Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen - Rhein

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Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Wolfgang Wöller
Rhein-Klinik Bad Honnef
Krankenhaus für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie
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2
W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Was sind Persönlichkeitsstörungen?
•
Konstrukt zur Beschreibung dysfunktionaler
interpersoneller Beziehungsmuster
•
•
•
Aspekte von Dysfunktionalität und Selbstschädigung
Interpersoneller Aspekt
In Kindes- und Jugendalter erworben
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen und psychische
Traumatisierung
•
Borderline-Persönlichkeitstsörung:
•
In zwei Drittel bis drei Viertel aller Fälle körperliche oder
sexuelle Traumatisierungen (Zanarini et al. 1989, 2002, Herman et al. 1989, Ogata et al.
1990, Westen et al. 1990, Paris u. Zweig-Frank 1992, Modestin et al. 1998, Johnson et al. 1999).
•
Dissoziale Persönlichkeitsstörung:
•
körperliche Misshandlung und Vernachlässigung in der
Kindheit als signifikante Prädiktoren (Straus et al. 1997, Luntz u. Widom 1994,
Rauchfleisch 1997).
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Traumatische Belastung bei
Persönlichkeitsstörungen
•
Borderline-PS: alle Formen der Kindesmisshandlung (Herman et
al. 1989, Yen 2003, Zanarini et al. 2002), insbes. emotionale
Misshandlung (Allen 2009, Kaehler u. Freyd 2009, Lobbestael et al. 2010,
Widom et al. 2009)
•
•
•
•
Dissoziale PS (Gao et al. 2010, Nederlof et al. 2010)
Paranoide PS (Lobbestael et al. 2010)
Schizoide PS (Yen et al. 2003, Lobbestael et al. 2010)
Ängstlich-vermeidende PS: körperl. und emot. Missbrauch (Rettew
et al. 2003), sex. Missbrauch (Lobbestael et al. 2010) Vernachlässigung
(Battle et al. 2004)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Traumafolgestörungen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Vielzahl psychischer psychosomatischer Störungsbilder
depressive Symptome
dissoziative Symptom
Somatisierungsstörungen
Essstörungen
Substanzabhängigkeit
körperliche Erkrankungen
schwere Persönlichkeitsstörungen
(Herman 1992, Brown u. Finkelhor 1986, Felitti et al. 2002).
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen
und PTBS
•
Borderline-PS: 39,2 bis 51 % (McGlashan et al., 2000, Golier et al. 2003, Grant
et al. 2008, Yen et al. 2002)
•
•
Andere PS:
•
•
Ängstliche (vermeidende) PS: 37 % (Yen et al. 2002).
Anankastische PS: 21,6 % (Yen et al. 2002).
75 % der Veteranen mit PTBS erfüllten die Kriterien einer
komorbiden PS, 50 % die Kriterien zweier PS (Bollinger et al. 2000)
•
Höchste Komorbiditätsrate für die vermeidende PS (46 %), gefolgt
von der anankastischen (28 %) und der antisozialen (15 %) PS.
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
• Vielzahl interpersoneller Konflikte und
Verwicklungen
•
Diskrepanz zwischen Selbst- und
Fremdwahrnehmung
• Neigung zu dysfunktionalem, manipulativem
oder (auto)destruktivem Verhalten („Agieren“)
•
Maladaptive Verhaltensmuster erfassen die
therapeutische Beziehung („schwierige Patienten“)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
auf der Ebene defizitärer Ich-Funktionen
•
•
•
Störung der Emotionsregulierung
Störungen der Fähigkeit zur Mentalisierung
Unzureichende Integration der Persönlichkeit
(Identitätsstörung, Identitätsdiffusion, Ego-StateDisorder)
 maladaptive
Verhaltens- und Beziehungsmuster
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Traumatische Affekte
Verlassensein
Leere
Verzweiflung
Scham
Ohnmacht
Schuldgefühle
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Wut
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Selbstschädigende Verhaltensweisen zur Kompensation
der gestörten Emotionsregulierung
Fressattacken
und
selbstindiziertes
Erbrechen
Risikoverhalten
(schnelles
Autofahren)
Substanzmissbrauch
(Alkohol, Drogen)
Selbstverletzendes
Verhalten
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Mentalisierungsfunkion
•
Fähigkeit,
• … über eigene und fremde mentale Zustände
nachzudenken, ohne sofort zu handeln
• … sich selbst und wichtige Bezugspersonen als
durch Bedürfnisse und Wünsche motiviert
wahrzunehmen
• …. Hypothesen über mentale Zustände oder Motive
anderer Personen zu bilden
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Unzureichende Integration der
Persönlichkeit
•
Wechselnde Aktualisierung unvereinbarer
Persönlichkeitsanteile und widersprüchlicher
Teilidentitäten („Ego-States“)
• durch Verleúgnung getrennt gehalten
• bei dissoziativer Komorbidität: Strukturelle
Dissoziationen der Persönlichkeit
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Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
• Rasche und heftige Übertragungsentwicklung
•
•
•
„Täterübertragung“: Feindselig-entwertendevorwurfsvolle Beziehungsgestaltung
„Retterübertragung“: Abhängig-idealisierende
Beziehungsgestaltung
Übertragung des hilflosen, nicht schützenden
Elternteils
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
•
Problematische Gegenübertragung
•
•
•
negative Emotionen in der Gegenübertragung
Gefahr von Verstrickungen und
Therapieabbruch
Gefahr des professionellen „burn out“
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Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen
• Neigung zu Instabilität/hohe Komorbidität
•
•
•
•
•
•
Depression
PTBS
dissoziative Symptomatik
Essstörungen
Somatoforme Störungen
Substanzabhängigkeit
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Psychodynamische und neurobiologische
Modellvorstellungen bei Persönlichkeitsstörungen
•
•
Psychodynamische Modelle
•
•
Ich-psychologische Modelle
Objektbeziehungstheoretische Modelle
Neurobiologische Modelle
•
•
Modell der erfahrungsabhängigen Hirnentwicklung
Modell der verminderten Top-Down-Modulation basaler
emotionaler Systeme, insbes. der Amygdala
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Ich-psychologische Modelle: Defizitäre IchFunktionen – strukturelle Defizite
(A. Freud, Hartmann, Rapaport, Fenichel, Rudolf)
•
•
•
•
•
•
•
•
Affektkontrolle
Affektdifferenzierung
Impulssteuerung
Realitätsprüfung
Objektkonstanz
Selbst-Objekt-Differenzierung
Ich-Identität
Selbstreflexion, Mentalisierung
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Objektbeziehungspsychologische Modelle
(Fairbairn, Jacobson, Winnicott, Balint, Kernberg, Bion)
Fehlen einer „haltenden Umwelt“ (Winnicott, Balint)
Fehlen eines unzureichenden »Containment« der negativen
kindlichen Zustände durch die frühe Bezugsperson (Bion)
↓
Verinnerlichung dieser Objektziehung
↓
Anhaltende Bedrohung der Selbstkohärenz
durch destruktive „innere Objekte“
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
↓
Reexternalisierung negativer innerer Objekte in die Außenwelt zur
inneren Druckentlastung
↓
Unerträgliche emotionale Zustände werden zur inneren
Druckentlastung in Interaktionspartner „deponiert“
(projektive Identifizierung)
↓
Interaktionspartner erleben die unerträglichen Emotionszustände
anstelle der Betroffenen
Interaktionspartner werden subtil so manipuliert, dass sie sich für
die Projektion der unerträglicher Emotionszustände eignen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Nutzen objektbeziehungspsychologischer
Modellvorstellungen für die Gestaltung der
therapeutischen Beziehung
•
•
Verständnis negativer Emotionen in der
Gegenübertragung als „deponierte“ oder
externalisierte Patientenemotionen
Verständnis selbstschädigender Verhaltensweisen
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Neurobiologische Befunde bei BorderlinePersönlichkeitsstörung
•
präfrontale Dysfunktion beim Anhören persönlicher
Scripts von Verlassenheit und Misshandlung (Schmahl et al.,
2003, 2004, Silbersweig et al. 2007)
•
Neutrale Gesichter werden als bedrohlich erlebt (Donegan et
al., 2003)
 Verstärktes Bedrohungserleben
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Modell der erfahrungsabhängigen Hirnentwicklung
•
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Das Wachstum des präfrontalen
Cortex (als Zentrum der Emotionsregulierung) ist in hohem Maße
abhängig von der Qualität des
mütterlichen Attunement und der
Bindungserfahrung
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Bindungstrauma
unangemessene und zurückweisende elterliche Reaktionen auf
kindliche Affektzustände
↓
negative emotionale Zustände des Kindes werden nicht reguliert,
sondern bleiben über längere Zeit bestehen
↓
„chaotische“ biochemische Veränderungen im kindlichen Gehirn:
dauerhaft erhöhte Cortisonspiegel, exzessive Freisetzung von
Adrenalin und Noradrenalin und anderer toxischer Substanzen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Rückgang von Synapsen und
Beschleunigen des normalen
Prozesses des programmierten
Zelltodes (Zhang et al. 1997, McLaughlin et al. 1998).
↓
Verminderte Funktionsfähigkeit der
emotionsregulierenden Struktur des
präfrontalen Cortex
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Bindungstrauma
unangemessene und zurückweisende elterliche Reaktionen auf
kindliche Affektzustände
↓
negative emotionale Zustände des Kindes werden nicht reguliert,
sondern bleiben über längere Zeit bestehen
↓
„chaotische“ biochemische Veränderungen im kindlichen Gehirn:
dauerhaft erhöhte Cortisonspiegel, exzessive Freisetzung von
Adrenalin und Noradrenalin und anderer toxischer Substanzen
↓
Rückgang von Synapsen und Beschleunigen des normalen Prozesses
des programmierten Zelltodes (Zhang et al. 1997, McLaughlin et al.
1998).
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Modell der verminderten Top-Down-Modulation basaler
emotionaler Systeme, insbes. der Amygdala
 erhöhte Bereitschaft zur Wahrnehmung von Bedrohungssignalen
•
•
•
1 – Orbitofrontaler Cortex
2 – Region des vorderen Cingulum
3 – Amygdala
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Präfrontales Defizit
↓
verminderte Top-DownModulation der Amygdala
↓

Störung der Fähigkeit
zur Emotionsregulierung
Störungen der Fähigkeit
zur Mentalisierung
↓
↓
Verstärktes Bedrohungserleben
↓
Maladaptives Handeln auf der Basis dieses Bedrohungserlebens
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
•
Lebenslange Möglichkeit der Modifikation und
Neuorganisationen neuronaler Verbindungen in
Abhängigkeit vom Gebrauch (Huether et al. 1999)

Vielfach wiederholte Aktivierung neuronaler
Netzwerke bis zur Etablierung neuer Muster

Üben und Durcharbeiten neuer Muster
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Neurobiologie bei
chronischer PTBS
Neurobiologie der
Borderline-Störung
•Überaktivität und erhöhte
•gesteigerte Amygdala-Aktivierung bei
Reaktionsbereitschaft der
Amygdala (Shin et al. 2006)
•vermindertes HippokampusVolumen (Karl et al. 2006)
•verminderte Volumina und
Aktivität des präfrontalen Kortex
(PFC) einschl. des vorderen
zingulären Kortex (ACC) (Rauch et
Darbietung emotional aufgela-dener
Bilder (Donegan et al., 2003)
•Volumenminderungen im Bereich des
präfrontalen Kortex und des
Hippokampus (Irle et al. 2005;Tebartz van Elst et
al. 2003) sowie des vorderen zingulären
Kortex (Minzenberg et al. 2008)
•verminderte Aktivität des
orbitofrontalen Kortex (OFC) und des
vorderen zingulären Kortex (New et al.
al. 2003, Woodward et al. 2006).
2002, Silbersweig et al. 2007)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Evidenzbasierte psychodynamische Konzepte
zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen
•
Evidenz auf der Basis von RCT
•
•
TFP (Übertragungsfokussierende PT bei BPS (Clarkin et al. 2008)
Wiederbelebung traumatischer Beziehungserfahrungen in der
Übertragung
Fokus auf Ich-Integration und Bindungsproblematik
MBT (Mentalisierungsgestützte PT bei BPS) (Bateman & Fonagy 2008)
Fokus auf Mentalisierungsdefizite und Bindungsproblematik
 jedoch
keine traumaspezifischen Stabilisierungstechniken
keine Berücksichtigung von PTBS-/dissoziativer
Komorbidität
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Evidenzbasierte kognitiv-behaviorale Konzepte
zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen
•
Evidenzbasierung (RCT)
•
•
DBT (Dialektisch-behaviorale PT für BPS) (Linehan 1996)
• Fokus auf Emotionsregulierung u. interpers. Regulation
Schematherapie (Young et al. 2008; Giesen-Bloo et al. 2006)
• Traumaexposition in der Imagination
 jedoch
keine konzeptuelle Berücksichtigung von PTBS- oder
dissoziativer Komorbidität
keine Traumafokussierung (DBT) bzw. keine
traumaspezifischen Stabilisierungstechniken (ST)
keine konzeptuelle Berücksichtigung der
Mentalisierungs-/Bindungsproblematik
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Evidenzbasierte Konzepte zur Behandlung
der komplexen PTBS
•
Affektmanagement-Training + Expositionsbehandlung
(Cloite 2002)
•
PITT (Psychodyn.-imaginative Traumatherapie
(Reddemann 2011; Sachsse et al. 2006; Lampe et al. 2008, Kruse et al. 2010)
Fokus auf Emotionsregulierungsstörung und
Traumabearbeitung
 jedoch
keine konzeptuelle Berücksichtigung der Mentalisierungs/Bindungsproblematik und der maladativen Verhaltens- und
Beziehungsmuster
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Psychodynamisches Therapiekonzept
zur Behandlung von Patienten mit
traumaassoziierten Persönlichkeitsstörungen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Therapiekonzepts bei traumabedingten
Persönlichkeitsstörungen
1.
2.
3.
4.
5.
Sicherheit, Halt und die Stärkung der
Bewältigungskompetenz
Emotionsregulierung und Selbstfürsorge
Mentalisierung und die Entwicklung stabiler
Repräsentanzen
Schonende Traumabearbeitung
Konfliktorientiertes Arbeiten
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 1: Sicherheit, Halt und Stärkung der
Bewältigungskompetenz
Externe Emotionsregulierung zur Reduktion des erhöhten
Bedrohungserlebens:
Maximaler Kontrast zur traumatischen Situation
Traumatische Situation
Therapeutische Situation
Bedrohung, Unsicherheit
Kontrollverlust
Verwirrung, Intransparenz
Gefühl des Alleingelassenseins
Sicherheit
Kontrolle
Aufklärung, Transparenz
reale Präsenz
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 1: Ressourcenaktivierung
•
•
•
•
•
•
Aktivierung bisheriger Bewältigungsformen
Positive Aktivitäten
Aktivierung positiver Erinnerungsbilder
Imaginative Techniken
Vermittlung imaginativer Distanzierungstechniken
(Container/Tresor)
Imaginative Helfer für kindliche
Persönlichkeitsanteile
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Als Ressource kann alles genutzt
werden, was einen positiven
Körperstate hervorruft!
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Regulation der eigenen Befindlichkeit
•
Distanz zum negativen Gegenübertragungsaffekt
herstellen
• Identifikation eigener Emotionen, Fantasien und
Impulse
• konkordante und komplementäre Identifikation in
der Gegenübertragung
• „Sortieren“: Welche Emotionen gehören zur Pat.,
welche zu mir?
• Verständnis des Mechanismus der projektiven
Identifizierung
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Inverse Beziehung zwischen Mentalisierungsfunktion und Aktivierung des Bindungssystems
•
Aktivierung des Bindungssystems hemmt die Mentalisierungsfähigkeit normaler Erwachsener (Bartels u . Zeki 2004, Mikulincer
u. Shaver 2007).
•
•
Sicher gebundene Personen: Mentalisierungsfunktion (präfrontale
Aktivität) bleibt auch bei aktiviertem Bindungssystem erhalten
Bei unsicher gebundenen wird die Mentalisierungsfunktion um so
stärker deaktiviert, je mehr das Bindungssystem aktiviert ist.
 Borderline: Tendenz zur schnellen Aufnahme enttäuschend
verlaufender Beziehungen
 Therapeutische Konsequenz: Deaktivierung des stark
aktivierten Bindungssystem, um die Mentalisierungsfunktion
zu stärken (Levy et al. 2011)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 1: Therapeutische Haltung
•
•
Antiregressives Beziehungsangebot
Stärkung der Eigenverantwortung der Pat.
 Vermittlung von Bindungssicherheit, jedoch möglichst geringe

•
Aktivierung des Bindungssystems zur Erhaltung der
Mentalisierungsfunktion
möglichst geringe Aktivierung von Retter- oder
Täterübertragungen
dadurch geringere emotionale Belastung der Therapeuten

Regeln, Vereinbarungen, Verträge
•
zum Schutz der Patientin, der Therapeutin und der
Therapie vor destruktiven Persönlichkeitsanteilen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 2:
Emotionsregulierung und Selbstfürsorge
Aufbau defizitärer Ich-Funktionen mit Hilfe ressourcenaktivierender
Techniken
•
Strukturelle Defizite
•
•
•
•
•
•
•
Emotionen nicht regulieren (können)
Vergangenheit und Gegenwart nicht differenzieren (können)
Gefahren nicht antizipieren (können)
nicht für sich sorgen können (können)
sich nicht abgrenzen (können)
sich nicht schützen (können)
hilflos sein, nicht handeln (können)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 2:
Emotionsregulierung und Selbstfürsorge
Aufbau defizitärer Ich-Funktionen mit Hilfe
ressourcenaktivierender Techniken
•
Imaginative Techniken zur Mobilisierung von
Bewältigungskompetenzen
•
Wann in Ihrem Leben stand Ihnen diese Kompetenz zur
Verfügung?
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 2:
Emotionsregulierung und Selbstfürsorge
•
Förderung der Affektwahrnehmung und Affektdifferenzierung
•
•
•
•
Differenzierung von Vergangenheits- und
Gegenwartsanteilen undifferenzierter Affektzustände
Imaginatives „Wegpacken“ der Vergangenheitsanteile
Arbeit mit dem „inneren Kind“
•
als Nachbeelterung auf der inneren Bühne
Förderung der Selbstfürsorge
•
Arbeit an verinnerlichten Verboten
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Distanzierungstechniken
•
•
•
Ablenkungstechniken
Aufmerksamkeitsumfokussierung
Imaginative Techniken
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Affektdifferenzierung
•
Vergangenheits- und Gegenwartsanteil identifizieren
und Vergangenheitsanteil „wegpacken“
•
traumatische Affekte von adaptiven Emotionen
unterscheiden
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Selbstbezogene schädigende Verhaltensmuster als
Ausdruck komplexer traumabedingter Funktionsdefizite
•
•
•
•
•
Gefahren nicht antizipieren (können)
nicht für sich sorgen können (können)
sich nicht abgrenzen (können)
sich nicht schützen (können)
hilflos sein, nicht handeln (können)
•
 erneuter Opferstatus (Reviktimisierungsneigung)
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Gründe für verminderte Selbstfürsorge
•
•
•
•
•
•
•
Generalisiertes Gefühl von Hilflosigkeit
Überzeugung, keine Selbstfürsorge zu verdienen
introjiziertes Verbot, für sich zu sorgen
keine hinreichende Wahrnehmung körperlicher
Bedürfnisse
Unfähigkeit, Gefahren zu erkennen und Schaden für
sich zu antizipieren
Unfähigkeit, Bedürfnisse adäquat zu artikulieren
Selbsthass und nach innen gerichtete Wut
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Förderung der Selbstfürsorge
•
•
•
•
•
Arbeit an verinnerlichten Verboten
Bestätigung, dass Selbstfürsorge erlaubt ist
Mahnung, dass Selbstfürsorge geboten ist
Hilfe beim Einüben („was tut Ihnen gut?“)
Konkrete Möglichkeiten selbstfürsorglichen
Umgangs nennen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
3
Stabilisierung und Strukturaufbau 3:
Mentalisierung und die Entwicklung stabiler
Repräsentanzen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Mentalisierungsfähigkeit fördern
•
•
•
•
zur Selbstbeobachtung und Reflexionsfähigkeit
anleiten
subjektive Bedeutung der Phänomene klären
anregen, Hypothesen zu Befindlichkeiten und
Motivationen anderer Menschen zu bilden
anregen, mehrere Perspektiven zu sehen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Interpersonelle schädigende Verhaltensweisen zur
Kompensation der gestörten Emotionsregulierung
•
zum Schutz vor Kränkungen, Verletzungen und
Ohnmachterleben
• entwerten
• Aufmerksamkeit oder Zuwendung erzwingen
• unter Druck setzen, erpressen
• sich zurückziehen
• drohen, beschuldigen, entwerten
• sich unangemessen verführerisch verhalten
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
„Ego-State“-Arbeit
•
•
unterschiedliche Persönlichkeitsanteile identifizieren
•
Persönlichkeitsanteile miteinander in einen Dialog
bringen
•
•
Befindlichkeit, Bedürfnisse und Ziele möglichst vieler
Persönlichkeitsanteile wahrnehmen
aggressive oder bösartige Persönlichkeits-anteile in
den Dialog einbeziehen und ihre adaptive Rolle
würdigen
Kooperation der Persönlichkeitsanteile anregen
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Arbeit mit dem „Inneren Kind“
•
Mitarbeit der akzeptierenden und nicht
verurteilenden Erwachsenenanteile gewinnen
•
Mit dem „inneren Kind“ in Kontakt treten
• ressourcenreiche Seiten des „Kindes“ nutzen
• Ängste vor den negativen Seiten
„Kindes“ bearbeiten
•
die erwachsene Person auffordern, dem „Kind“ das
zu geben, was es braucht
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 4: Schonende Traumabearbeitung und Bearbeitung
persönlichkeitssspezifischer Stressoren
•
•
Z.B. Fraktioniertes EMDR
Andere schonende Formen der Traumabearbeitung
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Problembereiche bei traumaassoziierten
Persönlichkeitsstörungen
•
Persönlichkeitsstrukturelle Defizite (Ich-Funktionen)
•
•
•
Störung der Emotionsregulierung
•
Wirksamkeit unreifer Abwehrmechanismen und schädigender
Bewältigungsmuster
Störungen der Mentalisierungsfunktion
•
Veränderte innere Repräsentanzenwelt mit verzerrten Selbstund Objektbildern
Unzureichende Integration der Persönlichkeit
•
Identitätsstörung, Identitätsdiffusion, „split self“
gestörte Bindungs- und Beziehungsfähigkeit
intensive Übertragungsmuster (Retter-Täter-Übertragungen)
maladaptive Verhaltens- und Beziehungsmuster
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Traumatisierungsmuster bei schweren
Persönlichkeitsstörung
•
•
•
Bindungs- und Beziehungstraumatisierung mit frühen
spezifischen und unspezifischen Traumatisierungen
Traumatisierungen im Erwachsenenalter
(Retraumatisierungsneigung!)
Persönlichkeitssspezifische Vulnerabilität
•
Alltagsstressoren erreichen je nach spezifischer
Vulnerabilität traumawertige subjektive Belastungsgrade
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Krankenhaus für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 4: Schonende Traumabearbeitung
•
Ausgiebige Ressourcenaktivierung im Wechsel mit
ultrakurzer Traumaexposition
•
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Pendeltechnik (Fine u. Berkowitz 2001; Levine 1998; Reddemann et al. 2011)
CIPOS (Constant Installation of of Present Orientation and
Safety) (Knipe 2011)

EMDR im „umgekehrten“ Standardprotokoll (Hofmann 2001)
•
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Beginn mit klar umschriebenen und gut erinnerbaren
Traumen oder belastenden Erfahrungen der jüngeren
Vergangenheit
Arbeit mit persönlichkeitsspezifischen Alltagsstressoren
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Phase 5: Konfliktorientierte Arbeit
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Arbeit an unbewussten Konflikten
Klarifizierung, Konfrontation, Deutung
Analyse von Abwehr, Widerstand und
Übertragung
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W. Wöller - Trauma und Persönlichkeitsstörungen
Zusammenfassung: Grundprinzipien des
Konzepts
•
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Psychodyn. Beziehungs- und Strukturverständnis &
neurobiol. Verständnis psychischer Traumatisierungen
Unspezifische und spezifische Ressourcenaktivierung
(Grawe 2004)
Interventionen zur Förderung der Mentalisierungsfunktion und der Ich-Integration
EMDR: Ressourcenaktivierung  schonende
Traumabearbeitung
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