Zeitabhängige elektromagnetische Felder

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K APITEL IX
Zeitabhängige elektromagnetische
Felder
Im Gegensatz zu den stationären Fällen der Elektro- und Magnetostatik sind das elektrische und
das magnetische Feld im allgemeineren zeitabhängigen Fall miteinander gekoppelt. Diese Kopplung
wird durch zusätzliche Terme in den Grundgleichungen berücksichtigt (Abschn. IX.1). Einerseits
beschreiben diese Beiträge zu den Maxwell-Gleichungen neue Phänomene, bei denen die Zeitänderung der Felder eine Rolle spielt. Dazu führen die „kompletten“ Maxwell-Gleichungen automatisch
zur (lokalen) Erhaltung der elektrischen Ladung.
In Abschn. IX.2 wird gezeigt, dass sich das elektrische und das magnetische Feld aus elektromagnetischen Potentialen ableiten lassen, die nicht eindeutig bestimmt sind. Darüber hinaus werden
Bewegungsgleichungen für diese Potentiale hergeleitet. Dem elektromagnetischen Feld können noch
eine Energie und ein Impuls zugeordnet werden, oder genauer, entsprechende Dichten und Stromdichten (Abschn. IX.3), die ziemlich anschaulichen Bilanzgleichungen genügen.
Der zweite Teil des Kapitels befasst sich mit Anwendungen der zuvor eingeführten Begriffe und
Ergebnisse. Zunächst werden Lösungen zu den Bewegungsgleichungen für die Felder oder Potentiale im Vakuum in Abwesenheit von Quelltermen untersucht (Abschn. IX.4). Diese Lösungen sind
elektromagnetischen Wellen. Dann wird eine allgemeine Lösung der Maxwell-Gleichungen mit Hilfe sogenannter retardierter Potentiale dargelegt, die das von beliebigen elektrischen Ladungs- und
Stromverteilungen herrührende elektromagnetische Feld angibt (Abschn. IX.5).
IX.1 Grundgesetze
In diesem Abschnitt werden zuerst die nicht-stationären Maxwell-Gleichungen dargelegt und die
Deutung der zeitabhängigen Terme diskutiert (§ IX.1.1). Dann werden Bewegungsgleichungen zweiter Ordnung für das elektrische und das magnetische Feld hergeleitet (§ IX.1.2).
IX.1.1 Maxwell-Gleichungen
Die schon in Kapitel VI eingeführten zeitabhängigen Maxwell-Gleichungen lauten
~ · E(t,~
~ r) = 1 ρel.(t,~r)
∇
0
~
~
∇ · B(t,~r) = 0
~
~ × E(t,~
~ r) + ∂ B(t,~r) = ~0
∇
∂t
~
~ × B(t,~
~ r) − 0 µ0 ∂ E(t,~r) = µ0~el.(t,~r).
∇
∂t
(IX.1a)
(IX.1b)
(IX.1c)
(IX.1d)
Relativ zu den stationären Gleichungen (VII.1) und (VIII.1) der Elektro- und Magnetostatik
treten zwei neue Terme auf, und zwar die partiellen Zeitableitungen in den zwei letzten Gleichungen.
162
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
Natürlich sind diese Beiträge nötig, um eine mögliche Zeitentwicklung der Felder sowie deren Effekte
zu beschreiben.
IX.1.1
a Faraday-Induktionsgesetz
::::::::::::::::::::::::::::::::::
Schreibt man die Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c) in der Form
~
~ × E(t,~
~ r) = − ∂ B(t,~r) ,
∇
∂t
(IX.2)
so kann die Rate der Änderung der magnetischen Flussdichte auf der rechten Seite als Quellterm
für die Rotation des elektrischen Feldes gesehen werden.
Zur Interpretation dieser Gleichung ist es einfacher, eine feste ruhende geometrische Fläche S
zu betrachten und Gl. (IX.2) darüber zu integrieren:
Z ~
Z
~ × E(t,~
~ r) · d2 S~ = − ∂ B(t,~r) · d2 S.
~
∇
(IX.3)
∂t
S
S
Da die Fläche zeitunabhängig ist, kann die Zeitableitung auf der rechten Seite aus dem Integral
herausgezogen werden:
Z ~
Z
∂ B(t,~r) 2 ~ d
~ r) · d2 S~ = d ΦB (t),
·d S =
B(t,~
∂t
dt S
dt
S
wobei ΦB den Fluss der magnetischen Induktion durch die Fläche S bezeichnet.
Wiederum lässt sich die linke Seite der Gl. (IX.3) mit dem Integralsatz von Stokes transformieren:
wenn ∂S den Rand der Fläche S bezeichnet, gilt
I
Z
~ r) · d~`,
~ × E(t,~
~ r) · d2 S~ =
E(t,~
∇
S
∂S
wobei die zu S senkrechten elementaren Flächenvektoren d2 S~ in Richtung des Daumens der rechten
Hand zeigen, wenn die anderen Finger entlang der Richtung von d~` sind. Schließlich ergibt sich
I
Z
~ r) · d~` = − d
~ r) · d2 S~ = − dΦB (t) .
E(t,~
B(t,~
(IX.4)
dt S
dt
∂S
Wendet man nun dieses Ergebnis auf den Fall an, wo die Fläche S durch einen ruhenden geschlossenen Kreisleiter C aufspannt wird (Abb. IX.1), so ist das Kurvenintegral entlang C die sog.
S
U
C
Abbildung IX.1
163
IX.1 Grundgesetze
elektromotorische Kraft U — die trotz ihrer Bezeichnung keine Kraft ist, sondern eine elektrische
Spannung:
I
~ r) · d~`.
U = E(t,~
C
Diese elektromotorische Kraft entspricht der Energie, die einer Einheitsladung übertragen wird,
wenn sie den Kreisleiter einmal umläuft. (Wird der Kreis irgendwo leicht getrennt, so ist U die
elektrische Spannung zwischen den Enden, wie in Abb. IX.1 dargestellt wird.) Dann ergibt sich das
Faraday-Induktionsgesetz
U =−
dΦB (t)
.
dt
(IX.5)
Bemerkungen:
∗ Wenn die Fläche S, durch welche der magnetische Fluss zeitlich variiert, nicht fest ist, müssen zusätzliche Terme in der obigen Argumentation berücksichtigt werden. Physikalisch bleibt das
Ergebnis das gleiche.
∗ In einem geschlossenen Kreisleiter wird das induzierte elektrische Feld die Ladungsträger in
Bewegung bringen, d.h. es entsteht ein elektrischer Strom. Wiederum wird dieser Strom über die
~ ind. erzeugen, das nach der Lenz’schen (aj) Regel
Maxwell–Ampère-Gleichung ein magnetisches Feld B
der Änderung des magnetischen Flusses durch die Leiterschleife entgegenwirkt.
∗ Das Prinzip des Induktionsgesetzes wird zu Nutze gemacht, um elektrische Ströme zu erzeugen.
IX.1.1
b Maxwell’scher Verschiebungsstrom
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Die zweite Modifikation der Maxwell-Gleichungen relativ zum stationären Fall ist die partielle
Zeitableitung in der Maxwell–Ampère-Gleichung (IX.1d), die sich auch als
~ r) ∂ E(t,~
~
~
∇ × B(t,~r) = µ0 ~el.(t,~r) + 0
(IX.6)
∂t
schreiben lässt. In dieser Form kann der zweite Term in den eckigen Klammern als eine Ladungsstromdichte interpretiert werden: dieser Beitrag ist der sog. Maxwell’sche Verschiebungsstrom.
Dank diesem Term enthalten die Maxwell-Gleichungen (IX.1) automatisch die Ladungserhaltung
für die Quellen des Feldes. Leitet man nämlich die Maxwell–Gauß-Gleichung (IX.1a) nach der Zeit
ab, so ergibt sich
∂ρel.(t,~r)
∂ ~ ~
= 0
∇ · E(t,~r) .
∂t
∂t
Andererseits lautet die Divergenz der Maxwell–Ampère-Gleichung (IX.1d)
~
~ · ∇
~ × B(t,~
~ r) − 0 ∇
~ · ∂ E(t,~r) = −0 ∂ ∇
~ · E(t,~
~ r) ,
~ · ~el.(t,~r) = 1 ∇
∇
µ0
∂t
∂t
~ nach der Zeit und nach den
wobei in der zweiten Gleichung die partiellen Ableitungen von E
~ · ∇
~ ×B
~ = 0 benutzt wurde. Die Summe der
Ortskoordinaten ausgetauscht wurden, während ∇
zwei letzten Gleichungen lautet dann
∂ρel.(t,~r) ~
+ ∇ · ~el.(t,~r) = 0.
∂t
(IX.7)
Diese Differentialgleichung wird als Kontinuitätsgleichung bezeichnet. Sie stellt die lokale Formulierung der Erhaltung der elektrischen Ladung dar.
(aj)
E. Lenz, 1804–1865
164
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
Um die entsprechende Integralform zu finden kann man ein festes Raumgebiet V mit Rand ∂ V
betrachten und die Gl. (IX.7) über das Volumen V integrieren:
Z
Z
∂ρel.(t,~r) 3
~ · ~el.(t,~r) d3~r.
d ~r = − ∇
∂t
V
V
Dank der Zeitunabhängigkeit des Volumens V lässt sich die Zeitableitung im linken Glied aus dem
Integral herausziehen. Wiederum kann das rechte Glied mit dem Integralsatz von Gauß transformiert
werden:
Z
Z
∂
3
~
(IX.8)
ρel.(t,~r) d ~r = − ~el.(t,~r) · d2 S.
∂t V
∂V
Jetzt ist der Term auf der linken Seite die (totale) Zeitableitung der Gesamtladung QV (t) innerhalb
des Volumens V . Das Oberflächenintegral auf der rechten Seite ist der nach außen gerichtete Fluss
der Ladungsstromdichte — d.h. der elektrische Strom — durch die Oberfläche ∂ V . Der physikalische
Inhalt der Gl. (IX.8) ist, dass die Änderung der Gesamtladung QV pro Zeiteinheit gleich der durch
die Oberfläche ∂ V „verlorene“ Ladung pro Zeiteinheit ist. Dies entspricht genau der Bilanzgleichung
für eine erhaltene Größe, nämlich hier die elektrische Ladung.
Bemerkung: In Abschn. IX.3 werden weitere Bilanzgleichungen aus den Maxwell-Gleichungen her-
geleitet.
IX.1.2 Bewegungsgleichungen für die elektrischen und magnetischen Felder
Bei gegebenen Quelltermen ρel.(t,~r), ~el.(t,~r) sind die Maxwell-Gleichungen (IX.1) gekoppelte
~ r) und B(t,~
~ r). Mit einigen Umrechnungen
partielle Differentialgleichungen erster Ordnung für E(t,~
lassen sich entkoppelte Bewegungsgleichungen erhalten.
~ r) unabhängig von B(t,~
~ r), und umgekehrt
Somit ist die Differentialgleichung (IX.9) für E(t,~
~ r) nicht in der Bewegungsgleichung (IX.11) für B(t,~
~ r) auf. Die beiden Felder bleiben
tritt E(t,~
aber miteinander gekoppelt, beispielsweise über die Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c). Das
heißt, man kann zwar entkoppelte Bewegungsgleichungen finden, die aber nicht unabhängig
voneinander sind: physikalisch wird die Kopplung nicht aufgehoben.
IX.1.2
a Bewegungsgleichung für das elektrische Feld
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Die Rotationsbildung der Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c) gibt
~
~ × ∇
~ × E(t,~
~ r) + ∇
~ × ∂ B(t,~r) = ~0.
∇
∂t
~ ·V
~ − 4V
~ transformiert werden. Das
~ ×V
~ =∇
~ ∇
~ × ∇
Der erste Term kann mit der Identität ∇
Austauschen der partiellen Zeit- und Ortsableitungen im zweiten Term führt zu
~ ∇
~ · E(t,~
~ r) − 4E(t,~
~ r) + ∂ ∇
~ × B(t,~
~ r) = ~0.
∇
∂t
~ ·E
~ unter Verwendung der Maxwell–Gauß-Gleichung (IX.1a) durch die
Dabei kann der Term ∇
~ ×B
~ mithilfe der
elektrische Ladungsdichte ausgedrückt werden. Im dritten Beitrag lässt sich ∇
Maxwell–Ampère-Gleichung (IX.1d) umschreiben. Dies ergibt insgesamt
~ r) ∂
∂ E(t,~
1~
~
∇ρel.(t,~r) − 4E(t,~r) +
µ0~el.(t,~r) + 0 µ0
= ~0.
0
∂t
∂t
Äquivalent gilt
~ r) ≡ −0 µ0
E(t,~
~ r)
∂ 2E(t,~
~ r) = µ0 ∂~el.(t,~r) + 1 ∇ρ
~ el.(t,~r).
+ 4E(t,~
2
∂t
∂t
0
(IX.9)
165
IX.2 Elektrodynamische Potentiale
In dieser Formel wurde der d’Alembert (ak) -Operator gemäß
≡ −0 µ0
∂2
+4
∂t2
(IX.10)
definiert.(70)
IX.1.2
b Bewegungsgleichung für das magnetische Feld
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Betrachtet man nun als Anfangspunkt die Maxwell–Ampère-Gleichung (IX.1d) und bildet man
deren Rotation, so ergibt sich
~
~ × ~el.(t,~r).
~ × ∇
~ × B(t,~
~ r) − 0 µ0 ∇
~ × ∂ E(t,~r) = µ0 ∇
∇
∂t
~
~ B
~ wegen der Maxwell–Thomson-Gleichung ∇·
~ B
~ = 0 einfach gleich −4B.
~ Dann
Dabei ist ∇×
∇×
können partielle Ableitungen bezüglich der Zeit- und Ortsvariablen im zweiten Term ausgetauscht
~ ×E
~ mithilfe der Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c)
werden, und die resultierende Rotation ∇
umgeschrieben werden. Insgesamt kommt
2~
~ r) + 0 µ0 ∂ B(t,~r) = µ0 ∇
~ × ~el.(t,~r),
−4B(t,~
∂t2
d.h.
2~
~ r) = µ0 ∇
~ × ~el.(t,~r).
~ r) ≡ −0 µ0 ∂ B(t,~r) + 4B(t,~
B(t,~
(IX.11)
∂t2
~ und (IX.11) für die magnetische Induktion
Die Gleichungen (IX.9) für das elektrische Feld E
~
B sind anscheinend entkoppelte (inhomogene) lineare partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Die Felder sollen aber noch der Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c) genügen, so dass sie nicht
unabhängig voneinander sind: die Bewegungsgleichungen (IX.9) und (IX.11) sind also eigentlich redundant.
IX.2 Elektrodynamische Potentiale
Wie im stationären Fall können ein Skalar- und ein Vektorpotential eingeführt werden, aus denen sich
das elektrische und das magnetische Feld ableiten lassen (§ IX.2.1). Im Gegensatz zu den stationären
~ und B
~ vom Vektorpotential ab. Dementsprechend sind
Potentialen hängen aber jetzt beide Felder E
die Eichtransformationen der Potentiale, welche die elektromagnetischen Felder invariant lassen,
nicht unabhängig voneinander, sondern beide Potentiale müssen gleichzeitig transformiert werden
(§ IX.2.2). Schließlich werden in § IX.2.3 Bewegungsgleichungen für die Potentiale dargelegt, die aus
den Maxwell-Gleichungen folgen.
IX.2.1 Definition
IX.2.1
a Vektorpotential
:::::::::::::::::::::::
Die Maxwell–Thomson-Gleichung (IX.1b) hat die gleiche Form, wie im stationären Fall der
Magnetostatik. Daher kann man wie in § VIII.1.1 die Existenz eines differenzierbaren Vektorfeldes
~ r) folgern, mit dem die Beziehung
A(~
~ r) = ∇
~ × A(t,~
~ r)
B(t,~
(IX.12)
~ r) ist das (elektrodynamische) Vektorpotential .
in jedem Punkt ~r und zu jeder Zeit t erfüllt wird: A(t,~
(70)
Oft wird der d’Alembert-Operator als das Negative des hier betrachteten Differentialoperators definiert.
(ak)
J. le Rond D’Alembert, 1717–1783
166
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
~ r). Ist
Ähnlich wie in der Magnetostatik existiert eine (Eich)Freiheit in der Auswahl von A(t,~
~
~
ein erstes Vektorpotential A für eine bestimmte magnetische Induktion B geeignet, dann so ist das
~ 0 (t,~r) ≡ A(t,~
~ r) + ∇χ(t,~
~
Vektorfeld A
r), wobei χ(t,~r) eine beliebige skalare Funktion von Zeit und
Ort ist.
IX.2.1
b Skalarpotential
:::::::::::::::::::::::
Setzt man die Beziehung (IX.12) in die Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c) ein, so kommt
~ × E(t,~
~ r) + ∂ ∇
~ × A(t,~
~ r) = ~0.
∇
∂t
Nach Austauschen der Zeit- und Ortsableitungen im zweiten Term kann man einfacher
~
~ × E(t,~
~ r) + ∂ A(t,~r) = ~0.
∇
∂t
schreiben. Daraus folgt, dass es ein skalares Feld Φ(t,~r) existiert, das (elektrodynamische) Skalarpotential , das die Beziehung
~ r)
∂ A(t,~
~ r) = −∇Φ(t,~
~
E(t,~
r) −
∂t
(IX.13)
zu jeder Zeit t und in jedem Punkt ~r erfüllt.
Im stationären Fall findet man die Beziehung (VII.3) zwischen elektrostatischem Potential und
Feld wieder.
IX.2.2 Eichinvarianz
IX.2.2
a Eichtransformationen
::::::::::::::::::::::::::::::
~ und A
~0 ≡ A
~ + ∇χ
~ führen zwar über die Beziehung (IX.12) zum gleichen
Zwei Vektorpotentiale A
~ laut der Gl. (IX.13) würden sie zu unterschiedlichen elektrischen Felder E,
~
magnetischen Feld B;
0
~
E führen.
Führt man aber eine gleichzeitige Transformation des Vektor- und des Skalarpotentials, und
zwar die Eichtransformation
∂χ(t,~r)
,
∂t
~ r) → A
~ 0 (t,~r) ≡ A(t,~
~ r) + ∇χ(t,~
~
A(t,~
r),
Φ(t,~r) → Φ0 (t,~r) ≡ Φ(t,~r) −
(IX.14a)
(IX.14b)
~ r) und
wobei die skalare Funktion χ(t,~r) beliebig ist, so bleiben die zwei abgeleiteten Felder E(t,~
~
B(t,~r) unverändert.
Beispiel: Dem elektromagnetischen Feld bestehend aus einem stationären und gleichförmigen elek~ r) = E
~ 0 und einer verschwindenden magnetischen Induktion B(t,~
~ r) = ~0 kann
trischen Feld E(t,~
man z.B. die einfachen Potentiale
~ 0,
Φ(t,~r) = −~r · E
~ r) = ~0,
A(t,~
oder
Φ0 (t,~r) = 0,
~ 0 (t,~r) = −E
~0 t
A
~ 0 t (dazu
zuordnen. Eine Funktion χ, die von den ersten zu den zweiten führt, ist χ(t,~r) = −~r · E
darf man natürlich eine additive Konstante hinzufügen).
167
IX.2 Elektrodynamische Potentiale
IX.2.2
b Spezielle Eichungen
:::::::::::::::::::::::::::::
Die Eichfreiheit kann benutzt werden, um eine Eichung zu benutzen, in welcher einige Gleichungen eine einfachere Form annehmen.
Eine erste oft auftretende Wahl ist die Coulomb-Eichung, die durch die Bedingung
~ · A(t,~
~ r) = 0.
∇
(IX.15)
~ und B-Feldern
~
[vgl. Gl. (VIII.4)] definiert ist. Bei festen Eist es immer möglich, Potentiale zu
finden, die der Coulomb-Eichbedingung (IX.15) genügen.
~ Potentiale für ein gegebenes elektromagnetisches Feld (E,
~ B).
~ Wenn A
~ die gewünschte
Seien Φ, A
Eichbedingung (IX.15) erfüllt, ist der Fall erledigt. Sonst sucht man eine Funktion χ(t,~r) derart,
~ 0 die Coulomb-Eichbedingung
dass die über Gl. (IX.14) eichtransformierten Potentiale Φ0 , A
~ 0 und A
~ lautet
erfüllen. Die Divergenzbildung der Beziehung (IX.14b) zwischen A
~ ·A
~ 0 (t,~r) = ∇
~ · A(t,~
~ r) + ∇
~ · ∇χ(t,~
~
~ · A(t,~
~ r) + 4χ(t,~r).
∇
r) = ∇
~ ·A
~ 0 (t,~r) = 0 gilt. Dafür soll man eine Funktion χ finden, die die inhomogene
Das Ziel ist, dass ∇
Poisson-Gleichung
~ · A(t,~
~ r)
4χ(t,~r) = −∇
löst, wobei der Term auf der rechten Seite eine vorgegebene Funktion ist. Laut den Ergebnissen
des Abschn. VII.2 existiert eine solche Lösung immer.
2
Eine andere günstige Eichung ist die Lorenz (al) -Eichung, definiert durch die Bedingung
0 µ0
∂Φ(t,~r) ~ ~
+ ∇ · A(t,~r) = 0.
∂t
(IX.16)
Wir werden in § IX.2.3 c sehen, dass sich die Bewegungsgleichungen für die Potentiale in der LorenzEichung stark vereinfachen.(71)
~
Die Coulomb- und Lorenz-Eichbedingungen legen die elektromagnetischen Potentiale Φ und A
~ finden,
nicht vollständig fest, sondern man kann in beiden Fällen unterschiedliche Paare (Φ, A)
welche die zugehörige Bedingung erfüllen.
Dies ist trivial der Fall der Coulomb-Eichung, deren Bedingung (IX.15) das Skalarpotential frei
~
lässt. Dass auch die Lorenz-Eichung „unvollständig“ ist, lässt sich einfach beweisen. Seien (Φ, A)
0
0
~
und (Φ , A ) Paare von Potentialen, die der Gl. (IX.16) genügen, wobei die gestrichenen Potentiale
mit den nicht-gestrichenen über die Beziehungen (IX.14) zusammenhängen. Dann gilt
∂Φ0 (t,~r) ~ ~ 0
∂Φ(t,~r) ~ ~
0 µ0
+ ∇ · A (t,~r) − 0 µ0
+ ∇ · A(t,~r) = 0,
∂t
∂t
d.h. nach einer einfachen Berechnung
− 0 µ0
∂ 2 χ(t,~r)
+ 4χ(t,~r) = χ(t,~r) = 0.
∂t2
(IX.17)
Diese Differentialgleichung hat nicht-triviale Lösungen — die in § IX.4.1 unten diskutiert werden —,
so dass die gestrichenen und nicht-gestrichenen Potentiale ungleich sind.
(71)
(al)
Ein zweiter Vorteil der Eichung wird in der relativistisch kovarianten Formulierung der Elektrodynamik anschaulich.
L. Lorenz, 1829–1891
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