Die Pest

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Die Pest
Medizinische Hintergründe und der Verlauf der Seuche des
Mittelalters
In mehreren großen Pandemien1 betraf
diese Krankheit wiederholt erhebliche
Teile der Weltbevölkerung, wodurch die
Menschheitsgeschichte nachhaltig
beeinflusst wurde.
Den Verlauf der europäischen Geschichte
prägte vor allem eine große Pandemie im
14. Jahrhundert.
Da jedoch zu dieser Zeit noch jegliche
Mittel zur exakten Diagnose der Krankheit
sowie eindeutig verwertbare
Augenzeugenberichte fehlten, ist nicht
zweifelsfrei erwiesen, dass es sich damals
um die Pest im eigentlichen Sinne
(Yersinia pestis als Erreger) handelte.
Man unterscheidet vier
Erscheinungsformen der Pest: Die
Beulenpest auch Bubonenpest genannt,
die Pestsepsis, die Lungenpest sowie die
abortive Pest.
Bei Pandemien treten alle Formen der
Erkrankung auf, am häufigsten jedoch die
Beulenpest und die Lungenpest. Aus einer
Beulenpest entwickelt sich ohne
Behandlung fast immer eine Pestsepsis,
die zu einer Lungenpest führt.
Beulenpest
Bei der Beulenpest erfolgt die Ansteckung
gewöhnlich durch den Biss eines
Rattenflohs, der den Erreger als
Zwischenwirt in sich trägt. Durch den
Wirtswechsel wird das Bakterium von
einem infizierten auf ein bislang gesundes
Nahrungsopfer übertragen, nachdem es
sich im Floh vermehrt hat.
Als stationärer Parasit2 ist der
Rattenfloh eigentlich eng an sein
Wirtstier gebunden. Er befällt den
Menschen erst dann, wenn er keinen
geeigneten Wirt mehr findet. Daher ging
zumindest der Beulenpest immer ein
massenhaftes Rattensterben voraus.
Die Inkubationszeit3 liegt bei wenigen
Stunden bis sieben Tagen. Die Symptome
sind Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen,
starkes Krankheitsgefühl und
Benommenheit. Später kommt es zu
Bewusstseinsstörungen.
Der Name Beulenpest stammt von den
stark geschwollenen, sehr schmerzhaften
Beulen am Hals, in den Achselhöhlen und
in den Leisten, die durch die Infektion der
Lymphknoten und Lymphgefäße im
Bereich des Flohbisses entstehen. Diese
Beulen können einen Durchmesser von
bis zu zehn Zentimetern erreichen und
sind aufgrund innerer Blutungen in den
Lymphknoten blau-schwarz gefärbt. Die
Geschwüre zerfallen, nachdem sie eitrig
eingeschmolzen sind.
Die Beulenpest als solche ist nicht tödlich,
und die Beulen können von selbst
abheilen. Eine chirurgische Intervention4
ist aufgrund der damit zwangsläufig
einhergehenden Streuung der Bakterien
über den Blutweg in andere Organe
kontraindiziert.
Allerdings kommt es bei 25 % bis 50 % der
unbehandelten Patienten zu einer
Streuung der Bakterien über den Blutweg
und somit zur Pestsepsis und auch zum
Befall anderer Organe (sekundäre Pest),
z. B. zur Lungenpest oder zu einer
Streuung der Erreger mit ausgedehnten
Hautblutungen. Diese Formen führen
unbehandelt in 90–100 % der Fälle zum
Tod. Die Beulenpest verbreitet sich im
Winter langsamer als im Sommer, da
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1Pandemie
= länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Krankheit (vor allem einer
Infektionskrankheit). Im Gegensatz zur Epidemie ist eine Pandemie somit nicht örtlich beschränkt.
2Stationäre Parasiten bleiben einem Wirt treu. Wirtswechsel findet nur bei engem Kontakt mit einem anderen
möglichen Wirtstier oder beim Tod des ursprünglichen Wirtes statt.
3Inkubationszeit = Die Zeit, die zwischen der Infektion mit einem Krankheitserreger und dem Auftreten der
ersten Symptome (Ausbruch der Krankheit) vergeht.
4
chirurgische Intervention = Spaltung der Beulen
der Überträgerfloh bei Temperaturen unter
12 °C in eine Kältestarre fällt. Der
epidemische Höhepunkt dieser Pestart fiel
stets mit der Fortpflanzungszeit der Flöhe
im Herbst zusammen.
Pestsepsis
Die Pestsepsis entsteht durch Eintritt der
Bakterien von ihrem Vermehrungsort in
die Blutbahn. Dies kann durch Infektion
von außen, zum Beispiel über offene
Wunden, geschehen, aber auch als
Komplikation aus den beiden anderen
schweren Verlaufsformen, zum Beispiel
durch Platzen der Pestbeulen nach innen.
Die Erreger im Blut verteilen sich mit dem
Blutstrom im gesamten Körper. Die
Infektion bewirkt hohes Fieber,
Schüttelfrost, Kopfschmerzen und ein
allgemeines Unwohlsein, später
großflächige Haut- und Organblutungen.
Pestsepsis ist unbehandelt praktisch
immer tödlich, in der Regel spätestens
nach 36 Stunden.
Heute kann durch die Behandlung mit
Antibiotika die Sterblichkeit deutlich
gesenkt werden.
Lungenpest
Wenn die Erreger bei einer Beulenpest
über die Blutbahn im Verlaufe einer
Pestsepsis in die Lunge geraten, spricht
man von sekundärer Lungenpest. Wird sie
aber durch eine Tröpfcheninfektion von
Mensch zu Mensch übertragen, spricht
man von primärer Lungenpest. Die
Lungenpest verläuft heftiger als die
Beulenpest, weil die Abwehrbarrieren der
Lymphknoten durch direkte Infektion der
Lunge umgangen werden. Sie beginnt mit
Atemnot, Husten, Blaufärbung der Lippen
und schwarz-blutigem Auswurf, der extrem
schmerzhaft abgehustet wird. Daraus
entwickelt sich ein Lungenödem mit
Kreislaufversagen, welches unbehandelt
nach zwei bis fünf Tagen zum Tod führt.
Die Inkubationszeit beträgt nur ein bis
zwei Tage und die Sterblichkeitsrate liegt
hier bei 95 %.
Abortive Pest
Die abortive Pest ist die harmlose Variante
der Pest. Sie äußert sich meist nur in
leichtem Fieber und leichter Schwellung
der Lymphdrüsen. Nach überstandener
Infektion wurden Antikörper gebildet, die
eine lang anhaltende Immunität gegen alle
Formen der Krankheit gewährleisten.
Übertragung
kontrovers diskutiert. Mittlerweile besteht
Flöhe, insbesondere aber der Rattenfloh
Übereinstimmung, dass etwa 30 Floharten
können den Pesterreger übertragen.
als Überträger von Pestbakterien denkbar
Flöhe sind blutsaugende Parasiten, die
sind, darunter auch der Menschenfloh.
ihren Wirt direkt mit Yersinia pestis
Das Pestbakterium kann darüber hinaus
infizieren können. Wechselt der Rattenfloh
längere Zeit auch ohne tierischen Wirt
von einem infizierten Nager –
überleben – beispielsweise in Erde, im
beispielsweise der Wanderratte oder der
Staub, im Kot oder in Tierkadavern – und
Hausratte – nach dessen Tod auf einen
von dort aus Krankheitsopfer infizieren.
anderen Wirt, etwa Haustiere oder
Neben dieser indirekten Ansteckung
Menschen, ist er in der Lage, diese
mittels des Flohs als Zwischenwirt kann es
ebenso mit dem Pestbakterium zu
allerdings auch zu einer direkten
infizieren.
Ansteckung an infizierten Nagetieren oder
Dabei kann die Pesterkrankung für den
Menschen über offene Wunden und
Menschen ebenso tödlich sein wie für die
Speichel kommen. Gelangt der Erreger im
Ratten. Die Frage, welche weiteren
Menschen in den Lungenblutkreislauf,
Floharten neben dem Rattenfloh an der
entsteht die sekundäre Lungenpest mit
Übertragung der Pest beteiligt sind, wurde
hochinfektiösem blutigem Auswurf. Wer
seit den 1950er Jahren unter NaturwissenKontakt mit einem darunter leidenden
schaftlern und Medizinhistorikern
Patienten hat, kann sich direkt mit dieser
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kontraindiziert = aus bestimmten Gründen nicht anwendbar
epidemisch(von Epidemie) = Die zeitliche und örtliche Häufung einer Krankheit innerhalb einer
Population, wobei es sich dabei im engeren Sinn um Infektionskrankheiten handelt.
Auswurf = Auswurf bezeichnet das beim Husten ausgeworfene, krankhaft vermehrte Sekret der
Atemwege. Der Auswurf kann schleimig, eitrig, blutig oder auch gemischt, sowie von verschiedener
Konsistenz und Geruch sein.
sogenannten primären Lungenpest infizieren. Ist der Sprung des Pestbakteriums aus einer
Nagerpopulation auf den Menschen erst einmal vollzogen, stellt die direkte Ansteckung sehr
rasch den hauptsächlichen Infektionsweg dar. Bereits 100 bis 200 eingeatmete Erreger
genügen für eine Infektion.
Das Pest Bakterium „Yersinia pestis“
Yersinia pestis ist ein gramnegatives, unbegeißeltes, sporenloses, fakultativ anaerobes
Stäbchenbakterium. Es zählt zu den Enterobakterien und ist der Erreger der Lungen- und
Beulenpest. Mit einigen weiteren Bakterien bildet es die Gattung Yersinia.
Yersinia pestis wurde von Alexandre Émile Jean Yersin 1894 entdeckt und ursprünglich nach
Louis Pasteur Pasteurella pestis getauft, später jedoch Yersin zu Ehren umbenannt.
Die Virulenz von Yersinia pestis entsteht durch Ektotoxin, Endotoxin- und
Bakterienkapselbildung.
Der mikrobielle Nachweis wird aus Sputum, Blut oder Bubonenaspirat erhoben.
Die blutvergiftende Pest tritt auf, wenn die Bakterien ihren normalen Lebenszyklus vollenden
und absterben. Dabei werden große Mengen toxischen Sekrets direkt in den Blutkreislauf
abgegeben; Nieren und Leber können nekrotisch werden, wenn sie versuchen, das System
von Toxinen zu reinigen. Am Ende erliegt das Opfer einem toxischen Schock. Die Krankheit
ist mit Antibiotika (Tetrazykline, Chinolone und Cotrimoxazol) gut zu behandeln.
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