15/11/15 Prognose der juvenilen idiopathischen Arthritis n Die Langzeitprognose hat sich durch die Fortschritte in der Therapie in den letzten 10 Jahren erheblich gebessert. n Leider gibt es bisher keine sicheren Marker, die zu Erkrankungsbeginn die Prognose der juvenilen Arthritis vorhersagen könnten. n Die Prognose ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Maria Haller Kinder- und jugendrheumatologische Schwerpunkt- Praxis Gundelfingen bei Freiburg Sterblichkeit der JIA Im Kindesalter 1950-1980 gesamte JIA-Gruppe (90/2.076) systemische JIA (84/611) St-Josef-Stift Sendenhorst 1990 gesamte JIA-Gruppe (33/11.287) systemische JIA 2010 gesamte JIA Gruppe (19/9.604) systemische JIA (6/962) vom jeweiligen Subtyp der Erkrankung vom Schweregrad der Erkrankung/ Gelenkentzündung n vom Zeitpunkt der Diagnose und Therapieeinleitung 4% 14% n n 0,29% 3% 0,2% 0,6% n Aussagen zu Prognose der JIA allgemein nur sehr schwer möglich. Stoeber, Eur J Pediatr 1981;135:225; Wallace et al. Rheum Dis Clin North Am 1991;17:891; Wulffraat et al. J Rheumatol 2001;28:929; Hashkes et al. Arthritis Rheum 2010;62:599-608. Ältere Studien n n n Insgesamt ist der Verlauf der JIA deutlich günstiger als der der rheumatoiden Arthritis des Erwachsenen. Es wird allgemein geschätzt, dass ca. 70 bis 90 % der Kinder und Jugendlichen mit einer JIA einen zufriedenstellenden Krankheitsverlauf ohne größere Beeinträchtigungen haben. Es gibt allerdings auch Untersuchungen mit einer insgesamt weniger günstigen Prognose. n n n 22-41% der Kinder mit oligoartikulärer Beginnform 27-48% der Kinder mit systemischer Beginnform ca. 50% der Kinder mit polyartikulärem Beginnform persistierende aktive Arthritis über einen Zeitraum von über 10 Jahren (Petty, 1999) n Mädchen scheinen ein 5 x höheres Risiko für persistierende Krankheitsaktivität zu haben als Jungen (Ansell, 1999). 1 15/11/15 Outcome rheumatischer Erkrankungen bei Kindern Studie (Jahr, Land) N Krankheitsdauer (Jahre) Aktive Erkrankung (%) 85 78 137 17 16 15 41 58 30 20 27 94 21 16 10 65 59 78 33 55 15 15 79 56 29 90 13 17 52 68 39 17 61 JIA - Oligoarthritis Minden et al. (2002, Dtl.) Arkela-Kautiainen et al. (2005, Finnland) Flato et al. (2009, Norwegen) JIA - RF negative Polyarthritis Foster et al. (2002, U.K.) Minden et al. (2002, Dtl.) Lurati et al. (2009, Italien) JIA - enthesitis-assoziierte Arthritis Minden et al. (2002, Dtl.) Flato et al. (2006, Norwegen) JSLE Candell Chalom et al. (2004, U.S.) Hersh et al. (2009, U.S.) JDM Sanner et al. (2009, Norwegen) Erreichen inaktiver Erkrankung? Nordic-JIA – klinischer Status nach 8 Jahren kinderrheumatologischer „Standard“-Therapie Patienten N Persistierende OA Erweiterte OA RF- PA EAA PsA SoJIA RF+ PA Alle 126 75 79 49 13 18 3 440 Inaktive Remission ohne Erkrankung in % Therapie in % 69 66 37 21 42 28 31 31 46 23 83 83 33 33 51 42 Nordal et al. Arthritis Rheum 2011;63:2809. Outcome Juvenile idiopathische Arthritis Kanada 1 Outcome Juvenile idiopathische Arthritis Kanada 2 n n Studie (Guzman et al, 2015): n 1104 Kinder mit neu diagnostizierter JIA 16 kanadischen, kinderrheumatologischen Zentren n Zeitraum von 2005-2010 n in Ergebnisse: n 70% der Kinder (alle Untergruppen) erreichen innerhalb von zwei Jahren einen „active joint count“ von 0. n 70% der Kinder (alle Untergruppen) erreichen innerhalb von zwei Jahren eine inaktive Erkrankung (Ausnahme RF+ Polyarthritis: 48%). n 67% konnte mindestens einmal in 5 Jahren die Medikamente absetzen. Outcome Juvenile idiopathische Arthritis Kanada 3 n n Ergebnisse: n 46-57% Wahrscheinlichkeit für eine Remission (= inaktive Erkrankung nach 12 Monaten Therapiepause) innerhalb von 5 Jahren, Ausnahme Polyarthritis: 0% RF+ Polyarthritis,14% RF- Polyarthritis). Schlussfolgerung: n die meisten Kinder erreichen eine inaktive Erkrankung nach 2 Jahren und viele können die Medikamente absetzen. n die Wahrscheinlichkeit für eine Remission liegt bei 50% mit Ausnahme der Polyarthritiden. Folgeschäden n n n n n Mit der Dauer der aktiven Erkrankung wächst das Risiko für Folgeschäden. Nach 5 Jahren weisen ca. 25% der Patienten Folgeschäden auf. Ausmaß und Häufigkeit variieren je nach Untergruppe (Nordal et al. 2011). Gelenkschäden: v.a. Hand-, Hüft- und Kiefergelenke Zudem: n n n Sekundäre Schädigungen infolge von Uveitis Verminderung von Knochen und Muskelmasse Wachstumstörungen 2 15/11/15 Folgeschäden? Subjektive Krankheitslast - Alltagsfunktion am Ende der kinderheumatologischen Versorgung 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 4.4% 3.6% 4.2% 4.4% 3.4% 3.6% 3.5% 2.7% 3.1% 3.1% 2.9% 2.6% 2.5% 14.5% 11.7% Querschnittdaten Kerndokumentation 2000-2012. 12.6% 11.7% 11.5% 11.4% Funktionseinschränkungen CHAQ 0-3* 0.45 0.3 Uvei2s 0.25 Komplika2onen 0.2 0.15 10.5% 11.6% 10.4% Signifikanter Zeiteffekt (p=0.008) 0.35 10.1% 10.3% Polyarthritis-Patienten 0.4 10.9% 10.9% Ca. 60% aller Patienten verlassen die Kinderrheumatologie ohne 0.1 Tendenz → Abnahme Folgeschäden 0.05 0 Bezug: Kern2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 dokumentation 9.700 Fälle *Adjustiert nach Alter/ Geschlecht/ Erkrankungsdauer Subjektive Krankheitslast - Alltagsfunktion Prognose Systemische Arthritis 1 n Ca. 50% der Patienten erreicht eine stabile Remission n Beendigung der med. Behandlung nach sukzessiver Therapiereduktion möglich n Langfristige Prognose gut n Große Gruppe zeigt therapieresistenten Verlauf n Sekundärkomplikationen bestimmen den Langzeitverlauf n Im Jugend- und Erwachsenenalter findet sich oft eine fortbestehende Gelenkentzündung, während die Allgemeinsymptome mit den Jahren verschwinden. Ca. 60% aller Patienten verlassen die Kinderrheumatologie heute ohne Funktionseinschränkungen Vergleich in den 1970er Jahren: 25-40% 20% ohne Funktionseinschränkungen schwere Funktionseinschränkungen Prognose Systemische Arthritis 3 Prognose Systemische Arthritis 2 n Schließlich gibt es eine geringe Anzahl von Patienten, bei denen die Allgemeinsymptome in Gegenwart des Gelenkbefalls bestehen bleiben. n Diese Patienten haben die schlechteste Prognose. n Sie können auch eine Amyloidose entwickeln, eine schwere Komplikation, bei der es zur Eiweißeinlagerung in den Körper kommt. n In der Vergangenheit entwickelten mehr als 1/3 der Kinder dauerhafte Gelenkschädigungen und mehr als 50% brauchten eine LangzeitGlucokortikoidtherapie, oft über Jahre hinweg. n Neue Medikamente (Tocilizumab, Canakimumab und Anakinra) haben die Prognose dramatisch verbessert. 3 15/11/15 Prognose Polyarthritis 1 n Kinder mit einer Polyarthritis haben eine geringe Wahrscheinlichkeit für eine spontane Remission. n Beispiel: von 27 RF-negative Polyarthtitis-Patienten hatten 19 Patienten (70%) nach 15 Jahren noch eine aktive Erkrankung (Minden et al 2002) n Prognose Polyarthritis 2 n Retrospektive Studie mit 104 Patienten (von 2000-2006 behandelt, Beobachtungszeitraum 30 Monate): n n Trotz MTX und Biologika gibt es eine signifikante Anzahl von Patienten mit deutlicher Krankheitsaktivität. Prognose Polyarthritis 3 n RF- Polyarthritis: n Aktive Erkrankung im Erwachsenenalter bei ca. 70%. n Insgesamt ist die Prognose jedoch besser als bei der Rheumafaktor positiven Form. n Nur etwa ¼ der Patienten entwickeln schwere Gelenkschäden. Prognose Polyarthritis 4 n RF+ Polyarthritis n Aktive Erkrankung im Erwachsenenalter bei ca. 80% n Die Rheumafaktor positive polyarticuläre JIA zeigt oft einen fortschreitenden Verlauf, der zur schweren Gelenkzerstörung führen kann. n Demzufolge ist die Lebensqualität beeinträchtigt, aber auch die schulische und berufliche Ausbildung erschwert. Prognose Polyarthritis 5 n Prognostisch ungünstig für persistierenden Verlauf: n RF n früher Erkrankungsbeginn n lang anhaltend erhöhte Entzündungsaktivität n viele Gelenke betroffen 50% erreichen inaktive Erkrankung unter Medikation. RF + Patienten und Patienten mit früher Gelenkschädigung hatten eine höhere Wahrscheinlicheit für eine anhaltende, aktive Erkrankung. (Ringold et al. 2009) Prognose Oligoarthritis 1 n n n Beste Prognose bei allen JIA-Formen Bei 50% Langzeit-Remissionen persistierende OA: nach 15 Jahren Krankheitsdauer bei 70% zum Stillstand gekommen (Minden et al. 2002) n In der kanadischen Studie: 57% erreichen Remission. n n Funktionseinschränkungen selten 4 15/11/15 Prognose Oligoarthritis 2 n Schlechtere Prognose bei extended OA Prognose Oligoarthritis 3 n ähnelt der Prognose der RF-negativen Polyarthritis n Selteneres Erreichen einer Remission n 3 von 4 noch aktive Erkrankung beim Übergang in die Erwachsenenmedizin n In 50% Funktionseinschränkungen n n Entzündungen der Hüftgelenke und HWS Entzündungen der Sprung-und Handgelenke mit deutlich erhöhten Entzündungswerten (BSG/CRP) über einen längeren Zeitraum n Radiologische Hinweise auf eine Gelenkschädigung n n bei Uveitis bis zu 25% Augenschädigung/ relevante Visusminderungen im Erwachsenenalter Prognose Enthesitis assoziierte Arthritis 1 Prognose Oligoarthritis 4 n n Für die Prognose mitentscheidend ist das Auftreten einer Uveitis. Uveitis ist eine schwerwiegende, die Lebensqualität einschränkende Komplikation im Rahmen der oligoartikulären JIA. n n Prognose Enthesitis assoziierte Arthritis 2 Flato et al. 1998: n 60% keine funkt. Beeinträchtigung n 25% Erosionen n Flato et al. 2006: 44% Remission nach 15 Jahren n Neigung zur Progression in ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew) n Funktionelle Kapazität im Jugendalter noch gut Relativ schlechtere Prognose im Vergleich zu anderen Subgruppen der JIA (Selvaag et al. 2005) Minden et al, 2002: n 56% noch Krankheitsaktivität 16 J. nach Diagnosestellung n 63% Schmerzen n 52% Morgensteifigkeit n 27 % Kombinationstherapie NSAR/ DMARDs Prognose Psoriasis- Arthritis n n Folgende Parameter zu Krankheitsbeginn scheinen Hinweise auf eine schlechte Prognose zu sein: n n n Ungünstiger als bei anderen oligo- und polyartikulären Formen der JIA nach 15 Jahren Behandlungsdauer, 1/3 braucht Basistherapie, 55% Remission (Flato et al 2009) Studie mit 63 Pat. (5 J. Untersuchungszeitraum): bei > 70% noch aktive Erkrankung im Erwachsenenalter (Robertson et al., 1996) Polyartikulärer Verlauf =ungünstigste Prognose mit signifikantem Ausmaß an Erosionen und bleibenden funktionellen Beeinträchtigungen (Southwood et al. 2006; Robertson et al., 1996) In der kanadischen Studie erreichen 91% innerhalb von 2 Jahren eine inaktive Erkrankung! 5 15/11/15 Prognose Uveitis n Visusprognose besonders schlecht bei n Frühem Auftreten n beidseitiger Uveitis n schlechtem initialen Visus n nachgewiesenen Komplikationen bei Diagnosestellung n Asymptomatischer Verlauf maßgeblich für schlechte Visusprognose verantwortlich. n Adäquates Screening unentbehrlich!!! Entscheidend: frühe Diagnosestellung und adäquate Therapie und regelmäßige, engmaschige Kontrollen beim Augenarzt!! Zusammenfassung n Ca. 50% aller Kinder mit JIA haben im Erwachsenenalter eine inaktive Erkrankung. n Es gibt deutliche Unterschiede in den einzelnen Untergruppen. n Sicher ist, dass Patienten mit Oligoarthritis eine wesentlich bessere Langzeitprognose als Patienten mit polyartikulärem Beginn oder Verlauf der Arthritis haben. n Der Rheumafaktornachweis und anhaltende Erhöhungen laborchemischer Entzündungswerte sind Risikofaktoren für den Langzeitverlauf. 6