BICHAT-LEITLINIEN* FÜR DIE KLINISCHE BEHANDLUNG DER PEST UND DER MIT BIOTERRORISMUS ZUSAMMENHÄNGENDEN PEST P. Bossi, A. Tegnell, A. Baka, F. Van Loock, J. Hendriks, A. Werner, H. Maidhof, G. Gouvras „Task Force on Biological and Chemical Agent Threats“, Direktion Öffentliche Gesundheit, Europäische Kommission, Luxemburg Korrespondenzautor: P. Bossi, Hôpital de la Pitié-Salpêtrière, Paris, Frankreich, E-Mail: [email protected] Yersinia pestis dürfte ein guter Kandidatenstoff für einen bioterroristischen Angriff sein. Die Verwendung einer aerosolisierten Form dieses Erregers könnte einen explosionsartigen Ausbruch primärer Lungenpest verursachen. Die Bakterien könnten auch verwendet werden, um die Nagerpopulation zu infizieren und die Infektion dann auf Menschen zu übertragen. In den meisten Therapieanleitungen wird die Verwendung von Gentamicin oder Streptomycin als erste Behandlungslinie vorgeschlagen, mit Ciprofloxacin als Alternative. Für Personen, die Kontakt mit Lungenpestpatienten haben, empfiehlt sich eine Antibiotikaprophylaxe mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin über 7 Tage. Die Prävention der Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Lungenpestpatienten kann durch Standardisolierungsmaßnahmen während 4 Tagen ab Beginn der Antibiotikabehandlung erreicht werden. Bei den anderen klinischen Formen der Krankheit sollten die Patienten in den ersten 48 Stunden ab Beginn der Behandlung isoliert werden. Euro Surveill 2004; 9 (12) http://www.eurosurveillance.org/em/v09n12/0912-232.asp Einleitung Pest ist eine akute bakterielle Infektion, die vom Organismus Yersinia pestis hervorgerufen wird. Im Laufe der Geschichte haben drei Pestpandemien mehr als 200 Millionen Menschen dahingerafft, die große Seuche im Europa des 14. Jahrhundert (Schwarzer Tod) mit eingerechnet [1]. Diese Krankheit kommt, hauptsächlich in Form der Beulenpest, heute noch in mehreren Staaten Afrikas, Asiens und Südamerikas sowie in ländlichen Gebieten im Südwesten der Vereinigten Staaten vor. [2-6]. Europa ist zurzeit pestfrei: die letzten Fälle wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gemeldet. Weltweit treten jährlich schätzungsweise 1 000 bis 6 000 Fälle auf (im Durchschnitt 1 500 Fälle/Jahr) [7]. Insgesamt wurden der Weltgesundheitsorganisation 1997 von 14 Ländern 5 419 Pestfälle beim Menschen gemeldet, von denen 274 tödlich verliefen [8]. Nach wie vor besteht eine enzootische Infektion bei Ratten und anderen Nagetieren. Die Pest kommt bei wild lebenden Ratten vor, die sie an Hausratten und schließlich an den Menschen weitergeben können. Die Bakterien gehen normalerweise durch den Biss eines von einer infizierten Ratte überwechselnden Flohs auf den Menschen über. In der Natur bilden mindestens 200 Säugetierarten und 80 Floharten das Erregerreservoir [9]. Zu einer Infektion kann es auch durch direkten Kontakt mit infizierten Geweben oder Flüssigkeiten von kranken oder toten Tieren kommen, durch Tröpfcheninfektion von infizierten Tieren, insbesondere Katzen mit Lungenpest, oder durch Exposition gegenüber Pestbakterien im Labor. Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung kann durch Tröpfcheninfektion von Lungenpestinfizierten erfolgen [10-13]. Als Folge dieser Übertragung tritt primäre Pneumonie auf. Beulenpest und andere Pestformen beim Menschen ohne sekundäre Pneumonie gelten nicht als infektiös. Auch aerogene Übertragung von Pestbakterien aus kontaminierten Kleidungsstücken soll in Frage kommen [10]. Wieweit sich einen Pestherd beim Menschen ausbreitet, hängt von der Zahl und Empfänglichkeit der Nagerpopulationen, der Flohbelastung der Nagetierarten, der Zahl und Infektiosität der Floharten, der Intensität der Kontakte von Menschen mit infizierten Rattenflöhen, den klimatischen Bedingungen sowie der Zahl und den Lebensbedingungen der empfänglichen Menschen ab [13]. Pest und Bioterrorismus Y. pestis dürfte ein guter Kandidatenstoff für einen bioterroristischen Angriff sein. Die Verwendung einer aerosolisierten Form dieses Erregers könnte einen explosionsartigen Ausbruch primärer Lungenpest bei der exponierten Population verursachen, oder aber die Bakterien können verwendet werden, um die Nagerpopulation zu infizieren und einen sekundären Ausbruch unter Menschen mit schlechten Lebensbedingungen verursachen [12,13]. Eine absichtliche Freisetzung eines infizierten Aerosols sollte im Falle von Lungenpestpatienten aus nichtendemischen Gebieten oder von Patienten ohne Risikofaktoren vermutet werden. Y. pestis ist ein relativ fragiler Organismus, der nach einer Aerosolfreisetzung nur eine Stunde lebensfähig bleibt. Allerdings reichen schon 1 bis 10 Bakterien aus, um Nager auf oralem, intradermalem, subkutanem oder intravenösem Weg zu infizieren [14]. Schätzungen der Infektiosität des Menschen über die Atemwege reichen von 100 bis 20 000 Organismen [4,6,7]. Die Tataren setzten als erste die Pest als biologische Waffe ein, als sie 1347 während der Belagerung des von den Genuesern kontrollierten Schwarzmeerhafens Kaffa die Leichen ihrer Pestopfer über die Stadtmauern katapultierten [7,15]. Die Japaner sollen während des Zweiten Weltkriegs in China pestinfizierte Flöhe freigesetzt haben [1,7]. 1970 wurde berichtet, dass bei einer Freisetzung von 50 kg Y. pestis über einer 5-Millionen-Stadt nicht weniger als 150 000 Menschen an Lungenpest erkranken könnten, von denen 36 000 sterben würden [16]. Im Mai 2000 wurde in den USA während des Seuchenplanspiels TOPOFF (für ‚top officials’) die absichtliche Freisetzung aerosolisierter Y. pestis simuliert und geschätzt, dass Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org 1 3 700-4 000 Fälle von Lungenpest auftreten und zwischen 950 und mehr als 2 000 Fälle tödlich verlaufen würden [12]. Biologische Eigenschaften Y. pestis ist ein gramnegatives, nicht bewegungsfähiges, nicht sporenbildendes Stäbchen, das nach Wayson-Färbung eine bipolare Anfärbung aufweist und ein fakultativ anaerober Bacillus der Familie der Enterobacteriaceae ist. Es wächst aerob auf den meisten Kulturmedien [6]. Klinische Symptome Die häufigsten klinischen Formen der Pest sind die Beulenpest, die primäre Pestsepsis und die Lungenpest [4,6,7,11]. Bei einem biologischen Angriff dürfte die primäre Lungenpest die wahrscheinlichste Form sein, da vermutlich die Freisetzung eines Aerosols gewählt werden dürfte [7,12] (TABELLE I). Lungenpest kann als primäre respiratorische Infektion oder als Komplikation der Beulenpest und Pestsepsis auftreten (sekundäre Pneumonie). In diesem Fall beträgt die Inkubationszeit 1-6 Tage. Die Krankheit beginnt plötzlich mit starken Kopfschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl, hohem Fieber, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und starker Abgeschlagenheit. Anschließend entwickeln sich Thoraxschmerzen, Husten, Dyspnoe und Hämoptysis [6]. Thoraxröntgenaufnahmen zeigen multilobäre Verdichtungen, Kavernen oder Bronchopneumonie [6]. Die Laborbefunde entsprechen einer bakteriellen Infektion mit verbreiteter intravaskulärer Koagulation. Atemnot entwickelt sich rasch mit dem septischen Schock, und die Mortalität ist hoch. Ohne Antibiotika verläuft die Krankheit bei fast allen Patienten in zwei bis drei Tagen tödlich. Lungenpest ist äußerst ansteckend durch Tröpfcheninfektion, und in der Praxis sind die Patienten noch bis zu drei Tage nach Beginn einer angemessenen Antibiotikatherapie ansteckend. Bei sofortigem Antibiotikaeinsatz sinkt die Mortalitätsrate auf unter 10 %, doch sollte die Behandlung auf jeden Fall so rasch wie möglich beginnen. Die Beulenpest ist die häufigste klinische Form der natürlich auftretenden Pest (75-97 % aller Fälle). Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 8 Tagen kommt es zu einem plötzlichen Ausbruch von Fieber (38,5 bis 40 °C), Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Erbrechen, schwerem Krankheitsgefühl oder starker Abgeschlagenheit und Schwäche; 6 bis 8 Stunden nach dem ersten Auftreten von Symptomen entwickelt sich ein Schwellung [4,6,7]. Sie ist sehr schmerzhaft, schwillt an und ist stark berührungsempfindlich. Sie entwickelt sich proximal der Infektionsstelle (Biss); am häufigsten sind die Lymphknoten in der Leistengegend (die femoralen Lymphknoten häufiger als die inguinalen) sowie die axillären und zervikalen Lymphknoten betroffen. Sichtbar wird die Beule nach 24 Stunden, mit einem Durchmesser von 1 bis 10 cm. Die Beule ist von einem Ödem umgeben, und die darüber liegende Haut ist warm, erythematös und adhärent. An der Bissstelle, normalerweise an den unteren Extremitäten, können Pusteln, Blasen, schorfige Stellen, Knötchen oder Hautgeschwüre entstehen [7]. In seltenen Fällen kommt es zur spontanen Eröffnung der Beule mit Drainage nach außen. Andere mögliche Erscheinungen sind Apathie, Bewusstseinsstörungen, Angst, Beklemmung, Oligurie oder Anurie, Tachykardie und Hypotension [7]. Ohne spezifische Therapie kommt es häufig zu Komplikationen, u. a. primäre (ohne erkennbare Beule) oder sekundäre Sepsikämie, sekundäre Pneumonie und Meningitis. Die Sterblichkeit oder Fatalitätsrate beträgt bei unbehandelter Beulenpest 60 % und sinkt auf unter 5 % bei angemessener Antibiotikatherapie [11]. 2 Diese Form ist bei einem bioterroristischen Angriff eher unwahrscheinlich, es sei denn, Flöhe werden als Träger eingesetzt [7]. Pestsepsis kann als Komplikation bei unbehandelter Beulenpest oder Lungenpest auftreten (sekundäre Pestsepsis) und sich ohne sichtbare Anzeichen einer primären Krankheit entwickeln (primäre Pestsepsis). Symptome und Anzeichen lassen sich nicht von anderen gramnegativen Sepsen unterscheiden; dazu gehören septischer Schock und verbreitete intravaskuläre Koagulation mit Vasculitis, livide zyanotische Petechien, Purpura und großflächige Ecchymosen, die eine Meningokokkämie nachahmen können [7,11]. Eine Gangrän der Akren, etwa von Nasenspitze, Fingern oder Zehen, die durch eine Thrombose der kleinen Arterien verursacht wird, kann im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit auftreten (Schwarzer Tod). Unbehandelt liegt die Mortalität nahe 100 %. Pest-Meningitis ist selten, kann aber als Komplikation einer nicht angemessen behandelten anderen Infektion auftreten. Es scheint ein Zusammenhang zwischen Beulenbildung und Meningitis zu bestehen. Pest-Pharyngitis ist äußerst selten und resultiert möglicherweise aus dem Verschlucken oder Inhalieren des Organismus. Die Mandeln sind geschwollen und entzündet, es kommt zu einer zervikalen Lymphadenopathie und zum Anschwellen des Parotisbereichs. Diagnose Falldefinitionen vermuteter oder bestätigter Fälle und von Fällen aufgrund absichtlicher Freisetzung sind den Tabellen 2 und 3 zu entnehmen. Y. pestis kann aus Blut, Sputum, Lymphknotenaspirat und zerebrospinaler Flüssigkeit gezüchtet werden. Proben für die Zucht sollten vor Beginn der Antibiotikabehandlung entnommen werden. Abstriche können nach Gram, Giemsa und Wayson angefärbt werden, um bipolar anfärbbare Stäbchen nachzuweisen [2-7]. Die Pestdiagnose wird dann durch die Kultur bestätigt. Tests zur antimikrobialen Suszeptibilität müssen so früh wie möglich begonnen werden. Eine serologische Diagnose ist möglich, doch die Antikörper können unter Umständen bei der ersten Untersuchung des Patienten unentdeckt bleiben. Eine Bestätigung der Diagnose bildet die Feststellung von Antikörpern gegen bekapselte Bakterien entweder als >4-fache Titerveränderung zwischen Serumproben von akuten und konvaleszenten Fällen oder ein einmaliger Titer von >1:128 bei zuvor nicht geimpften Patienten [2-5]. Zu den weiteren Tests gehören die direkte Immunofluoreszenz auf F1-Antigen, spezifische Phagenlysis und PCR-Methode für Plasminogen-Aktivator (TABELLE I). Therapie Die Behandlung sollte sofort nach der Verdachtsdiagnose beginnen (TABELLE 4). Gegen Y. pestis wirken viele Antibiotika (Streptomycin, Gentamicin, Doxycyclin, Ciprofloxacin, Chloramphenicol, Sulfadiazin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol) [2-5,17]. In den meisten Therapieanleitungen wird die Verwendung von Gentamicin oder Streptomycin als erste Behandlungslinie vorgeschlagen, mit Ciprofloxacin als Alternative [2-7,17]. Für die Behandlung von Meningitis sollte Chloramphenicol eingesetzt werden. Für Personen, die Kontakt mit (<2m) Lungenpestpatienten haben, empfiehlt sich eine Antibiotikaprophylaxe mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin über 7 Tage [2-7,17]. Auch andere Antibiotika (Chloramphenicol, Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org Sulfadiazin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol) kommen in Frage [2-7,17]. Die Prävention der Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Lungenpestpatienten kann durch Standardisolierungsmaßnahmen während 4 Tagen ab Beginn der Antibiotikabehandlung erreicht werden. Bei den anderen klinischen Formen der Krankheit sollten die Patienten in den ersten 48 Stunden ab Beginn der Behandlung isoliert werden. Das medizinische Personal sollte leistungsstarke Atemmasken tragen [2-5]. Impfstoffe Ein Ganzzellen-Totimpfstoff mit nachgewiesener Wirkung gegen die Beulenpest war in den USA bis 1999 verfügbar [4]. Seine Schutzwirkung gegen Lungenpest war gering [9]. Er wurde empfohlen für Personen, die im Labor mit Y. pestis oder in Pestgebieten oder mit potentiell infizierten Tieren arbeiten [18]. Ein attenuierter Lebendimpfstoff ist in den USA ebenfalls verfügbar, er hat aber eine gewisse Virulenz und wird daher in den meisten Ländern als nicht für Menschen geeignet angesehen [9]. Die jüngste Impfstoffforschung in Europa konzentriert sich auf die Entwicklung eines Sub-UnitImpfstoffs mit F1-Antigenen und rekombinante V-Antigenen, dessen Wirkung gegen Lungenpest bei Mäusen nachgewiesen wurde [9,19]. Fazit Y. pestis gehört zu den wichtigsten Erregern, die als biologische Waffe eingesetzt werden könnten. Die hauptsächliche klinische Folge wäre bei Verwendung aerosolisierter Bakterien die Lungenpest und bei Verwendung infizierter Flöhe als Träger die Beulenpest und/oder Pestsepsis. Literatur 1. Harris S. Factories of death. New York, NY: Routledge; 1994; 78: 94 2. La peste : www.iph.fgov.be/epidemio/ 3. www.afssaps.sante.fr 4. Inglesby TV, Dennis DT, Henderson DA et al. Plague as a Biological Weapon. Medical and Public Health Management. JAMA 2000; 283:2281-90 5. Plague : www.phls.org.uk/facts/deliberate releases.htm 6. Franz D, Jahrling P, Friedlander A et al. Clinical recognition and management of patients exposed to biological warfare agents. JAMA 1997; 278: 399-411 7. McGovern T, Friedlander A. Plague, in Textbook of Military Medicine, Medical Aspects of Chemical and Biological Warfare, Office of the Surgeon General. 1997; 23: 479-502 8. World Health Organization, Geneva. Human plague in 1997. Weekly Epidemiological Record 1999; 41: 340-4 9. Tiball R, Williamson E. Vaccination against bubonic and pneumonic plague. Vaccine 2001; 19: 4175-84 10. Weber D, Rutala W. Risks and prevention of nosocomial transmission of rare zoonotic diseases. Clin Infect Dis 2001; 32: 446-56 11. McGovern T, Christopher G, Eitzen E. Cutaneous manifestations of biological warfare and related threat agents. Arch Dermatol 1999; 135: 311-22 12. Inglesby T, Grossman R, O'Toole T. A plague on your city: observations from TOPOFF. Clin Infect Dis 2001; 32: 436-45 13. Levison M. Lessons learned from history on mode of transmission for control of pneumonic plague. Curr Infect Dis Rep 2000; 2: 269-71 14. Brubaker R. Factors promoting acute and chronic diseases caused by Yersinia. Clin Microbiol Rev 1991; 4: 309-24 15. Slack P. The black death: past and present. Trans R Soc Trop Med Hyg 1989; 83: 461-3 16. Health Aspects of Chemical and Biological Weapons. Geneva, Switzerland: World Health Organization; 1970: 98-109 17. The European Agency for the Evaluation of Medicinal Products/CPMP guidance document on use of medicinal products for treatment and prophylaxis of biological agents that might be used as weapons of bioterrorism. July 2002; www.emea.eu.int 18. Jefferson T, Demicheli V, Pratt M. Vaccines for preventing plague. Cochrane Database Syst Rev 2000; 2: CD000976 19. Du Y, Rosqvist R, Forsberg A. Role of fraction 1 antigen of Yersinia pestis in inhibition of phagocytosis. Infect Immun 2002; 70: 1453-60 20. Entscheidung der Kommission vom 19. März 2002 zur Festlegung von Falldefinitionen für die Meldung übertragbarer Krankheiten an das Gemeinschaftsnetz gemäß der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 86, 3.4.2002; 44 21. Änderung der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Entscheidung 2000/96/EG hinsichtlich der in diesen Entscheidungen aufgeführten übertragbaren Krankheiten und zur Änderung der Entscheidung 2002/253/EG hinsichtlich der Festlegung von Falldefinitionen für übertragbare Krankheiten. Amtsblatt der Europäischen Union. L 184, 23.7.2003;35-9 * BICHAT, die Taskforce der Europäischen Kommission zur Bedrohung durch biologische und chemische Stoffe, hat diese Leitlinien erstellt, die den nationalen Behörden als Grundlage für die Ausarbeitung eigener Anleitungen dienen, aber auch von Klinikern, Allgemeinmedizinern und Fachärzten direkt genutzt werden können, wenn sie mit Infektionen durch Erreger konfrontiert sind, die aus der absichtlichen Freisetzung biologischer Stoffe stammen könnten. Siehe hierzu Bossi P., Van Loock F., Tegnell A., Gouvras G. Bichat clinical guidelines for bioterrorist agents. Euro Surveill. 2004; 9(12) http://www.eurosurveillance.org/em/v09n12/0912-230.asp Anmerkung der Redaktion: Diese klinischen Leitlinien wurden von der Taskforce und je zwei von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ernannten Experten überprüft. Diese Überprüfung wurde Ende Februar 2003 abgeschlossen. Die überprüften Leitlinien wurden dem Ausschuss für Gesundheitssicherheit vorgelegt, der sie im April 2003 annahm und ihrer Veröffentlichung in einer Zeitschrift mit hoher Auflage zustimmte, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Bei der redaktionellen Bearbeitung durch Eurosurveillance wurde der Inhalt dieser Leitlinien weiter verbessert. Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org 3 TABELLE 1 Zusammenfassung der klinischen und biologischen Beschreibung der Pest Klinische Symptome - Inkubationszeit: 1-6 Tage Lungenpest - Plötzliches Einsetzen von starken Kopfschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl, hohes Fieber, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und starke Abgeschlagenheit, Thoraxschmerzen, Husten, Dyspnoe und Hämoptysis Thoraxröntgenbefund: multilobäre Verfestigungen, Kavernen oder Bronchopneumonie rasche Progression zu Atemnot und septikämischem Schock Beulenpest - Fieber (38,5 bis 40 °C), Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Beulenbildung Umgebendes Ödem, die darüber liegende Haut ist warm, erythematös und adhärent Pestsepsis - Septischer Schock, Vasculitis, livide zyanotische Petechien, großflächige Ecchymosen, Gangrän der Akren und Multiorganversagen Meningitis in 5 % der Fälle Präsumptive Diagnose - Anfärbung von Proben ELISA, direkte Immunofluoreszenz, PCR Diagnose - Isolierung von Y. pestis aus klinischem Material F1-Antigen-Nachweis einer spezifischen Antikörperreaktion auf Y. pestis Erhöhter Serumantikörpertiter gegen Y.-pestis-F1-Antigen (ohne nachgewiesene spezifische Veränderung) in einem Patienten ohne frühere Impfung gegen Pest F1-Antigen-Nachweis in klinischem Material durch Fluoreszenzmikroskopie Behandlung - 4 Bei Lungenpest Isolierung in einem Unterdruckraum (falls möglich) Gentamicin oder Streptomycin als erste Behandlungslinie mit Ciprofloxacin als Alternative (Tabelle 4) Chloramphenicol zur Behandlung von Meningitis Personen, die mit Lungenpestpatienten in Kontakt kommen (<2m), sollten eine siebentägige Antibiotikaprophylaxe mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin erhalten. Auch andere Antibiotika (Chloramphenicol, Sulfadiazin, TrimethoprimSulfamethoxazol usw.) kommen in Frage. Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org TABELLE 2 Falldefinitionen möglicher, vermuteter und bestätigter Fälle Möglicher Fall • Plötzliches Einsetzen einer schweren ungeklärten fiebrigen Erkrankung der Atemwege • Ungeklärter Tod nach kurzer fiebriger Krankheit • Nachweis einer Sepsis durch ein gramnegatives Stäbchen in klinischem Material Vermuteter Fall - Klinisch kompatibler Fall, der die Kriterien für einen Verdachtsfall erfüllt, und zusätzlich positive Ergebnisse an einer oder mehreren Proben Bestätigter Fall Klinisch kompatibler Fall mit positivem Labor-Bestätigungstest • Kultur von Y. pestis aus klinischem Material und Bestätigung durch Phagenlysis • Signifikante (vierfache) Titerveränderung auf F1-Antigen in gepaarten Serumproben • Eine definitive Diagnose durch positive PCR oder Nachweis von F1-Antigen an verdächtigem isoliertem Material ist binnen eines Arbeitstages möglich. Quelle: [20,21] TABELLE 3 Kriterien für den Verdacht auf absichtliche Freisetzung Absichtliche Freisetzung • Ein bestätigter Einzelfall in der Europäischen Union ist als schwerwiegender Verdachtsfall auf absichtliche Freisetzung anzusehen* • Bestätigte Pesterkrankung einer Person ohne Anamnese einer Tätigkeit im Freien oder des Umgangs mit Tieren • > 2 Pest-Verdachtsfälle, die zeitliche und räumliche Verbindungen aufweisen, insbesondere geographisch nahe Gruppen von Krankheitsfällen unter Berücksichtigung der Windrichtung * Krankheitsfälle bei Personen, die aus endemischen Gebieten zurückkehren, sollten darauf untersucht werden, ob nicht der Plan einer absichtlichen Freisetzung von Y. pestis bestand. Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org 5 TABELLE 4 Empfehlungen für die Behandlung der Pest und die Prophylaxe nach einer Exposition Erwachsene Schwangere Behandlung, erste Linie Es wird empfohlen, das Stillen möglichst einzustellen. Behandlung, zweite Linie; Prophylaxe, erste Linie Kinder Behandlung, dritte Linie; Prophylaxe, zweite Linie Behandlung, erste Linie Behandlung, zweite Linie; Prophylaxe, erste Linie Behandlung, dritte Linie; Prophylaxe, zweite Linie Behandlung klinischer Verdachtsfälle oder bestätigter klinischer Fälle (10 Tage) - Gentamicin: 5 mg/kg i.v. in 1 oder 2 Tagesdosen oder - Streptomycin: 1 g i.m. 2x tägl. - Ciprofloxacin: 400 mg i.v. 2x tägl. gefolgt von 500 mg per os 2x tägl. oder - Ofloxacin: 400 mg i.v. 2x tägl. gefolgt von 400 mg per os 2x tägl. oder - Levofloxacin: 500 mg i.v. 1x tägl. gefolgt von 500 mg per os 1x tägl. - Doxycyclin: 100 mg i.v. 2x tägl. gefolgt von 100 mg per os 2x tägl. - Gentamicin: 2,5 mg/kg i.v. in 3 Tagesdosen oder - Streptomycin: 15 mg/kg i.m. 2x tägl. (max. 2 g) - Ciprofloxacin: 10-15 mg/kg i.v. 2x tägl. gefolgt von 10-15 mg/kg per os 2x tägl. - Doxycyclin: . >8 Jahre und > 45 kg: Erwachsenendosis . >8 Jahre und < 45 kg oder < 8 Jahre: 2,2 mg/kg i.v. 2x tägl. gefolgt von 2,2 mg/kg per os 2x tägl. (max. 200 mg/d) Quelle: [17] 6 Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org Prophylaxe nach Exposition (7 Tage) - Ciprofloxacin: 500 mg per os 2x tägl. oder - Ofloxacin: 400 mg per os 2x tägl. oder - Levofloxacin: 500 mg per os 1x tägl. - Doxycyclin: 100 mg per os 2x tägl. - Ciprofloxacin: 10-15 mg/kg per os 2x tägl. - Doxycyclin: . >8 Jahre und > 45 kg: Erwachsenendosis . >8 Jahre und < 45 kg oder < 8 Jahre: 2,2 mg/kg per os 2x tägl. (max. 200 mg/d)