschnitten versehen, dass sie sich als Ganzes flach auf einen Objektträger aufziehen ließ. Das so gewonnene Präparat wurde in PBS eingedeckt und mit Nagellack versiegelt. 2.11 Ganglienzelldichte Die mit dem Fluoreszenzfarbstoff Tetramethylrhodamin markierten Ganglienzellen wurden im retinalen wholemount (Flachpräparat) unter einem konfokalen laser scanning microscope (LSM 410-invert, Zeiss) ausgezählt. Verwendet wurde ein Helium-Neon-Laser mit einer Wellenlänge von 543 nm. Das Absorptionsmaximum des Tetramethylrhodamins liegt bei 555 nm, sein Emissionsmaximum bei 580 nm. Ein zwischen Objekt und Detektor geschalteter Filter, der nur für Wellenlängen über 570 nm durchlässig war, blendete daher das Anregungs-, nicht aber das Fluoreszenzlicht aus. Für die Auswertung wurde die Ganglienzellschicht in mehreren Ebenen gescannt. Der Abstand dieser optischen Schnitte war etwas geringer als der durchschnittliche Durchmesser der Somata. Mit Hilfe eines Makros wurden die bereits registrierten Zellen auf dem Bildschirm per Mausklick gekennzeichnet. So konnten Mehrfachzählungen verhindert werden. Unter Verwendung eines Objektivs mit 63facher Vergrößerung in Wasserimmersion wurde alle 500 µm ein quadratisches Feld von 135 µm Kantenlänge untersucht. Aus der darin ermittelten Zellzahl wurde auf die lokale Ganglienzelldichte in Zellen pro mm2 geschlossen. 22 3 Ergebnisse 3.1 Eichung der Fotorefraktion In den Diagrammen in Abb. 5 sind die Messdaten graphisch dargestellt, die zur Eichung der verwendeten fotoretinoskopischen Anordnung erhoben wurden. Aufgetragen ist die Steigung des in der Pupille beobachteten Intensitätsprofils in Abhängigkeit von der Refraktion. Dabei wurde der Konvention gefolgt, die Refraktion als die Brechkraft anzugeben, die nötig ist, um die vorhandene Differenz zum Grundzustand (Brechkraft des Auges in der optischen Achse (on axis) bei entspannter Akkommodationsmuskulatur) zu kompensieren: Refraktion = (−1) · Abweichung der Brechkraft vom Grundzustand Entsprechend ergibt sich die Refraktion, die durch eine vorgesetzte Linse verursacht wird, aus: Refraktion = (−1) · Brechkraft der Vorsatzlinse. Nicht immer konnten Daten zu allen zur Verfügung stehenden Linsenstärken gesammelt werden. Grundsätzlich war es bei den größeren Tieren leichter, da sie sich weniger lebhaft zeigten. Bei den in den Diagrammen aufgetragenen Steigungen des Intensitätsprofils handelt es sich um Mittelwerte aus mindestens 6, im Schnitt 34 Einzelmessungen. Die Fehlerbalken geben die Größe der Standardabweichung (SD) an. Im betrachteten Refraktionsbereich von – 20 (−10 bei Tier Nr. 6) bis + 6 dpt sind die Daten bei allen untersuchten Schildkröten (Nr. 1, 4, 6, 7, 8, 9, 10) sehr gut an eine Gerade angepasst, die man durch lineare Regression erhält (Tab. 1). Das Bestimmtheitsmaß (R2) weist Werte zwischen 0,91 und 0,99 auf. Die Steigung der Geraden schwankt von 0,13 bis 0,21 pro dpt, der Achsenabschnitt variiert zwischen 0,33 und 1. Bei kleineren Tieren liegen beide Parameter tendenziell höher als bei größeren. Die Gleichung der Regressionsgeraden liefert die Beziehung, nach der aus der Steigung des Intensitätsprofils die Refraktion des Auges errechnet werden kann: x= ( y − c) m x = Refraktion in dpt y = Steigung des Intensitätsprofils c = Achsenabschnitt der Regressionsgeraden m = Steigung der Regressionsgeraden in 1/dpt 23 Steigung des Intensitätsprofils Steigung des Intensitätsprofils Steigung des Intensitätsprofils Steigung des Intensitätsprofils Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 24 3 2 y = 0,18 x + 0,36 R2 = 0,999 y = 0,18 x + 0,33 R2 = 0,988 1 0 -1 -2 -3 Tier Nr. 1 Tier Nr. 4 -4 3 2 y = 0,19 x + 0,39 R2 = 0,908 y = 0,20 x + 0,53 R2 = 0,960 1 0 -1 -2 -3 Tier Nr. 6 Tier Nr. 7 -4 3 2 y = 0,13 x + 0,40 R2 = 0,986 y = 0,21 x + 0,88 R2 = 0,985 1 0 -1 -2 -3 Tier Nr. 8 Tier Nr. 9 -4 -25 3 2 1 y = 0,20 x + 1,05 R2 = 0,984 -20 -15 -10 -5 0 5 10 Refraktion (dpt) durch vorgesetzte Linse Abb. 5: Eichung der Fotorefraktion. Das in der Pupille sichtbare Helligkeitsprofil wurde individuell kalibriert, indem Linsen mit bekannter Brechkraft vor das Auge der Schild-1 kröte gehalten wurden. In den Diagrammen ist -2 die gemessene Steigung des Intensitätsprofils gegen die Refraktion aufgetragen. Die Fehler-3 balken geben die SD an. Außerdem ist der Tier Nr. 10 -4 durch lineare Regression ermittelte Eichgraph -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 eingezeichnet (Geradengleichung und Bestimmtheitsmaß (R2) jeweils links oben). Refraktion (dpt) durch vorgesetzte Linse 0 Ergebnisse Tab. 1: Zusammenstellung der Ergebnisse der Eichung Tier Nr. Gleichung der Regressionsgeraden y=m·x+c Bestimmtheitsmaß R2 1 y = 0,18 x + 0,36 0,999 4 y = 0,18 x + 0,33 0,988 6 y = 0,19 x + 0,39 0,908 7 y = 0,20 x + 0,53 0,960 8 y = 0,13 x + 0,40 0,986 9 y = 0,21 x + 0,88 0,985 10 y = 0,20 x + 1,05 0,984 3.2 Akkommodationsbreite und -genauigkeit Die Infrarotaufnahmen, die während der Versuche zur visuellen Beutefixierung mit der verwendeten fotoretinoskopischen Apparatur gewonnen wurden, zeigen markante Fundusreflexe in den Pupillen der Tiere (Abb. 6). Um zu überprüfen, inwieweit die aus dem Helligkeitsgradienten ermittelte Refraktion durch die manuelle Wahl des Analysefensters (Siehe Abschnitt 2.5!) schwankte, wurden einige Sequenzen Bild für Bild in drei Durchgängen ausgewertet. Die Standardabweichung der Ergebnisse (Siehe Fehlerbalken in Abb. 8!) betrug im Mittel nur 0,3 dpt. Daher wurde im Weiteren darauf verzichtet, den statistischen Fehler durch die Mehrfachauswertung jeder einzelnen Aufnahme zu Abb. 6: Fotoretinoskopische Infrarotaufnahme minimieren. In Abb. 7 A-F sind Auseiner Geoemyda spengleri. Zu sehen ist der aus schnitte aus analysierten Sequenzen dem Guckloch gestreckte Kopf von Tier Nr. 7, unmittelbar nachdem dieses einen in einer Krokovon Tier Nr. 9 zu sehen. Aufgetragen dilklemme (vorne im Bild) angebotenen Wurm ist die gemessene Refraktion für beide erbeutet hat. In den Pupillen erkennt man das für Augen über der Zeit. Zusätzlich ist die die Nahakkommodation typische Reflexmuster. 25 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 0 Refraktion (dpt) B A -5 -10 -15 -20 -25 Beuteentfernung: ~24 dpt / ~ 4 cm -30 0 C -5 Refraktion (dpt) Beuteentfernung: ~19 dpt / ~ 5 cm D -10 -15 -20 -25 Beuteentfernung: ~16 dpt / ~ 6 cm -30 0 F E -5 Refraktion (dpt) Beuteentfernung: ~14 dpt / ~7 cm -10 -15 -20 -25 Beuteentfernung: ~11 dpt / ~ 9 cm -30 0 0,5 1 Zeit (s) 1,5 Beuteentfernung: ~ 9 dpt / ~12 cm 2 0 0,5 1 1,5 2 Zeit (s) Abb. 7: Refraktion gemessen in einem Zeitabschnitt von 2 Sekunden bei der Akkommodation auf 6 verschiedene Beuteentfernungen (A-F). Die abgebildeten Sequenzen stammen von Tier Nr. 9. Schwarze Punkte: rechtes Auge; weiße Punkte: linkes Auge; durchgezogene Linie: erwartete Refraktion bei idealer Akkommodation auf die präsentierte Beute; gestrichelte Linien: erwartete Refraktion für die übrigen Beuteentfernungen. Bis auf kurze Fixationspausen akkommodierte das Tier sehr exakt. 26 Ergebnisse -12 Beuteentfernung: ~24 dpt / ~ 4 cm Refraktion (dpt) -14 -16 -18 -20 -22 -24 -26 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 Zeit (s) Abb. 8: Fixationspause. Bei geringen Beuteentfernungen (hier: ~24 dpt bzw. ~ 4 cm) kam es immer wieder zu Abschnitten, in denen auffallend unterakkommodiert wurde (in diesem Fall bis über 10 dpt). Die abgebildete Sequenz stammt von Tier Nr. 7. Sie wurde dreimal ausgewertet, um die Größe des statistischen Fehlers abzuschätzen. Aufgetragen ist die mittlere Refraktion mit der jeweiligen Standardabweichung (angegeben durch die Fehlerbalken) gegen die Zeit. Die durchgezogene Linie markiert den Erwartungswert bei exakter Akkommodation auf die Beute. Entfernung der Beute angegeben und der Wert eingezeichnet, der bei exakter Akkommodation auf den Wurm zu erwarten wäre. Wie man erkennt, stimmt die beobachtete Refraktion in der Regel gut mit diesen überein. Bei geringen Beuteabständen kam es allerdings hin und wieder zu Abschnitten, in denen deutlich unterakkommodiert wurde. Ein typischer Fall einer solchen Fixationspause ist in Abb. 8 dargestellt. In den Diagrammen in Abb. 9 sind die gemittelten Messwerte aus den untersuchten Sequenzen von drei Tieren (Nr. 6, 7, 9) als Akkommodation in Abhängigkeit von der Beuteentfernung dargestellt (Stimulus-Antwort-Funktion der Akkommodation). Die Auftragung beider Größen erfolgte in Dioptrien. Unter der Akkommodation wurde die Differenz der Brechkraft zum Grundzustand (Siehe Abschnitt 3.1!) verstanden. Sie ergab sich folglich durch eine Multiplikation mit - 1 aus der Refraktion. In jeden Mittelwert gingen mindestens 10, im Schnitt 70 Messungen ein. Klare Pausen der Beutefixierung wie in Abb. 8 wurden dabei ausgeklammert. Die erhaltenen Datenpunkte lagen fast genau auf einer Ursprungsgeraden mit der Steigung m = 1, was bei exakter Akkommodation zu fordern wäre. Für Tier Nr. 4 betrug die mittlere quadratische Abweichung von der Idealkurve 0,15 dpt2, für Tier Nr. 7 0,04 dpt2 und für Tier Nr. 9 0,05 dpt2. Dies gilt für Beuteentfernungen von 3 cm (∼ 31 dpt) bis 17 cm (∼ 6 dpt). Für größere Abstände ließen sich keine verlässlichen Werte erheben, da die Schildkröten kaum Interesse an dem Wurm zeigten. Bei geringeren Distanzen erreichte die Akkommodationsamplitude ein positives Maximum, das sich zwischen 34 (Tiere Nr. 7 und 9) 27 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 35 Tier Nr. 4 Tier Nr. 7 Akkommodation (dpt) 30 25 20 15 10 5 s2 = 0,15 0 35 Tier Nr. 9 s2 = 0,04 0 5 15 20 25 30 35 Beuteentfernung (dpt) 30 Akkommodation (dpt) 10 Abb. 25 20 15 10 5 0 0 5 9: Stimulus-Antwort-Funktion der Akkommodation. Aufgetragen ist die Akkommodation gegen die Entfernung der fokussierten Beute, beides in Dioptrien. Es handelt sich um Mittelwerte aus zahlreichen Messungen (n > 10), wobei deutliche Fixationspausen nicht in die Berechnung eingingen. Die Fehlerbalken geben die Standardabweichung an. Bei exakter Akkommodation müssten alle Datenpunkte 2 s = 0,05 auf einer Geraden mit der Gleichung y = x (durchgezogene Linie) liegen. Die mittlere 2 10 15 20 25 30 35 quadratische Abweichung (s ) der Ergebnisse von den Idealwerten war in dem Bereich von 6 bis 31 dpt nur gering. Beuteentfernung (dpt) und 35 (Tier Nr. 4) dpt befand. Einzelergebnisse von anderen Individuen lagen noch bis zu 10 dpt höher. Die in der optischen Achse des Auges (on axis) gemessene Refraktion konnte jedoch nicht nur myop (kurzsichtig) sondern auch hyperop (weitsichtig) gegenüber dem bei der Eichung als Grundzustand definierten Brechungsstatus (Refraktion = 0 dpt) werden. Wenn sich den Tieren kein interessantes Blickziel bot, wurde oft in einem oder beiden Augen eine Weitsichtigkeit von 10, manchmal sogar 20 dpt beobachtet. Rechnet man die Spannweite dieser negativen Akkommodation zu der der positiven hinzu, so waren die Schildkröten insgesamt in der Lage, die Refraktion ihres Auges über einen Bereich von mindestens 55 dpt aktiv zu verändern. 28 Ergebnisse A B C Abb. 10: Ausrichtung der Augen bei der Beutefixierung. Geoemyda spengleri bewegt die Augen grundsätzlich unabhängig voneinander. Zum Fokussieren einer Beute werden sie jedoch beide nach vorne orientiert. Die IR-Bildsequenz zeigt das Tier Nr. 2, dem ein Wurm in einer Krokodilklemme angeboten wird. Zunächst stehen die Augen weit seitlich (A). Dann entdeckt die Schildkröte die Nahrung. Sie dreht erst das eine Auge nach vorne, das andere folgt verzögert nach (B). Schließlich sind beide frontal auf die Beute gerichtet (C). 3.3 Akkommodationsgeschwindigkeit Zur Ermittlung der Akkommodationsgeschwindigkeit wurde die zeitliche Veränderung des Brechungszustandes in der optischen Achse (on axis) betrachtet: Kurze, isolierte Sprünge, wie sie bei den Versuchen zur visuellen Beutefixierung auftraten, ergaben Werte von bis zu 150 dpt/s. Meist lag die Geschwindigkeit aber darunter: In einer Sequenz zum Beispiel, in der das Auge innerhalb von einer Sekunde kontinuierlich von einer hyperopen zu einer stark myopen Refraktion wechselte, da ein Objekt in unmittelbarer Nähe aufgetaucht war, betrug sie im Schnitt 55 dpt/s. Nur 0,16 s lang erreichte sie ein relatives Maximum von 120 dpt/s. 3.4 Kopplung der Akkommodation Die Zacken-Erdschildkröte bewegt ihre Augen grundsätzlich unabhängig voneinander. Sie kann gleichzeitig in verschiedene Richtungen blicken. Bei der visuellen Fixierung einer Beute dreht sie ihre Augen allerdings stets so, dass sie gemeinsam nach vorne orientiert sind (Abb. 10). Wie die Analyse der Fundusreflexe in den fotoretinoskopischen Infrarotaufnahmen ergab, akkommodiert ein Tier, das mit unkonjugierten Augenbewegungen die Umgebung untersucht, rechts und links getrennt voneinander: Der refraktionsabhängige Helligkeitsgradient in den Pupillen kann sich stark unterscheiden (Abb. 11 A, C, E). Sind die Augen jedoch frontal auf einen Wurm ausgerichtet, so akkommodieren sie in der Regel um denselben Betrag (symmetrisch): Ihr Reflexmuster ist gleich, was demnach genauso auf ihre Refraktion zutreffen sollte (Abb. 11 B, D, F). Die in Abb. 7 dargestellten Messergebnisse zeigen quantitativ, dass dies 29 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte B A Tier Nr. 2 Tier Nr. 2 D C Tier Nr. 4 Tier Nr. 4 F E Tier Nr. 6 Tier Nr. 6 Abb. 11: Symmetrische Akkommodation bei der Beutefixierung. Geoemyda spengleri akkommodiert normalerweise in beiden Augen unabhängig voneinander. Die Refraktion kann sich rechts und links stark unterscheiden, was die deutlich differierenden Helligkeitsgradienten in den Pupillen in A, C u. E belegen. Richten die Tiere ihre volle Aufmerksamkeit jedoch auf eine Beute, so stimmt die Refraktion der Augen und damit auch das Reflexmuster in den Pupillen in der Regel überein (B, D, F). 30 Ergebnisse A B C Abb. 12: Akkommodation nach Ende der Beutefixierung. Die IR-Bildsequenz zeigt Tier Nr. 6, nachdem der ihm angebotene Wurm von der Klemme gefallen ist. Zunächst ist das Reflexmuster in den Pupillen noch symmetrisch und typisch für die Nahakkommodation (A). Kurz darauf unterscheidet es sich rechts und links stark: Erst relaxiert das eine Auge, dann folgt das andere (B). Schließlich sind beide auf die Ferne eingestellt – allerdings nicht auf die gleiche Distanz: Die Pupillen weisen einen schwachen Helligkeitsgradienten auf, der leicht differiert (C). der Fall ist. Eine Ausnahme bilden die bereits erwähnten Fixationspausen (Siehe Abschnitt 3.2!): Die währenddessen beobachtete Unterakkommodation tritt oft nur in einem Auge oder in beiden Augen in verschiedenem Maße auf. Verschwindet das Zielobjekt aus dem Blickfeld, da es geschnappt wurde (Abb. 6) oder von der Halterung gefallen ist (Abb. 12), wird die symmetrische Nahakkommodation aus der Fixationsphase zunächst noch beibehalten. Dies belegen die weiterhin im unteren Bereich übereinstimmend aufleuchtenden Pupillen. Kurz darauf beginnt die Refraktion der Augen zu differieren, was man aus ihrem unterschiedlichen Reflexmuster schließen kann. Meist relaxieren sie weder gleichzeitig (Abb. 12 B) noch auf den gleichen Wert (Abb. 12 C). 3.4.1 Infrarotdurchlässiger Filter Um zu überprüfen, ob die oben beschriebene symmetrische Akkommodation bei der Beutefixierung auf einer zentralnervösen binokularen Kopplung beruht oder lediglich dadurch zustande kommt, dass beide Augen auf das gleiche Objekt fokussieren, wurde vor einem Auge ein Infrarotfilter angebracht. Licht aus dem für die Schildkröte sichtbaren Bereich des Spektrums ließ dieser nicht passieren. Das abgedeckte Auge erhielt folglich keine visuelle Information über die Entfernung des angebotenen Wurms. Aus den fotoretinoskopischen Infrarotaufnahmen zu diesem Versuch geht hervor, dass die Akkommodation bis unmittelbar vor dem Zielen auf die Beute in beiden Augen unabhängig auftritt. Das linke Auge in Abb. 13 A und C, dessen vorderes Blickfeld durch den Filter versperrt ist, befindet sich im entspannten Zustand. Dagegen ist das rechte auf einen Punkt vor der Kamera (vermutlich bereits auf den Wurm) fokussiert, was die im unteren Bereich aufleuchtende Pupille erkennen lässt. Kurz 31 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte A B C D Abb. 13: Symmetrische Akkommodation bei der Beutefixierung trotz monokularer Deprivation. Die abgebildeten Infrarotaufnahmen zeigen Tier Nr. 9 unmittelbar vor (A, C) und beim (B, D) Zielen auf einen Wurm. Das eine Auge ist mit einem infrarotdurchlässigen Filter abgedeckt. Es erhält keine sensorische Information über die Beute, da Licht aus dem für die Schildkröte sichtbaren Bereich des Spektrums den Filter nicht durchdringen kann. Wie man anhand der Helligkeitsgradienten in den Pupillen erkennt, ist zwar zunächst nur das ungehinderte Auge auf den Wurm fokussiert (A, C), kurz darauf gilt dies jedoch für beide (B, D). Offensichtlich wurde die Akkommodation des abgedeckten Auges an die des anderen gekoppelt. darauf (bei dem Versuch, an die entdeckte Nahrung zu gelangen) zeigt sich in beiden Pupillen das für die Naheinstellung typische Reflexmuster (Abb. 13 B und D). Die Refraktion der Augen stimmt demnach zumindest qualitativ überein, obwohl die Beute nur monokular fokussiert werden kann. Offensichtlich wird die Akkommodation des behinderten Auges an die des anderen gekoppelt. Ein quantitativer Vergleich der Refraktion beider Augen in dieser Situation war aufgrund des Filters nicht direkt möglich. Er setzte die absolute Helligkeit der einzelnen, sich überlagernden Fundusreflexe leicht herab und verringerte so die Steigung des Intensitätsprofils in der bedeckten Pupille. 32 Ergebnisse 3.4.2 Ophthalmische Linsen Um quantifizierbare Aussagen treffen zu können und zu überprüfen, ob es auch bei binokularer Zielinformation zu einer Kopplung der Akkommodation kommt, wurde vor dem linken Auge der Tiere eine Zerstreuungslinse befestigt (Abb. 14). Abb. 15.1, 15.2 und 16 veranschaulichen die Ergebnisse des Experiments. Aufgetragen ist im jeweils oberen Diagramm die gemessene Refraktion der beiden Augen, im unteren ihre Differenz über der Zeit. Abb. 16 zeigt eine Zeitspanne von 4 Sekunden, in der die untersuchte Schildkröte einen 1 bis 2 Zentimeter weit entfernten Wurm erbeutete. Anhand des Datenverlaufs lässt sich die dargestellte Sequenz in drei Abschnitte unterteilen: Einen ersten, in dem sich die Refraktion des linken Auges dem bereits stark im myopen (kurzsichtigen) Bereich liegenden Wert des rechten annähert; einen zweiten, in dem die Refraktion der Augen konstant um 6 dpt differiert, was dem Betrag der Brechkraft der Vorsatzlinse entspricht (im Diagramm zum Vergleich mit eingezeichnet); und einen dritten, in dem der Unterschied zwischen ihnen wieder steigt, wobei sich letztlich beide Augen von myopen in Richtung hyperoper Werte bewegen. Die in Abb. 15.1 und 15.2 dargestellten Sequenzausschnitte geben typische Beispiele für Messergebnisse aus der mittleren der beschriebenen Phasen. Dabei wurden zwei verschiedene Individuen, Beuteentfernungen und Linsenstärken berücksichtigt. Links neben den Diagrammen ist jeweils ein Wert markiert: Oben die Refraktion, die sich bei exakter Beutefokussierung A B C D Abb. 14: Beutefixierung mit Monokel. Die IR-Bildsequenz A-D zeigt das Tier Nr. 9 beim Zielen auf einen Wurm. Vor seinem linken Auge ist eine Linse mit - 6 dpt angebracht. 33 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Refraktion (dpt) A Tier Nr. 9, Beuteentfernung: ~24 dpt / ~ 4 cm, Linsenstärke: - 6 dpt 0 Linkes Auge (- 6 dpt) Rechtes Auge -10 -20 -30 Differenz (dpt) -40 24 Linkes Auge - Rechtes Auge 20 16 12 8 4 0 0 Refraktion (dpt) B 1 2 3 Tier Nr. 10, Beuteentfernung: ~24 dpt / ~ 4 cm, Linsenstärke: - 6 dpt 0 Linkes Auge (- 6 dpt) Rechtes Auge -10 -20 -30 Differenz (dpt) -40 24 Linkes Auge - Rechtes Auge 20 16 12 8 4 0 0 Erwartungswert 1 2 3 4 Zeit (s) Abb. 15.1: Kopplung der Akkommodation während der Beutefixierung. Gezeigt sind Daten von zwei verschiedenen Individuen, die eine Zerstreuungslinse mit - 6 dpt vor dem linken Auge trugen und auf einen Wurm in einer Entfernung von ca. 4 cm (24 dpt) blickten (Auftragung wie in Abb. 16). Links ist jeweils der Wert markiert, der bei exakter Beutefixierung (oben) und Kopplung der Akkommodation (unten) zu erwarten ist. In der Regel differiert die Refraktion der Augen etwa um den Betrag der Linsenstärke. Ein Auge akkommodiert korrekt auf die Beute. Das andere richtet sich nach diesem, anstatt selbst auf den Wurm zu fokussieren und die Brechung der Vorsatzlinse zu kompensieren. In A ist das Referenzauge das rechte, in B wechselt es vom linken zum rechten und wieder zurück. 34 Ergebnisse Refraktion (dpt) C Tier Nr. 9, Beuteentfernung: ~24 dpt / ~ 4 cm, Linsenstärke: - 9 dpt 0 Linkes Auge (- 9 dpt) Rechtes Auge -10 -20 -30 Differenz (dpt) -40 24 Linkes Auge - Rechtes Auge 20 16 12 8 4 0 0 Refraktion (dpt) D 1 2 3 4 Tier Nr. 9, Beuteentfernung: ~16 dpt / ~ 6 cm, Linsenstärke: - 6 dpt 0 -10 -20 Linkes Auge (- 6 dpt) Rechtes Auge -30 Differenz (dpt) -40 24 Linkes Auge - Rechtes Auge 20 16 12 8 4 0 0 Erwartungswert 1 2 3 4 Zeit (s) Abb. 15.2: Kopplung der Akkommodation während der Beutefixierung. Für die abgebildeten Daten gilt generell die gleiche Beschreibung wie zu Abb. 15.1 A. Allerdings wurde in C die Linsenstärke auf - 9 dpt und in D die Beuteentfernung auf ca. 6 cm (16 dpt) geändert. Während in C die Refraktion des Referenzauges mit der in A übereinstimmt, beträgt die Differenz der Augen rund 9 dpt. In D bleibt diese genauso wie in A, der Wert des Referenzauges liegt jedoch bei -16 dpt. Beim Wechsel des fixierenden Auges kommt es in C zu unabhängiger Akkommodation. In D treten nach mehrmaliger Änderung des Abhängigkeitsverhältnisses Abschnitte auf, in denen sich die Refraktion genau um den zweifachen Betrag der Linsenstärke unterscheidet. Dies ist auch in Abb. 15.1 B zu sehen. 35 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 20 Linkes Auge (- 6 dpt) Rechtes Auge Refraktion (dpt) 10 0 Augen beim Zuschnappen geschlossen -10 -20 -30 Differenz (dpt) -40 -50 50 40 30 20 10 0 Linkes Auge - Rechtes Auge | Linsenstärke | 0 1 2 3 4 Zeit (s) Abb. 16: Wechsel von unabhängiger zu gekoppelter Akkommodation in Zusammenhang mit einem Beutegriff. Die Daten stammen von Tier Nr. 6, vor dessen linkem Auge eine Zersteuungslinse mit - 6 dpt angebracht war. Es schnappte nach einem Wurm, der sich in 1-2 cm Entfernung befand. Aufgetragen ist im oberen Diagramm die Refraktion der zwei Augen, im unteren ihre Differenz gegen die Zeit. Die gestrichelte Linie gibt zum Vergleich den Betrag der Linsenbrechkraft an. Zunächst erfolgt die Akkommodation in beiden Augen unabhängig voneinander. Rund eine Sekunde vor dem Zubeißen wird sie jedoch gekoppelt: Der gemessene Refraktionsunterschied ist konstant und beträgt in etwa 6 dpt. Auch nach dem Beutegriff hält dieser Zustand noch geraume Zeit an. einstellen sollte (= negative Beuteentfernung), unten die Differenz, die im Falle gekoppelter Akkommodation auftreten müsste (= Betrag der Linsenstärke). Wie man sieht, ist die ermittelte Refraktion des rechten Auges in der Regel genau um den Betrag der Linsenstärke negativer als die des linken. Die Augen akkommodieren folglich gleich stark. Da die vorgesetzte Zerstreuungslinse die Myopie links vermindert, kann ein Zielobjekt nicht gleichzeitig auf beiden Retinae scharf abgebildet werden. Um dies zu erreichen, müsste das linke Auge die Brechung der Vorsatzlinse durch Überakkommodation kompensieren. In der Messung würde die Refraktion dann auf beiden Seiten übereinstimmen. Tatsächlich aber fokussiert nur ein Auge korrekt auf den Wurm. Sein Wert entspricht der negativen Beuteentfernung. Das andere richtet sich nach dem ersten, anstatt seine Brechkraft selbst auf das Ziel einzustellen. In ihm wird die Beute nicht scharf auf der Netzhaut abgebildet. Zu beobachten ist also ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem die Akkommodation des einen Auges an die des anderen gekoppelt wird. Dabei dient das mit der Zerstreuungslinse versehene Auge genauso häufig als Referenz wie das unbedeckte, obwohl dies einen größeren Akkommodationsaufwand erfordert und die 36 Ergebnisse Tiere sich durch das Monokel anfangs gestört gezeigt hatten. Oft wechselt das bestimmende Auge mitten in einer Sequenz (Abb. 15.1 B, Abb. 15.2 C u. D). Nach solchen Änderungen im Abhängigkeitsverhältnis treten gelegentlich Abschnitte auf, in denen sich die Refraktion der Augen genau um den doppelten Betrag der Linsenbrechkraft unterscheidet (Abb. 15.1 B, Abb. 15.2 D): Jedes nimmt den Wert an, den es in seiner untergeordneten Position innehatte. Fokussiert das rechte Auge auf den Wurm, so ist die gemessene Refraktion des linken bei gleicher Akkommodation wegen der vorgesetzten Zerstreuungslinse um den Betrag der Linsenstärke weniger negativ. Wenn sich hingegen das linke korrekt auf den Wurm einstellt, muss es die Brechung der Vorsatzlinse kompensieren. Die damit verbundene Überakkommodation betrifft aufgrund der Kopplung ebenfalls das rechte, unbedeckte Auge. Dessen Refraktion ist in der Messung also um den Betrag der Linsenbrechkraft negativer. In der oben erwähnten Situation bietet sich nun folgendes Bild: Das linke Auge ist genau um den Betrag der Linsenbrechkraft weniger und das rechte in gleichem Ausmaß stärker myop als der Wert, der der negativen Beuteentfernung entspricht. Der Wurm wird dabei in keinem von ihnen scharf auf der Netzhaut abgebildet. Um den Wechsel des Referenzauges herum kann es auch zu vollständig unabhängiger Akkommodation kommen, was die deutlich variierenden Differenzwerte in Abb. 15.2 C belegen. Meist läuft jedoch das in Abb. 16 zu erkennende Schema ab: Zu Beginn einer potentiellen Fangsequenz akkommodiert jedes Auge zwar noch eigenständig. Wenn eines bereits die Beute fixiert und das andere verzögert folgt, wie hier, ist das besonders klar zu sehen. Beim binokularen Zielen auf den Wurm wird die Akkommodation aber gekoppelt. Erfolgt ein Beutegriff, hält dieser Zustand in der Regel bis kurz danach an. Die Relaxation findet schließlich wieder in beiden Augen unabhängig voneinander statt. 3.5 Variation des Refraktionsstatus innerhalb des visuellen Feldes und Astigmatismus Die Untersuchung der Refraktion des Auges abseits von der optischen Achse (off axis) brachte für den horizontalen und den vertikalen Meridian des visuellen Feldes unterschiedliche Resultate. In den Diagrammen in Abb. 17 ist dies anhand der Daten von drei Tieren veranschaulicht. Die dargestellten Ergebnisse wurden gewonnen, indem mit der Kamera zehnmal der horizontale bzw. vertikale Kreisbogen um das Auge der Schildkröte abgefahren wurde1. Mehrfachmessungen (n = 23) aus einem Durchgang wurden für die einzelnen Winkel gemittelt und aus den so erhaltenen Werten aller Kameraschwenks wiederum Durchschnittsrefraktionen errechnet. Diese sind gegen die Abweichung vom Zentrum der Pupille in Grad aufgetragen. Divergenzwinkel von der optischen Achse in nasaler und ventraler Richtung wurden 1 Bei Tier Nr. 1 wurden in vertikaler Richtung lediglich sieben Kameraschwenks durchgeführt. 37 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Refraktion (dpt) 30 Tier Nr. 1 10 0 25 Nasales Feld Tier Nr. 6 Temporales Feld Ventrales Feld Optische Achse Dorsales Feld Optische Achse 15 5 -5 -15 55 Temporales Feld Nasales Feld Tier Nr. 8 Ventrales Feld Dorsales Feld Optische Achse Optische Achse 45 Refraktion (dpt) Optische Achse 20 -10 Refraktion (dpt) Optische Achse 35 25 15 5 -5 Nasales Feld -15 -30 -20 -10 Temporales Feld 0 10 20 Ventrales Feld 30 -30 Divergenzwinkel (deg) -20 -10 Dorsales Feld 0 10 20 30 Divergenzwinkel (deg) Abb. 17: Variation des Refraktionsstatus innerhalb des visuellen Feldes. Aufgetragen ist die mittlere Refraktion (n = 10) 2 gemessen im vertikalen Augenmeridian gegen den Divergenzwinkel von der optischen Achse des Auges in horizontaler (links) und vertikaler (rechts) Richtung. Während sich der Durchschnittswert bei horizontalen Abweichungen innerhalb von ± 30° nicht ändert, nimmt er bei vertikalen in der gleichen Spanne von ventral nach dorsal um 35 bis 59 dpt zu. Der Standardfehler, angegeben als Fehlerbalken, variiert kaum. Man beachte die unterschiedliche Skalierung der Ordinate! 2 n = 7 für Divergenzwinkel in vertikaler Richtung bei Tier Nr. 1 Ergebnisse mit einem negativen Vorzeichen versehen, solche in temporaler und dorsaler Richtung mit einem positiven. Die eingezeichneten Fehlerbalken geben die Größe des Standardfehlers (SE) an. Wie man anhand der drei linken Diagramme erkennt, verändert sich entlang der Horizontalen innerhalb von ± 30° weder der Mittelwert noch der Standardfehler der gemessenen Refraktion gegenüber der Situation in der optischen Achse. Interessanterweise liegen die Ergebnisse bei allen Tieren zwischen + 5 und + 15 dpt und damit im hyperopen (weitsichtigen) Bereich. Entlang der Vertikalen (rechte Diagramme) bleibt der Standardfehler in der oben genannten Winkelspanne ebenfalls fast gleich, die Refraktion nimmt jedoch von ventral nach dorsal kontinuierlich von myopen (kurzsichtigen) zu hyperopen (weitsichtigen) Werten zu. Der maximale Unterschied zwischen unten und oben ist bei jedem der drei untersuchten Individuen beachtlich, er variiert aber unter ihnen stark. Bei Tier Nr. 1 beträgt er 40, bei Tier Nr. 6 35 und bei Tier Nr. 8 59 dpt. Bisher wurde die Refraktion stets im vertikalen Augenmeridian gemessen. Um zu klären, ob und inwieweit die beobachtete Änderung des Brechungszustandes entlang dem vertikalen Meridian des visuellen Feldes auf einem Astigmatismus beruht, wurde die Refraktion zusätzlich im horizontalen Augenmeridian bestimmt3. Bei der Zusammenfassung der Daten (bis zu 27 Werte pro Winkel und Durchgang aus insgesamt 10 Kameraschwenks) wurde genauso vorgegangen wie es für die entsprechenden Messungen im vertikalen Augenmeridian beschrieben ist (Siehe oben!). Abb. 18 zeigt die rechten Diagramme aus Abb. 17, die um die derart erhaltenen Ergebnisse erweitert wurden. Außerdem ist das arithmetische Mittel der in den beiden Augenmeridianen festgestellten Werte eingetragen. Wie man erkennt, stimmt die Refraktion im dorsalen Bereich weitgehend überein (Tier Nr. 6 und Nr. 8) oder verläuft lediglich parallel verschoben (Tier Nr. 1). Dabei ist anzumerken, dass für den vertikalen Augenmeridian bei Tier Nr. 1 weniger Messungen zur Verfügung standen als in den übrigen Auswertungen. Momentane Tonusschwankungen könnten sich hier stärker niedergeschlagen haben als sonst. Ventral nimmt die Refraktion von der optischen Achse zur Peripherie hin im horizontalen Augenmeridian nur wenig ab, im vertikalen setzt sich dagegen ihr deutlicher Abfall aus dem dorsalen Feld fort. Infolgedessen entsteht ein immer größer werdender Astigmatis- 3 Die Ausdrücke „horizontaler Meridian“ und „vertikaler Meridian“ werden in zwei verschiedenen Zusammenhängen gebraucht. Wenn man das Auge als eine Hohlkugel betrachtet, bezeichnen sie zunächst einmal die horizontale bzw. vertikale Kreisbahn auf dieser Kugel, die durch das Pupillenzentrum verläuft. In Bezug auf die Messung der Refraktion benutzt man die beiden Begriffe, um zu beschreiben, in welchem Augenmeridian der Helligkeitsgradient in der Pupille erzeugt und ausgewertet wird. Zur Ermittlung der Refraktion im vertikalen Augenmeridian wird die Blende mit den Infrarot-Leuchtdioden vor den unteren Bereich der Kameraöffnung gesetzt. Dadurch entsteht ein vertikales Intensitätsprofil in der Pupille. Ist die Abdeckung dagegen seitlich vor der Kameraapertur angebracht, so wird ein horizontaler Helligkeitsgradient erzeugt. Er erlaubt eine Bestimmung der Refraktion des Auges im horizontalen Meridian. Hinsichtlich des visuellen Feldes beziehen sich die Begriffe auf die zwei Ebenen im Raum, die auf den horizontalen und den vertikalen Meridian des Auges abgebildet werden. Um die Refraktion des Auges für Punkte im vertikalen oder horizontalen Meridian zu ermitteln, wird die Kamera auf einem vertikalen bzw. horizontalen Kreisbogen um das Augenzentrum geschwenkt. 39 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Refraktion (dpt) 20 Vertikaler Meridian Horizontaler Meridian Arithmetisches Mittel 10 0 Ventrales Feld -10 15 Vertikaler Meridian Horizontaler Meridian Arithmetisches Mittel 5 -5 Ventrales Feld -15 55 Dorsales Feld Optische Achse Tier Nr. 8 45 Refraktion (dpt) Dorsales Feld Optische Achse Tier Nr. 6 25 Refraktion (dpt) Optische Achse Tier Nr. 1 30 35 25 Vertikaler Meridian Horizontaler Meridian Arithmetisches Mittel 15 5 -5 Ventrales Feld -15 -30 -20 Dorsales Feld -10 0 10 20 30 Divergenzwinkel (deg) Abb. 18: Astigmatismus im ventralen Bereich des visuellen Feldes. In den Diagrammen ist die Refraktion gegen den Divergenzwinkel von der optischen Achse in vertikaler Richtung aufgetragen. Angegeben ist jeweils ein Durchschnittswert (± SE, n = 10) 4 gemessen im vertikalen ( ) und horizontalen ( ) Augenmeridian (Vgl. Abb. 19!) sowie deren arithmetisches Mittel ( ). Während die Refraktion im dorsalen Bereich weitgehend übereinstimmt, nimmt sie im ventralen für den vertikalen Meridian zunehmend geringere Werte an als für den horizontalen. Das arithmetische Mittel ändert sich innerhalb von ± 30° um maximal 28 bis 48 dpt. Man beachte die unterschiedliche Skalierung der Ordinate! 4 n = 7 für den vertikalen Meridian bei Tier Nr. 1 Ergebnisse mus: Der Brechungsunterschied zwischen den zwei Meridianen steigt. Bei -28 Grad erreicht er etwa 14 (Tier Nr.1), 12 (Tier Nr. 6) bzw. 21 dpt (Tier Nr. 8). Die Stärke des Astigmatismus variiert individuell beachtlich. Wie oben beschrieben, gilt dies auch für die Gesamtänderung der im vertikalen Augenmeridian gemessenen Refraktion. Bildet man jedoch den Quotienten aus beiden Werten, so erhält man bei allen Tieren nahezu das gleiche Ergebnis: Der größte festgestellte Refraktionsunterschied der beiden Augenmeridiane beträgt 34 (Tier Nr. 6) bis 35 (Tier Nr. 1 und Nr. 8) Prozent der maximal beobachteten Refraktionsdifferenz im vertikalen Augenmeridian. Infolge des beschriebenen Astigmatismus ändert sich das arithmetische Mittel aus der Refraktion in beiden Meridianen innerhalb der untersuchten Winkelspanne weniger als die nur im vertikalen Meridian gemessene Refraktion. Trotzdem ist von ventral nach dorsal noch ein Anstieg um bis zu 29 (Tier Nr. 1), 28 (Tier Nr. 6) bzw. 48 dpt (Tier Nr. 8) zu verzeichnen. 3.6 Fundusgeometrie Die Refraktion ergibt sich aus der Beziehung des Gesamtbrechungszustandes aller optischen Medien zur Achsenlänge des Auges. Ihre Veränderung kann demnach auf einem Wechsel in der Brechkraft der Augenoptik oder einer Verringerung bzw. Erhöhung der Augenlänge beruhen. Ermittelt man die Refraktion entlang dem vertikalen Meridian des visuellen Feldes mit Hilfe mehrerer Kameraschwenks, so ist die Streuung der Werte für bestimmte Divergenzwinkel im dorsalen Bereich auffallend erhöht (Abb. 19). Dies tritt bei Messungen im vertikalen (linkes Diagramm) ebenso wie im horizontalen Augenmeridian (rechtes Diagramm) auf. In beiden Fällen wurde bei einigen Kameraschwenks die in der ventralen Retina liegende Aushöhlung der Sehnervenpapille (Discus nervi optici; Vergleiche 3.9!) abgetastet (weiße Punkte in den Diagrammen), während sie bei anderen, leicht seitlich versetzten nicht erfasst wurde (schwarze Punkte in den Diagrammen). Die durch die Vertiefung im Fundus am blinden Fleck verursachten Refraktionsänderungen überlagern den sonst zu beobachtenden Refraktionsverlauf im dorsalen Bereich des visuellen Feldes. In Abschnitt 3.5 interessierte lediglich letzterer, so dass für die Auswertungen dort ausschließlich Messdurchgänge gewählt wurden, bei denen die Austrittsstelle der Nervenfasern aus dem Bulbus nicht gestreift wurde. 3.7 Pupillenreaktionen Während sich alle bisherigen Abschnitte der Refraktion des Auges widmeten, soll nun näher auf die Pupille eingegangen werden. Um festzustellen, ob sie sich mit der Lichtintensität oder mit der Entfernung eines fixierten Punktes ändert, wurde ihre Größe anhand von Videoaufzeichnungen unter hoher und geringer Umgebungshelligkeit jeweils bei Fern- und bei maximaler Nahakkommodation bestimmt. 41 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Refraktion (dpt) 30 Tier Nr. 10 Tier Nr. 6 Optische Achse Optische Achse 20 10 0 -10 Ventrales Feld -20 -30 -20 -10 Dorsales Feld 0 10 Divergenzwinkel (deg) 20 Ventrales Feld 30 -30 -20 -10 Dorsales Feld 0 10 20 30 Divergenzwinkel (deg) Abb. 19: Rekonstruktion der Fundusgeometrie. Aufgetragen ist die Refraktion gemessen im vertikalen (rechts) bzw. horizontalen (links) Meridian gegen den Divergenzwinkel von der optischen Achse in vertikaler Richtung. Senkrechte schwarze Linien: Spannweite der Werte aus 12 Kameraschwenks. Schwarze, weiße Punkte: Ergebnisse zweier Durchgänge. Im dorsalen Bereich des visuellen Feldes ist die Spannweite für bestimmte Winkel deutlich erhöht. Dort wurde bei einigen Kameraschwenks die in der ventralen Retina befindliche Aushöhlung der Sehnervenpapille abgetastet (weiße Punkte), während sie bei anderen, leicht seitlich versetzten nicht gestreift wurde (schwarze Punkte). In die Abb. 17 und 18 gingen nur die Werte aus den letztgenannten Durchgängen ein. Abb. 20 A zeigt beispielhaft Infrarotaufnahmen vom Auge einer Schildkröte unter den vier Versuchsbedingungen. Die Ergebnisse des Experiments sind darunter (Abb. 20 B) graphisch zusammengefasst. Aufgetragen ist der Durchmesser der Pupille, gemittelt aus den Werten von sieben Tieren. Die individuelle Pupillengröße in der jeweiligen Situation wurde zuvor als Durchschnitt dreier Messungen berechnet (Daten nicht gezeigt). Dabei ließen sich weder für eine bestimmte Schildkröte noch unter einer speziellen Bedingung besonders große Schwankungen feststellen (individuelle SD bei 0,05 ± 0,036 mm). Auch die interindividuellen Unterschiede waren gering, wie man anhand der im Diagramm durch die Fehlerbalken angegebenen Standardabweichungen für die Mittelwerte der einzelnen Tiere erkennen kann (SD zwischen 0,04 und 0,08 mm). Eine einfaktorielle Varianzanalyse (Anova) ergab einen hochsignifikanten Einfluss der Versuchsverhältnisse (Lichtintensität, Fixationspunkt) auf den Pupillendurchmesser (F(3, 24) = 341, p < 0,001). Im post-hoc-Test (paarweise durchgeführte t-Tests mit Bonferroni-Adaptation) zeigte sich, dass die Pupillengröße bei der Nahakkommodation für geringe und hohe Umgebungshelligkeit nicht signifikant differierte, ansonsten aber in 42 Ergebnisse Abb. 20: Einflüsse auf die Pupil- A B n.s. Durchmesser der Pupille (mm) *** *** 3 *** 2,5 2 1,5 1 0,5 0 niedrig, fern niedrig, nah hoch, fern hoch, nah Lichtintensität, Fixationspunkt lengröße. Die Infrarotaufnahmen in A zeigen die Pupille von Tier Nr. 1 unter den vier unten genannten Versuchsbedingungen. Im Balkendiagramm in B ist jeweils der Pupillendurchmesser gemittelt aus den Werten von sieben Individuen angegeben. Die Fehlerbalken bezeichnen die Standardabweichung. Während die Erhöhung der Lichtintensität bei maximaler Nahakkommodation keinen nachweisbaren Einfluss besaß (n.s.), führte dies bei Fernakkommodation zu einer hochsignifikanten ( *** ) Verringerung des Pupillendurchmessers. Durch die starke Annäherung des Fixationspunktes kam es sowohl bei niedriger als auch bei hoher Lichtintensität zu einer hochsignifikanten ( *** ) Verkleinerung der Pupille (Anova, multiple t-Tests mit Bonferroni-Adaptation). allen Situationen hochsignifikant voneinander verschieden war (Zu den Irrtumswahrscheinlichkeiten (p) siehe Tab. 2!). Tab. 2: Auflistung der erhaltenen Irrtumswahrscheinlichkeiten (p) für den paarweisen Vergleich der Versuchssituationen im post-hoc-Test. Lichtintensität, Fixationspunkt niedrig, fern niedrig, nah hoch, fern hoch, nah niedrig, fern --------- Siehe unten! Siehe unten! Siehe unten! niedrig, nah < 0,001 --------- Siehe unten! Siehe unten! hoch, fern < 0,001 < 0,001 --------- Siehe unten! hoch, nah < 0,001 > 0,9 (n.s.) < 0,001 --------- 43 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Unter Berücksichtigung der Lage der in Abb. 20 aufgetragenen Mittelwerte zueinander lassen sich die oben genannten Ergebnisse folgendermaßen präzisieren: Zwischen dem Refraktionsstatus und der Pupillengröße bestand eine deutliche Abhängigkeit, wobei der Pupillendurchmesser bei der Nahakkommodation mit 1,71 ± 0,062 mm (niedrige Lichtintensität) bzw. 1,70 ± 0,043 mm (hohe Lichtintensität) grundsätzlich unter den bei entspannter Akkommodation beobachteten Werten (2,53 ± 0,081 mm bei niedriger und 2,28 ± 0,044 mm bei hoher Lichtintensität) lag (Nahreaktion). Wenn das Tier in die Ferne schaute, wirkte sich auch die Umgebungshelligkeit aus: Die im Versuch vorgenommene Erhöhung der Beleuchtungsstärke führte zu einer Verringerung der Pupillengröße um durchschnittlich 0,25 mm (Lichtreaktion). Wurde ein Punkt unmittelbar vor dem Auge fixiert, besaß die Lichtintensität keinen nachweisbaren Einfluss mehr: Mit 1,70 ± 0,043 mm bei hoher und 1,71 ± 0,062 mm bei niedriger Beleuchtungsstärke blieb der ermittelte Pupillendurchmesser im Grunde gleich. 3.8 Binokulare Unabhängigkeit der Pupillennahreaktion Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, konnten bei Geoemyda spengleri zwei Pupillarreflexe, die Nah- und die Lichtreaktion, festgestellt werden. Von diesen beiden wurde die Nahreaktion (Pupillenverengung bei Nahakkommodation) genauer auf ihr binokulares Verhältnis hin betrachtet. Frontalaufnahmen der Tiere aus den Versuchen zur visuellen Beutefixierung zeigten, dass die Pupillenkonstriktion bei gleicher Refraktion in den Augen einheitlich war und bei unterschiedlicher verschieden stark ausfiel. In Abb. 21 ist dies anhand einiger Beispiele demonstriert. Dargestellt sind Ausschnitte aus den mit der fotoretinoskopischen Apparatur gewonnenen Infrarotbildern, auf denen die Augenpartie der Schildkröten zu sehen ist. Darunter ist durch einen Balken jeweils die doppelte Pupillengröße angegeben. Gemessen wurde vom oberen bis zum unteren Rand durch das Zentrum der auf dem Foto als Ellipse erscheinenden Pupille. Die Bilder in den beiden ersten Reihen geben die typischen Verhältnisse bei einer motivierten Schildkröte wieder: Zunächst fokussiert ein Auge auf den angebotenen Wurm, während das zweite noch fernakkommodiert ist (A, C). Dabei weist die Pupille im auf die Beute blickenden Auge (jeweils das vom Tier aus gesehen linke) einen merklich geringeren Durchmesser auf als im anderen. Wenig später fixieren beide Augen die Nahrung (B, D) und die Pupillen sind etwa in gleichem Umfang konstringiert. Die Aufnahmen in der dritten Reihe in Abb. 21 stammen aus einer Situation, in der die Schildkröte kein Interesse an dem ihr präsentierten Wurm besaß (Kopf eingezogen). Sie akkommodiert mit dem rechten Auge leicht, mit dem linken stark (E). Offensichtlich betrachtet sie mit letzterem den Rand des Gucklochs. Die Pupille auf dieser Seite wird so sehr verengt, dass die Helligkeit des gesamten Fundusreflexes wegen der geringen eintretenden Lichtmenge schwächer ausfällt als im anderen, weniger myopen Auge, dessen Pupille bedeu44 Ergebnisse A B Tier Nr. 6 D Tier Nr. 8 Tier Nr. 6 C Tier Nr. 8 E F Tier Nr. 8 Tier Nr. 8 Abb. 21: Asymmetrische Pupillenreaktion bei asymmetrischer Akkommodation. Abgebildet sind Infrarotaufnahmen von der Augenpartie der Schildkröten. Darunter ist der Durchmesser der Pupillen anhand von Balken in zweifacher Vergrößerung dargestellt. Die horizontalen Linien dienen dem binokularen Vergleich. Differiert die Refraktion rechts und links deutlich wie in A, C oder E, so unterscheidet sich der Pupillendurchmesser erkennbar. Akkommodieren (B, D) oder relaxieren (F) beide Augen anschließend auf den gleichen Wert, stimmt auch die Pupillengröße wieder überein. 45 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte tend größer ist. Trotzdem bleibt der Intensitätsgradient links noch höher als rechts. Anschließend relaxieren beide Augen (F) und die Pupillen weiten sich auf ungefähr den gleichen Durchmesser. Die Beispiele belegen, dass bei Geoemyda spengleri neben der Akkommodation auch die damit verbundene Pupillennahreaktion binokular unabhängig erfolgen kann. Ob die Kopplung der Akkommodation bei der visuellen Beutefixierung (wie in B und D aber nicht in F) mit einer Kopplung des Pupillarreflexes einhergeht oder dieser lediglich infolge der rechts und links übereinstimmenden Refraktion gleich stark ausfällt, ist anhand der vorliegenden Daten nicht zu unterscheiden. 3.9 Topographie der Retina Dorsal Temporal Nasal Ventral 1 mm Ganglienzellen pro mm2 0- 749 750-1499 1500-2249 2250-2999 3000-3749 3750-4499 Abb. 22: Ganglienzellverteilung in der Retina einer Geoemyda spengleri (linkes Auge). Auf der Skizze der ausgebreiteten Netzhaut ist in Abständen von 500 µm die jeweils ermittelte Ganglienzelldichte (Zellen pro mm2) aufgetragen. Das Schema ist so orientiert, dass sich ventral unten und temporal rechts befindet. Oberhalb des Discus nervi optici (eingeschlossene weiße Fläche) erkennt man als wesentliches Strukturmerkmal einen visual streak, eine von nasal nach temporal ziehende Region hoher Zelldichte. Der maximale Wert, rund 4200 Zellen pro mm2, wurde etwa im Zentrum dieses Streifens registriert. 46 Ergebnisse Dieser letzte Abschnitt des Ergebnisteils stellt die topographische Anatomie der Retina einer Zacken-Erdschildkröte vor. Unter dem Binokular konnte in der in situ in der hinteren Augenhälfte befindlichen Netzhaut keine Fovea entdeckt werden. Die anhand des Flachpräparats erstellte Karte der retinalen Ganglienzellverteilung (Abb. 22) ergab eine lang gestreckte, von nasal nach temporal ziehende Region hoher Zelldichte: einen sogenannten visual streak. Er befand sich oberhalb des Discus nervi optici etwa in Höhe des horizontalen Meridians des Auges. Die maximale Ganglienzelldichte, rund 4200 Zellen pro mm2, wurde im Zentrum des Strichs, am Schnittpunkt der dorsoventralen mit der nasotemporalen Achse, ermittelt. In der Zellverteilung um diese Stelle herum ließ sich sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Asymmetrie erkennen. Während die Zelldichte nasal fast genauso hoch blieb wie im Zentrum, wies sie temporal etwas niedrigere Werte auf. Ein deutlicher Rückgang war beide Male erst im Randbereich zu verzeichnen. Ventral verminderte sich die Zelldichte recht abrupt direkt unterhalb des horizontalen Meridians. In der oberen Hälfte der Retina, insbesondere im nasodorsalen Quadranten, nahm sie dagegen in Richtung Peripherie nur langsam ab. 47 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 48 4 Diskussion 4.1 Small-eye artefact Mit Hilfe fotoretinoskopischer Messungen lassen sich Aussagen darüber treffen, wie sich der Brechungszustand eines Auges verändert. Die tatsächliche Brechkraft kann aber nur beurteilt werden, wenn Daten zu den Eigenschaften der dioptrischen Elemente des Auges vorliegen. Trotzdem ist es unter ausschließlicher Verwendung der Fotoretinoskopie möglich, Fehlsichtigkeit festzustellen. In die Eichung der verwendeten Apparatur floss die Annahme ein, dass Geoemyda spengleri emmetrop (normalsichtig) ist. Angesichts der Tatsache, dass es sich um Wildtiere handelt, die stark auf ihren visuellen Sinn angewiesen sind, dürfte diese Hypothese durchaus gerechtfertigt sein. Individuen mit großen Sehfehlern hätten in der Natur wohl kaum eine Überlebenschance gehabt. Wenn Achsenlänge und Brechkraft des Schildkrötenauges im richtigen Verhältnis zueinander stehen, sollten aus dem Unendlichen parallel einfallende Strahlen bei entspannter Akkommodation in einem auf der Netzhaut liegenden Brennpunkt vereinigt werden. Dem in dieser Situation in der Pupille erscheinenden Helligkeitsgradienten wird daher die Refraktion Null zugeordnet. Wie man anhand des Achsenabschnitts der Graphen in Abb. 5 erkennt, beträgt die Steigung des Intensitätsprofils bei 0 dpt zwischen + 0,3 und + 1,0 pro dpt. Da sich die Kamera in 70 cm Entfernung befindet, während der Fokus des Auges im Unendlichen, also dahinter, liegt, entspricht ein positiver Wert den Erwartungen. Ein emmetropes Auge sollte in der Pupille ein Intensitätsprofil mit der Steigung Null aufweisen, wenn es genau auf das Fotoretinoskop akkommodiert. Die von den Infrarot-Leuchtdioden ausgehenden und vom Fundus reflektierten Lichtstrahlen werden dann wieder in ihrer Quelle vereinigt und gelangen nicht ins Objektiv (Vgl. Abb. 4, mittlere Spalte!). Bei einer Refraktion von - 1/70 dpt ˜ - 0,01 dpt, bei der das Auge eigentlich scharf auf die Kameraapertur eingestellt sein sollte, beträgt die Steigung des Intensitätsprofils, auf die erste Nachkommastelle gerundet, allerdings noch immer + 0,3 bis + 1,0 pro dpt. Dies lässt vermuten, dass die Augenlänge in Relation zur Brechkraft zu kurz, das Auge also weitsichtig ist. Eine andere Möglichkeit wäre, dass es lediglich weitsichtig erscheint, weil das Licht des Fotoretinoskops an einer Ebene reflektiert wird, die vor der Schicht der Fotorezeptoren liegt. In Frage kommt dafür z.B. die Grenzfläche zwischen Glaskörper und Retina, der Fundus. Bei Säugern konnte indirekt nachgewiesen werden, dass dies tatsächlich der Fall ist (Glickstein und Millodot 1970). Da ihre Retina immer etwa gleich dick ist, wirkt sich der Effekt besonders bei kleinen Augen aus, weshalb man ihn als small-eye artefact bezeichnet. Seine Größe betrug bei den ZackenErdschildkröten zwischen 2 und 5 dpt. Das ist deutlich weniger als aufgrund ihres Augendurchmessers (~ 6 mm) nach der von Glickstein und Millodot ermittelten Beziehung zu erwarten ist. Für Refraktionsmessungen an der Rotwangen-Schmuckschildkröte lieferte jene aller49 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte dings gute Schätzwerte (Northmore und Granda 1991b). Vermutlich hängt der vergleichsweise geringe small-eye artefact bei den hier durchgeführten Untersuchungen mit der Verwendung von Infrarotlicht zusammen. Es dringt anscheinend tiefer in den Fundus ein als das üblicherweise eingesetzte, sichtbare Licht. Dafür sprechen auch Beobachtungen, die bei der Infrarot-Fotoretinoskopie an Mäusen gemacht wurden (F. Schaeffel, persönliche Mitteilung). Bei allen weiteren Messungen in dieser Arbeit spielt der small-eye artefact keine Rolle mehr, da er bei der Eichung durch die Annahme, die Tiere seien emmetrop, kompensiert wurde, indem der Steigung des Intensitätsprofils in der Pupille beim Blick ins Unendliche die Refraktion Null zugeordnet wurde. 4.2 Die Bedeutung der dynamischen Akkommodation Aus der Akkommodation beim Fixieren eines bestimmten Punktes im Raum kann geschätzt werden, wie weit dieser entfernt ist (Walls 1942, Collett und Harkness 1982). Damit sich ein Fokussierungssystem jedoch zu diesem Zweck eignet, muss es gewisse Voraussetzungen erfüllen: Insbesondere sollte die Einstellung des Auges auf eine bestimmte Distanz möglichst präzise geschehen, so dass sich daraus ein guter Schätzwert ergibt. Außerdem ist eine hohe Akkommodationsbreite erforderlich, um auch den Nahbereich abzudecken. Er ist unter anderem deshalb interessant, weil das Auflösungsvermögen bei dieser Form der Entfernungseinschätzung dort am besten ist. Schließlich dürfte eine große Akkommodationsgeschwindigkeit von Vorteil sein, um auf eine Distanzänderung betrachteter Objekte schnell reagieren zu können. Die in den Abschnitten 3.2 und 3.3 beschriebenen Ergebnisse belegen, dass die genannten Kriterien für das Fokussierungssystem von Geoemyda spengleri zutreffen. Mit bis zu 150 dpt/s ist die Akkommodationsgeschwindigkeit der Zacken-Erdschildkröte erstaunlich hoch. Sie liegt über den Werten, die bei verschiedenen Vögeln (60 dpt/s beim Huhn (Schaeffel 1994b), 100 dpt/s bei Eulen (Murphy und Howland 1983)) und beim Chamäleon (60 dpt/s (Ott et al. 1998)) gemessen wurden, obwohl jene bereits beachtlich sind. Im Vergleich zu Säugern können Sauropsiden extrem schnell fokussieren, weil ihre Akkommodationsmuskulatur nicht glatt sondern quergestreift ist. Erwachsene Menschen weisen z.B. höchstens eine Geschwindigkeit von 18 dpt/s auf, Kindern erreichen immerhin noch 33 dpt/s (Schaeffel et al. 1993). Die Akkommodationsbreite der Zacken-Erdschildkröte ist mit rund 55 dpt für ein Tier, das zwar gelegentlich das Wasser aufsucht, aber nicht semiaquatisch jagt, sehr groß. Beim Chamäleon wurden 45 dpt (Ott et al. 1998) nachgewiesen, was den maximalen Wert darstellt, der bisher bei einem rein terrestrisch lebenden Vertebraten ermittelt wurde. Das Akkommodationsvermögen des Menschen beträgt schon mit 10 Jahren nur 12 dpt und sinkt im Alter nahezu auf 0 dpt ab (Hildebrandt 1998). Es ist allerdings anzumerken, dass bei Geoemyda spengleri 50 Diskussion nicht die gesamten 55 dpt mit einer Einstellung des Auges vom Unendlichen auf geringere Distanzen zusammenhängen. Etwa ein Drittel verfallen auf die aktive Erzeugung von Weitsichtigkeit. Wenn sich den Schildkröten kein interessantes Blickziel bietet, wird die Refraktion ihres Auges oft hyperop. Mit einer Verschiebung der Messwerte gegenüber der Realität aufgrund des small-eye artefacts lässt sich dies nicht erklären, da jener bei der Eichung kompensiert wurde (Vgl. Abschnitt 4.1!). Auch beim Chamäleon (Ott 1997, Ott et al. 1998) und beim Huhn (Schaeffel, persönliche Mitteilung) wurde das beschriebene Phänomen beobachtet. Der Grund für die Hyperopie ist unklar. Sie könnte vielleicht dazu dienen, die visuelle Information eines Auges explizit zu ignorieren. Innerhalb ihrer Akkommodationsbreite fokussierte die Zacken-Erdschildkröte sehr exakt auf vorgegebene Beutedistanzen. Eine vergleichbare Präzision über einen ähnlich großen Bereich von Entfernungen wurde bisher nur beim Chamäleon festgestellt (Ott und Schaeffel 1995). Dies ist aus zwei Gründen sehr interessant: Zum einen wurde die hohe Genauigkeit der Akkommodation beim Chamäleon mit der Existenz einer konvexikliven Fovea in ihrer Retina in Zusammenhang gebracht (Ott 1997). Sie soll eine vom Fokus abhängige Bildverzerrung verursachen und so als ein feiner Detektor wirken (Harkness und Bennet-Clark 1978). Andere Theorien gehen davon aus, dass eine auf ihr beruhende Bildvergrößerung und die damit verbundene Erhöhung der visuellen Auflösung entscheidend sind (Walls 1942, Snyder und Miller 1978). Geoemyda spengleri besitzt jedoch überhaupt keine Fovea (Siehe Abschnitt 3.9 und 4.6!) und ist trotzdem in der Lage, äußerst präzise zu akkommodieren. Die konvexiklive Fovea bildet demnach keine notwendige Voraussetzung für ein hervorragendes Fokussierungsvermögen. Ihre funktionelle Bedeutung liegt unter Umständen in einem ganz anderen Bereich. Ein zweiter interessanter Punkt angesichts der vergleichbar genauen Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte und dem Chamäleon ist, dass letztere die Akkommodation mit Sicherheit als ausschlaggebenden Parameter für die Entfernungseinschätzung nutzen, wie Experimente gezeigt haben (Harkness 1977). Bei Tieren, die sich bei der Tiefenwahrnehmung nur zusätzlich auf ihr Fokussierungssystem stützen wie Schleiereulen (Wagner und Schaeffel 1991), bleibt die Akkommodation hinter der Objektdistanz zurück. Das Gleiche gilt für den Menschen, bei dem der Refraktionsstatus des Auges höchstens eine unbedeutende Rolle spielt (Collett und Harkness 1982). Die Vermutung, dass die Zacken-Erdschildkröte die Akkommodation ebenso wie das Chamäleon zur Entfernungseinschätzung nutzt, liegt daher nahe. Wie oben erläutert, sind die wesentlichen Anforderungen, die in diesem Zusammenhang an die Leistungen eines Fokussierungssystems gestellt werden müssen, bei ihr erfüllt. Einen Beweis für eine Rolle der Akkommodation bei der Entfernungseinschätzung bildet dies freilich nicht. Bei den Experimenten zur visuellen Beutefixierung, in denen ein Auge mit einer Zerstreuungslinse versehen war (Abschnitt 3.4.2!), fiel auf, dass die Schildkröten gelegentlich zu kurz bissen, wenn das bedeckte Auge den Akkommodationswert vorgab. Allerdings konnte etwas Derartiges in einem weiterführenden Test nicht beobachtet werden, in dem die Tiere zwei 51 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Brillengläser gleicher Stärke trugen und in einer Arena nach einem Wurm schnappen sollten. Da sie dabei stets nah an die Beute heran rannten, bevor sie zustießen, war der durch die Vorsatzlinsen verursachte Fehler einer auf Akkommodation beruhenden Entfernungseinschätzung jedoch auch so gering, dass sie ihr Ziel bei der üblichen Platzierung des Bisses auf jeden Fall treffen mussten. 4.3 Die Rolle der Akkommodationskopplung Ob beide Augen getrennt oder gekoppelt akkommodieren, steht in engem Zusammenhang damit, wie sie im Kopf orientiert und wie sie zueinander beweglich sind. Wenn sie weit seitlich sitzen und insbesondere wenn sie unabhängig voneinander bewegt werden können, erfolgt die Akkommodation meist rechts und links getrennt. Dies wurde bereits bei verschiedenen Sauropsiden nachgewiesen: so etwa beim Huhn (Schaeffel et al. 1986) und beim Chamäleon (Ott et al. 1998). Für die Zacken-Erdschildkröte war es ebenfalls zu erwarten, da beschrieben ist, dass sie ihre Augen – wie andere Schildkröten auch – unabhängig voneinander bewegen kann (Polyak 1957, Rudloff 1986, Ariel 1990, Rudloff 1990). Die in Abschnitt 3.4 vorgestellten Ergebnisse bestätigen die genannte Vermutung – allerdings lediglich für Situationen, in denen die Tiere mit unkonjugierten Blickbewegungen die Umgebung mustern. Sind beide Augen nach vorne ausgerichtet, um eine Beute zu fixieren, wird die Akkommodation gekoppelt (Vgl. Abschnitt 3.4.1 und 3.4.2!). Dies tritt selbst dann auf, wenn ein Auge mit einer Vorsatzlinse versehen ist und das Zielobjekt infolgedessen bei symmetrischer Fokussierung nur noch in einem der zwei Augen scharf auf der Netzhaut abgebildet wird. Die Schleiereule, bei der der binokulare Teil des Gesichtsfeldes groß ist, akkommodiert stets gekoppelt. Man bringt das mit der bei ihnen nachgewiesenen Stereopsis in Verbindung (Pettigrew und Konishi 1976, Schaeffel und Wagner 1992). Die Kopplung der Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte könnte demnach in Zusammenhang mit einem Wechsel zum stereoskopischen Sehen bei der binokularen Fixierung einer Beute stehen. Verschiedene Studien belegen, dass die meisten Schildkrötenarten nicht nur über kontralaterale sondern auch über direkte ipsilaterale Projektionen zu den visuellen Arealen des Gehirns verfügen (Hergueta et al. 1992a, Hergueta et al. 1992b, Reiner et al. 1996). Diese werden oft als anatomische Grundlage für stereoskopisches Sehen betrachtet, obwohl sie keineswegs eine notwendige Voraussetzung darstellen. Es wäre möglich, dass die Entfernungseinschätzung bei der Zacken-Erdschildkröte normalerweise auf Akkommodation beruht, beim Fixieren einer Beute aber Stereopsis ausgenutzt wird. Kröten verwenden unter monokularen Bedingungen eindeutig ihr Fokussierungssystem, im binokularen Fall stützen sie sich aber auf Stereopsis (Collett 1977, Jordan et al. 1980). Offensichtlich ist bei ihnen die Genauigkeit der zweiten Methode der der ersten überlegen, weshalb sie sie bevorzugen, wenn sie wählen können (Collett und Harkness 1982). Unter Umständen wechselt die Zacken-Erdschildkröte aus dem gleichen 52 Diskussion Grund zu stereoskopischem Sehen, sobald beide Augen auf eine Beute ausgerichtet sind. Dagegen spricht allerdings, dass auch Chamäleons ihre normalerweise unabhängige Akkommodation beim Anvisieren eines Zielobjekts binokular koppeln (Ott 1997, Ott et al. 1998), obwohl sie vermutlich nicht über Stereopsis verfügen. 4.4 Das periphere Sehfeld Bei Vertebraten, bei denen das Auflösungsvermögen der Retina vom Zentrum nach außen hin nur geringfügig abnimmt, spielt auch das periphere Sehfeld eine wichtige Rolle. Dort entdeckte „Abbildungsfehler“ haben sich inzwischen mehrfach als besondere Anpassungen an die visuelle Umgebung eines Tieres herausgestellt. 4.4.1 Kurzsichtigkeit im unteren und Weitsichtigkeit im oberen Sehfeld Wie Messungen abseits von der optischen Achse des Auges ergaben, ändert sich bei Geoemyda spengleri im horizontalen Meridian des visuellen Feldes für Divergenzwinkel von bis zu 30° weder der Mittelwert noch der Standardfehler der Refraktion (Vgl. Abschnitt 3.5!). Innerhalb dieses Bereichs bleibt die Abbildungsqualität genauso wie im Augenzentrum. Die in Abschnitt 3.9 beschriebenen Ergebnisse zeigen, dass die Strukturverhältnisse der Retina darauf abgestimmt sind: Ein Streifen hoher Ganglienzelldichte, ein visual streak, zieht sich von der Mitte aus weit in die nasale und temporale Richtung. Im horizontalen Meridian sinkt somit das Bildauflösungsvermögen zur Peripherie hin kaum ab. Betrachtet man die ermittelten Refraktionswerte näher, fällt allerdings auf, dass sie nicht um Null schwanken, was bei einem entspannten normalsichtigen Auge zu erwarten wäre, sondern zwischen 5 und 15 dpt im hyperopen Bereich liegen. Da dies unabhängig vom Divergenzwinkel der Fall ist und die Situation in der optischen Achse im Grundzustand als emmetrop anzusehen ist (Vgl. Abschnitt 4.1!), kann man davon ausgehen, dass die Tiere aktiv eine Weitsichtigkeit in ihrem Auge erzeugten (Vgl. Abschnitt 4.2!). Möglicherweise „schalteten“ sie während der Messungen „ab“, da sich in der abgedunkelten Umgebung keine interessanten Reize boten. Für die Refraktion im vertikalen Meridian des visuellen Feldes bleibt der Standardfehler bei Divergenzwinkeln von bis zu 30° ebenfalls fast unverändert – vorausgesetzt man lässt die Durchgänge unberücksichtigt, bei denen die Aushöhlung der Sehnervenpapille abgetastet wurde (Siehe Abschnitt 3.6!). Der Mittelwert weicht zur Peripherie hin jedoch zunehmend von dem ab, der sich im Zentrum ergab. Im unteren Sehfeld besteht eine Myopie (lower field myopia) bezüglich der Situation in der optischen Achse und im oberen eine relative Hyperopie (upper field hyperopia). Diese Verhältnisse bleiben auch dann erhalten, wenn man den Astigmatismus einbezieht, der für den ventralen Teil des visuellen Feldes nachgewiesen wurde (Vgl. Abschnitt 3.5 und 4.4.2!). Das arithmetische Mittel aus der Refraktion im hori53 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 3 cm Abb. 23: Gleitsicht. Das Schema soll verdeutlichen, welche Auswirkung die zunehmende Kurzsichtigkeit im unteren und wachsende Weitsichtigkeit im oberen visuellen Feld auf den Fokus des Auges besitzt. Verwendet wurden Werte für das arithmetische Mittel aus der Refraktion gemessen im vertikalen und im horizontalen Augenmeridian bei Tier Nr. 8 (Vgl. Abb. 18!). Die schwarzen Punkte markieren Stellen im Raum, die gleichzeitig fokussiert sind, wenn die Schildkröte im Augenzentrum auf einen Wurm in 3,5 cm Entfernung akkommodiert. Ist die optische Achse nicht nach vorne (gestrichelte Linie) sondern ungefähr auf die Beute ausgerichtet (gepunktete Linie), wird auf der Netzhaut eine Fläche scharf abgebildet, die in etwa der Bodenebene entspricht. zontalen und im vertikalen Augenmeridian zeigt prinzipiell den gleichen Verlauf wie die nur im vertikalen Augenmeridian gemessene Refraktion, von der oben die Rede war. Allerdings fällt die Myopie im ventralen Bereich dann etwas geringer aus. Geoemyda spengleri scheint mit einer Art „Gleitsichtbrille“ ausgestattet zu sein. Wenn das Auge in der optischen Achse auf eine bestimmte Distanz fokussiert ist, werden im unteren visuellen Feld näher gelegene Punkte und im oberen weiter entfernte scharf auf der Netzhaut abgebildet. Abb. 23 soll dies graphisch verdeutlichen. Verwendet wurden Werte für das arithmetische Mittel bei Tier Nr. 8. Dabei wurde angenommen, dass das Auge präzise auf einen Wurm in einem Abstand von 3,5 cm akkommodiert (= in der optischen Achse darauf fokussiert ist). Mit Hilfe der schwarzen Punkte ist für verschiedene Winkel die Stelle im Raum markiert, die die Schildkröte scharf sieht. Die Linien geben die Orientierung der optischen Achse wieder. Wenn jene nicht nach vorne (gestrichelte Linie) sondern etwa auf die Beute ausgerichtet ist (gepunktete Linie), liegen die fokussierten Orte in verschiedenen Entfernungen zum Tier ungefähr in Höhe des Untergrunds. Demnach wird gleichzeitig die gesamte Bodenebene scharf auf der Netzhaut abgebildet. Eine ähnliche Anpassung ist bereits bei Amphibien (Schaeffel et al. 1994), Tauben (Fitzke et al. 1985), Hühnchen, Wachteln und Kranichen (Hodos und Erichsen 1990) beschrieben worden. Diese sind im unteren visuellen Feld kurzsichtig (lower field myopia). Zumindest bei den Vögeln steht die Stärke der Myopie in direktem Zusammenhang mit der Augenhöhe (Fitzke et al. 1985, Hodos und Erichsen 1994). Sie ist gerade groß genug, um dafür zu sorgen, dass bei entspannter Akkommodation im unteren Sehfeld der Boden fokussiert ist. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine Spezialisierung, die die Nahrungssuche auf der Erde erlaubt, während gleichzeitig am Horizont oder Himmel auftauchende Feinde erkannt werden können. In Übereinstimmung mit dieser Theorie zeigen Raubvögeln ein solches Phänomen nicht (Murphy et al. 1995). Als Ursache für die zu beobachtenden Refraktionsunterschiede werden bei Vögeln Veränderungen der Augenlänge diskutiert (Land und 54 Diskussion Nilsson 2002). Theoretisch könnte auch die Brechkraft der optischen Medien variieren. Die Fotoretinoskopie gibt keinen Aufschluss darüber, welche der beiden Möglichkeiten bei Geoemyda spengleri zutrifft. Einen Hinweis lieferte aber die Eichung, die durchgeführt wurde, um die Beziehung zwischen dem Divergenzwinkel und der Abweichung des ersten PurkinjeReflexes vom Pupillenzentrum festzustellen (Siehe Abschnitt 2.7!). Dabei fiel auf, dass eine Lichtquelle unterhalb der optischen Achse in einem deutlich größeren Abstand platziert werden musste als oberhalb, wenn sich der auf der Kornea sichtbare Reflex in gleicher Distanz zum Mittelpunkt der Pupille befinden sollte. In nasaler und temporaler Richtung bestand dagegen kein derartiger Unterschied. Dies deutet darauf hin, dass sich der korneale Krümmungsradius von dorsal nach ventral verringert. Allerdings hieße das, dass der vertikale Meridian keine feste Brennweite besäße, was zu einem komplexen Abbildungsfehler, einem irregulären Astigmatismus5, führen würde. Es ist kaum zu erwarten, dass dies einem adaptiven Zweck dienen könnte. 4.4.2 Astigmatismus im unteren Sehfeld Ein Vergleich der Refraktionswerte, die bei Geoemyda spengleri für vertikale Divergenzwinkel im vertikalen und im horizontalen Augenmeridian gemessen wurden, ergab, dass diese im unteren visuellen Feld (lower field) nicht übereinstimmen (Vgl. Abschnitt 3.5!). Zur Peripherie hin steigt ihre Differenz kontinuierlich an, wodurch ein immer größer werdender Astigmatismus entsteht. Die Brechung im vertikalen Augenmeridian übertrifft die im horizontalen. Ein einfallendes Lichtbündel wird dadurch nicht mehr zu einem Punkt vereinigt, sondern erst zu einem horizontalen (primary image) und anschließend zu einem vertikalen Strich (secondary image) zusammengezogen. Genau in der Mitte zwischen diesen zwei Orten ist die Defokussierung in beide Richtungen gleich groß, so dass ein verschwommener Kreis (circle of least confusion) entsteht. Die Qualität des Bildes ist dort noch am besten: Es ist zwar unscharf aber nicht verzerrt. Vermutlich stellt sich der Augenfundus darauf ein. Aus diesem Grund wurde in Abschnitt 3.5 das arithmetische Mittel aus der Refraktion in den zwei Meridianen bestimmt6 (Siehe dazu auch Abschnitt 4.4.1!). Man könnte den ausgeprägten Astigmatismus, den die Schildkröten im unteren Sehfeld aufweisen, als einen Augenfehler betrachten. Dagegen spricht jedoch, dass er bei allen bisher untersuchten Tieren auftrat. Seine Größe schwank5 Im Gegensatz zu einem irregulären Astigmatismus zeichnet sich ein regulärer Astigmatismus dadurch aus, dass die einzelnen Meridiane der Hornhautoberfläche zwar untereinander verschiedene, jedoch in sich gleichmäßige Krümmungen mit jeweils definierter Brennweite besitzen. Solch ein Astigmatismus wurde im unteren visuellen Feld der Zacken-Erdschildkröte festgestellt. 6 Normalerweise betrachtet man beim Astigmatismus den am stärksten und den am schwächsten brechenden Meridian und bildet das arithmetische Mittel aus der Refraktion in beiden. Den Wert, der sich so ergibt, bezeichnet man als das sphärische Äquivalent. In der vorliegenden Untersuchung wurde die Refraktion lediglich im horizontalen und im vertikalen Meridian bestimmt und angenommen, dass sie zwischen diesen maximal differiert. Da das jedoch nicht bewiesen ist, wird der Begriff des sphärischen Äquivalents vermieden und stattdessen nur vom arithmetischen Mittel gesprochen. 55 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte te individuell erheblich, die Richtung war aber stets dieselbe: Immer brach der vertikale Meridian stärker als der horizontale. Außerdem zeigte sich, dass die Größe des Astigmatismus mit der Änderung der im vertikalen Meridian gemessenen Refraktion vom oberen zum unteren Sehfeld korreliert war: Obwohl die maximalen Werte beider Parameter unter den Individuen deutlich differierten, war ihr Quotient jedes Mal gleich. Dies lässt nicht auf einen zufälligen Augenfehler schließen. Verwunderlich erscheint weiterhin, dass die Optik gerade in dem Teil des visuellen Feldes mangelhaft sein soll, der für ein am Boden jagendes Tier wie Geoemyda spengleri von besonderer Bedeutung ist. Das Auflösungsvermögen in ihrer Retina ist für das untere Sehfeld vergleichsweise gut (Vgl. Abschnitt 3.9 und 4.6!), was ebenfalls nicht mit einer schlechten Abbildungsqualität in diesem Bereich in Einklang zu bringen ist. Ein Astigmatismus im unteren visuellen Feld wurde bereits bei Fröschen festgestellt (Schaeffel et al. 1994). Auch bei ihnen beruht er darauf, dass der vertikale Meridian stärker bricht als der horizontale. Eine plausible Erklärung dafür gibt es bisher nicht. Wenn sich der Krümmungsradius der Korneaoberfläche bei der Zacken-Erdschildkröte tatsächlich von dorsal nach ventral verringert, wie in Abschnitt 4.4.1 vermutet, könnte es sich bei dem beobachteten Phänomen zumindest bei ihr um einen Astigmatismus schiefer Bündel handeln. Bei schrägem Strahleneinfall aus dem oberen visuellen Feld tritt dieser wegen der flacheren Wölbung der Kornea innerhalb der betrachteten Divergenzwinkel noch nicht in Erscheinung. 4.5 Der Schließmuskel der Iris Die Iris des Schildkrötenauges zeichnet sich durch einen besonders kräftig ausgebildeten Schließmuskel aus. Ihm wird eine Funktion bei der Akkommodation zugeschrieben (Walls 1942, Duke-Elder 1958, Underwood 1970, Granda und Dvorak 1977, Sivak 1980): Wenn er kontrahiert, presst er laut Theorie den vorderen, durch die Pupille ragenden Teil der Linse zusammen und erniedrigt ihren Krümmungsradius (Walls 1942, Sivak 1980, Underwood 1970). Die in Abschnitt 3.7 beschriebenen Ergebnisse stehen damit in Einklang. Wenn die Zacken-Erdschildkröte statt in die Ferne auf ein Objekt in unmittelbarer Nähe fokussiert, verringert sich der Durchmesser ihrer Pupille. Allerdings ist dies ein Phänomen, das bei vielen Vertebraten zu beobachten ist – z.B. beim Chamäleon (Ott et al. 1998) und auch beim Menschen (Schäfer und Weale 1970, Semmlow und Stark 1973, Wilhelm et al. 1993). Es dient einer Vergrößerung der Tiefenschärfe und muss keineswegs eine Auswirkung auf die Refraktion des Auges besitzen. Die Pupillenverengung bei der Nahakkommodation, die so genannte Nahreaktion, die bei Geoemyda spengleri auftritt, bildet demnach keinen Beweis dafür, dass der Schließmuskel tatsächlich an einer Erhöhung der Linsenkrümmung beteiligt ist. Auch mit Hilfe der Fotoretinoskopie lässt sich diese Frage nicht klären, denn eine durch den Ziliarmuskel verursachte Refraktionsänderung ist nicht von einer auf dem Schließmuskel beruhenden zu unterscheiden. 56 Diskussion Die Hauptaufgabe der Pupille besteht üblicherweise darin, die ins Auge einfallende Lichtmenge zu regulieren. Walls, Polyak und Duke-Elder schreiben, dass der Schließmuskel der Iris bei den Schildkröten nicht auf Helligkeitsschwankungen reagiere (Walls 1942, Polyak 1957, Duke-Elder 1958). Granda und Dvorak widersprechen dieser Aussage jedoch (Granda und Dvorak 1977). Ihre Ansicht wird durch eine Studie an der RotwangenSchmuckschildkröte (Trachemys (früher: Pseudemys) scripta elegans) gestützt, die belegt, dass sich deren Pupillengröße in Abhängigkeit von der Lichtintensität deutlich ändert (Granda et al. 1995). Bei der Zacken-Erdschildkröte (Geoemyda spengleri) trifft das ebenfalls zu, wie die in Abschnitt 3.7 vorgestellten Ergebnisse zeigen: Eine Erhöhung der Umgebungshelligkeit führt zu einer Verringerung des Pupillendurchmessers (Lichtreaktion). Allerdings konnte dies nur beobachtet werden, wenn die Tiere in die Ferne blickten, nicht, wenn sie auf einen Punkt in unmittelbarer Nähe akkommodierten. Dafür kommen folgende Ursachen in Betracht: Unter Umständen konstringierte der Schließmuskel durch die starke Nahreaktion bereits maximal. Eine zusätzliche Verkleinerung der Pupille bei erhöhtem Lichteinfall war deshalb nicht möglich. Andererseits bestand vielleicht trotz der niedrigen Umgebungshelligkeit keine Notwendigkeit, die Pupille zu weiten. Wegen der geringen Entfernung des fixierten Objekts traf der Großteil der von ihm ausgehenden Strahlen ohnehin ins Auge. Schließlich könnte der vom Licht verursachte Effekt unvereinbar mit der Nahreaktion sein und durch sie unterdrückt werden. Um das zu beantworten, müsste man den Einfluss der Umgebungshelligkeit bei mehreren Refraktionszuständen, nicht nur der Fern- und der extremen Nahakkommodation, untersuchen. Die in Abschnitt 3.8 geschilderten Ergebnisse belegen, dass die Nahreaktion bei der ZackenErdschildkröte in beiden Augen unabhängig voneinander erfolgen kann. Da dasselbe für die Akkommodation gilt, wäre eine gegenteilige Beobachtung auch verwunderlich gewesen. Offen bleibt, ob die binokulare Kopplung der Akkommodation beim Anvisieren einer Beute mit einer Kopplung der Nahreaktion einhergeht. Wenn die Pupillenverengung tatsächlich der Erhöhung der Linsenbrechkraft dient, beweisen die in Abschnitt 3.4.2 vorgestellten Resultate, dass eine Kopplung besteht. Handelt es sich jedoch nur um eine Begleiterscheinung, keinen Mechanismus der Akkommodation, so könnte die Konstriktion aufgrund einer Kopplung oder lediglich infolge der in beiden Augen übereinstimmenden Refraktion symmetrisch ausfallen. Anhand der vorliegenden Daten lassen sich die zwei Möglichkeiten nicht unterscheiden. Wesentlich leichter dürfte festzustellen sein, ob die Pupillenverengung durch Licht bei gekoppelter Akkommodation unabhängig auftritt. Man müsste dazu gezielt ein Auge beleuchten, während die Schildkröte eine Beute fixiert. Die Kopplung der Akkommodation könnte gleichzeitig mit Hilfe einer Vorsatzlinse überprüft werden (Vgl. Abschnitt 3.4.2!). Untersuchungen an Vögeln haben ergeben, dass die Lichtreaktion bei ihnen in beiden Augen getrennt erfolgt. Dies gilt für Arten mit stark divergierenden optischen Achsen und unabhängiger Akkommodation ebenso wie für solche mit großem binokularen Sehfeld und stets symmetrischer Akkommodation (Levine 1955, Bishop und Stark 1965, Schaeffel und Wagner 1992). 57 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte Im Gegensatz dazu zeigt der Mensch, dessen Akkommodation gekoppelt ist, eine konsensuelle Lichtreaktion: Bei Beleuchtung der Retina eines Auges verengt sich auch die Pupille des anderen (Hildebrandt 1998). Das Gleiche wurde bei Ratten beobachtet, obwohl ihre Augen nicht frontal sondern seitlich stehen (Trejo et al. 1989). Die Fähigkeit zu akkommodieren besitzen die Nager wahrscheinlich nicht (Hughes 1977). Ein Studium der Verhältnisse bei Geoemyda spengleri wäre vor diesem inhomogenen Hintergrund sehr interessant. 4.6 Spezialisierungen der Retina Die Ganglienzelldichte wurde bereits in der Retina vieler Tiere bestimmt und als Parameter für regionale Unterschiede im Bildauflösungsvermögen verwendet (z.B. Hughes 1977, Peterson und Ulinski 1979). Alternativ ist zu diesem Zweck auch die Dichte der Fotorezeptoren betrachtet worden (z.B. Brown 1969). Beide Werte stehen insofern miteinander in Beziehung, als dass ein Anstieg der Fotorezeptorzahl in der Regel von einer Zunahme der Ganglienzellzahl begleitet wird. Meist sinkt dabei aber der Konvergenzfaktor (das Verhältnis von Fotorezeptoren zu Ganglienzellen). Die Veränderungen betreffen also die Ganglienzellen relativ gesehen stärker als die Fotorezeptoren, weshalb sie das feinere Maß darstellen. Außerdem ist ihre absolute Zahl deutlich niedriger oder höchstens genauso groß wie die der Fotorezeptoren. Man vermeidet somit unnötigen Aufwand, wenn man sich auf das Zählen der Ganglienzellen verlegt. Die Untersuchung der Ganglienzellverteilung in der Retina von Geoemyda spengleri ergab als wesentliches Strukturmerkmal einen visual streak: Vom Augenzentrum aus zieht sich ein Streifen hoher Zelldichte weit in die nasale und temporale Richtung. Die visuelle Auflösung nimmt demnach im horizontalen Meridian des visuellen Feldes von der optischen Achse zur Peripherie hin kaum ab. Eine solche Spezialisierung findet man bei Tieren, in deren Habitat ein „Horizont“ eine wichtige Rolle spielt (Peichl 1997, Rodieck 1998). Als Waldbewohner scheint Geoemyda spengleri nicht gerade zu den typischen Vertretern dieser Gruppe zu gehören. Für ein kleines, auf der Erde lebendes Tier wie die Zacken-Erdschildkröte bildet aber auch der Waldboden, wenn er nicht völlig überwuchert ist, eine offenen Fläche, an dessen Grenze ein Feind oder eine Beute erstmals auftauchen (Hughes 1977). Ein visual streak wurde bereits bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Brown 1969, Peterson und Ulinski 1979, Peterson und Ulinski 1982) und bei verschiedenen Meeresschildkröten (DeCarlo et al. 1998) beschrieben. Bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte nimmt die Ganglienzellzahl zum Mittelpunkt des Streifens hin noch einmal deutlich zu, so dass dort eine runde Region besonders hoher Zelldichte entsteht (Peterson und Ulinski 1979). Die Lederschildkröte weist einen derartigen Bereich oberhalb ihres visual streak auf (DeCarlo et al. 1998). Laut Walls und Duke-Elder besitzen fast alle Schildkröten eine area centralis, ein kreisförmiges Gebiet in der Retina, in dem die visuelle Auflösung deutlich verbessert ist 58 Diskussion (Walls 1942, Duke-Elder 1958). Eine Fovea wurde jedoch nur in einem einzigen Fall verifiziert: Bei einer Weichschildkröte (Amyda sp.) konnte Gillett eine flache Einsenkung der Netzhautoberfläche nachweisen (Gillett 1923). Die Ganglienzelldichte erreicht bei der Zacken-Erdschildkröte ebenso wie bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte ein Maximum im Mittelpunkt des visual streak. Gegenüber den restlichen Bereichen des Streifens ist aber nur eine vergleichsweise geringe Zunahme zu verzeichnen. Außerdem sind die Regionen größter Zelldichte innerhalb des Strichs keineswegs konzentrisch angeordnet. Eine Kombination aus visual streak und area centralis scheint demnach nicht vorzuliegen. Da eine Fovea nie ohne eine area centralis vorkommt (Walls 1942), verfügt Geoemyda spengleri sicherlich nicht über eine solche Vertiefung in der Netzhaut. Diese Schlussfolgerung stimmt mit dem Ergebnis überein, das eine Inspektion der noch im Augenbecher befindlichen Retina unter dem Binokular erbrachte. Um den Ort maximaler Dichte herum sind die Ganglienzellen im Auge der ZackenErdschildkröte nicht symmetrisch verteilt. Im visual streak liegt die Zellzahl nasal etwas höher als temporal. Bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte gilt für die Peripherie das Gleiche. In direkter Umgebung des Zentrums sind die Verhältnisse allerdings umgekehrt (Peterson und Ulinski 1979). Viele Säuger zeigen ebenfalls zwar ein mittiges oder temporales Maximum (in Abhängigkeit von der Position der Augen im Kopf), besitzen in den äußeren Bereichen der Retina aber nasal eine größere Zelldichte als temporal (Rodieck 1998). Einen Grund für diese Asymmetrie, wenn es denn einen gibt, kennt man bisher nicht. Leichter lässt sich eine Erklärung für die vertikalen Unterschiede in der Ganglienzellverteilung bei Geoemyda spengleri finden: Die Zelldichte vermindert sich ventral bereits kurz unterhalb des horizontalen Meridians deutlich, während sie dorsal zur Peripherie hin nur sehr langsam abnimmt. Damit bleibt die Auflösung für den unteren Teil des visuellen Feldes, der ja auf der oberen Hälfte der Netzhaut abgebildet wird, vergleichsweise hoch. Für einen terrestrischen Jäger wie die Zacken-Erdschildkröte, der seine Beute am Boden ergreift, dürfte dies von Vorteil sein. Bei der semiaquatisch lebenden Rotwangen-Schmuckschildkröte wurde genau das Gegenteil beobachtet: Die Fotorezeptor- bzw. Ganglienzelldichte verringert sich bei ihr ventral des visual streak langsamer als dorsal davon (Brown 1969, Peterson und Ulinski 1979). Für sie sind wahrscheinlich Reize im oberen Bereich des visuellen Feldes von größerer Bedeutung. Was die absolute Zahl der Ganglienzellen pro Netzhautareal angeht, so sind die Werte, die bei Geoemyda spengleri ermittelt wurden, nicht besonders hoch. Mit rund 4 200 Zellen pro mm2 beträgt das Maximum nur etwa ein Fünftel dessen, was Peterson und Ulinski im Zentrum des visual streak von Pseudemis scripta elegans gefunden haben. Sie stellten dort eine Dichte von über 20 000 Ganglienzellen pro mm2 fest (Peterson und Ulinski 1979). Dies entspricht etwa dem Wert, der beim Chamäleon in der Umgebung der Fovea erreicht wird (Ott 1997). Es könnte sein, dass die Autoren die Ganglienzelldichte bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte überschätzten, da bei der Präparationsmethode, die sie verwendeten, auch andere Neurone 59 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte und Neuroglia gefärbt werden. Allerdings ist das eher unwahrscheinlich, denn sie achteten auf genaue Identifikationskriterien. Eine Voruntersuchung ergab zudem, dass die Ganglienzellen in der Ganglienzellschicht der Rotwangen-Schmuckschildkröte mindestens 75 % aller Zellen ausmachen (Peterson und Ulinski 1979). Demnach würde sich immer noch ein Maximum von 15 000 Ganglienzellen pro mm2 ergeben, wenn bei der Auszählung nicht zwischen den verschiedenen Zelltypen differenziert worden wäre. Die geringe Ganglienzelldichte bei Geoemyda spengleri könnte mit ihrem Habitat zusammenhängen. Am Boden des Nebelwaldes herrscht nur eine niedrige Umgebungshelligkeit. Um die Lichtsensitivität des Auges zu verbessern, ist daher möglicherweise das rezeptive Feld einer Ganglienzelle recht groß und die Information vieler Fotorezeptoren konvergiert auf ihr. Ob das visuelle Auflösungsvermögen der Zacken-Erdschildkröte infolgedessen deutlich schlechter ist als das der RotwangenSchmuckschildkröte, bleibt fraglich. Eine Studie hat ergeben, dass eine Abschätzung der Sehschärfe, die sich allein auf die Dichte der Ganglienzellen stützt, die in Verhaltensexperimenten und durch elektrophysiologische Untersuchungen ermittelten hohen Werte bei Schildkröten nicht erklären kann (Northmore und Granda 1991b). 4.7 Schlussbemerkung Die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Untersuchungen an der Zacken-Erdschildkröte lieferten interessante Ergebnisse über die Akkommodation und die damit verbundenen Aspekte des Auges dieser Tiere. Sie warfen aber mindestens ebenso viele interessante Fragen auf, die darauf warten, beantwortet zu werden. 60 5 Abb. Anova deg dpt engl. IR lat. LED LSM M n Nr. n.s. PBS PC PFA SD SE Tab. üNN vgl. Abkürzungen Abbildung einfaktorielle Varianzanalyse [engl.: analysis of variance] Grad [engl.: degree] Dioptrie [engl.: diopter] Englisch Infrarot lateinisch Leuchtdiode [engl.: light-emitting diode] engl.: laser scanning microscope molar Anzahl [engl.: number] Nummer nicht signifikant Phospat-gepufferte Salzlösung [engl.: phosphate buffered saline] engl.: personal computer Paraformaldehyd [engl.: paraformaldehyde] Standardabweichung [engl.: standard deviation] Standardfehler [engl.: standard error] Tabelle über Normalnull vergleiche 61 Akkommodation bei der Zacken-Erdschildkröte 62 6 Literaturverzeichnis Ariel, M. (1990). Independent eye movements in the turtle. Visual Neuroscience 5 (1): 29-41. Bishop, L. G. & Stark, L. (1965). Pupillary responses of the screech owl, Otus asio. Science 148: 1750-1752. Brown, K. T. (1969). 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Außerdem gab er mir die Gelegenheit, meine Ergebnisse in seiner Arbeitsgruppe zur Diskussion zu stellen. Für das Zweitgutachten erklärte sich Prof. Frank Schaeffel bereit. Ihm bin ich zu besonderem Dank verpflichtet: Zum einen wäre das Projekt ohne seine großzügige materielle Unterstützung nicht zu verwirklichen gewesen, zum anderen brachten mich seine fachlichen Hinweise und Erläuterungen ein deutliches Stück voran. Prof. Hans-Joachim Wagner verschaffte mir und den Schildkröten in seinem Institut ein Zuhause. Für die unkomplizierte Art, mit der er aushalf, wenn es an Materialien mangelte, bin ich ihm sehr dankbar. Frau und Herr Matzanke waren so nett, ihre eigenen Schildkröten für Vorversuche zur Verfügung zu stellen. Sie kümmerten sich um den in der Bearbeitungszeit geschlüpften Nachwuchs und übernahmen alle unsere Tiere nach Ende der Experimentalphase. Ich bin froh, sie bei ihnen in guten Händen zu wissen. Während ihrer Unterbringung am Institut wurden die Schildkröten von Herrn Stukan gepflegt. Dafür möchte ich ihm in ihrem und meinem Namen danken. Timo Moritz war so freundlich, eine Apparatur zu konstruieren, mit der die Infrarot-Kamera kontinuierlich um ein Zentrum geschwenkt werden konnte. Dies machte eine Untersuchung der Refraktion des Auges für verschiedene Bereiche des visuellen Feldes möglich. Die Angestellten, Doktoranden und Diplomanden im Anatomischen Institut und in der Sektion für Neurobiologie des Auges sorgten für ein Umfeld, in dem ich gerne gearbeitet habe. Nennen möchte ich insbesondere Breno Bellintani-Guardia, Karin Tiedemann, Xenia Haertel, Barbara Wallenfels-Thilo, May Daraban, Uta Paulsen, Andreas Mack, Michael Lehner, Michaela Bitzer, Monika Weiss, Anne Seidemann, Dr. med. Perikles Simon und Daniel Hartmann. Mein besonderer Dank gilt Stephan Ritter – für alles, was er wie selbstverständlich für mich getan hat, ohne dass es selbstverständlich war. 69 Danksagung Die Studienstiftung des deutschen Volkes ermöglichte mir durch einen Zuschuss die Teilnahme am Forum of European Neuroscience (FENS) 2002 in Paris, wo ich meine Ergebnisse präsentieren konnte. Nicht zuletzt möchte ich meinen Eltern dafür danken, dass sie mein Studium finanziert haben und mir in schwierigen Zeiten stets zur Seite standen. Auch meine Geschwister haben mich durch ihr Verständnis und ihre Ermutigungen immer unterstützt. Schließlich sollen die 11 Zacken-Erdschildkröten nicht unerwähnt bleiben: Bei den meisten Versuchen war ich auf ihre Mitarbeit angewiesen. Die erstaunlich hohe Kooperationsbereitschaft, die sie an den Tag legten, hatte ich nicht erwartet. 70