2014 / 15 Jörg Albrecht ▪ Thomas Arzt ▪ Patrick Barlow ▪ Sibylle Berg ▪ Thomas Birkmeir ▪ William F. Brown ▪ Davide Carnevali ▪ Martin Crimp ▪ John von Düffel ▪ Florian David Fitz ▪ Jon Fosse ▪ Thomas Freyer ▪ Erik Gedeon ▪ David Gieselmann ▪ Olga Grjasnowa ▪ Verena Güntner ▪ Brigitte und Niklaus Helbling ▪ Elfriede Jelinek ▪ Imre Kertész ▪ Jonas Hassen Khemiri ▪ Mely Kiyak ▪ Michael Köhlmeier ▪ Philipp Löhle ▪ Duncan Macmillan ▪ Corinne Maier ▪ Oliver Marschke ▪ Dorota Masłowska ▪ Thomas Melle ▪ Tuğsal Moğul ▪ Hannah Moscovitch ▪ Tina Müller ▪ Nolte Decar ▪ Lars Norén ▪ George Orwell ▪ Heiko Pinkowski ▪ René Pollesch ▪ Axel Ranisch ▪ Thilo Reffert ▪ Sven Regener ▪ Erich Maria Remarque ▪ Charlotte Roos ▪ Stephen Sachs ▪ Katharina Schmitt ▪ Raoul Schrott ▪ Robert Seethaler ▪ Günter Senkel ▪ Charlie Smalls ▪ Frédéric Sonntag ▪ Tim Staffel ▪ Simon Stephens ▪ Ulrike Syha ▪ Chris Thorpe ▪ Stefanie de Velasco ▪ Theresia Walser ▪ Oscar van Woensel ▪ Feridun Zaimoglu ▪ Juli Zeh INHALT Oliver Marschke, Der Fauxpas 16 15 Dorota Masłowska, Wie ich Hexe wurde 28 Julia Albrecht / Corinna Ponto, Patentöchter 39 Thomas Melle, 3000 Euro 37 Thomas Arzt, Johnny Breitwieser 12 Tuğsal Moğul, Begegnung 15 Thomas Arzt, Totes Gebirge 13 Tuğsal Moğul, Die Angehörigen 16 Patrick Barlow, Eine Weihnachtsgeschichte 27 Hannah Moscovitch, Kleines 21 Tina Müller / Corinne Maier, Klatschen 30 28 Nolte Decar, Das Tierreich 14 Thomas Birkmeir, Der Hund der Baskervilles 34 George Orwell / Duncan Macmillan / Robert Icke, 1984 25 William F. Brown / Charlie Smalls, The Wiz 27 Heiko Pinkowski / Axel Ranisch, Reuber 30 Davide Carnevali, Arabische Frau, das Meer betrachtend 20 Lars Norén, 3.31.93. 17 Martin Crimp, Im Tal 22 Thilo Reffert, Pinocchio 32 Sven Regener, Magical Mystery 39 9 Erich Maria Remarque, Der schwarze Obelisk 36 9 Stephen Sachs, Das Original 21 Jörg Albrecht, My love was a ghost. And your love, your love was leaving this rotten town. Sibylle Berg, Viel gut essen Sibylle Berg, Mein ziemlich seltsamer Freund Walter 2 John von Düffel, Das permanente Wanken und Schwanken von eigentlich allem John von Düffel, Die Wandlung der Susanne Dasseldorf 35 Katharina Schmitt, Der einbeinige Läufer Florian David Fitz, vincent will meer 40 Raoul Schrott / Homer, Ilias 35 Jon Fosse, Meer 18 Robert Seethaler, Der Trafikant 38 Robert Seethaler, Ein ganzes Leben 38 33 Frédéric Sonntag, George Kaplan 20 Erik Gedeon, Ewig jung 26 Tim Staffel, Camp Cäsar 29 David Gieselmann, Die Oppelts haben ihr Haus verkauft 11 Simon Stephens, Blindlings 23 Olga Grjasnowa, Die juristische Unschärfe einer Ehe 37 Simon Stephens, Carmen Disruption 24 Verena Güntner, Es bringen 31 Ulrike Syha, Report John von Düffel, Antigone / Die Bakchen (Pussy Riot) Thomas Freyer, mein deutsches deutsches Land Thomas Freyer, Froschkönig 7 6 5 Brigitte und Niklaus Helbling, Geld und Gott 7 Chris Thorpe, Möglicherweise gab es einen Zwischenfall Elfriede Jelinek, Die Schutzbefohlenen 1 Stefanie de Velasco, Tigermilch 2 Theresia Walser, Herrinnen 3 36 Oscar van Woensel, Ödipus 19 18 Feridun Zaimoglu / Günter Senkel, Siegfried 10 Feridun Zaimoglu / Günter Senkel, Die zehn Gebote 11 Elfriede Jelinek, Das schweigende Mädchen Imre Kertész, Liquidation Jonas Hassen Khemiri, ≈ [ungefähr gleich] Mely Kiyak, Aufstand Michael Köhlmeier, Die Abenteuer des Joel Spazierer Philipp Löhle, Jede Stadt braucht ihren Helden Philipp Löhle, Peterchens Mondfahrt 6 38 8 Juli Zeh / Charlotte Roos, Mutti Ur- und Erstaufführungen 34 Die neu erschienenen Rowohlt E-Books Theater sind seit Oktober 2014 erhältlich: II www.rowohlt-theater.de 25 32 4 41 «Jelinek ist die politischste, für die Katastrophen der Gegenwart empfänglichste Dramatikerin unserer Zeit.» Süddeutsche Zeitung ELFRIEDE JELINEK Die Schutzbefohlenen «Achtung, die Menschenwürde! Achtung, die Menschenwürde kommt jetzt auch, da kommt sie!, machen Sie ein Foto, schnell, bevor sie ­wieder weg ist!» F ast täglich schwemmt das Mittelmeer Flüchtlin­ ge aus Afrika an die Küsten Europas, fast täglich müssen sich die westlichen Grundwerte Humanis­ mus, Demokratie und Menschenrechte an der rea­ len Praxis messen lassen. Auf der Folie von Aischylos’ Drama Die Schutz­ flehenden hat Elfriede Jelinek mit Die Schutz­be­ fohlenen «der europäischen Tragödie einen Prosa­ text gewidmet, und vermutlich gibt es in der Gegenwartsliteratur nichts Vergleichbares. Das Werk ist ein großes ästhetisches Monument, eine himmel­ schreiende Klage von antiki­ scher Wucht und T ­ rauer … In ­einem uferlosen Wortstrom sprechen die Toten über die Lebenden, die Hungernden mit den Satten, die Fremden mit den Heimischen. Ihre Stimmen fallen sich ins Wort, am Ende versinken alle in ei­ nem grauen Meer aus Zynismus und Schuld … Die Tragödie verläuft hier zwischen abstraktem Recht und menschlichem Körper, zwischen den Asylge­ setzen und den ‹Unangekündigten› … An dieser Todeslinie, sagt Jelinek dem Zuschauer, zeige sich die Antike in der Moderne, das Unerträgliche un­ serer Gegenwart.» (Die Zeit) «Indem Jelinek in ihrem Sprachgewebe immer wieder Vexierbilder des Kapitalismus mit hu­ manistischen Idealen verknüpft, demaskiert sie die Bigotterie eines Europas, das von Integration spricht, aber Ausgrenzung aus ökonomischem Kal­ kül meint … Ein bestechend scharfes, polyphones Oratorium, … (unter dem) ein Abgrund klafft, aus dem kein göttliches Licht, sondern die schmerzli­ che Erkenntnis des Versagens dringt.» (Der Freitag) «Gut, dass eine sich traut – und dem Theater so viel moralischen Einspruch zutraut … Die Schutz­ befohlenen sind ein wichtiges, ein wütendes Stück.» (Süddeutsche Zeitung) Elfriede Jelinek ■■ Die Schutz­befohlenen Besetzung variabel U: 23.05.2014 Thalia Theater Hamburg in Ko­ pro­duk­tion mit Theater der Welt / Nationaltheater Mannheim (Regie: Nicolas Stemann) Weitere Inszenierungen bisher: Theater Bremen (Regie: Mirko Borscht), Theater Freiburg (Regie: Michael Simon), Theater Oberhausen (Regie: Peter Carp), Burgtheater Wien (Österreichische Erst­ aufführung, Regie: Michael Thalheimer) Abdruck in Theater heute 07 / 2014 Die Schutzbefohlenen, Thalia Theater Hamburg www.rowohlt-theater.de 1 Elfriede Jelinek ■■ Das schweigende Mädchen Besetzung variabel Entstanden auf Anregung der Münchner Kammer­ spiele ELFRIEDE JELINEK Das schweigende Mädchen W ir alle waren dabei, wir alle haben nichts gesehen – wie jener V-Mann der rechten Szene, der in Kassel ein Internetcafé verlässt, kurz U: 27.09.2014 nachdem dessen türkischstämmiger Besitzer kalt­ Münchner Kammer­ blütig erschossen wurde. Mit diesem besonders spiele (Regie: Johan blinden Zeugen beginnt Elfriede Jelinek ihr Stück Simons) über den NSU-Prozess, der sich rasch zu einem Tribunal biblischen Ausmaßes weitet. In seinem Zentrum: eine Leerstelle, die «Die Deutschen. Ihr Reich Hauptangeklagte, die als letzte Über­ wird kein Ende ­haben, das ist lebende eines Trio infernal zu den Ge­ bereits bewiesen, da dieses schehnissen beharrlich schweigt. Von Reich ja noch besteht und das den anderen wird die junge Frau schon Ende sicher auch, nur weiß ich bald als Jungfrau wahrgenommen, die nicht, wo und wann und wie gleich zwei «Erlöser» in die Welt setz­ ich die beiden zusammente, um ihre Heimat vom Fremden zu führen könnte, die Deutschen befreien. Wütend, rat- und fassungslos und das Ende, ich meine, sie treten Engel und Propheten, Richter hatten schon so viele Enden!» und sogar Gott persönlich auf, um eine Geschichte zu befragen, die nicht erst begann, als drei Neonazis in den Untergrund abtauchten und Sibylle Berg danach zehn Menschen töteten. Ihre Wurzeln rei­ ■■ Viel gut essen chen weit in die Vergangenheit zurück und werden wohl auch in Zukunft weiter wuchern. Besetzung variabel, mind. 1H Auftragswerk für das Schauspiel Köln U: 18.10.2014 Schauspiel Köln (Regie: Rafael Sanchez) Das schweigende Mädchen verwandelt den laufen­ den NSU-Prozess zur Antithese religiöser Heils­ erzäh­lun­gen und zum Jüngsten Gericht unserer Zeit. Nicht nur die Täter stehen vor ihm, sondern ebenso Verfassungsschützer, die ihre Augen fest verschlossen, Medien, die von «Dönermorden» sprachen, und in letzter Instanz Deutschland, das stillschweigend nicht wahrhaben wollte, dass die Mörder aus seiner Mitte kamen. Die Buchausgabe von Das schweigende Mädchen er­ scheint im Juni 2015, zusammen mit Jelineks Ulrike Maria Stuart, als Rowohlt Paperback. ■ Im September 2014 war am Deutschen Schau­ spielhaus Hamburg die ursprünglich bereits für Januar geplante Uraufführung von Strahlende Verfolger. (Regie: Karin Beier). ■ Rein Gold, uraufgeführt im März 2014 an der Staatsoper Unter den Linden, Berlin (Regie: Nico­ las Stemann), hatte im September 2014 am Hessi­ schen Staatstheater Wiesbaden erstmals als reiner Sprechtext Premiere. Außerdem werden in der aktuellen Saison zahlreiche weitere Jelinek-Stücke nachgespielt, u. a. Winterreise am Thalia Theater Hamburg (Regie: Anne Lenk) und am Landesthea­ ter Linz (Regie: Christian Wittmann), FaustIn and out am Theater Bremen (Regie: Felix Rothenhäus­ ler) und an der Landesbühne Niedersachsen Nord, Wilhelmshaven (Regie: Eva Lange), sowie Schatten am Badischen Staatstheater Karlsruhe (Regie: Jan Philipp Gloger). SIBYLLE BERG Viel gut essen »I guess there is no one to blame We’re leaving ground Will things ever be the same again?» Europe, «The Final Countdown» D ie Nerven liegen blank: Homo-Ehe, Migra­ tion, Bio-Gemüse, Euro-Krise, Feminismus – Reizthemen, die nicht nur die Stammtische und Internetforen zum Erbeben bringen. Hier die Mah­ nungen der politisch Korrekten, dort der Widerspruch der Reak­ tion: «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.» In dieser Gemen­ gelage eines ständigen «Empört euch!» monologisiert in Viel gut essen ein moderner Jedermann, während er aus feinsten Zutaten für Frau und Sohn ein mehrgän­ giges Menü kocht (noch so eine Zeiterscheinung). Weiß, hetero­ sexuell, gut bürgerlich, gesund und in den besten Jahren, hat er beruflich nicht ganz das Erwarte­ te erreicht, nicht ganz die erhoffte Familie gegründet, und nun wird auch noch sein Wohnviertel gen­ Und jetzt: die Welt! oder: Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen, Maxim Gorki Theater, trifiziert und demnächst wahr­ Berlin 2 www.rowohlt-theater.de «Beste deutschsprachige Dramatikerin 2014» Kritikerumfrage von Theater heute scheinlich unbezahlbar. Ein erschreckend norma­ ler «Verlierer» eben, dem qua Geburt jedoch das Gewinnen fest versprochen war. Sibylle Berg lässt ihn über den Zustand unserer Gesellschaft schimp­ fen, klagen, räsonieren, begleitet von einem Män­ nerchor, der «Volkes Stimme» spricht und dabei zunehmend ungemütlich wird. ■ Sibylle Bergs Und jetzt: die Welt! oder Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen wurde in der aktuellen Kritikerumfrage von Theater heute zum besten deutschsprachigen Stück des Jahres gewählt. Uraufgeführt am Maxim Gorki Theater, Berlin (Regie: Sebastian Nübling), hatte es letzte Saison außerdem am Landestheater Tübingen Pre­ miere (Regie: Sonja Streifinger). Dem Theater hat «Sibylle Berg in Topform e­ inen irren Wuchttext zugespielt … Die Suada einer jungen Frau gegen die erodierenden weiblichen ‹role models›, gegen die politischen, erotischen, konsumökonomischen, digitalen, künstlerischen, was auch immer Glücksversprechen.» (Nachtkri­ tik) «Bergs Text zeichnet ein haarscharfes Bild von ­einer Generation zwischen den Stühlen … hin- und hergerissen zwischen gesellschaftlicher Selbstopti­ mierung und innerer Selbstsuche, orientierungslos und doch äußerlich abgeklärt.» (Stuttgarter Nach­ richten) «Berg rechnet ab mit einer Welt, in der Hollywoodfilme zum Liebesideal geworden sind, Freunde zu Sozialkontakten und Shoppen zur Bür­ gerpflicht – was für ein großartiger Bühnenstoff! … Kraftvoll, brutal und verzweifelt.» (Süddeutsche Zeitung) ■ Im Frühjahr 2015 erscheint im Hanser Verlag Sibylle Bergs neuer Roman Der Tag, als meine Frau einen Mann fand. ■ Außerdem hat Sibylle Berg mit Mein ziemlich seltsamer Freund Walter erstmals ein «Stück für junge Menschen» geschrieben – siehe hierzu S. 28. THERESIA WALSER Herrinnen «Leben heißt: auf der Bühne stehen. Nur ­kapieren die meisten Leute einfach nicht, dass Gott sie bloß als Statisten besetzt hat.» A uch Preise haben ihren Preis, das erfahren fünf Frauen, die vom Staat für ihre «weib­ liche Lebensleistung» nominiert sind. Doch nur eine kann gewinnen, und so beginnt kurz vor der Verleihung ein Wettstreit, wer die größten Opfer bringen musste. Ist es Rita, die sich ganz altmodisch von der Sekretärin zur Chefin eines global agie­ renden Betonpumpen-Herstellers hochgeschuftet hat? Ist es die Topmanagerin Tanja, für Rita eine typische «Harvard-Consulting-Tusse», die aller­ dings trotz vier Kindern («drei selbst gepresst, eins dazugekommen») ebenfalls eine Spitzenposition bekleidet? Ist es die strenge Richterin Martha, de­ ren Familienplanung vorerst buchstäblich auf Eis liegt und die am Karriereanfang allein war «mit vier Herrentoiletten, sonst nichts»? Müsste Katie ausge­ zeichnet werden, die sozial engagierte Kindergärt­ nerin? Oder die Mathematikerin Brenda, die sich als Transsexuelle erst zur Frau hat machen lassen? Schon das Wort «weiblich» stößt bei allen fünf auf Widerstand, weil es so nach «Geschlechtskrampf» klingt. Dennoch fallen bald Vokabeln wie «Kampf­ stuten» und «penislose Jammerziegen» – bis klar wird, dass man hier eigentlich fünf Schauspie­ ler/innen beim Proben eines Stücks zuschaut und Theresia Walser ■■ Herrinnen 4D – 1H Auftragswerk für das Nationaltheater Mannheim U: 29.10.2014 National­theater Mannheim (Regie: Burkhard C. Kosminski) www.rowohlt-theater.de 3 «Die Leute interessieren sich nicht für Politik … Die Leute wollen in Ruhe gelassen werden. Das können Sie mir glauben.» Juli Zeh / Charlotte Roos ■■ Mutti 2D – 3H Auftragswerk für das Deutsche National­ theater Weimar U: 22.05.2014 Deutsches National­ theater Weimar in Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen (Regie: Hasko Weber) der Begriff «Frauenrollen» eine weitere Dimension bekommt. Theresia Walser begibt sich mit Herrinnen auf das verminte Schlachtfeld aktueller Gender-Debatten und reflektiert so bitterböse wie liebevoll-ironisch, was Mensch und was Mechanismus, was Zuschrei­ bung und was wahrhaft Eigenes ist. ■ Gemeinsam mit Karl-Heinz Ott hat Theresia Walser zuletzt das Freilichtstück Konstanz am Meer – Ein Himmelstheater geschrieben, ent­ standen als Auftragswerk für das Theater Kons­ tanz und dort im Juni 2014 uraufgeführt (Regie: Johannes von Matuschka): Das Konstanzer Konzil wird hier «auf Wirtshausstubenformat zurechtge­ stutzt … Ein raffinierter dramaturgischer Kniff und ein klares Statement gegen eine Geschichtsschrei­ bung, die sich allein auf die Macht fokussiert … Bei Walser / Ott ist das Konzil ein köstlicher Hahnen­ kampf der Narzissten und Neurotiker, die um die ersten Plätze rangeln, schachern und intrigieren.» (Süddeutsche Zeitung) «Statt des Erlösers kommen nur Teufe­leien, die alles geistreich in Zweifel ziehen, was Gott, der Welt und Konstanzer Bürgern hei­ lig ist: katholische Eucharistie und European Song Contest, EU-Gipfeldiplomatie und Fußball-WM.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «Das Stück ist schnell und maliziös und auch der existenziellen Absurdität Becketts nicht fern, es ist eine höchst moderne Form des Historienspiels und hätte das Zeug zu einem Konstanzer Jedermann.» (Die Zeit) ■ Theresia Walsers Ich bin wie ihr, ich liebe ­Äpfel hat in der Saison 2014 / 15 Premiere am Keller­ theater Innsbruck (Regie: Manfred Schild), Oslo Nye Centralteatret (Regie: Kim Bjarke), Renais­ sance-Theater Berlin (Regie: Tina Engel) sowie in einer Tourneeproduktion der Konzertdirektion Landgraf (Regie: Hans Hollmann). 4 www.rowohlt-theater.de JULI ZEH / CHARLOT TE ROOS Mutti D eutschland steht im WM-Finale, doch in der Großen Koalition ist Krise. Also hat Vizekanz­ ler Sigmar seine Chefin Angela sowie Ursula und Horst zur Gruppentherapie beordert. Unter An­ leitung eines professionellen Beraters soll «Mutti» in einer Familienaufstellung endlich lernen, dass sie nicht sämtliche Entscheidungen im Alleingang treffen kann. Während die Nationalelf in Brasilien um den Titel kämpft (von allen angespannt auf ih­ ren Smartphones verfolgt), kommt es daheim zum verbalen Schlagabtausch, zu dem Meinungsum­ fragen live die wechselnden Beliebtheitswerte der Anwesenden liefern. Besonders Angelas EuropaPolitik steht unter Beschuss – leidenschaftlicher soll sie werden. Längst aber ist die Kanzlerin ihren Gegnern ein paar Schritte voraus und verfolgt eine ganz eigene Konter-Strategie. «Juli Zeh hat für ihre politische Wut ein weite­ res Ventil gewählt: die Komödie. Zusammen mit Charlotte Roos macht sie sich aus dem politischen Stillstand einen literarischen Spaß … Merkels perfi­ den Aktionsminimalismus führt das Stück mit un­ terschwelliger Schärfe zum Showdown, politische Leichen inklusive.» (Süddeutsche Zeitung) «Mutti ist keine Kanzlerinnenvernichtung, auch keine kabarettistische Politikerbeleidigung … Zeh und Roos analysieren das System Mutti, das Kon­ zept eines ideologiefreien Pragmatismus … Es geht ihnen nicht darum, menschliche Charaktere auf die Bühne zu bringen, sondern Archetypen zu zeigen.» (Die Welt) «Juli Zeh und Charlotte Roos haben mit Mutti einen Pfeil ins Herz der Finsternis geschossen … Die Konstruktion der Fabel und der Figuren sind makellos miteinander verzahnt, der Dialog stützt Mutti, Deutsches Nationaltheater Weimar sich immer wieder auf Wendungen der gegenwärtig geläufigen Politikersprache – die, so ins Feld ge­ rückt, durchsichtig wird als Phrase … Mutti mar­ kiert einen Höhepunkt des politischen Theaters unserer Tage.» (The Huffington Post) ■ Juli Zehs und Charlotte Roos’ Stück Yellow Line, das im September 2013 deutschsprachige Erstauf­ führung am Deutschen Theater Berlin hatte (Regie: Brit Bartkowiak), wurde bzw. wird in der aktuel­ len Saison nachgespielt am Konzert Theater Bern (Schweizer Erstaufführung, Regie: Jan Stephan Schmieding), Schauspielhaus Salzburg (Österrei­ chische Erstaufführung, Regie: Marion Rothaar), Theater Drachengasse, Wien (Regie: Andrea H ­ ügli) und am Pfalztheater Kaiserslautern (Regie: Jan Steinbach). ULRIKE SYHA Report «Ulrike Syha spielt so lange mit Realitäten, bis alles Fiktion sein könnte.» Süddeutsche Zeitung V or der Wohnung lauert die Stadt, eine wu­ chernde Mega-Metropole, in der die unter­ schiedlichsten Zeiten und Nationalitäten, Lebens­ stile und Glaubensrichtungen aufeinanderprallen. Nicht ohne Grund geht der Archäologe Ben Martin kaum mehr aus dem Haus – der Lärm, die Gerü­ che und vor allem die Menschen überfordern ihn. Lieber schreibt er seit Jahren an einem Buch und gräbt in der Vergangenheit. Doch dann reißt ein nächtlicher Anruf ihn aus seiner freiwilligen Iso­ lation: Eine wichtige alte Karte ist verschwunden, und Ben wird gezwungen, sie zu suchen. Auf sei­ ner Irrfahrt durch den Moloch, begleitet von einem mysteriösen Taxifahrer, stößt er auf eine Frauen­ leiche, du­bio­se Antiquitätenhändler, begegnet sei­ ner Ex-Frau, die in seinen Augen für die falschen Leute arbeitet, trifft Poli­ zeibeamte und Gewerk­ schafts­funk­tio­näre, die ein immer dichteres Netzwerk spinnen, in dem Ben sich mehr und mehr verfängt. Ulrike Syha hat mit Report einen handlungsgetriebenen Krimi für das Thea­ ter geschrieben, lakonisch wie Dashiell Hammett, hard-boiled wie James E ­ llroy, doppelbödig wie ­David Peace. In Realzeit schickt sie ihren Helden auf eine apokalyptische Reise, die immer wieder auch voll böser Komik ist, und lässt ihn an einem ungeahnten Ziel ankommen. ■ Zuletzt wurde von Ulrike Syha Mao und ich am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt (Regie: Ali M. Abdullah): «Ein paar deutsche Geschäfts­ leute sind in einem 5-Sterne-Retortenhotel in irgendeiner zentralchinesischen Millionenstadt gestrandet … alle übermüdet … alle extrem verun­ sichert, enttäuscht von den anderen, von sich selbst. Und vom Leben. Bleischwer und bedeutsam könn­ te das werden. Aber Syha tänzelt in ihrem schon beim Lesen höchst vergnüglichen Stück souverän an der Klippe zu Klamotte und Melodram entlang: leichtfüßig, locker … (mit) sehr, sehr witzigen Dia­logen.» (Deutschlandfunk) «Zwischen den drei Biographien (der Hauptpersonen) liegen hier viele kleine Geschichten und Stationen, die ein ausführ­ liches Bild von unserer heutigen Welt zeichnen … Mit klarem Blick beleuchtet Syha ihre Figuren und demontiert deren selbst gebaute Käfige.» (Mann­ heimer ­Morgen) Ulrike Syha ■■ Report Besetzung variabel, ca. 3D – 2H Auftragswerk für das Schauspiel Leipzig U: 28.02.2015 Schauspiel Leipzig (Regie: Michael Talke) ■ 2014 wurde Ulrike Syha der Robert Gernhardt Preis verliehen. ■ Für den Rowohlt Theater Verlag übersetzt sie u. a. die Stücke von Martin Crimp (siehe S. 22) so­ wie Patrick Barlows Stück Eine Weihnachtsgeschich­ te (siehe S. 27). www.rowohlt-theater.de 5 Katharina Schmitt ■■ Der einbeinige Läufer Besetzung variabel, mind. 3 Darsteller/innen Mely Kiyak ■■ Aufstand 1H Auftragswerk für das Badische Staatstheater Karlsruhe in Ko­pro­duk­ tion mit dem Maxim Gorki Theater, Berlin U: 27.06.2014 Badisches Staats­ theater Karlsruhe (Regie: András Dömötör) K ATHARINA SCHMIT T Der einbeinige Läufer S Mely Kiyak hat am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert und zahlreiche Bücher veröf­ fentlicht. Sie schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die tageszeitung, die Frank­ furter Rundschau und arbeitet seit Kurzem auch als Kolumnistin für ZEIT ONLINE («­Kiyaks Deutschstun­ de»); außerdem ist sie Theaterkolumnistin des Maxim Gorki Thea­ters. Aufstand ist ihr Debüt als Dramati­ kerin. Mely Kiyak lebt in Berlin. tellte Katharina Schmitts Stück SAM das Verhältnis Spieler – Zuschauer auf die Probe, handelt ihr neues Stück Der einbeinige Läufer von der Beziehung zwischen Zuschauer und Sportler, der im Rahmen des mo­ dernen Spektakels zur perfekten Projektionsfläche wird. Schmitt setzt sich so erneut mit dem Phäno­ men der Übertragung auseinander, indem sie sich ihm aus einer anderen Perspektive nähert. Ein fettsüchtiger Zuschauer harrt vor dem Beginn eines Autorennens unbeweglich auf der Tribüne aus und beginnt ein Gespräch mit dem Fahrer, der aber seinen Fan kaum beachtet, nur um sich selbst kreist und sich chimärenhaft in nichts auflöst. Das Auto selbst meldet sich zu Wort, um die Regeln des Wettstreits zu verkünden. Der Rennfahrer geht in Flammen auf, der Unfall wird sowohl vom Sportler selbst als auch von Journalisten gnadenlos doku­ mentiert, und der Zuschauer drückt immer wie­ der die Replay-Taste. Die zwanghafte Faszination der Figuren spiegelt sich auch in ihrem akribischen Duktus wider, der einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Jede Bewegung, jede Veränderung des Gegenübers und je­ der eigene Zustand werden minutiös registriert, was möglicherweise mehr über die Sprecher selbst aussagt als über die Realität, die sie zu beschrei­ ben versuchen. ■ Katharina Schmitt hat außerdem Chris Thorpes Möglicherweise gab es einen Zwischenfall ins Deutsche über­ tragen (siehe S. 25). 6 www.rowohlt-theater.de MELY KIYAK Aufstand «Stell dir vor, es ist Revolution, und die falschen Leute zetteln sie an.» A ls in Istanbul die Proteste gegen die türkische Regierung immer lauter werden, hofft der Leh­ rer Bênav («Ohne Namen») noch auf eine grund­ legende gesellschaftliche Veränderung, die ihn auch aus seiner eigenen Gespaltenheit befreit. Wäh­ rend er vormittags Staatsangestellter und somit Teil des Establishments ist, arbeitet er nachmittags als freier, subversiver Künstler; zugleich wurde er als Kurde zeit seines Lebens ausgegrenzt. Mitten un­ ter den Demonstranten merkt Bênav jedoch, dass hier – trotz vieler gemeinsamer Ziele – sehr un­ terschiedliche Interessen aufeinanderprallen: eine Erfahrung, die ihm nur allzu vertraut ist und die eine lange Vorgeschichte hat … Mely Kiyak zeigt in Aufstand, wie Bequemlichkeit auf Freiheitsdrang trifft und welche Widersprü­ che daraus entstehen. «Ein furioses Solo über den Riss eines Volkes … Es passiert nicht viel – muss es auch nicht. Diese 75 Minuten Theater sind das fragile Spiel eines Mannes, der zwischen dem ko­ mödiantischen Charme des naiven Onkel Namo von nebenan und dem tödlichen Ernst kurdischer Vertreibungen oszilliert und sein Publikum damit wie im Schraubstock einklemmt.» (Badische Neu­ este Nachrichten) BRIGIT TE UND NIKL AUS HELBLING Brigitte und Niklaus Helbling ■■ Geld und Gott Geld und Gott Superhelden-Komödie nach Dante Superhelden-Komödie nach Dante 2D – 3H Uraufführung: 19.08.2010 Mass & Fieber beim Zürcher Theater Spektakel in ­einer Koproduktion mit dem Ringlokschuppen Mülheim (Regie: Niklaus Helbling) «Mass & Fieber ist Synonym für intelligentes Poptheater.» Neue Zürcher Zeitung D ante Alighieri, Bob Dylan, When Harry Met Sally und Raymond Chandler sind nur ein paar der Referenzpunkte von Brigitte und Ni­ klaus Helblings temporeichem Text, in dem sich ein Stuntman im Superheldenkostüm vom Dach eines Hotels in der Stadt Gotham stürzt und eine Ereigniskette auslöst, die auf der Yacht «Purgato­ ria» kulminiert. Hier feiert der Magnat Otto Gott, der über Gotham herrscht, mit den Mega-Reichen eine mondäne Party, von der ihn der Anwalt Maxi­ milian, die Polizistin Josefine, der Koch Juan und die Schauspielerin Betty entführen, um endlich das Geheimnis eines Koffers voller Geld zu knacken, dem alle Welt hinterherzujagen scheint … Inspiriert von Screwball Comedys, Films noirs und Superheldencomics, jongliert Geld und Gott mit den Mythen unserer durchökonomisierten Zeit und verhandelt das Diktat von Finanzmärkten, Wachstum und Wahrscheinlichkeit – sowie unse­ re unzerstörbare, vielfach maskierte Hoffnung auf Erlösung. Die Autorin Brigitte Helbling und der Regisseur Ni­ klaus Helbling gehören zu den Gründungsmitglie­ dern des Schweizer Performance-Kollektivs Mass & Fieber: «Diese Crew arbeitet an einer Form von Theater, die nicht vereinfacht, sondern der Ambi­ valenz und Widersprüchlichkeit der Welt mit üp­ pigen Assoziationsangeboten, Vielfalt von Figuren und Offenheit der Form begegnet.» (Thea­ter der Zeit) Mit Geld und Gott wird erstmals ein Mass & Fieber-Stück nachgespielt; Premiere ist im April 2015 am Staatstheater Darmstadt (Regie: Steffen Klewar). ■ Zurzeit sind Mass & Fieber OST (ein Ableger des Kollektivs, koproduziert vom Theaterhaus Jena) mit ihrem «Varieté in 17 Szenen» Der schwarze Komet auf Tournee. Weitere Mass & Fieber-Texte, die vom Rowohlt Theater Verlag vertreten werden, sind u. a. Präriepriester, Krazy Kat, Autodrom und Fall Out Girl. THOM AS FREYER mein deutsches deutsches Land «Es gibt keine neue Mordserie … Das ist w ­ ichtig. Es gibt sie nicht. Die Maßnahmen, die wir ­damals beschlossen haben, greifen. Wir haben unsere Arbeit gemacht. Und wir haben sie gut gemacht.» 2 008: Drei Jugendliche spalten sich von der organisierten rechtsradikalen Szene ab und beginnen als Zelle im Untergrund, ihre Ziele mit eigenen Aktionen durchzusetzen. 2014: Binnen kurzer Zeit werden zwei auslän­ dische Studenten umgebracht. Trotz deutlicher Paralle­len raten Verfassungsschutz und BKA den Polizeibeamten, keinen Zusammenhang zwischen den Toten und erst recht keinen fremdenfeindli­ chen Hintergrund anzunehmen. 2020: In einer internen Untersuchung auf Regie­ rungsebene soll geklärt werden, ob man es tatsäch­ lich mit einer Mordserie zu tun hat, die mittlerweile 14 Opfer zählt, und welche Pannen es eventuell bei den Ermittlungen gab – obwohl doch nach ähnli­ chen früheren Erfahrungen weitreichende Refor­ men der Sicherheitsorgane eingeleitet wurden. Thomas Freyer ■■ mein deutsches deutsches Land Besetzung variabel, ca. 2D – 4H Auftragswerk für das Staatsschauspiel Dresden U: 04.12.2014 Staatsschauspiel Dresden (Regie: Tilmann Köhler) Waren die Terroristen des NSU wirklich Einzeltä­ ter? Sind unsere Warnsysteme endgültig aktiviert, sodass Ähnliches nie mehr geschieht? Thomas Freyer entwirft in mein deutsches deutsches Land das Bild einer Zukunft, die wenig aus der Vergan­ genheit gelernt hat. Geschult an TV-Serien wie The Wire oder Im Angesicht des Verbrechens, kommt er www.rowohlt-theater.de 7 Wir sind keine Barbaren!, Konzert Theater Bern Philipp Löhle ■■ Jede Stadt braucht ihren Helden 2D – 2H Auftragswerk für das Deutsche Theater Berlin U: 08.05.2015 Deutsches Theater Berlin (Regie: Daniela Löffner) einer komplexen Problematik mit einer komplexen und überaus packenden Erzählweise bei: In kurzen, schlaglichtartigen Szenen, die zeitlich hin- und her­ springen, begibt er sich ins Labyrinth der Zustän­ dig- und Verantwortlichkeiten und zeigt in einem großen Panorama, wie Geschichte sich jederzeit wiederholen kann. ■ Zuletzt wurde am Staatsschauspiel Dresden ­Freyers Das halbe Meer uraufgeführt (Regie: Til­ mann Köhler): «Kaum weniger wird hier verhan­ delt als das Scheitern des Kommunismus … Freyer erzählt von diesem Selbstmord des Ideals mit einer Behäbigkeit, die nicht zur Nervosität des medienge­ schulten Rezipienten passt. Aber genau das verleiht dem Stück seinen besonderen Ton, seine Eigenart des trotzigen Denkens.» (Süddeutsche Zeitung) «Als einer der wenigen starken Gegenwartsautoren maßt sich Thomas Freyer nach wie vor die Ausein­ andersetzung mit Utopien an. Gesunde Naivität wie schmerzhafte Tiefenbohrungen unter das Make-up der Wirklichkeit scheinen gleichermaßen dazu bei­ zutragen.» (Theater der Zeit) ■ Aktuell arbeitet Thomas Freyer für das Staats­ thea­ter Braunschweig an dem Jugendprojekt This is for everyone, das im April 2015 Uraufführung haben wird (Regie: Ulrike Hatzer). ■ Außerdem hat er, nach Der gestiefelte Kater, eine Neufassung des Grimm’schen Froschkönig geschrieben – siehe hierzu S. 33. PHILIPP LÖHLE Jede Stadt braucht ihren Helden «Ich weiß zwar nicht, wer hier gegen wen kämpft, aber Krieg kommt von kriegen, und irgendjemand kriegt seiner Meinung nach zu wenig.» W enn die Welt draußen immer unsicherer und brutaler wird, darf man sich dann einfach zu Hause einschließen? Muss man nicht der Unge­ rechtigkeit den Kampf ansagen? In Philipp Löhles neuem Stück verlieren vier Figuren zunehmend ihre Selbstbestimmtheit im Umgang mit einer Ge­ sellschaft, die mehr und mehr von einem gnadenlos geführten Verteilungskampf geprägt ist. Jörg ver­ kauft Alarmanlagen und Türschlösser, doch viel einträglicher sind die krummen Geschäfte mit die­ sen Sicherungssystemen. Er und sein Angestellter Daniel müssen jedoch am eigenen Leib erfahren, dass die Kollaboration mit Kriminellen lebensge­ fährlich ist. Nachdem Alma Zeugin eines brutalen Überfalls auf ihren Chef Jörg wurde, beginnt sie, sich in ihrer Wohnung zu verbarrikadieren. Daniels Nachbarin Ella hingegen bestellt eine Alarmanla­ ge für ihre Kunstgalerie, hat damit aber ganz be­ sondere Pläne. Und immer wieder verbreiten sich Nachrichten von kaltblütigen Verbrechen – und plötzlich auch von einem Superhelden, der sich al­ ler Gewalt in den Weg zu stellen scheint. ■ Im Februar 2014 wurde Löhles Wir sind ­keine Barbaren! am Konzert Theater Bern uraufge­ 8 www.rowohlt-theater.de führt (Regie: Volker Hesse). «Es ist schlau, es ist schnell, es ist komisch und schmerzlich zugleich, weil man ja widerwillig immer auch über den Barbaren in sich selber lacht.» (Nacht­ kritik) «­Löhles ‹Heimatchor› würde in jede Wohlstandsgesellschaft passen. So exakt trifft er das Überlegenheits­ denken der Festung Europa im Kern.» (Theater heute) Nachgespielt wurde bzw. wird das Stück am National­theater Mannheim (Deutsche Erstaufführung, Regie: Dominic Friedel), Staatsschau­ spiel Dresden (Regie: Barbara Bürk), Schauspielhaus Graz (Österreichische Erstauffüh­ rung, Regie: Christine Eder), neuen theater, Halle (Regie: Ronny Jakubaschk), Theater Phönix, Linz (Regie: Johannes Maile), Thea­ter der Keller, Köln, und an der Komödie Winterhuder Fährhaus, Ham­ burg (Regie: N. N.). ■ Philipp Löhles Stück Das Ding hatte im Okto­ ber 2014 seine englische Erstaufführung am New Dio­rama Theatre, London (Regie: Tanja Pagnuco), und wird außerdem nachgespielt am Staatstheater Braunschweig (Regie: Mina Salehpour), am Deut­ schen Nationaltheater Weimar (Regie: Steffi Heiner und Otto A. Thoß), an der Landesbühne Wilhelms­ haven (Regie: Carola Unser), am Theater Caram­ bolage, Bozen (Regie: Eva Niedermeiser) sowie am Rheinischen Landestheater Neuss (Regie: N.N.). ■ Für sein Stück Du (Normen) war Philipp Löhle für den Mülheimer Dramatikerpreis 2014 nomi­ niert. ■ Im November 2014 ist am Theater Baden-Ba­ den die Uraufführung seiner Neubearbeitung von Peter­chens Mondfahrt – siehe S. 34. JOHN VON DÜFFEL Das permanente Wanken und Schwanken von eigentlich allem «Du musst nur anfangen zu glauben, zu schwimmen und zu glauben.» J ohn von Düffel hat drei Erzählungen aus sei­ nem Buch Wassererzählungen (DuMont Verlag) zu einer Bühnenfassung verdichtet. Vier Figuren stellen sich darin Veränderungen, die sie als ein­ schneidend empfinden mögen, aber die vor dem Hintergrund des Wassers (im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Lebenswege kreuzen sich vor einem großen Aquarium) ein fast beruhigendes Gefühl beständigen Wandels entfalten. Ein Vater muss während einer Kreuzfahrt lernen, dass seine Tochter ihm entwächst. Als rein dekoratives Acces­ soire zieht eine Frau täglich ihre Bahnen im Pool eines Stararchitekten. Als sie diese Aufgabe abtre­ ten möchte, ist sie entsetzt von den Skrupeln ihrer möglichen Nachfolgerin. Eine Mutter trifft sich in einem Zoo mit ihrem Liebhaber und muss mit ihm Familien­planung betreiben, während ihr Ehemann und ihre beiden Kinder längst keinen Halt mehr in ihrem Leben darstellen. «John von Düffel gelingt es, das Wasser zum eigent­ lichen Protagonisten zu machen – in seiner gan­ zen ambivalenten Bedeutung für den Menschen.» (WDR3) «Sprachlich brillant … kurzweilig, tief­ sinnig und schön zu lesen.» (Hamburger Morgen­ post) «In seinen technischen Möglichkeiten ist von Düffel variantenreich, ohne brillieren zu wollen.» (Süddeutsche Zeitung) Die Wandlung der Susanne Dasseldorf John von Düffel ■■ Das ­permanente Wanken und Schwanken von ­eigentlich allem 3D – 1H U: 14.11.2014 Hans Otto Theater, Potsdam (Regie: Tobias Wellemeyer) John von Düffel ■■ Die Wandlung der Susanne Dasseldorf nach dem gleich­ namigen Roman von Joseph Breitbach 3D – 5H Auftragswerk für das Theater Koblenz U: 20.09.2014 Theater Koblenz (Regie: Markus Dietze) «Haltung! Das sind wir dem Namen Dasseldorf schuldig: Haltung, komme, was wolle!» D ie Familie Dasseldorf kann man sich als mittelrheinische Buddenbrooks mit einem Kästner’schen Fabian in ihren Reihen vorstellen: Während der amerikanischen Besatzung Koblenz’ nach dem Ersten Weltkrieg muss sich die Fabrikan­ tendynastie mit den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen arrangieren. Am besten gelingt das der resoluten und streitbaren Tochter Susanne. Sie steht zwischen zwei Männern, dem kultivierten amerikanischen Major Cather und dem athleti­ schen, ehrgeizigen Emporkömmling Peter Hecker, die beide auf ihre Weise das Gegenteil von Susannes traditionell bürgerlichem Selbstverständnis reprä­ www.rowohlt-theater.de 9 Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ Siegfried 7D – 11H (Doppel­ besetzungen möglich) Auftragswerk für das Münchner Volkstheater U: 19.03.2015 Münchner Volkstheater (Regie: Christian Stückl) sentieren. Zu ihrem Verbündeten und Vertrauten wird der schwule Privatsekretär ihres Bruders, der zunächst noch Rivale im Buhlen um den jungen Hecker war. Nach seinem Erscheinen 1932 war der Debütroman des damals 29-jährigen Breitbach vor allem wegen seiner expliziten Darstellung von Homosexualität und Prostitution ein Skandal. Im Dritten Reich wurde der Roman verboten und verbrannt, Breit­ bach ging ins Exil nach Frankreich. John von Düffel verhilft dieser «Demaskierung einer Bürgerlichen» (Deutschlandfunk) zu einem späten Comeback, in­ dem er nichts von den auch heute noch brisanten Aspekten glättet oder ausspart. «Breitbach insze­ niert sein Zeit-, sein Jahrespanorama 1918 / 19 der politischen und privaten ‹Verkettungen› glänzend und schildert all die Manöver des Menschlichen mit einfühlsam unwiderstehlicher Lust.» (Deutsch­ landfunk) ■ Außerdem wurde im Juni 2014 am Hessischen Staatstheater Wiesbaden John von Düffels Farce Weltkrieg für alle uraufgeführt (Regie: Tobias Materna), die in dieser Saison am Landestheater Detmold nachgespielt wird (Regie: Swentja Krum­ scheidt): «Es wird viel geblödelt und gekalauert, dies aber auf anregendem Niveau. Dass sich hinter alledem eine ernste Botschaft verbirgt, wird spätes­ tens deutlich, nachdem man am Ende nur knapp dem dritten Weltkrieg entgeht.» (Die Deutsche Bühne) «Ein gutes Stück für eine Zeit, in der man sich angesichts des Ukraine-Konflikts an den Kal­ ten Krieg erinnert fühlt.» (Frankfurter Rundschau) ■ Ebenfalls neu von John von Düffel sind seine Bearbeitungen von Antigone und Die Bakchen (Pussy Riot) – siehe hierzu Seite 35. FERIDUN ZAIMOGLU / GÜNTER SENKEL Siegfried V Die Wandlung der Susanne Dasseldorf, Theater Koblenz ■ Im Februar 2014 war am Hans Otto Theater, Potsdam, die Uraufführung von John von Düffels Kirschgarten – Die Rückkehr (Regie: Tobias Wel­ lemeyer): «Wie Tschechow interessiert John von Düffel der Mensch in seinen Verhältnissen, ob er agiert oder doch nur reagiert … Kirschgarten – Die Rückkehr ist ein Lied über das hörbare Platzen von Träumen, über Wiederkehr und Abschied, über Vergeblichkeit und den Fluch Familie.» (Potsdamer Neueste Nachrichten) 10 www.rowohlt-theater.de on Ritterehre, höfischem Benehmen und ed­ ler Minne ist wenig zu finden in Feridun Zai­ moglus und Günter Senkels Neubearbeitung der Siegfried-Sage. Dabei hält sich das Autorenteam durchaus an die historische Vorlage, die ja auch nicht gerade zimperlich mit Verrat, Vergewaltigung und Mord umgeht. Doch so schonungslos wie hier wurden die Protagonisten des größten deutschen Heldenepos wohl noch nie ihrer Vorbildfunktion entkleidet. Getrieben von Machtgier und Geltungs­ sucht, morden, vögeln und fressen sie sich ihrem eigenen Untergang entgegen. Die Lichtgestalt Sieg­ fried ist ein tumber – aber sehr viriler – Muskel­ protz, sein Gegenstück Brunhild eine blutrünstige Barbarin. Am Hof von Worms können die Burgun­ der zwar nicht mit so viel roher Kraft aufwarten, dafür wird hier mit Leidenschaft gelauscht, ge­ klatscht und intrigiert – wehe dem, der sich dem anderen anvertraut. Von jeder Patina befreit, zeigt Zaimoglu / Senkels Neufassung des Mythos eine von Rücksichtslosigkeit und Brutalität gezeichnete Gesellschaft, in der Bauern bestenfalls als Drachen­ futter taugen, jeder König sein will, aber sich ums Regieren keiner schert, und in der Loyalität nur so lange zählt, wie sie zum eigenen Vorteil gereicht. Die zehn Gebote DAVID GIESELM ANN E Die Oppelts haben ihr Haus verkauft s ist Krieg. Auf beiden Seiten der Schützengrä­ ben werden Gottesdienste abgehalten, Gebete gesprochen und Hymnen gesungen, um sich der göttlichen Unterstützung für die eigene – natür­ lich gerechte – Sache zu vergewissern. Gleichzeitig kämpft jeder mit allen Mitteln ums Überleben und den eigenen Vorteil. Vor dem Hintergrund der Be­ lagerung Leningrads durch die Deutschen im Zwei­ ten Weltkrieg fragen Feridun Zaimoglu und Günter Senkel nach dem Stellenwert fundamentaler mora­ lischer und christlicher Grundsätze in Zeiten von Hunger und Gewalt. Was bedeuten Gebote wie «Du sollst nicht töten», «Du sollst nicht ehebrechen» oder «Du sollst deines Nächsten Hab und Gut nicht begehren» noch, wenn um einen her­um alles aus­ ein­ander­fällt? Wenn es nicht einmal mehr Ratten zu essen gibt und alte Frauen beim Pflaumenpflücken erschossen werden, damit nicht der Feind von dem Obst profitiert? Wechselnd zwischen der russischen und der deutschen Perspektive, zwischen Kämpfern und Daheimgebliebenen, entwerfen Zaimoglu und Senkel eine beeindruckende, düstere Szenenfolge, in der inmitten von Grausamkeit, Selbstsucht und Gleichgültigkeit nur hin und wieder ein Funken Fürsorge und Menschlichkeit zu entdecken ist. erschien Feridun Zaimoglus Roman Isabel (Kiepenheuer & Witsch), der von der Kritik als Meisterwerk gefeiert wurde und auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand. 2015 ist Zaimo­ glu Stadtschreiber in Mainz. ■ 2014 E ine Gruppe von Sinnsuchern wird von der «schrecklichen Finanzkrise» aus der Bahn ge­ worfen. Laura Ambrosia Gudmund ist ein Medi­ um, ihr Blick hat friedenstiftende Wirkung, und sie kann in ihren Sitzungen die spirituellen Defi­ zite der Menschen sehen. Nur ökonomische Zu­ sammenhänge sieht sie dummerweise nicht. Wie praktisch, dass ihr Sohn auf Basis ihrer Begabung ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt hat und sich gewissenhaft um die weltlichen Belange ihres «Unternehmens» kümmert. Auch Pia hat ihr Leben bisher gewinnorientiert gestaltet und ist deshalb von ihrem Ex-Mann Tom nahtlos auf seinen er­ folgreicheren Zwillingsbruder Ted umgeschwenkt. Doch plötzlich besinnt sich Pia auf ihr Seelenheil, wirft alle bisherigen Pläne über Bord und zieht mit Ted in das Nachbarhaus der Gudmunds. Schnell wird klar, dass die Figuren, die sich um Laura Am­ brosia scharen, bei ihrer Suche nach einem höhe­ ren Bewusstsein restlos verloren sind. Und als Frau Gudmund anfängt, sogar mit Kontinuumssprün­ gen zu hantieren, geht auch die letzte Hoffnung auf Sinnhaftigkeit flöten. Gieselmann jagt seine Figuren durch ein spiritu­ elles Verwirrspiel, das ihnen ganz recht geschieht. «Das Publikum lacht über … eine Hatz durch im­ mer mehr Dimensionstüren, durch verschieden ausgehende Zukünfte: Das vexierende Durchein­ ander des ersten Teils mündet in eine rasende Re­ vue.» (Nachtkritik) «Zur besonderen Komik gehö­ ren sprachlich ausgefeilte Dialoge, Wortwitz, Ironie und Satire.» (Neue Westfälische Zeitung) Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ Die zehn Gebote 5D – 8H (Doppel­ besetzungen möglich) Auftragswerk für das Theater Kiel U: 22.05.2015 Theater Kiel (Regie: Daniel Karasek) David Gieselmann ■■ Die Oppelts haben ihr Haus verkauft 2D – 2H Auftragswerk für das Theater Bielefeld U: 06.09.2014 Theater Bielefeld (Regie: Christian Schlüter) www.rowohlt-theater.de 11 ■ Am 19.12.2014 ist die Uraufführung von Da­ vid Gieselmanns Container Paris am Schauspiel ­Frankfurt (Regie: Christian Brey). «David Giesel­ manns intelligente Komödie über den explo­ sions­ artig ansteigenden Marktwert eines Nichts beschreibt den alltäglichen Wahnsinn mit außer­ gewöhnlichem Aberwitz. Warum provoziert ein neuer Trend, ein neuer Gedanke, ein neuer Held ein solches Interesse, auch wenn buchstäblich nichts dahintersteckt? … Was, wenn sich im Nachhin­ ein alles als ‹Blase› herausstellen sollte?» (Claudia Lowin im Jahrbuch 2014 von Theater heute) Thomas Arzt ■■ Johnny Breitwieser 3D – 4H Auftragswerk für das Schauspielhaus Wien U: 28.11.2014 Schauspielhaus Wien (Musik: Jherek Bischoff; Regie: Alexander Charim) «Dieser Ob-Raum wird von unseren Hoffnungen kreiert. Und wenn sich diese Hoffnungen verschiedener Menschen in ihm nicht sehr präzise überschneiden, verschwindet seine Räumlichkeit. Das ist wie in einem richtigen Raum. Einer will vielleicht Musik hören. Eine andere Person möchte für ihr Staatsexamen lernen. Und schon haben wir den Salat.» THOM AS ARZT Johnny Breitwieser «Johnny hasste Tränen / Und auch die Heuchelei. Er hasste auch die Freiheit, / Denn niemals war er frei.» D ie Dreigroschenoper trifft Cabaret trifft Liliom. Johnny Breitwieser liegt eine reale Biografie zugrunde: 1891 wird Johann Breitwieser in der Wiener Vorstadt in miserable Verhältnisse gebo­ ren. Früh wird der Kleinkriminelle zum «Meidlin­ ger Einbrecherkönig», der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Mehrmals entkommt er scheinbar mühelos aus polizeilichem Gewahrsam und ope­ riert erfolgreich aus dem Untergrund. 1919 wird er von der Polizei erschossen und vom Volk zum Märtyrer erkoren. Thomas Arzt übersetzt die rasante Verbrechervita in eine Ballade von der Rebellion gegen die Ver­­ elendung in politisch prekären Zeiten. Er stellt Johnny sechs Figuren zur Seite, die verschiedene Aspekte von ihm zum Vorschein bringen: den Ver­ führer, den Gangsterboss, den Volkshelden, den Familienmenschen. Dieser Verbrecher spürt sehr genau den bevorstehenden gesellschaft­ lichen Wandel und scheint gleichzeitig von der Ausweglosigkeit seiner eigenen Situation, von der Unfreiheit selbst nach dem Ausbruch aus dem Gefängnis überzeugt. Sein Handeln hat vor dem Hintergrund der Vergeblichkeit etwas Überhöhtes, Symbolisches, und sein Scheitern wird zur modernen Parabel vom Kampf gegen die Verhältnisse. Für das Stück mit elf Liedern hat der junge US-Pop-Komponist Jherek Bi­ schoff eine melancholisch-orchestrale Musik komponiert, mit Streichquartett und Percussion als Live-Elementen. Die Oppelts haben ihr Haus verkauft, Theater Bielefeld 12 www.rowohlt-theater.de dass zum Jahreswechsel der große Komet einschlagen und alles zerstören wird. ■■ Totes Gebirge 2D – 4H In Totes Gebirge scheint die Katastrophe, auch die per­ sönliche, der einzige Ausweg aus einem System, dessen ständige Optimierung wir mit Selbstausbeutung und Burn-out-Krisen bezahlen. Arzt stellt dem die urwüch­ sige Kraft des Volkstheaters, der Zauberposse, des Puppenspiels entgegen und schafft so auch formal eine explosive Mischung aus Untergangssehnsucht und Widerstandsgeist. Totes Gebirge «Natürlich ist hier nichts stabil. Aber das ist die Normalität. Unsere Aufgabe ist es, aufzupassen, dass es uns nicht auffrisst.» T Thomas Arzt otes Gebirge spielt in einer psychiatrischen Anstalt. Aber anders als bei vielen PsychiatrieStücken verkörpern die Patienten hier kein anar­ chisches Gegenmodell zur normierten Mehrheits­ gesellschaft, sondern sind genauso krank wie die Welt, vor der sie sich in die geschlossene Abteilung geflüchtet haben. Die melancholische Chefärztin hat längst eingesehen, dass ihre Therapie der Ein­ zelfälle vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Miss­ stände nur Flickwerk blei­ ben kann. Aktuell machen ihr drei Patienten Sorgen. Der Neuzugang Raimund scheint wie versteinert, Ne­ pomuk leidet nach Drogen­ missbrauch an einer Gehirn­ schädigung, und Emanuel, seit Jahren arbeitslos, hat sich längst aufgegeben. Der Pfleger Anton ist als Einziger optimistisch und bereitet für den Silvesterabend ein Pup­ penspiel vor, während Nepo­ muk fest davon überzeugt ist, ■ Im Oktober 2014 war die deutsche Erstauffüh­ rung von Thomas Arzts Grillenparz am Theater Ingolstadt (Regie: Alexander Nerlich), und im Fe­ bruar 2015 ist die Schweizer Erstaufführung von Alpenvorland am Theater St. Gallen (Regie: Eli­ sabeth Gabriel). ■ Außerdem schreibt Thomas Arzt ein Kurzstück für die Abschiedsproduktion von Michael Schot­ tenberg am Volkstheater Wien. In den Westen, Nationaltheater Mannheim www.rowohlt-theater.de 13 Helmut Kohl läuft durch Bonn, Theater Bonn Nolte Decar ■■ Das Tierreich Besetzung variabel U: 03.10.2014 Schauspiel Leipzig (Regie: Gordon Kämmerer) Weitere Inszenierungen bisher: Staatstheater Darmstadt (Regie: Laura Linnenbaum), Neue Bühne Senften­ berg (Regie: Friedrich Rößinger), Grips Theater, Berlin (Regie: Philipp Harpain) Abdruck in Theater der Zeit 10 / 2014 NOLTE DECAR Das Tierreich «Hast du gehört, der Klaus Nöhler hat wohl ­richtige Brusthaare.» «Mir doch egal.» «Nee, ich mein ja auch nur.» E s ist Sommer in einer deutschen Kleinstadt, und 21 Jugendliche – sowie ein nicht ganz neben­ sächliches Chinchilla – brechen in die Ferien auf wie in eine große Freiheit. Vor dem Hintergrund der unaufgeregten Urlaubsstimmung entfaltet sich ein Panorama des Erwachsenwerdens. In wechseln­ den Konstellationen und kurzen Szenen scheint fast alles Platz zu finden, was das Leben zu bieten hat: alltägliche Nebensächlichkeiten und philoso­ phische Grundsatzfragen, große Gefühle und ro­ mantische Verirrungen, Tagespolitik und deutsche Geschichte. Als das Schicksal zuschlägt – hier in Form eines Leopard-II-Panzers, der auf die Schule fällt (!), und eines folgenschweren Autounfalls – wird die Unbeschwertheit des Sommers auf die Probe gestellt. Durch den Wechsel zwischen gesprochenen Szenen­ anweisungen und pointierten Dialogen balancieren Nolte Decar mit Leichtigkeit zwischen emotionaler Tiefe und ironischer Distanz. Kein Problemstück für Jugendliche, sondern eine lakonische und da­ bei nicht weniger tiefgründige Lebensbetrachtung für jeden, der sich daran erinnert, wie sorglos die Sommerferien niemals waren. Das Tierreich war für den Preis des Heidelberger Stückemarkts nominiert und wurde mit dem Brü­ der-Grimm-Preis des Landes Berlin ausgezeichnet. «In flirrenden Szenen», so die Begründung der Jury, zaubere das Stück Ferienstimmung herbei, 14 www.rowohlt-theater.de die meisterlich verknüpft werde «mit den bitteren Diskursen des Nicht-Geliebt-Werdens, aber auch mit Themen wie Rüstungsexport und Arbeitslo­ sigkeit, ohne dabei die erzählerische Leichtigkeit zu verlieren». ■ Im Dezember 2013 wurde Helmut Kohl läuft durch Bonn von Nolte Decar am Theater Bonn ur­ aufgeführt (Regie: Markus Heinzelmann). «Genau genommen handelt es sich gar nicht so sehr um ein Stück über den Altkanzler. Das kann das Fernsehen allemal besser. Helmut Kohl läuft durch Bonn ist zu­ nächst und vor allem Literatur­satire. Und in dieser Hinsicht ist der Text schamlos albern und ziemlich gut.» (Süddeutsche Zeitung) «Ein leichter und ver­ spielter, dabei auch tiefgründiger und hellsichtiger Text, der Heiner Müller und Helge Schneider zu­ sammendenkt.» (Nachtkritik) Am 24.01.2015 ist die Uraufführung von Der Volkshai (Arbeitstitel) von Nolte Decar am Theater Bonn (Regie: M ­ atthias Rippert). ■ Außerdem war im Juni 2014 die Uraufführung von Michel Decars Stück Jenny Jannowitz bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Koproduktion mit dem Staatstheater Braunschweig (Regie: Catja Baumann). «Ein irrwitziges Stück, das die Realität der modernen Arbeitswelt weiter und weiter zu­ spitzt, bis nichts mehr bleibt als der Wahnsinn einer Beschleunigung um der Beschleunigung willen … Mit einer ungeheuren Leichtigkeit fängt Michel De­ car den Geschwindigkeitswahn der globalisierten Lebens- und Arbeitswelt ein.» (Nachtkritik) «Eine atemlose Farce über den Wahnsinn der Flexibilität, die beschreibt, was passiert, wenn wir unendlich mobil sind, uns die Optionen erschlagen. Decar erfasst in heiter-schnellen Sätzen und absurden Zeitsprüngen auch formal sehr gut die Tragik heuti­ ger Bewusstseinszerfaserung.» (Deutschlandfunk) «Ein kunstvoll komponiertes Textwerk.» (Deutsch­ landradio) JÖRG ALBRECHT My love was a ghost. And your love, your love was leaving this rotten town. «Wir werden diese Stadt auch dann noch vermarkten, wenn nichts von ihr übrig ist. Selbst wenn alles weg ist: Das Image bleibt!» G espenster gehen um. In Theodor Fontanes Effi Briest ist es ein einzelner untoter Chi­ nese, der Effi im Haus ihres Mannes heimsucht. Über hundert Jahre später sind ganze Regionen zu Geister­orten mutiert. Eine Gruppe von Stadtpla­ nern kämpft mit den Folgen der Post-Ökonomie, die in Ost wie West Industriebrachen hinterlassen hat, und will aus Ruinen wieder lebendige Räume schaffen. Zugleich sucht hier David Lynch Locations für eine Neuverfilmung von Fontanes Roman, sodass sich das Zer­ brechen einer Zweierbeziehung immer eng­maschiger mit dem Zerfall einer gan­ zen Welt verknüpft. Für die Reihe «Überschreibungen» am Schauspiel Leipzig hat Jörg Albrecht Fon­ tane «zum Motiv-Ursprung und roten Faden seines Textes (gemacht). Über ihn wandern Fragen von Vergessen und Blei­ ben ins Stück, zusammen mit dem Phäno­ men der schrumpfenden Städte, die mit verlassenen Liebschaften verglichen werden … Vielschichtig legen sich Diskursmaterial und Filmzitate über das Spiel … Die Jahrhunderte zermalmen einander derart, dass im 21. Jahrhundert nur post-urbane Leere bleiben kann … Ein dichter, konzentrierter Abend» (Theater heute). ■ Im August 2014 erschien im Wallstein Verlag Jörg Albrechts neuer Roman Anarchie in Ruhrstadt, den die Gruppen kainkollektiv, LIGNA, Invisible Playground sowie Jörg Albrecht selbst für copy & waste im September zum Ausgangspunkt nahmen für das große Theaterprojekt 54. Stadt, koproduziert vom Theater Oberhausen und dem Ringlokschup­ pen Mülheim. «Albrecht entwirft in seinem Ro­ man die Vision der 54. Stadt, die sich im Jahr 2015, nachdem sich die nordrhein-westfälische Landes­ regierung aus dem Ruhrgebiet zurückgezogen hat, als Zusammenschluss der 53 Städte gebildet hat. Ein Komitee der Kreativen um den Schriftsteller ­György Albertz entwirft den Plan der neuen Stadt, die zu der Metropole des 21. Jahrhunderts werden soll. 29 Jahre später bricht dann alles wieder aus­ein­ ander … (In Oberhausen und Mülheim werden daraus) sechseinhalb Stunden Theater, in denen die Grenzen zwischen Gegenwart und Zukunft, Wirk­ lichkeit und Spiel, Ordnung und Anarchie immer wieder neu gezogen werden.» (Nachtkritik) TUĞSAL MOĞUL Begegnung W alter Koslowski hat nichts gegen Auslän­ der. Sein Gemüse kauft der allein lebende Rentner meist bei Ahmet, und seinen tür­ kischstämmigen Nachbarn begegnet er stets höflich. Dennoch fühlt sich Walter etwas unwohl, als er nach einem Beinahe-Schlaganfall auf die junge Ärztin Fatima Al-Sharif trifft. Er versteht nicht ganz, wieso sie auf die Frage, woher sie komme, kurz angebunden ant­ wortet: «Aus Marburg», und noch weniger, dass sie auf sein Kompliment, sie spreche wirklich sehr gut Deutsch, ziemlich gereizt reagiert. Aus einer alltäg­ lichen Anamnese wird ein so witziges wie ernstes Streitgespräch über Herkunft und Zugehörigkeit, persönliche Empfindlichkeiten und vor allem dar­ über, wie wir mehr sein können als nur tolerant. Jörg Albrecht ■■ My love was a ghost. And your love, your love was leaving this rotten town. Besetzung variabel, mind. 1D – 2H Auftragswerk für das Schauspiel Leipzig U: 05.06.2014 Schauspiel Leipzig (Regie: Steffen Klewar) Tuğsal Moğul ■■ Begegnung 1D – 1H Auftragswerk für das Theater Pforzheim in Koproduktion mit dem Badischen Staats­ theater Karlsruhe U: 22.12.2013 Theater Pforzheim in Koproduktion mit dem Badischen Staats­ theater Karlsruhe (Regie: Tuğsal Moğul) Begegnung wurde im Rahmen des Projekts «Fremd­ raumpflege» in Pforzheim und Karlsruhe in Pri­ vatwohnungen aufgeführt, und nicht zufällig trägt Walter den Namen der Hauptfigur in Clint East­ woods Film Gran Torino: «Im winzigen ‹Theater­ raum› wird hier die vermeintlich weite Welt des Kinos beschworen … Vorurteile und Rassismus, Heldentum und Außenseiterdasein, Vereinsamung und das Sich-nicht-erklären-können. Tuğsal Moğul hat ein großartiges Theaterstück geschrieben … www.rowohlt-theater.de 15 zu können. Hinzu kommt eine fein dosierte Komik, die auf genauen Beobachtungen beruht und tiefe Kenntnisse der Materie verrät.» (Münstersche Zei­ tung) «Nachdenkliche, sehenswerte 70 Minuten.» (Westfälische Nach­richten) ■ Tuğsal Moğuls Stück Die deutsche Ayşe, am Theater Münster uraufgeführt, wurde beim NRWTheatertreffen 2014 mit dem Publikumspreis sowie mit dem Preis der Jugendjury ausgezeichnet und bisher am Theaterhaus Stuttgart nachgespielt (Re­ gie: Janet Stornowski). ■ Ebenfalls Die Angehörigen, Theater im Pumpenhaus, Münster Tuğsal Moğul ■■ Die Angehörigen nach einer Idee von Tuğsal Moğul Texte von Carmen Dalfogo, Bettina Lamprecht, Tuğsal Moğul, Dietmar Pröll und Stefan Otteni 2D – 2H Uraufführung: 12.06.2014 Theater Operation im Theater im Pumpenhaus, Münster (Regie: Tuğsal Moğul) Oliver Marschke ■■ Der Fauxpas 1D – 2H Die Dialoge offenbaren wie nebenbei zahlreiche gesellschaftliche Tatsachen. Und an keiner Stelle verfällt die Handlung in ein plattes Gut oder Böse von Integrationsstreben hier und Fremdenfeind­ lichkeit dort.» (Pforzheimer Zeitung) TUĞSAL MOĞUL Die Angehörigen «Immer wurde ich gefragt, wie es meinem Vater und meiner kranken Mutter geht. Keiner traute sich, mich zu fragen, wie es mir geht.» A ls Abschluss seiner Trilogie zu medizinischen Themen stellt Tuğsal Moğul – nach den Ärz­ ten in Halbstarke Halbgötter und den Patienten in Somnia – nun die Angehörigen von Kranken ins Zentrum, denn auch für sie ändert sich urplötz­ lich das Leben. Im besten Fall sitzen sie am Bett und sprechen Mut zu. Doch genauso oft müssen sie hartnäckig für die richtige Behandlungsmetho­ de kämpfen und bisweilen weittragende Entschei­ dungen treffen. Ohne jedwede Erfahrung werden sie selbst zu Pflegenden, kümmern sich liebevoll oder verweigern eine Verantwortung, die ihnen ungefragt aufgebürdet wurde, hin- und hergeris­ sen zwischen Überforderung und Schuldgefühlen, Pflichtbewusstsein und der Angst vor der eigenen Sterblichkeit. «Moğul verarbeitet in Die Angehörigen wahre Be­ gebenheiten, die er in Interviews mit Betroffenen recherchiert hat. Daraus ist eine Inszenierung ent­ standen, die sehr authentisch wirkt. Gleichzeitig sorgen Mittel wie traditionelle Lieder oder Anspie­ lungen auf die klassische Tragödie für die nötige Distanz, um mit dem Thema Tod rational umgehen 16 www.rowohlt-theater.de für das Theater Münster schreibt Moğul aktuell an seinem NSU-Projekt Auch Deutsche unter den Opfern (Arbeitstitel), dessen Ur­ aufführung im Januar 2015 sein wird. OLIVER M ARSCHKE Der Fauxpas «Ich bin Friedenspreisträger, du Blödmann!» K aterstimmung bei Jean Harnack. Der Vor­ zeigeintellektuelle hat sich am Abend zuvor auf einer staatstragenden Spendengala einen Faux­ pas erlaubt, der in Zeiten der Political Correctness seinen guten Ruf komplett zerstören könnte. Wenn er sich bloß erinnern würde, was genau passiert ist! Gerade ist sein bester Freund Florian einge­ troffen, um die Vorgänge zu rekonstruieren und Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Rettung naht in Person der zupackenden Beate, die Flori­ an schon seit viel zu langer Zeit als Klientin sei­ ner Partnervermittlungsagentur kennt und die als renommierte Psychiaterin bei Jean kurzerhand ein Tourette-Syndrom diagnostiziert, um seinen ver­ balen Ausrutscher gesellschaftsfähig zu machen. Aber ob sich damit die empörten Feuilletons beru­ higen lassen? Und will man das überhaupt? Denn plötzlich findet Jean mehr Gehör als je zuvor, und die Verlockung ist groß, nach Deutschland schafft sich ab und Deutschland von Sinnen den nächsten großen Beitrag zum wertkonservativen Befindlich­ keitszirkus zu liefern. Oliver Marschke hat eine Komödie geschrieben über die heilige Kuh der feuilletonistischen Wohl­ anständigkeit, über eine Männerfreundschaft vor dem Hintergrund des drohenden Bedeutungsver­ lusts und über den kleinen Sarrazin in uns allen. L ARS NORÉN 3.31.93. E in Echo von Lars Noréns großen Gesell­schafts­ pano­ra­men der 1990er, Klinik, Eine Art Hades und Personenkreis 3.1 hallt durch 3.31.93. Doch waren es damals die Ausgestoßenen, die Obdach­ losen, die Kranken, die ihre Stimmen erhoben, eint die Figuren in Noréns jüngstem Stück kein sozia­ ler Nenner, keine Diagnose. Ihre Verluste und ihr Schmerz sind privat und dennoch allgemeingültig: 25 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, die versuchen, mit ihrem Leben zurande zu kommen, und die oft genug daran scheitern. Da ist das junge Paar, das sein Kind gleich nach der Geburt verloren hat. Die Frau, die ihren gelähmten Mann pflegt und eine kurze, schmerz- und schamerfüllte Beziehung zu dessen Vater eingeht. Das ältere Paar, das seinen erwachsenen Sohn wieder bei sich aufnimmt. Der Mann, der auf den Zug wartet, vor den er sich wer­ fen will. Die Frau, deren Mann von der Arbeit nicht nach Hause kommt … 25 Menschen, deren Ver­ bindungen zueinander sich nach und nach erschließen, zusammengehalten in einer prekären Balance der Sehnsucht und der Hoffnung. Mit 3.31.93., dessen Urauffüh­ rung in Stockholm von der Kritik gefeiert wurde, ist Lars Norén ein großer Wurf ge­ lungen, ein so trauriges wie zärtliches Ora­ torium der Vergeblichkeit und des Mutes. die Sprache weht … Noréns Dystopie erfordert die Bereitschaft, alle menschlichen Handlungsweisen und Fluchtversuche, alle Voraussetzungen für un­ ser Handeln auf den Prüfstand zu stellen … Sein neues Stück ist eine klare, poetische und manchmal absurde Analyse der Condition humaine. Eine voll­ kommene Tragödie, aber zugleich der Versuch, in der Sprache unserer Unzulänglichkeiten Hoffnung zu finden.» (Svenska Dagbladet) Lars Norén ■■ 3.31.93. Deutsch von Maja Zade Besetzung variabel U: 23.08.2013 Stockholm Stads­ teatern (Regie: Sofia Jupither) ■ Zuletzt kam von Lars Norén am Schauspiel Frankfurt Liebesspiel zur deutschsprachigen Erst­ auf­füh­rung (Regie: Alexander Frank). «Norén ver­ fügt über die schöne Fähigkeit, Alltagssätze in einen kargen, streng durchkomponierten Text einzubau­ en … Sätze, die jeder kennt und die auf einmal bitter wirken, wenn die Liebe kaputt ist.» (Süddeutsche Zeitung) «Die erschreckende Vertrautheit dieser Schicksale … lässt die Erkenntnis einsickern, wie gefährlich nahe unser aller Alltag diesen Figuren ist.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) In dieser Spielzeit hat außerdem Lars Noréns Nachtwache an der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, in der Regie von Thomas Ostermeier Premiere. «Inspiriert von seinem Idol Beckett, pflegt Norén auch eine Wahlverwandtschaft mit den Stücken Jon Fosses, in dem Wunsch, in der Reduktion eine karge, fast autisti­ sche Verletzlichkeit zu finden, die durch 3.31.93., Stockholm Stadsteatern www.rowohlt-theater.de 17 Jon Fosse ■■ Meer (Hav) Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel JON FOSSE Meer «Es ist als ob ich auf­ wachen würde und auf einmal ganz ­woanders wäre.» 2D – 4H U: 22.05.2014 Bergen International Festival in Koproduktion mit Bondeungdomslaget Oslo und Hordaland Theater (Regie: Kai Johnsen) Abdruck in Theater der Zeit 09 / 2014 Jonas Hassen Khemiri ■■ ≈ [ungefähr gleich] (≈ [ungefär lika med]) Deutsch von Jana Hallberg Besetzung variabel, mind. 2D – 2H U: 23.10.2014 Dramaten, Stockholm 18 www.rowohlt-theater.de I ch bin der Kapitän.» – «Ich bin der Gitarren­ spieler.» Wie eine Beschwö­ rungsformel wiederholen zwei Männer diese Sätze, als müssten sie sich ihrer selbst versichern. Der eine kommandiert ein Schiff, das es womöglich gar nicht gibt; der andere macht Musik, die niemand hört. Beide treiben sie auf ­einem Meer, das so real wie unwirklich ist, allgegenwärtig und abwesend zugleich, Ort und Nicht-Ort. Geisterhaft erscheinen bald andere Gestalten, ein junges Paar, ein älteres, vielleicht dasselbe zu verschiedenen Zeiten, vielleicht nur Halluzinationen: Menschen, die einander kennen oder zu kennen glauben, ob­ wohl sie sich nie begegnet sind. Ein unendlich wei­ ter Raum öffnet sich zwischen ihnen, in dem die Sprache zum Rauschen der Wellen wird – gleichför­ mig und unwirsch, beruhigend und bedrohlich – und das Sein, wie wir es kannten, allmählich mit sich fortträgt. «Es ist dieses Zwischenreich, dieser Raum, in dem Menschen nur mehr wie Seelen hausen, … der schmerzlich spürbar macht, um was es im Grunde geht: darum, dass dieses große, jahrhundertealte Projekt der Menschheit, miteinander zu leben, so unglaublich schwierig ist. In Fosses Stücken wird die ganze Brüchigkeit gewahr, die Zerrissenheit, die Zuneigung mit Abneigung paart, Zärtlichkeit mit Gewalt, Liebe mit Hass.» (Theater der Zeit) «Erinnerungen und Emotionen kreuzen sich in diesem Traumspiel, das Unbewusstes und Bewuss­ tes zu einem Vexierbild menschlicher Beziehungs­ konstellationen verwebt. Es ist, als erwachten auf einmal alle Figuren aus Jon Fosses Stücken und versammelten sich für die Dauer dieser Schifffahrt durch imaginäre Leben. Körperlose Träger von Sehnsucht – einer Sehnsucht nach jener Sphäre des Unerhörten, die Fosse seit je erkundet … Wir sehen, was in uns selbst vorgeht … Nie kam das so klar zum Ausdruck wie hier, bei diesem unauf­ dringlich schwebenden Spiel, dessen pausendurch­ setzte Wortmusik das Ungesagte zur Sprache, zum Sprechen bringt. Den ganzen Fosse enthält Meer.» (Neue Zürcher Zeitung) «Ein wunderbares Abschiedsstück … Wieder setzt er ein: der Fosse-Effekt. Dieses Berührtsein von etwas Tieferem, Grundangstmenschlichem.» (Süddeutsche Zeitung) Meer hat Jon Fosse nach eigenem Bekunden sein letztes Originalstück für das Theater geschrie­ ben. 2016 erscheint im Rowohlt Verlag ein neues Erzählwerk von ihm. ■ Mit JONAS HASSEN KHEMIRI ≈ [ungefähr gleich] «Ist doch irgendwie cool, dass manche sich ­trauen, es umgekehrt zu machen, und sich außer­halb der Gesellschaft stellen.» J onas Hassen Khemiri fragt in seinem neuen Stück nach den Auswirkungen wirtschaftlicher Zusammenhänge auf unser Handeln. Inwiefern verändern wir uns dadurch, dass wir in einer Ge­ genwart leben, die sich auf Kredit gründet? Ist es möglich, das heutige System zu kritisieren, ohne eine Alternative aufzuzeigen? Was geschieht mit einer Welt, die auf Zahlen reduziert wird? Wir verfolgen das Schicksal von fünf Figuren, die den Anschluss an die ökonomische Entwicklung eigentlich längst verloren haben, den Aufstieg in eine höhere soziale Schicht werden sie jedenfalls – entgegen ihrer Hoffnung – nie schaffen. Andrej sucht verzweifelt eine erste Anstellung, Martina hingegen ist mit ihrer Arbeit unzufrieden und möchte am liebsten als Selbstversorgerin leben. Ihr Freund Mani erforscht als erfolgloser Wirtschafts­ wissenschaftler die Möglichkeiten, den Markt auf theoretische ­Weise herauszufordern. Freja und Pe­ ter sind im Grunde bereits aus der Gemeinschaft ausgestoßen und reagieren darauf mit unterschied­ lichen Strategien von Rebellion bzw. Unterwerfung. Kunstvoll und gewitzt verzahnt Khemiri die Erzähl­ stränge, findet für jede einzelne Episode einen ganz eigenen Stil und ermöglicht es so, aus immer neuer Perspektive auf die Zusammenhänge zu blicken. ■ Khemiris Ich rufe meine Brüder, das in der letz­ ten Spielzeit am Ballhaus Naunynstraße in Kopro­ duktion mit dem Landestheater Niederösterreich, St. Pölten, erstaufgeführt wurde, hat in der aktuel­ len Saison Premiere am Thalia Theater Hamburg (Regie: Anton Kurt Krause), Theater Peripherie, Frankfurt (Regie: Ute Bansemir), Theater Bremen / Moks (Regie: Babett Grube) sowie am Schauspiel Essen (Regie: Katarzyna Maria Noga). Invasion! wird in der aktuellen Spielzeit am Schauspiel Köln (Regie: Pinar Karabulut) nachge­ spielt. OSCAR VAN WOENSEL Ödipus W Oscar van Woensel ■■ Ödipus (Oedipus) Deutsch von Monika The er sind wir? Und woher glauben wir das zu wissen? Sind wir unsere Meinungen? Unsere Besetzung variabel Gefühle? Unsere Taten? Wer mag wen nicht, wenn U: 08.03.2013 wir uns selbst nicht mögen? In Oscar van Woensels Ro Theater / Rotter­ Ödipus rückt ein Chor den Zuschauern mit vielen damse Schouwbourg Fragen unangenehm dicht zuleibe, während gleich­ (Regie: Alize Zandwijk) zeitig Sophokles’ Tragödie um die menschliche Selbsterkenntnis sich fast kammerspielartig entfal­ DSE: 27.09.2014 Theater Bremen tet. In einer schnörkellosen Alltagssprache bringt (Regie: Frank Abt) van Woensel uns die Figuren nahe und steuert da­ bei doch unerbittlich auf die letzte, entscheidende Frage zu: Was bleibt von uns, wenn wir alles verlie­ ren, das uns ausmacht? Familie, Besitz, Gesundheit, Verstand? Gibt es einen Kern unseres Wesens, der dann noch überdauert? «Du wirst sterben Basierend auf Sophokles’ Tragödien Kannst du das meistern? König Ödipus und Ödipus auf Kolonos, Diesen Gedanken spannt der Text den weiten Bogen vom Reg dich nicht auf jungen König, der selbstgewiss und ah­ Du lebst jetzt nungslos nach dem Mörder seines Vor­ Du stirbst später» gängers sucht, zum alten, blinden Mann, der mittellos im Exil seinen Tod erwar­ tet und sich dennoch allen Avancen und Angeboten verweigert – und findet in der alten Geschichte von Verlust und menschlicher Hybris eine heute gerade­ zu revolutionär anmuten­ de These: Was, wenn der Mensch nicht nur nicht Herr seines Schicksals ist, sondern erst das Schicksal ihn zum Menschen macht? Was, wenn das Lassen wich­ tiger ist als das Tun? Und können wir nur wirklich le­ ben im Wissen um unseren Tod? Ich rufe meine Brüder, Ballhaus Naunynstraße, Berlin www.rowohlt-theater.de 19 Frédéric Sonntag, geboren 1978, ist Autor, Schauspieler und Regisseur. Er studierte am Conservatoire National Supérieur Dramatique und gründete 2001 die Theater­ gruppe AsaNIsiMAsa. Unter anderem wurde er mit dem Prix Godot des lycéens und dem Prix ado du théâtre contemporain (Académie d’Amiens) ausgezeichnet. Seine Stücke wurden vielfach übersetzt und werden inter­ national nachgespielt. Frédéric Sonntag ■■ George Kaplan Deutsch von Jakob Schumann 2D – 3H U: 09.03.2013 Husets Teater Kopenhagen (Regie: Christopher Berdal) Abgedruckt in Scène 17 Davide Carnevali ■■ Arabische Frau, das Meer betrachtend (Ritratto di donna ­araba che quarda il mare) Deutsch von Sabine Heymann 1D – 3H oder 2D – 2H 20 www.rowohlt-theater.de FRÉDÉRIC SONNTAG George Kaplan «Wir haben ein Problem, und das müssen wir nutzen: Dieses Problem wird in der Bevölkerung eine gewisse emotionale Reaktion auslösen, ein Gefühl, das in den Bürgern den Wunsch nach genau den Maßnahmen weckt, die wir gerne durchführen möchten.» E ine heillos zerstrittene Gruppe junger Unter­ grund-Künstler wird von einem Sonderein­ satzkommando gestellt. Ein Writers’ Room aus den besten Autoren Hollywoods entwirft Szenarien für einen Kriegseintritt. Die anonymen Drahtzieher der Republik treffen sich wegen einer akuten Be­ drohung der inneren Sicherheit zu einer diskreten Eilkonferenz. Ein Name fällt dabei immer wieder: George Kaplan. Was als Alias einer subversiven Kunstaktion beginnt, entwickelt ein unvorhergesehenes Eigen­ leben. «George Kaplan» (nicht von ungefähr heißt so auch der fiktive Protagonist in Alfred Hitchcocks Der unsichtbare Dritte) wird zur Chiffre für die Ver­ bindung von Filmindustrie und Geopolitik, Netz­ aktivismus, Paranoia und Massenüberwachung. Wer schreibt eigentlich die Planspiele, mit denen das Militär seine Strategien probt? War Hitchcock Teil einer internationalen Verschwörung? Gibt es eine unsichtbare Regierung, und woher nimmt sie ihre Informationen? Und, besonders verwirrend: Was hat es mit dem Huhn auf sich, das sich in un­ geahnten Momenten in die sorgsam vorbereiteten Szenarien drängt? George Kaplan ist eine abgründige Komödie über die Wechselwirkung von Macht und Fiktion, über die Mythen, die unseren Blick auf die Welt bestim­ men, und die Unkontrollierbarkeit der Wirklich­ keit. DAVIDE CARNEVALI Arabische Frau, das Meer betrachtend «Ich gebe mir Mühe zu verstehen, was Sie sagen, und das wenige, was ich verstehe, gefällt mir nicht.» D er Titel deutet es bereits an – Davide Carne­ vali arrangiert seine Figuren wie auf einem romantischen Gemälde, doch das pittoreske Pano­ rama ist trügerisch und entpuppt sich schnell als hochbrisante Versuchsanordnung. In ihr brechen sich Konflikte Bahn, die eine einfache Geschichte nach dem Muster «boy meets girl» in eine fatale Liebesgeschichte verwandeln. Der Europäer, der vor Kurzem in der Stadt am Meer eingetroffen ist, verfolgt nicht nur undurchsichtige geschäftliche Pläne, sondern macht auch der jun­ gen Frau, die er am Strand getroffen hat, den Hof. Von Anfang an ist ihre Beziehung von sprachlichen und kulturellen Missverständnissen geprägt. Auch wenn offen bleibt, wie weit sich der Mann beruf­ lich oder privat vorwagt, sind die Umgebung und die Familie der jungen Frau alarmiert. Während der jüngere Bruder der Frau vorgibt, den Fremden warnen zu wollen, hat der ältere Bruder bereits beschlossen, Vergeltung zu üben. In jeder Szene scheint eine gänzlich andere Interpretation das Voran­ge­gan­gene aus neuer Perspektive zu beleuch­ ten. Bis spätestens beim letzten Zusammentreffen am Meer jegliche Romantik verloren ist. Hannah Moscovitch studierte englische Lite­ ratur und ist Absolventin der National Theatre School of Canada. Für ihre Stücke wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Susan Smith Blackburn Prize und mehrfach mit dem Dora Mavor Moore Award. Das Now Magazine wählte sie 2010, 2011 und 2013 zu «Toronto’s Best Playwright», CBC Radio bezeichnete sie als «the wunderkind of Canadian theatre». STEPHEN SACHS Das Original «Pollocks Arbeiten standen immer kurz vor der Katastrophe. Am Abgrund. Jede Leinwand war ein Sprung von der Klippe. Leben oder Tod. Deshalb sind sie so elektrisierend, so erregend. Berauschend.» S elbst in der tiefsten amerikanischen Provinz hat sich herumgesprochen, wie einträglich die Kapriolen des internationalen Kunst- und vor al­ lem Fälschermarktes sein können. Maude Gutman, Mitte 50, ist überzeugt davon, dass das Gemälde in ihrem Besitz ein Werk von Jackson Pollock ist. Gefunden hat sie das «hässliche Ding» in der hin­ tersten Ecke eines Trödelladens und glaubt nun, das große Los gezogen zu haben, denn in ihrem Trailerpark sitzt Lionel Percy, Mitte 60, frisch an­ gereist aus New York. Er kommt im Auftrag einer Stiftung, die in wenigen ausgewählten Fällen pro Jahr eine Echtheitsprüfung vornimmt. Hier geht es theoretisch immerhin um 50 Millionen Dollar. Ent­ sprechend aufgeregt wuselt Maude um ihren Gast herum, der jedoch eher angewidert gelangweilt ist. Er kann sich kaum vorstellen, dass ein wertvolles Bild in den Besitz einer so geschmacklosen und der­ ben … ähm … Dame gekommen sein soll. Doch spätestens als Maude enthüllt, dass sie bereits ein millionenschweres Angebot von einem Geschäfts­ mann aus Indien hat, stehen das Gemälde und seine Besitzerin in völlig anderem Licht da. Nach der Uraufführung in den USA war die euro­ pä­ische Erstaufführung im Mai 2014 im Londoner West End mit Kathleen Turner als Maude und Ian McDiarmid als Lionel. «Stephen Sachs setzt sich nicht nur mit dem Thema der künstlerischen, son­ dern auch der menschlichen Authentizität ausein­ ander … Sein Stück stellt Fragen, anstatt mit schnel­ len Antworten aufzuwarten.» (The Times) «Eine Kollision unterschiedlicher kultureller und sozialer Hintergründe, die weit über die Fragen des Kunst­ markts hinausgeht.» (The Guardian) «Das Original bietet wunderbares Material für zwei ältere Schau­ spielerstars und lässt keine Wünsche offen.» (Time Out London) «Sachs’ Stück verhandelt sowohl tiefgehend psychologische als auch differenziert intellektuelle Konflikte – eine selten perfekte Ver­ bindung von Gefühl und Verstand.» (L. A. Times) HANNAH MOSCOVITCH Kleines A aron erzählt von seiner schwer traumatisier­ ten Stiefschwester Claire, die seine Jugend zur Hölle oder zumindest zu einem psychologischen Eierlauf gemacht hat. Und während Aaron noch spricht, erklingt auch Claires Stimme aus dem Dun­ kel, wie aus weit vergangener Ferne, und erzählt eine grausame Liebesgeschichte, die noch rätselhaf­ ter scheint als Aarons Kindheitserinnerungen. Im­ mer wieder sehen wir Szenen zwischen Aaron und Claire, die fast spielerisch, jedenfalls psychoanaly­ tisch abgeklärt, ihre Konflikte um Klavierstunden, Haustiere und die Zuneigung der Eltern ausagie­ ren. Bis es zum großen Verrat zwischen den beiden kommt, zum Bruch, der nicht mehr überbrückbar ist. Und plötzlich wird auch deutlich, dass Claires Erzählung von einer Ehe, die zwischen Vorstadt­ idylle und Unfreiwilligkeit sowie Gewalt oszilliert, auch mit Aarons Geschichte eng verknüpft ist. Stephen Sachs ■■ Das Original (Bakersfield Mist) Deutsch von Karen Witthuhn 1D – 1H U: 11.06.2011 Fountain Theatre, Los Angeles (Regie: Stephen Sachs) Hannah Moscovitch ■■ Kleines (Little One) Deutsch von Bastian Häfner 1D – 1H U: 20.02.2013 Tarragon Theatre, Toronto (Regie: Natasha Mytnowych) Hannah Moscovitch wirft mit ihrem Stück einen Blick in die Abgründe von menschlicher Grau­ samkeit, Begehren und Liebe. Und trotz aller Dun­ kelheit gelingt ihr mit leichtem, präzisem Ton ein atmosphärisch dichtes Kammerspiel. www.rowohlt-theater.de 21 «Bester ausländischer Dramatiker 2014» Kritikerumfrage von Theater heute Martin Crimp ■■ Im Tal (In the Valley) Deutsch von Ulrike Syha 1D oder 1H Abdruck im Jahrbuch 2014 von Theater heute M ARTIN CRIMP Im Tal «Bist du ganz sicher, dass du am Leben bist? Und wenn ja, was lässt dich leben?» G ott erscheint wie ein Folteropfer aus Abu Ghraib, die Welt, wie wir sie kannten, wurde gelöscht, und nach dem verlorenen Paradies wan­ delt ein namenloses Ich durch ein grünes Tal. Auf seinem Weg begegnet es einem sprechenden Schaf, mit dem es über Kultur und Zivilisation plaudert – Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, Deutsches Schauspielhaus Hamburg 22 www.rowohlt-theater.de bis der nackte Überlebensinstinkt greift, was für das Schaf böse endet. In einem kurzen Monolog, der souverän wechselt zwischen Pastorale und Apokalypse, Altem Testa­ ment und Hollywoodbildern, misst Martin Crimp der Menschheit den Puls und kommt zu einem we­ nig ermutigenden Befund. ■ Martin Crimps Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, im November 2013 uraufgeführt am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (Regie: Katie Mitchell), wurde in der aktuellen Kritikerumfrage von Theater heute zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt. «Mitchell und Crimp interpretieren Euripides’ Antikendrama Die Phönizierinnen auf brillante Weise neu.» (Süddeutsche Zeitung) «Crimp verzichtet weitgehend auf eine Aktualisierung … Ihn interessiert mehr die Vermittlung zwischen der Antike und der Gegenwart: was Schick­ sal oder Psychologie unter den Zeichen genetischer Codes noch bedeuten können und wie die antiken Mythen über archäo­ logische Funde, sprachliche Übersetzung, mediale Versetzung ins Kino und Theater uns überhaupt noch erreichen können.» (Die Deutsche Bühne) «Ich glaube nicht an normales Verhalten … Normalität hat man in diesem Land erfunden, damit man eine ­gewisse Ordnung aufrecht­ erhalten kann.» Aus «Blindlings» ■ Außerdem war in der vergangenen Saison die deutschsprachige Erstaufführung von Crimps In der Republik des Glücks am Deutschen Theater Berlin (Regie: Rafael Sanchez), gefolgt von Inszenie­ rungen am Thalia Theater Hamburg (Regie: Anne Lenk) und Theater Ingolstadt (Regie: ­Christian von Treskow). Das Stück wurde in Theater heute abge­ druckt und hat in der aktuellen Spielzeit Premiere am Theater Osnabrück (Regie: Nick Hartnagel) und Theater Gießen (Regie: Titus Georgi). «Bei Crimp ist es, als sei die gesamte Welt hirnblind und sinnesstumm geworden und feiere das als größte denkbare Freiheit … Großartig.» (Nachtkritik) «Mit derart subversivem Witz bekommt man das ‹Menschenrecht› auf chronischen Gewichtsverlust, verminderte Zurechnungsfähigkeit … und Ein­ kaufssucht so schnell garantiert nicht wieder um die Ohren gehauen!» (Der Tagesspiegel) ■ Übersetzt hat Martin Crimps Stücke Ulrike Syha, deren Report im Februar 2015 am Schauspiel Leip­ zig uraufgeführt wird (siehe S. 5). SIMON STEPHENS Blindlings E s ist Besessenheit auf den ersten Blick, als Ca­ thy auf John trifft. Sie ist mit 17 bereits Mut­ ter, er bricht aus Spaß bei fremden Leuten ein. Sie fasziniert seine kriminelle Energie, ihn ihre fast kindliche Direktheit. Beide stürzen sich in eine Amour fou, die sie aus ihren bisherigen Bindungen katapultiert und am Rand der Gesellschaft zusam­ menschweißt. Doch dann erfährt Cathy, dass John heimlich mit ihrer besten Freundin schläft. Aus Rache begeht sie eine entsetzliche Tat, die auch ihr eigenes Leben zerstört und die sie viele Jahre später, nach der Entlassung aus dem Gefängnis, einholt. Simon Stephens ■■ Blindlings (Blindsided) Deutsch von Barbara Christ 3D – 2H U: 28.01.2014 Royal Exchange Theatre, Manchester (Regie: Sarah Frankcom) «Blindlings ist ein Stück über Betrug, privaten wie politischen … Stephens’ Dialoge sind beklemmend und dramatisch aufgeladen, drängend und bedroh­ lich. Sie bringen Wahrheiten zur Sprache, die besser ungesagt blieben.» (The Independent) «Ein unbequemes, finsteres, hyperreales Stück, auf das man nicht mit dem Verstand reagiert, son­ dern das einem unmittelbar in die Knochen fährt. Stephens’ Figuren sind zweifellos irritierend und genauso zweifellos lebendig. Vor den Kopf gestoßen und nicht immer mit Sympathie, folgt man ihnen und ihren sehr menschlichen Widersprüchen den­ noch gebannt.» (The Guardian) «Stephens schreibt bewusst künstlich, und gerade deshalb gelingt ihm eine überwältigende Intensi­ tät.» (The Times) www.rowohlt-theater.de 23 «Wieder einmal zeigt Simon Stephens ein präzise gezeichnetes Studienbuch zur Krankheit ‹Kapi­ talismus› … Er verzichtet auf eine dialogische Erzählhandlung und kehrt zurück zum bekenntnishaften Frontaltheater. Fünf große Beichten verschlingen sich in einer Abfolge von Monologen, die von der Ram­ pe in den Saal gesprochen werden.» (Süddeutsche Zeitung) «Carmen Disruption ist kälter, ge­ dämpfter und stärker nach innen Carmen Disruption, Deutsches Schauspielhaus Hamburg gewandt als bspw. das eruptive Three Kingdoms … Der Text ist ein Be­ wusstseinsstrom, bei dem man sich «Unsere Erinnerungen sind Hirngespinste. Wir erinnern uns an das, was unser anfangs fragt, was einen die Luxus­ Wunschdenken für Wahrheit hält, auch wenn wir es besser wissen. Und wenn das probleme der Figuren angehen. Zu­ der Fall ist, kann alles wahr sein. Wirklich alles.» gleich jedoch sind die Geschichten der fünf zutiefst berührend. Inmitten der Trostlosigkeit finden sich Mitleid, Verständnis Simon Stephens SIMON STEPHENS und das überwältigende Gefühl, dass sich etwas ■■ Carmen Disruption ­ändern muss.» (The Guardian) Deutsch von Barbara Christ 3D – 2H Auftragswerk für das Deutsche Schau­spiel­ haus Hamburg U: 15.03.2014 Deutsches Schauspiel­ haus Hamburg (Regie: Sebastian Nübling) Abdruck in Theater heute 05 / 2014 Carmen Disruption C armen ist ein junger Stricher, begehrt, narziss­ tisch, selbstbewusst, bis er von einem Freier vergewaltigt wird. Micaela, eine Studentin, ver­ kraftet nur schwer die Trennung von ihrem Pro­ fessor, mit dem sie eine sexuelle Beziehung hatte – allerdings hauptsächlich online. Escamillo kämpft in der Arena globaler Finanzmärkte und hat sich bei einer Risikoinvestition verspekuliert. Und die Taxifahrerin Don José leistet Abbitte dafür, dass sie vor Jahren ihre Familie verlassen hat, auch wenn sie nun erstmals ihren erwachsenen Sohn wiedersieht. Sie alle bewegen sich durch dieselbe namenlose Großstadt, und irgendwann werden sich ihrer aller Wege überraschend kreuzen. Vielleicht aber sind sie alle nur Phantasmagorien im Kopf der Sängerin, die weltweit und in wechselnden Inszenierungen die Titelpartie von George Bizets Carmen singt und kaum mehr zwischen ihrer Person und der Rolle unterscheiden kann. Simon Stephens übersetzt die emotionale Wucht der Oper in heutige «virtual reality». Carmen Dis­ ruption markiert den Störfall in der Ekstase digi­ taler Kommunikation. Individuelle Leidenschaf­ ten, Trauer, Einsamkeit, Sehnsüchte und Träume spiegeln sich in den glatten Benutzeroberflächen technischer Geräte und werden auf den Betrachter zurückgeworfen, der nicht mehr weiß, was Wirk­ lichkeit, was Halluzination ist. 24 www.rowohlt-theater.de ■ Simon Stephens’ Bühnenfassung von Mark ­Haddons Roman Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone kommt mittlerweile auf über 20 Inszenierungen; in dieser Saison hat das Stück Premiere am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken (Regie: Antje Thoms), Oldenburgischen Staatstheater (Regie: Jana Milena Polasek), Landestheater Linz (Regie: John F. Ku­ til), Theater Kanton Zürich (Regie: Barbara-David Brüesch), Grips Theater, Berlin (Regie: Barbara Hauck), Theater Baden-Baden (Regie: Boris Brand­ ner), Deutschen Schauspielhaus Hamburg (Regie: Klaus Schumacher), Das Da Theater, Aachen (Regie: Achim Bieler), Hans Otto Theater, Potsdam (Regie: Stefan Otteni), Schauspiel Wuppertal (Regie: Eli­ as Perrig), Landestheater Niederbayern, Landshut (Regie: Markus Bartl), Jungen Theater Bonn (Regie: N. N.), Next Liberty, Graz (Regie: Josef Maria Kra­ sanovsky), sowie an der Württembergischen Lan­ desbühne, Esslingen (Regie: Simone Sterr). ■ Im November 2013 war an der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, die deutschsprachige Erst­ aufführung von Duncan Macmillans Zweipersonenstück Atmen (Regie: Katie Mitchell), bisher nachgespielt am Prinz Regent Theater Bochum (Regie: Michael Lippold), Theater Erlangen (Regie: Max Claessen), Theater Ober­ «Die Menschen werden nicht revoltieren. hausen (Regie: Bastian Kabuth) und am Schauspiel­ Sie sehen nicht lange genug von ihren haus Graz (Österreichische Erstaufführung, Regie: Bildschirmen hoch, um zu bemerken, was Sam Brown). «Kluges und nachhaltiges Theater.» (Frankfurter Rundschau) «Macmillans zwischen ­wirklich geschieht.» ernster Betroffenheit und feiner Ironie schwan­ kendes Konversationsstück belichtet so trefflich wie mitfühlend amüsiert die von Zukunftsangst be­ schwerte Befindlichkeit der gerade hierzulande so GEORGE ORWELL sehr, um nicht zu sagen: so radikal Umweltbesorg­ ten.» (Die Welt) «Wie sich hier zwei nebeneinander und doch fern voneinander an sich und dem ande­ ren abarbeiten, das besitzt eine schöne Präsenz und Intensität … Duncan Macmillan lässt die Figuren uncan Macmillan und Robert Icke ist mit übersprunghaft zwischen zärtlichen Bemühungen ihrer neuen Bühnenfassung von 1984, die in und wildesten Aggressions- und Mordphantasien England Triumphe feierte und zuletzt wochenlang wechseln.» (SWR2) ausverkauft im Londoner West End lief, das schein­ bar Unmögliche gelungen: «Ein frischer, unverstell­ ■ Macmillans gemeinsam mit Katie Mitchell erar­ ter Blick auf ein fast zu vertrautes Werk.» (Metro) beitetes Projekt The Forbidden Zone hatte im Som­ Sie betrachten Orwells Dystopie, in der Winston mer 2014 als Koproduktion mit der Schaubühne am Smith immer brutaler in die Fänge eines Überwa­ Lehniner Platz, Berlin, bei den Salzburger Festspie­ chungsstaats gerät, aus einer neuerlichen Zukunft, len Premiere; außerdem zeigt das Deutsche Schau­ dem Jahr 2050, und fragen, wie sehr man Fakten spielhaus Hamburg im Dezember 2014 seine mit trauen darf und welchem Wechselspiel Wahrheit dem Royal Court Theater London koproduzierte und Propaganda unterliegen: «Ein grandioser Lecture Performance 2071, ebenfalls in Katie Mit­ thea­tra­ler Ansatz, der Orwells toxisches Meister­ chells Regie. werk kombiniert mit Elementen aus Terry Gilliams Brazil und den Vororthöllen David Lynchs.» (Daily Express) «Brillant springt das Stück immer wieder in der Chronologie … Szenen wiederholen sich CHRIS THORPE wie in ­einem Loop, sodass wir mehr und mehr in Winstons Kopf gesogen werden und die Erzäh­ lung selbst unzuverlässig wird.» (Financial Times) «Eine atemberaubende Neuerfindung Orwells und zugleich frappierend werktreu.» (The Times) «Macmillan und Icke verwandeln Orwells Roman in genuines Theater … In ihrer zeitgemäßen Be­ as macht uns zu Helden? Ist es die Augen­ arbeitung wirkt 1984 politischer denn je. Wie wir blicksentscheidung, im richtigen Moment seit Edward Snowden wissen, haben sich durch das das Richtige zu tun? Der Wille, gegen alle Wider­ Internet ganz neue Möglichkeiten der staatlichen stände für das zu kämpfen, woran man glaubt? Kontrolle eröffnet.» (Sunday Express) «Orwells Und gibt nur der Erfolg dem Helden recht? Chris Albtraum wird hier beängstigend lebendig.» (Daily Thorpes Text für drei Darsteller/innen schneidet Telegraph) «Eine beinahe körperliche Erfahrung.» Momente der Entscheidung gegeneinander: Eine (Time Out London) ehemalige Befreiungskämpferin ordnet an, auf De­ monstranten zu schießen – zum Wohle der Repub­ 1984 D George Orwell ■■ 1984 In einer neuen Bühnenfassung von Robert Icke und Duncan Macmillan Deutsch von Corinna Brocher 2D – 6H U: 13.09.2013 Nottingham Playhouse (Regie: Robert Icke und Duncan Macmillan) Chris Thorpe ■■ Möglicherweise gab es einen Zwischenfall (There Has Possibly Been An Incident) Deutsch von Katharina Schmitt 3 Darsteller/innen, ­davon mindestens 1D U: 03.08.2013 Edinburgh Fringe Festival in einer Produktion des Royal Exchange Theatre, Manchester (Regie: Sam Pritchard) Eingeladen zum Stückemarkt der Berliner Festspiele 2014 Möglicherweise gab es einen Zwischenfall W www.rowohlt-theater.de 25 Chris Thorpe ist Autor und Perfor­ mer aus Manchester und arbeitete auch als Übersetzer und als Musiker. Zuletzt wurde seine SoloPerformance Confir­ mation beim Edin­ burgh Fringe Festival 2014 uraufgeführt und dort mit dem Fringe First Award ausgezeichnet. Erik Gedeon ■■ Ewig jung Mitarbeit: Peter Jordan 3D – 4H U: 10.01.2001 Thalia Theater Hamburg (Regie: Erik Gedeon) lik natürlich. Ein Flugzeugpassagier versucht nach einer Bruchlandung, einen verletzten Jungen zu befreien, gibt dann aber auf – schließlich ist Hilfe unterwegs. Und aus einer stummen, verängstigten Masse heraus stellt sich ein einzelner Mann einer Panzerkolonne entgegen, mit seinen Einkäufen noch schwer beladen. Zwischen die Erzählsträn­ ge geflochten ist eine Gerichtsverhandlung: Ein Attentäter hat Kinder erschossen, Mitglieder des Europäischen Jugendparlaments, um ein Zeichen gegen den Multikulturalismus zu setzen, der seiner Meinung nach Europa zu zerstören droht. «Sie haben alle immer nur das Notwendige ge­ tan, die Figuren, aus denen Chris Thorpe seine höchst spannende Erzählperformance gebaut hat … Die Struktur des Textes versucht einen je­ des Mal zum Komplizen zu gewinnen und trickst mit den parallelen Mustern in der Konstruktion des Richtigen und des Falschen.» (die tageszei­ tung) «In Thorpes bemerkenswertem Text sind die Themen und Erzählstränge virtuos ineinander verwoben … Kein bequemer Theaterabend, aber durch und durch faszinierend.» (The Guardian) Möglicherweise gab es einen Zwischenfall ist «an­ getrieben von einer Sehnsucht nach einem neuen politischen Theater, das statt vorhersehbarer Ant­ worten kluge Fragen formuliert.» (Frankfurter All­ gemeine Sonntagszeitung) «Ich wünsche mir, wir müssten uns nicht an­lügen. Ich wünsche mir, wir müssten einander nicht vormachen, dass wir als junge Menschen unser Handeln auch nur ansatzweise akzeptabel ­gefunden hätten. Ich wünsche mir, wir müssten einander nicht vormachen, dass wir der Sache treu geblieben sind.» 26 www.rowohlt-theater.de ERIK GEDEON Ewig jung E rik Gedeons Erfolgsstück, das unter anderem seit 2001 als Thalia Vista Social Club am Thalia Theater Hamburg gezeigt wird, liegt jetzt in einer neuen Musikfassung vor, die komplett als Großes Recht lizenziert wird. Wir schreiben das Jahr 2050. Längst ist das Thea­ ter geschlossen und dient einer Handvoll greiser Schauspieler als Altersresidenz. Mit «I Love Rock ’n’ Roll» und «Sex Bomb» setzen sich die nicht mehr ganz so rüstigen Bühnenstars in G ­ edeons Song­ drama entschieden gegen den Verfall zur Wehr, immer auf der Hut vor Schwester Angelika, die ihren Schützlingen nur allzu gern die Stimmung versaut. Aber auch die leisen Töne fehlen nicht: Eine schönere Liebeserklärung als die Senioren­ version von «I Got You, Babe» hat die Welt noch nicht gehört, und das vergebliche Ansingen gegen die Einsamkeit in «All by Myself» würde auch ­einen Stein zu Tränen rühren … Nur gut, dass man sich spätestens bei «I Will Survive» wieder gefangen hat und der Zukunft zuversichtlich entgegensieht. Ewig Jung wird derzeit unter anderem am Theater Krefeld Mönchengladbach, am Theater Bielefeld und am neuen theater, Halle, gezeigt und geht 2015 in der Produktion des Berliner RenaissanceTheaters mit der Konzertdirektion Landgraf auf ­Tournee. WILLIA M F. BROWN / CHARLIE SM ALLS PATRICK BARLOW Eine Weihnachts­ geschichte «Eine überbordend rasante Bühnenfassung voller Witz, Wärme, Spielfreude und Einfallsreichtum.» (New York Observer) N ach Der Messias und Die 39 Stufen hat Pa­ trick Barlow mit seiner Version von Charles Dickens’ Klassiker erneut einen furiosen Theater­ spaß geschrieben: Fünf Darsteller/innen spielen nicht nur Dutzende von Rollen, sondern auch das gesamte Mobiliar in der Geschichte um den wi­ derwärtigen Wucherer Ebenezer Scrooge, den die drei Geister der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht in einer einzigen Nacht zu einem besseren Menschen machen. Zwischen Weihnachtsliedern, Kostümwechseln und Zeitrei­ sen hat das Ensemble mit dieser Aufgabe alle Hän­ de voll zu tun, denn Besserung hat Scrooge drin­ gend nötig: «Barlow zeichnet einen uns vertrauten Geizhals, ­einen verderbten Mann mit abstoßender Verachtung für die Armen, der leider nur zu gut in unsere heutige Zeit passt. So ein Mann verwandelt sich nicht in ein reuiges Häuflein Elend, bloß weil mitten in der Nacht ein paar übernatürliche Wesen aufkreuzen und ihn durch Raum und Zeit hetzen, um ihm seine Fehler aufzuzeigen.» (The New York Times) Trotz moderner Einsprengsel folgt Barlow (auch in den ernsten Tönen) getreulich Dickens’ Vorlage – und natürlich kann Scrooges hartes Herz besonders dem kleinen Tiny Tim (hier von einer Marionette gespielt) auf Dauer nicht widerstehen. So kann zum feierlichen Finale das Fest der Liebe endlich für alle beginnen – in froher Erwartung ei­ ner glücklicheren Zukunft. Patrick Barlow ■■ Eine Weihnachts­ geschichte The Wiz – Der Zauberer von Oz nach Charles Dickens T 2D – 3H he Wiz trat seinen Siegeszug an, als es 1975 am Broadway herauskam und als Befreiungsschlag für das Selbstverständnis der African-American Community empfunden wurde. Der Song «Every­ body Rejoice» nach dem Tod der Bösen Hexe des Westens mit Zeilen wie «We always knew that we’d be free somehow» und «Can’t you feel a brand new day?» hatte in diesem Zusammenhang einen ganz besonderen Klang. Charlie Smalls hat für «The Su­ per Soul Musical», so der ursprüngliche Untertitel, auch neben den bekannten Songs «Ease on Down the Road», «If You Believe» und «Be a Lion» eine durchgehend kraftvolle, eingängige Musik geschaf­ fen. Das Stück gewann sieben Tony-Awards, u. a. für «Best Musical» und «Best Original Score». 1978 wurde The Wiz mit Diana Ross als Dorothy und Michael Jackson als Vogelscheuche verfilmt. Am Broadway erreichte das Musical über 1500 Vorstel­ lungen, mittlerweile wird es ohne besondere Auf­ lagen für die Besetzung weltweit gespielt. «Zuckerlbunt, stürmisch, gepfeffert, liebenswert, witzig und effektvoll eroberte sich The Wiz die Zu­ neigung des Publikums … Soul, Funk, Gospel und Disco muten mitunter an, als habe der Wind auch die Blues Brothers und Starsky & Hutch mit nach Oz verweht.» (Oberösterreichische Nachrichten) (A Christmas Carol) Deutsch von Ulrike Syha U: 05.12.2012 Delaware Theatre Company (Regie: Joe Calarco) ■■ The Wiz – Der Zauberer von Oz Musical nach L. Frank Baum Buch von William F. Brown Musik und Liedtexte von Charlie Smalls Deutsch von Roman Hinze 6D – 7H Orchesterbesetzung: Reed I (Picc, Fl, A.Sax), Reed II (Picc, Fl, Klar, A.Sax), Reed III (A.Fl, Klar, T.Sax), Reed IV (A.Fl, Ob, E.H [oder Klar], Klar, Bar.Sax), Hr, Trp I, II, III, Pos I, II, Schl, I, II, Git, Vl, Vc, B U: 21.10.1974 Morris A. Mechanic Theatre, Baltimore (Regie: Gilbert Moses) DSE: 28.09.2013 Landestheater Linz (Regie: Kim Duddy) The Wiz – Der Zauberer von Oz, Landestheater Linz www.rowohlt-theater.de 27 KINDER- UND JUGENDTHEATER und mehr» der Menschen einiges an Schrecken ver­ liert. Wo eben noch ein windschiefes Hexenhaus stand, kann morgen schon ein All-inclusive-Res­ sort die Billigtouristen anziehen, und das Traum­ reich hat längst seinen eigenen Hotdog-Grill. Ra­ sant, anarchisch und dabei mit klarer Haltung, ist Wie ich Hexe wurde ein wildes Theaterfest für un­ erschrockene Kinder. Dorota Masłowska ■■ Wie ich Hexe wurde (Jak zostałam wiedźmą) DOROTA M ASŁOWSK A Wie ich Hexe wurde Deutsch von Olaf Kühl Besetzung variabel empfohlen ab 10 Jahre U: 28.05.2014 Teatr Studio Warschau (Regie: Agnieszka Glinska) Sibylle Berg ■■ Mein ziemlich ­seltsamer Freund Walter 2D – 1H – 1 bis 2 weitere Darsteller/innen empfohlen ab 8 Jahre Auftragswerk der Kunststiftung NRW ­anlässlich ihres 25jährigen Bestehens U: 09.11.2014 Consol Theater Gelsenkirchen (Regie: Andrea Kramer) «Der gute Kinder-Häscher geht auf Görenfang nur mit dem Kinder-Kescher!» B ogusch wollte überhaupt nicht ins Theater, und wenn, dann in ein Stück über den Hexer, keinen Kinderkram mit einer Hexe. Jetzt sitzt er, mit iPhone, Chips und Waffeln ruhiggestellt, miss­ mutig im Zuschauerraum, während neben ihm sei­ ne Mutter E-Mails in ihr Handy tippt. Zur gleichen Zeit streift auf der Bühne eine hung­ rige Hexe durch die Nacht. Ihr Magen knurrt zum Gespenster Erschrecken, aber statt leckerer Kin­ der sitzen hinter allen Fenstern bloß fernsehende, Geld zählende Erwachsene. Ein einziges kleines Mädchen wälzt sich noch halb wach in seinem Bett herum. Schnell klettert die Hexe ins Kinderzimmer, aber sofort schlägt ihr Güte-Detektor Alarm: Das Kind ist viel zu nett und damit völlig unverdaulich. Neutralisieren kann das Gift nur ein böser, chips­ fressender Junge. Nichts leichter als das: Ein kleiner Zauber, zwei Spritzer Gedankentausch-Spray, und schon jagt das liebe Kind freiwillig seine eigene Beilage. Doch das Zauberspray ist längst abgelaufen und führt zu plötzlichen Persönlichkeits-Kreuzungen, eine überaus böse Hexenkosmetik-Vertreterin hat ebenfalls Appetit auf Kind, und unerwartet tauchen auch noch die Mütter der Kinder auf … In halsbrecherischer Geschwindigkeit vermengt Dorota Masłowskas erstes Kinderstück Traum, Theater und Wirklichkeit, rappt, reimt und rotzt sich durch Alltagsfrust und Schauermärchen, bis die blanke Gier der Hexe gegen das «Mehr, mehr 28 www.rowohlt-theater.de SIBYLLE BERG Mein ziemlich seltsamer Freund Walter «In einer öden kleinen Stadt, vielleicht im Sommer – eher Winter, ist Lisa gerade aufgewacht, sie zieht sich an und denkt sich: Frühstück?, den Müll hat sie schon rausgebracht. Nun schaut gut zu, was Lisa macht, nach dieser dunklen kalten Nacht, denn sie ist gerade aufgewacht.» L isa ist acht, kann aus Altmetall Computer lö­ ten und verbringt ihre Abende damit, mithilfe eines Astro-Programms den Weltraum nach extra­ terres­tri­schem Leben abzusuchen. Dafür hat sie gute Gründe, denn das Leben, mit dem sie sich auf der Erde herumschlagen muss, ist alles andere als erfreulich: Seit ihre Eltern ihre Jobs verloren ha­ ben, bewegen sie sich nur noch vom Bett zum Sofa und zurück; gemeinsame Mahlzeiten, Ausflüge und Gespräche gehören der Vergangenheit an. In der Schule sitzt Lisa allein und liest heimlich Bücher über Physik, in der Pause bemüht sie sich, nicht aufzufallen: ein willkommenes Opfer für Lehrer und Kinder gleichermaßen. Doch dann landet eines Abends tatsächlich ein Raumschiff im Wald hinter Lisas Siedlung. Die außerirdische Reisegruppe wirft zwar nur einen KINDER- UND JUGENDTHEATER kurzen, angewiderten Blick auf die Erde, bevor sie wieder kehrt­ macht, aber bei ihrer überstürzten Abreise bleibt einer von ihnen zu­ rück: Klakalnamanazdt, von Lisa kurz Walter genannt. Auf Walters Planet wird vor allem gekuschelt, gespielt und sich umeinander gekümmert; kein Wunder, dass er Lisas Alltag höchst befremdlich findet. Kurzer­ hand macht er sich daran, in ihrem Leben aufzu­ räumen – bis Lisa auch ohne fremde Kräfte wieder zurechtkommt. Mein ziemlich seltsamer Freund Walter ist ein Stück über Freundschaft und über kleine Schritte in schwieriger Lage. Weit entfernt von verlogener Selbstermächtigungsprosa, gibt Sibylle Berg ihrer Heldin die Möglichkeit, längst nicht alles, aber doch manches eigenständig zu verändern. ■ Habe ich dir eigentlich schon erzählt, Sibylle Bergs erster Text für Kinder, wurde seit seiner Ur­ aufführung 2007 am Deutschen Theater Göttingen (Bühnenfassung: Andreas Erdmann, Regie: Katja Fillmann) u. a. am Theater Aachen und an den Mainzer Kammerspielen gezeigt und läuft aktuell in der dritten Spielzeit als Klassenzimmerstück am Deutschen Theater Berlin (Regie: Henning Bock). Mehr zu Sibylle Berg siehe Seite 2. «Das ist doch die Frage, oder? Wie weit man geht, wenn man sich und alles, woran man glaubt, bedroht sieht.» TIM STAFFEL Camp Cäsar W ie funktioniert eine demokratische Gesell­ schaft? Wie lassen sich Ideale wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit in die Tat umsetzen? Ein Gruppe Jugendlicher verabredet sich in einem Chatroom zu einem Experiment im «real life»: Fern­ ab ihrer gewohnten Umgebung, ohne Smartphones und Internet wollen sie in einem verlassenen alten Römer-Forum nochmals dort beginnen, wo einst Julius Cäsar angefangen hat, und «eine Herrschaft ohne Herrscher» ausprobieren. Doch schnell sorgt die Aufteilung der Gemeinschaft in Volk, Senatoren und gewählte Konsuln für Spannungen. Wer erhält welche Rechte und Pflichten, wie werden Nah­ rungsmittel und Privatbesitz verteilt, was geschieht mit Gegnern der frisch gegründeten Republik? Aus hitzigen Debatten über die richtige Staatsform wird bald ein handgreiflicher Kampf um Macht und Mit­ sprache, Dazugehörigkeit und Ausgrenzung, der in eine Katastrophe führt. Tim Staffel ■■ Camp Cäsar Besetzung variabel, ca. 17 Darsteller/innen empfohlen ab 14 Jahre Auftragswerk für das junge theater basel in Kooperation mit Theater-Board Augusta Raurica U: 07.09.2014 junges theater basel (Regie: Daniel Wahl) Tim Staffel hat mit Camp Cäsar ein modernes Lehrstück im besten Wortsinn geschrieben: eines, in dem politische Prozesse nicht nur für die Zu­ schauer, sondern auch für die Performer selbst zu einer un­ mittelbaren Erfahrung werden. «Wie sich der kollektive Wahn bis hin zum Mord entwickelt, ist beängstigend real.» (Basel­ landschaftliche Zeitung) «Camp Cäsar überzeugt nicht nur mit Handlung und Atmosphäre, sondern schafft es, das Konzept der Demokratie an sich ernsthaft infrage zu stellen … Ein mitrei­ ßendes und abwechslungsrei­ ches Stück.» (Basler Nachrich­ ten) Camp Cäsar, junges theater basel www.rowohlt-theater.de 29 Reuber, Szenenfoto aus dem Film Heiko Pinkowski / Axel Ranisch ■■ Reuber nach dem gleich­ namigen Film von Axel Ranisch, Heiko Pinkowski, Peter Trabner und Dennis Pauls 2D – 3H empfohlen ab 8 Jahre Tina Müller / Corinne Maier ■■ Klatschen 11 Darsteller/innen empfohlen ab 16 Jahre 30 www.rowohlt-theater.de HEIKO PINKOWSKI / A XEL R ANISCH Heiko Pinkowski studierte Bauingenieurswesen, Ger­ manistik und Philosophie und war als Schauspieler u. a. am Theater Magdeburg, Theater Basel und am Staatsschauspiel Berlin (Schillertheater) engagiert. Axel Ranisch, geboren 1983 in Berlin, ist ausge­ bildeter Medienpädagoge und studierte von 2004 bis 2011 Regie an der HFF Potsdam Babelsberg. Zusammen mit Anne Baeker und Dennis Pauls gründeten Pinkowski und Ranisch 2011 die Produk­ tionsfirma Sehr gute Filme, deren erste Produktion Dicke Mädchen (Regie: Ranisch, Drehbuch: Pinkow­ ski / Ranisch / Trabner) 2011 bei den Hofer Filmtagen Premiere hatte und seitdem vielfach ausgezeichnet wurde, darunter mit dem Preis für das beste Dreh­ buch beim Kinofest Lünen 2011, dem «Special Jury Award for Bold Originality» beim Slamdance Film Festival 2012 und mit dem Jurypreis der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg 2012. Reuber A usgerechnet an Roberts Geburtstag gibt es Krach. Seine geschiedenen Eltern streiten sich, Onkel und Tante mischen sich auch noch ein, und Robert will nur noch ins Bett. Immerhin geht sein Vater nicht gleich wieder heim, sondern erzählt Robert seine Lieblingsgeschichte: die Geschichte von Robbie Reuber. Robbie nämlich hat ordentlich Mist gebaut. Nur eine Sekunde hat er seine kleine Schwester aus den Augen gelassen, da war sie schon verschwunden. Weil er ohne sie nicht nach Hause kann, rennt er in den Wald, wo allerhand zwielich­ tiges Gesindel sich herumtreibt. Dem sprechenden Pilz mit dem Raucherhusten kann Robbie noch ent­ wischen, aber dem scheinbar so freundlichen Zau­ berer mit seinen herzlichen Hilfsversprechen ist er nicht gewachsen. Ehe er sich’s versieht, hat Robbie einen Vertrag mit viel zu viel Kleingedrucktem unterzeichnet, der ihn erst so richtig in Schwierig­ keiten bringt – hat er doch dem Zauberer, ohne es zu merken, seinen Körper und sein Familienleben überschrieben. Da kann nur noch der sehr schlecht gelaunte Räuber helfen, der gar nicht so böse ist, wie er aussieht – und dann gibt es ja auch noch die gute Fee, die Roberts Mutter merkwürdig ähnelt … Reuber ist das Theaterstück nach dem gleichnami­ gen Film von Ranisch / Pinkowski / Trabner / Pauls, der 2013 beim Filmfest München Premiere hatte und beim Kinofest Lünen 2013 mit dem Kinder­ filmpreis «Rakete» ausgezeichnet wurde. TINA MÜLLER / CORINNE M AIER Klatschen F rühsommer. Die Abiturprüfungen stehen an, und die Schule verwandelt sich in einen sum­ menden Bienenstock voller Nervosität. Überall finden sich kleine Grüppchen zusammen und dis­ kutieren hitzig: Wer schafft es bestimmt und wer eher nicht? Warum hört die ewige Jahrgangsbeste erst jetzt von diesem sogenannten «Aufbaukurs», in dem die anderen sich fürs Abi fitmachen (und ist das nicht irgendwie geschummelt)? Diskrimi­ KINDER- UND JUGENDTHEATER VERENA GÜNTNER Es bringen* niert der Deutschlehrer wirklich Ausländer, und lohnt es sich jetzt noch, ihm trotzdem sympa­ thisch werden zu wollen? Ist auf den Abiball zu gehen komplett uncool? Fliegt womöglich wegen der krassen Geschichte mit der Kunstlehrerin noch auf den letzten Metern jemand von der Schule? Jeder ist sich selbst der Nächste, wenn es um Zu­ kunfts- und Karrieremöglichkeiten geht, und die Anspannung stellt selbst alte Freundschaften auf die Probe. Chancen werden ausgelotet und Konflik­ te geschürt. Leistungsdruck und Zukunftshoffnun­ gen, Verweigerung und Erwartung bestimmen die Gespräche, während das Unausweichliche immer näher rückt. ■ Im November 2013 wurde am Theater Freiburg Tina Müllers Auftragswerk Falk macht kein Abi uraufgeführt (Regie: Sylvia Sobottka), das in dieser Saison auch am Theater Lübeck gezeigt wird. Falk macht kein Abi «erzählt mit rasanten Zeitsprüngen und Perspektivwechseln die Biografie von einem, der in seinem Anderssein keinen Platz findet im normalen Schulsystem … Das Konzept ist raffi­ niert, setzt es doch am dramatischen Höhepunkt ein und rollt die Sache von hinten auf.» (Badische Zeitung) Ebenfalls am Theater Freiburg ist im Juni 2015 die Uraufführung der Oper Die gute Stadt (Mu­ sik: Sinem Altan), für die Tina Müller das Libretto geschrieben hat. Außerdem hat Müllers Türkisch Gold in dieser Spielzeit Premiere am Hessischen Staatstheater Wiesbaden (Regie: Carsten Kochan) und am Landestheater Schwaben (Regie: Holger Seitz). L uis ist 16 und kein schmächtiger Zauderer, kein pickliger Pubertierender: Er ist ein Brin­ ger. Er ist der Trainer und er ist die Mannschaft, das ist sein Motto, und er trainiert jeden Tag. Gerade erst hat er die Höhenangst besiegt, nach jahrelangem Üben auf dem Balkon seiner Sied­ lungswohnung – 15. Stock, nichts für Anfänger. Bei den Mädchen gibt’s nichts mehr zu trainieren, bei den Fickwetten, die er mit den Jungs seiner Gang abschließt, gewinnt er fast immer. Luis hat sein Leben also fest im Griff: Mit seiner Mutter versteht er sich blind, sein bester Freund Milan ist der Chef der Gang, und vom Saufritual am Wo­ chenende bis zur streng reglementierten Eröffnung der Freibadsaison verläuft alles exakt nach Plan. Bis ­eines Tages aus Milan und Luis’ Mutter ein Paar wird und Luis jede Kontrolle über sein Leben ver­ liert. Es bedarf der Entführung eines gar nicht so minderbemittelten Sportlehrers, des Begräbnisses eines alten Freundes und der Hilfe eines ziemlich klapprigen Ponys, damit Luis wieder ins Gleichge­ wicht findet: «Die Angst vor der Höhe weicht aus und macht Platz. Für was Neues, ich weiß noch nicht was.» «Einfühlsam, aber schonungslos direkt schildert Güntner den Abstieg des 16-Jährigen, wie ihm nach und nach alles entgleitet. Da, wo andere Dis­ tanz einnehmen und aus der Ferne berichten, geht sie noch näher heran.» (Spiegel online) «Verena Güntners Kunst, den Ton des 16-jährigen Luis und seiner Freunde perfekt wiederzugeben und einige großartige grammatische Herrlichkeiten hinzu­ zudramatisieren, ist beeindruckend.» (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) «Diesen Luis wird man so schnell nicht vergessen.» (Frankfurter All­ gemeine Zeitung) Verena Güntner ■■ Es bringen Der Roman Es bringen ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Kelag-Preis des Ingeborg-BachmannWettbewerbs 2013 * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor. www.rowohlt-theater.de 31 KINDER- UND JUGENDTHEATER Tigermilch, Comedia Theater Köln Stefanie de Velasco ■■ Tigermilch U: 18.10.2014 Staatsschauspiel Hannover (Regie: Babett Grube) Der Roman Tigermilch ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Weitere Inszenierungen bisher: Comedia Theater Köln (Regie: Catharina Fillers), Theater an der Parkaue, Berlin (Regie: Joanna Praml) * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor. 32 www.rowohlt-theater.de STEFANIE DE VEL ASCO Tigermilch* N ini und Jameelah leben in derselben Siedlung, sie sind unzertrennlich und mit ihren 14 Jah­ ren eigentlich erwachsen, finden sie. Deswegen kaufen sie sich Ringelstrümpfe, die sie bis zu den Oberschenkeln hochziehen, wenn sie ganz cool und pomade auf die Kurfürsten gehen, um für das Pro­ jekt Entjungferung zu üben. Sie mischen Milch, Ma­ riacron und Maracujasaft auf der Schultoilette und streifen, die «Tigermilch» in der Hand, durch den Sommer, der ihr letzter gemeinsamer sein könnte. Nini und Jameelah erschaffen sich eine Welt mit eige­nen Gesetzen, sie überziehen den Staub der Straße mit Glamour, die Innigkeit ihrer Freund­ schaft ist Familienersatz. Sie halten sich für unver­ wundbar, solange sie zusammen sind. Doch dann werden sie ungewollt Zeuge, wie der Konflikt in der Familie ihres Freundes Amir eskaliert. Und alles droht zu zerbrechen. Stefanie de Velasco erzählt «in einem so schnellen und toughen und weisen Tonfall, wie es ihn zuletzt in Wolfgang Herrndorfs Tschick zu lesen gab» (Der Spiegel). «De Velasco hat ein feines Buch über das Erwachsenwerden geschrieben und über die An­ fänge der Erinnerung. Ein Buch über Freundschaft, Liebe und über Träume, das zugleich in die Stadt und in die rissigen Erfahrungswelten ihrer Bewoh­ ner eintaucht.» (Neue Zürcher Zeitung) «Tiger­ milch, die Geschichte aus der Zone zwischen Reali­ tät und Fiktion, ist nah an der realen städtischen Gegenwart und ihren Problemen, ein gelungener literarischer Wurf.» (Deutschlandradio) «De Velas­ co zeichnet ihre Figuren und das Schicksal, das sie ereilt, mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit … ein hinreißender wie lehrreicher Coming-of-AgeRoman.» (die tageszeitung) THILO REFFERT Pinocchio D ie angehende Fee Franca hat sich bei ihrer Ausbildung nicht gerade durch Glanzleistun­ gen hervorgetan. Um die Feenabschlussprüfung dennoch zu bestehen, hat sie nur eine Chance: Sie muss einen Menschen glücklich machen. Der arme Schreiner Geppetto kommt ihr da gerade recht. Könnte er nicht dringend ein Kind gebrau­ chen, das ihm zur Seite steht? Franca zaubert nach Leibeskräften, aber nichts passiert. Erst als sie ent­ täuscht Geppettos Hütte verlassen hat, beginnt eine Holzpuppe in der Ecke, sich zu bewegen: Pinocchio lebt! Viel Zeit aber haben Vater und Sohn nicht mit­ einander. Schon als er am nächsten Tag zur Schule gehen soll, gerät Pinocchio auf Abwege, und ob­ wohl er sein Bestes tut, um wieder nach Hause zu kommen, rutscht er von einem Schlamassel in den nächsten. Wenigstens ist er nicht ganz allein: Ein Holzwurm aus Geppettos Werkstatt begleitet ihn (und stutzt bedarfsweise die langgelogene Nase), und in der höchsten Not taucht auch Franca wie­ KINDER- UND JUGENDTHEATER «Holzarm, Fleischarm, kein Arm, ganz egal.» THOM AS FREYER Froschkönig «Ob Frosch oder Elefant. Egal. Du bist eine Prinzessin. Und musst jedem im Land ein Vorbild sein. Geh. Und halte dein Wort. Los. Dalli.» der auf. Doch erst als Geppetto seine Hilfe dringend braucht, erkennt Pinocchio, dass auch ein Junge aus Holz seine Qualitäten hat. ■ Mit seinem Stück Mein Jahr in Trallalabad war Thilo Reffert für den Mülheimer Kinderstückepreis 2014 nominiert. Im Dezember 2013 am Landes­ theater Tübingen (Regie: Marion Schneider-Bast) uraufgeführt, wird das Stück in dieser Saison am Hans Otto Theater, Potsdam (Regie: Marita Erx­ leben), nachgespielt und hat am Next Liberty, Graz, österreichische Erstaufführung (Regie: Danielle Strahm). «Mein Jahr in Trallalabad spielt munter mit den Ängsten vor fremden Kulturen, aber auch mit den Spielarten von Freundschaft, wenn’s mal wieder drunter und drüber geht.» (Reutlinger Nachrich­ ten) «Das Fremde ist nicht in der Ferne, sondern in unausgesprochenen Wünschen und Ängsten. Eine kurzweilige und temporeiche Komödie mit erns­ tem Hintergrund für Kinder und Eltern.» (Schwä­ bisches Tagblatt) ■ Im Juni 2014 wurde am Grips Theater, Berlin, Refferts Bühnenfassung von Klaus Kordons 1848 – Die Geschichte von Jette und Frieder uraufgeführt. Im Little Tiger Verlag erschien im gleichen Jahr sein Erzählungsband Goldgören. Zurzeit schreibt Reffert an einem Auftragswerk für das Landestheater Tü­ bingen, Ronny von Welt, für das er das Stipendium zum Deutschen Kindertheaterpreis 2014 erhielt; die Uraufführung ist für April 2015 geplant. E ine Prinzessin, eine goldene Kugel, ein Frosch – alles wie gehabt, könnte man meinen. Aber wie schon in Thomas Freyers viel gespieltem Gestie­ felten Kater haben die bekannten Märchenfiguren auch in seinem Froschkönig ihren eigenen Kopf: Nur weil man einem Frosch etwas versprochen hat, heißt das noch lange nicht, dass er einen her­ umkommandieren darf, auch dann nicht, wenn er plötzlich ein Mensch geworden ist. Prinzessinnen lassen sich hier nicht einfach von einem Prinzen in ein neues Leben entführen, Könige haben Schwie­ rigkeiten bei der Kindererziehung (und sind nicht ganz so vorbildlich, wie sie tun), und treue Diener entwickeln zärtliche Gefühle, ohne dabei den Kopf zu verlieren. Frei von Disney-Kitsch und Prinzes­ sinnenromantik nimmt Freyer seine Figuren ernst und lässt sie auf vertrauten Pfaden neue, eigene Wege gehen. Und wenn auch Prinz und Prinzes­ sin selbstverständlich glücklich zueinander finden, sieht doch das Happy End ein klein wenig anders aus als gewohnt … Freyers letzte Märchenbearbeitung Der gestiefelte Kater lief seit der Uraufführung 2010 am Landestheater Eisenach (Regie: Rainer Fiedler) am Theater Heilbronn (Regie: Alejandro Quinta­ na), Theater Vorpommern (Regie: Marcus Staiger), Theater Osnabrück (Regie: Andrea Udl), Pfalz­ theater Kaiserslautern (Regie: Natascha Kalmbach) und an der Württembergischen Landesbühne, Ess­ lingen (Regie: Edith Ehrhardt). Im November 2014 hat sie Premiere an der Neuen Bühne Senftenberg (Regie: Anita Iselin). Thilo Reffert ■■ Pinocchio nach Carlo Collodi Fassung für Puppen­ theater oder mind. 5 Darsteller/innen empfohlen ab 6 Jahre Auftragswerk für das Theater Koblenz U: 22.11.2014 Theater Koblenz (Regie: Astrid Griesbach) Ursendung der Hörspiel­fassung: 25.12.2014 Deutschlandradio (Regie: Götz Naleppa) ■ Thomas Thomas Freyer ■■ Froschkönig frei nach den Brüdern Grimm 2D – 3H empfohlen ab 8 Jahre Mehr zu Thomas Freyer siehe Seite 7. www.rowohlt-theater.de 33 KINDER- UND JUGENDTHEATER THOM AS BIRK MEIR Der Hund der Baskervilles Philipp Löhle ■■ Peterchens Mondfahrt nach Gerdt von Bassewitz 2D – 3H empfohlen ab 6 Jahre U: 02.11.2014 Theater Baden-Baden (Regie: Philipp Löhle) Thomas Birkmeir ■■ Der Hund der Baskervilles nach Sir Arthur Conan Doyle 2H und Puppen oder 2D – 5H empfohlen ab 12 Jahre U: 14.01.2014 Theater der Jugend, Wien (Regie: Michael Schachermaier) PHILIPP LÖHLE Peterchens Mondfahrt «Ui ui ui. Oje, oje.» S eit 1921 verzaubert Gerdt von Bassewitzs poe­ ti­sche Abenteuergeschichte vom Herrn Sumse­ mann, der mithilfe von Peter und Anneliese sein fehlendes Bein wiederbekommt, ganze Generatio­ nen von Kindern. Philipp Löhle macht daraus eine temporeiche und phantasievolle Jagd durch den nächtlichen Himmel. Die Nachtfee und ihr Vetter üben für ihr Bankett mit Eismax, Frau Holle und Co. und erinnern dabei verdächtig an Dinner for One. Der Soldat, der die Mondkanone bewacht, macht einen ziemlich preußisch-korrekten Eindruck. Und der Mondmann ist ein wahrlich gefräßiger Geselle. Herr Sumsemann schlägt mehr als einmal panisch die Hände über dem Kopf zusammen, aber Peter und Anneliese lassen sich von alldem nicht schre­ cken und landen schließlich wieder wohlbehalten in ihren Betten. Philipp Löhles erste Theatererfahrung war der Be­ such einer Produktion von Peterchens Mondfahrt am Theater Baden-Baden. Nun inszeniert er dort seine eigene Fassung. Weitere Stücke von Philipp Löhle siehe S. 8. «Geehrter Holmes! Stopp. Habe alles im Griff. Stopp. Puzzle setzt sich langsam zusammen. Stopp. Hat aber wesentlich mehr Teile, als ich dachte. Stopp.» Der Hund der Baskervilles, Theater der Jugend, Wien 34 www.rowohlt-theater.de E ine riesenhafte Bestie treibt in den Sümpfen Dartmoors ihr Unwesen, ein leuchtender Geis­ terhund, der die Männer der Familie Baskerville in den Tod hetzt. Natürlich glaubt niemand einen solchen Unsinn – aber warum liegt dann die Lei­ che von Sir Charles Baskerville mit angstverzerr­ tem Gesicht im Moor? Und warum benehmen sich ausnahmslos alle so überaus verdächtig, wenn man doch nur auf vernünftige Weise einen Mord auf­ klären möchte? Der arme Watson, Holmes treuer, stets gedemütigter Begleiter, hat es nicht leicht, hat Holmes ihm doch überschwänglich sein vollstes Vertrauen ausgesprochen und ihn allein in die tiefs­ te Provinz geschickt, um der ganzen Sache auf den Grund zu gehen. Aber zwischen dem unheimlichen Dienstbotenpaar, dem jovialen Erben und, nicht zu vergessen, der überaus schönen Beryl Stapleton, die mit ihrem Bruder im Moor angeblich einen Natur­ führer verfasst, ist Watson heillos überfordert. Zu allem Überfluss treibt auch noch der entflohene Dartmoor-Schlitzer sich in der Gegend herum, der Holmes blutige Rache geschworen hat. So greift Watson nach dem letzten Strohhalm und erklärt kurzerhand den Kutscher zum Mörder, bis Sherlock Holmes ihm in genialer Verkleidung beispringt und die verwickelten Fäden entwirrt. «Thomas Birkmeir hat … den berühmten Roman sehr klug und witzig für die Bühne adaptiert.» (Kurier) «Nach zwei spannungsgeladenen Stunden wird das Rätsel gelöst sein: in Birkmeirs exzellen­ ter Bearbeitung von Ar­ thur Conan Doyles klas­ sischem Kriminalroman sogar mit einer überra­ schenden Schlusspointe, die das althergebrachte Gut-versus-Böse-Schema listig relativiert … Ein un­ terhaltsamer, vom ersten bis zum letzten Moment begeisternder Theater­ abend.» (Wiener Zeitung) KLASSIKER Ödipus Stadt, Theater St. Gallen JOHN VON DÜFFEL ■ Nach Ödipus Stadt und Orest hat John von Düffel zwei weitere Bearbeitungen antiker Stoffe geschrieben. Antigone, das Aischylos’ Sieben gegen Theben, Euripides’ Die Phönizierinnen und Sophokles’ Anti­ gone ineinanderblendet, hat im November 2014 am Theater Heilbronn Premiere. Die Bakchen (Pussy Riot) nach Euripi­ des wird erstmals im April 2015 am Theater Ulm gezeigt. ■■ Antigone nach Sophokles, Euripides und Aischylos Bearbeitung: John von Düffel Interlinear-Über­ setzung: Gregor Schreiner Ilias, Konzert Theater Bern ■ Orest, basierend auf drei Stücken von Sophokles, Aischylos und Euripides und im September 2013 am Residenztheater München erstaufgeführt (Re­ gie: David Bösch), wurde in der aktuellen Saison am Prinz Regent Theater Bochum nachgespielt (Regie: Sibylle Broll-Pape). Ödipus Stadt, das im August 2012 am Deut­ schen Theater Berlin Premiere hatte und seither auf zahlreichen internationalen Festivals gastierte (Re­ gie: Stephan Kimmig), hatte im Mai 2014 Schweizer Erstaufführung am Theater St. Gallen (Regie: Katja Langenbach): «Vier griechische Tragödien hat John von Düffel konzentriert zur düsteren Chronik eines fluchbeladenen Geschlechts – Sprachduktus und weitgehend die Versform wahrend, doch die weit­ läufig geschilderten Handlungsstränge verknap­ pend … Der Schrecken hat viele Töne in dieser In­ szenierung, welche die Texte genau aushorcht und mit allen Sinnen erfahrbar macht … Gespenstisch und doch beängstigend gegenwärtig.» (Südkurier) «Ein Abend, spannend wie ein Krimi, der jede Familien-Politserie übertrifft.» (St. Galler Tagblatt) In dieser Saison wird Ödipus Stadt nachgespielt am neuen theater, Halle (Regie: Wolfgang Engel), Staatstheater Nürnberg (Regie: Klaus Kusenberg) und am Theater Lübeck (Regie: Pit Holzwarth). 3D – 6H EA: 22.11.2014 Theater Heilbronn (Regie: Johanna Schall) R AOUL SCHROT T ■ Raoul Schrotts sprachgewaltige Neudichtung von Homers Ilias, die im Oktober 2011 in der Regie von Volker Lösch am Staatstheater Stuttgart urauf­ geführt wurde und danach auch die Basis für Mat­ thias Hartmanns Projekt Das Trojanische Pferd am Wiener Burgtheater war, hatte im September 2014 Schweizer Erstaufführung am Konzert Theater Bern (Regie: Volker Hesse): «Hesse erleichtert das Verständnis (des komplexen Stoffs), indem er die moderne Homer-Übersetzung von Raoul Schrott verwendet.» (Bündner Tagblatt) «3000 Jahre alt ist der gewaltige Text und in der Nachdichtung des österreichischen Autors Raoul Schrott wunderbar zeitgemäß und unverkrampft.» (Tages-Anzeiger) Im Oktober 2014 hatte die Ilias von Homer / Schrott außerdem Premiere am Oldenburgischen Staatstheater (Regie: Tim Tonndorf). ■ Außerdem vertritt der Rowohlt Theater Verlag die Theaterrechte an Raoul Schrotts «grandioser Neuübersetzung des Gilgamesh-Epos» (Frank­ furter Rundschau), uraufgeführt im März 2002 am Burgtheater Wien (Regie: Theu Boermans), sowie an seiner Neuübersetzung von Euripides’ Alkestis, deren Erstaufführung im November 2009 am Baye­ rischen Staatsschauspiel (Residenztheater) Mün­ chen war (Regie: Dieter Dorn). ■■ Die Bakchen (Pussy Riot) nach Euripides Bearbeitung: John von Düffel Interlinear-Über­ setzung: Gregor Schreiner 3D – 4H EA: 16.04.2015 Theater Ulm (Regie: Andreas von Studnitz) Mehr zu John von Düffel siehe S. 9 Homer ■■ Ilias Übertragen von Raoul Schrott Besetzung variabel www.rowohlt-theater.de 35 STOFFRECHTE · BEARBEITUNGEN ERICH M ARIA REM ARQUE Der schwarze Obelisk* D Erich Maria Remarque ■■ Der schwarze Obelisk U der Fassung von Carsten Golbeck: 31.01.2015 Theater Osnabrück (Regie: Marco Štorman) Der Roman Der ­schwarze Obelisk ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Imre Kertész ■■ Liquidation (Felszámolás) Deutsch von Laszlo Kornitzer und Ingrid Krüger Bühnenfassung von Stephanie Mohr und Michael Billenkamp 1D – 2H DSE: 14.11.2014 Schauspiel Frankfurt (Regie: Stephanie Mohr) Der Roman Liquidation ist im Rowohlt Verlag erschienen. * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor. 36 www.rowohlt-theater.de as Inflationsjahr 1923. Es ist die Zeit der Spekulan­ ten und Schieber, der kleinen Front, Thalia Theater Hamburg Beamten und großen Kaufleu­ te, der verarmten Rentner und Kriegsversehrten, einer Gesellschaft in mo­ ralischer Auflösung. Eine ganze Generation hat auf bittere Weise gelernt zu überleben – aber nicht, sich im Leben zurechtzufin­ den. Wie Ludwig, der im Krieg wie so viele andere seine Jugend verlor und nicht weiß, wo er hingehört. Auf der Suche nach Liebe und einem Platz im Leben begegnet er der schönen, aber schizophrenen Isabelle. ■ Im März 2014 war die Premiere von Front nach Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues (Regie: Luk Perceval) am Thalia Theater Hamburg in Koproduktion mit dem NT Gent. Die «vielschichtig collagierte Bühnen-Installation» (Theater heute) ist seitdem auf Tournee in vielen Städten Europas zu sehen. «Eine Kriegs­ bericht­ erstattung der düstersprachmusikalischen Art, … die den Krieg beklemmend, berührend, mitunter auch bombastisch beschwört: In Stimmgewittern.» (Süddeutsche Zeitung) «Was wir erfahren, erfahren wir aus den Zeugnissen der Gefallenen … Die Toten haben das Wort, und über ihre Stimmen lagert sich der Klang des Krieges, ein Ton wie aus Erz.» (Die Zeit) «Ein Klagegesang über den Krieg … Am stärksten ist Percevals Abend da, wo er sich ganz auf den Text konzentriert.» (Der Spiegel) Weitere Inszenierungen von Im Westen nichts Neues hatten oder haben Premiere u. a. am Jungen Theater Göttingen (Regie: Nico Dietrich und Tobias Sosin­ ka), Staatsschauspiel Hannover (Regie: Lars-Ole Walburg), Staatstheater Braunschweig (Regie: Ni­ colai Sykosch), Schlosstheater Celle (Regie: N.N.), Badischen Staatstheater Karlsruhe (Regie: Ulrike Stöck) und Schauspielhaus Bochum (Regie: Hen­ ner Kallmeyer). IMRE KERTÉSZ Liquidation S pätnachts auf einer Sil­ vesterfeier im kommu­ nistischen Ungarn spielt man Lagerpoker – statt Geld, das keiner hat, setzt jeder Spieler den Namen des Lagers, in dem er in­ haftiert war. Der Schriftsteller B. steigt vorzeitig aus: Sein Trumpf ist unschlagbar, ist er doch 1944 in Auschwitz geboren. Gegen jede Wahrscheinlich­ keit entkommt er dem Tod im Nationalsozialismus, die folgende Diktatur überlebt er aus einem trotzi­ gen inneren Widerstand heraus: Selbstmord unter diesen Umständen wäre Desertion. 1990 jedoch, nach der Wende, als es nichts mehr gibt, wogegen es sich zu überleben lohnt, bringt er sich um. In seinem Nachlass stößt sein Freund und Lektor Keserü auf ein Theaterstück, Liquidation, das mit unheimlicher Genauigkeit vorhersieht, wie seinen Freunden in der ­neuen, scheinbaren Freiheit Sinn und Zusammenhalt verlorengehen. Was Keserü nicht findet, obwohl er verzweifelt danach sucht, ist das Manuskript von B.s großem nachgelassenen Roman, das Werk, von dem er hofft, dass es ihm er­ lauben wird weiterzuleben. Überzeugt davon, dass B. das Manuskript seiner Ex-Frau Judit übergeben hat, bedrängt er sie heftig – und zerstört damit das kleine private Glück, das sie sich trotz B.s Negation des Lebens endlich erkämpft hatte. «Liquidation ist eine erzählerische Selbstentfesse­ lung, in der Kertész seine Dialektik vom Untergang und Überleben der traumatischen Wirklichkeit in der Literatur spielerischer und befreiter als je zuvor entfaltet.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) STOFFRECHTE · BEARBEITUNGEN gungen, die unsere hochgerüstete Konsumgesell­ schaft ihren Mitgliedern zufügt … Es kann Melle nicht hoch genug angerechnet werden, dass er hier weder im Namen eines mitfühlenden Sozialrealis­ mus schreibt noch in einem Ton, der die Kaputtheit der Figuren zelebriert und darauf mächtig stolz ist.» (Die Zeit) Thomas Melle ■■ 3000 Euro U: 08.05.2015 Theater Bremen (Regie: Anne Sophie Domenz) Der Roman 3000 Euro ist im Rowohlt Berlin Verlag erschienen. OLGA GR JASNOWA THOM AS MELLE 3000 Euro* A nton war mal ein Über­ flieger, Arbeiterkind mit Einserabitur, hoff­ nungsvoller Jurastudent. Bis die anderen sich auf Prüfungen und Karriere konzentrierten und er einfach weiterfeierte. Jetzt haust er in einem Wohnheim inmitten ungeöffneter Mahnungen und wartet auf seinen Gerichtstermin. Es geht um 3000 Euro Schulden, für andere ein Klacks, für ihn, der Flaschen sammelt und dem das Geld, wenn er welches hat, nur so durch die Finger rinnt, eine un­ erreichbare Summe. 3000 Euro fehlen auch Denise: So viel hatte man ihr versprochen für den Pornodreh, nur ein paar kurze Videos im Internet, auf die sie sich einge­ lassen hatte, um den Dispo zu tilgen, aus dem ihr Kassiererinnengehalt sie nicht ziehen kann. Und vielleicht, um einmal von der Reise nach New York nicht mehr nur träumen zu müssen, einmal raus­ zukommen aus dem ewigen Gerenne zwischen Job und der sechsjährigen Tochter Linda. Aber das Geld kommt nicht, und in den Blicken der Männer an ihrer Kasse sucht und fürchtet Denise das auf­ flackernde Wiedererkennen. Nur bei Anton nicht, der regelmäßig seine Pfandbons bei ihr einlöst. Fast gegen ihren Willen nähern Denise und Anton sich einander an. Dann verliert Anton seinen Prozess, und auf Denises Konto geht endlich ihr Geld ein … 3000 Euro ist «ein die zeitgenössische Allgegenwart sozialer Unsicherheit zum poetischen Prinzip er­ hebendes Kunstwerk, das zugleich aufrüttelt und niederschmettert … Ein großer, ja ein preiswürdi­ ger Roman im Sound einer ganzen Generation.» (Neues Deutschland) «Melles neuer Roman ist ein brutales Buch. Eines, das von der Ungeborgenheit des modernen Individuums erzählt, von Erniedri­ Die juristische Unschärfe einer Ehe* L eyla wollte immer nur eins: Tan­ zen. Doch nach einem Unfall muss sie das Bolschoi-Theater in Moskau verlassen. Altay ist Psychia­ ter. Nachdem sich seine große Liebe umgebracht hat, lässt er keinen Mann mehr an sich heran. Altay und Leyla führen eine Scheinehe, um ihre Familien ruhigzustellen. Als die beiden mit Mitte zwanzig in Berlin von vorne anfangen, tritt die ebenso junge Jonoun in ihr Leben. «Grjasnowa entfaltet in ihrem lakonischen Stil eine unerbittli­ che Dreiecksgeschichte» (Hamburger Abendblatt), in deren Verlauf die Figuren auf eine Reise in über­ raschende Gefilde aufbrechen. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2014 Olga Grjasnowa ■■ Die juristische Unschärfe einer Ehe Der Roman Die juristische Unschärfe einer Ehe ist im Hanser Verlag erschienen. «In einer Mischung aus Tragikomödie, Road-Novel und Elegie treibt Grjasnowa ihre Versuchsanord­ nung in ein größeres Format. Die juristische Un­ schärfe einer Ehe ist ein kraftvoll überdrehter, hoch aktueller Roman. Formbewusst wirft er ernstzu­ nehmende Fragen auf: Wie kann man sein Leben gestalten, wenn man nirgends zu Hause ist – nicht einmal im eigenen Körper? Und woran soll man sich orientieren, wenn selbst die Religion nur noch ein Vorwand für Gewalttätigkeiten ist?» (Süd­ deutsche Zeitung) «Grjasnowa erzählt prägnant, sinnlich-anschaulich und mit Verve. Der Reigen fügt sich wie von selbst zum Generationenporträt. In Altays und Leylas kaukasischem Kreidekreis ist letzten Endes nur Platz für zwei – oder drei. Wie schön: Vater, Mutter, Kind als postheteronormative Musterfamilie.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) ■ Die Uraufführung von Olga Grjasnowas Roman Der Russe ist einer, der Birken liebt war in der Fassung von Yael Ronen und Irina Szodruch im November 2013 am Maxim Gorki Theater, Ber­ lin (Regie: Yael Ronen). «Ronen lässt Klischees und Identitätskonstruktionen ineinander crashen, mit sichtlicher Lust am lauten Aufprall. Und zwar * Diese Titel liegen nicht als Textbuch vor. www.rowohlt-theater.de 37 STOFFRECHTE · BEARBEITUNGEN Robert Seethaler, geboren in Wien, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Schau­ spieler. Für seine Werke wurde er u. a. mit dem Tank­ red-Dorst-Drehbuchpreis, dem Debütpreis des Bud­ denbrookhauses und dem Staatsstipendium der öster­ reichischen Bundesregierung ausgezeichnet. so lange, bis auch das letzte Stereo­ typ sorgfältig in seine unbrauchbaren Einzelteile zerlegt wurde.» (Der Tages­ spiegel) «Der Russe ist einer, der Birken liebt als lässig und genau dif­ ferenzierendes Erzähltheater mit richtigen Menschen − und ohne Angst vor dem Klischee.» (Berliner Zeitung) ROBERT SEETHALER Michael Köhlmeier Joel Spazierer Robert Seethaler ■■ Der Trafikant Der Roman Der Trafikant ist im Verlag Kein & Aber ­erschienen. Robert Seethaler ■■ Ein ganzes Leben Der Roman Ein ganzes Leben ist im Hanser Verlag erschienen. * Diese Titel liegen nicht als Textbuch vor. 38 www.rowohlt-theater.de Der Trafikant* Die Abenteuer des Joel Spazierer* R «Das hier ist ein Schelmenroman, alles ist ­möglich, alles ist erfunden und wahr zugleich.» ■■ Die Abenteuer des Der Roman Die Abenteuer des Joel Spazierer ist im Hanser Verlag erschienen. MICHAEL KÖHLMEIER Die Welt I ch besaß nie den Ehrgeiz, ein guter Mensch zu werden.» Joel Spazierer, geboren 1949 in Buda­ pest, wächst bei seinen Großeltern auf und ist vier Jahre alt, als sie von Stalins Schergen abgeholt wer­ den. Fünf Tage und vier Nächte verbringt er allein in der Wohnung, es fehlt ihm an nichts, er ist zufrie­ den. Eher zufällig findet ihn seine Mutter, die noch Studentin ist. Joel lernt nie, was gut und böse ist. Sein Aussehen, sein Charme, seine Freundlichkeit öffnen ihm jedes Herz. Er lügt, stiehlt und mor­ det, ändert seinen Namen und seine Identität und betreibt seine kriminelle Karriere in vielen euro­ päi­schen Ländern. Die Geschichte, die er uns ganz unschuldig erzählt, ist ein Roman über die Nacht­ seiten unserer Gesellschaft, wie es noch keinen gab. «Köhlmeier ist das Kunststück gelungen, das Psy­ chogramm eines wahrhaft bösen Buben zu zeich­ nen, der trotzdem sympathisch ist. Zum anderen entwirft er mit leichter Hand einen Abriss europäi­ scher Geschichte der vergangenen 60 Jahre.» (Süd­ deutsche Zeitung) «Wie kommt man darauf, sich so ein liebenswertes Monster auszudenken? Wir bangen und hoffen, Spazierer möge es noch einmal schaffen, entkommen, überleben. Auch wenn er da­ für noch einen Mord begehen muss.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) obert Seethaler erzählt die Geschichte von Franz, Freud und Anezka im Wien der 1930er Jahre. Der 17-jährige Franz Huchel verlässt 1937 sein Heimatdorf, um in Wien als Lehrling in ­einem Tabak- und Zeitungsgeschäft sein Glück zu suchen. Dort begegnet er dem Stammkunden Sigmund Freud und ist sofort fasziniert von dessen Aus­ strahlung. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Männern. Als sich Franz in die Varietétänzerin Anezka verliebt und in eine tiefe Verunsicherung stürzt, sucht er Rat bei Professor Freud. Dabei stellt sich jedoch heraus, dass dem berühmten Psychoanalytiker das weibliche Ge­ schlecht ein ebenso großes Rätsel ist wie Franz. Ohnmächtig sind beide auch angesichts der sich dramatisch zuspitzenden politisch-gesellschaftli­ chen Verhältnisse … «Ein Buch über Freundschaft in schwerer Zeit und darüber, wie man Mensch bleibt, auch wenn der Abschaum regiert. Ein großartiger Roman.» (WDR) «Seethaler hat eine wunderbare, mit viel Leichtigkeit und Witz erzählte Adoleszenzge­ schichte geschaffen – dahinter ist aber immer das dunkle Donnergrollen der schweren Zeit hörbar, die sich in Wien ankündigt.» (kulturtipp) Ein ganzes Leben* A ls Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt, ungefähr – so genau weiß das keiner. Er wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran und schließt sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut und mit der Elek­ trizität auch das Licht und den Lärm in das Tal STOFFRECHTE · BEARBEITUNGEN bringt. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens, die er jedoch wieder verlieren wird. Erst viele Jah­ re später, als Egger seinen letzten Weg antritt, ist sie noch einmal bei ihm. Und er, über den die Zeit längst hinweggegangen ist, blickt mit Staunen auf die Jahre, die hinter ihm liegen. «Ein ganzes Leben auf nur 150 Seiten, die jeden in den Bann ziehen, weil sie das Schwerste, auch den Tod, mit melancholischer Leichtigkeit erzählen.» (ZDF, das blaue sofa) «So distanziert und ruhig Seethalers Sprache auch daherkommt, so plastisch, anschaulich und sinnlich erfasst sie die Welt.» (die tageszeitung) JULIA ALBRECHT / CORINNA PONTO Patentöchter 3 0. Juli 1977: Jürgen Ponto empfängt Susanne Albrecht, die Tochter seines Jugendfreun­ des Hans-Christian Albrecht, in seinem Haus in Oberursel. Ihre Begleiter Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar schießen auf Ponto. Co­ rinna, seine Tochter, ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, Julia, Susannes Schwester, 13 Jahre. 30 Jahre nach dem Mord nimmt Julia Albrecht – die Patentochter Jürgen Pontos – Kontakt auf zu Corin­ na Ponto – der Patentochter von Hans-Christian Albrecht. Ein Briefwechsel entspinnt sich, eine erste Begegnung findet statt. Im Mittelpunkt ih­ res daraus hervorgegangenen Buches stehen die Geschichte der RAF und der Umgang damit, die Fragen nach Schuld und den Hintergründen der Täterschaft, nach den Möglichkeiten von Aufarbei­ tung und Versöhnung. Und beide Frauen tauschen sich darüber aus, wie man mit den eigenen Kindern über diesen Teil der deutschen Geschichte spricht, der auch Teil der Geschichte ihrer Familien ist. Mirko Böttcher hat aus Patentöchter eine «Theater­ fassung gemacht, die dieses denkwürdige Verhält­ nis von Opferangehörigen und Täterangehörigen untersucht» (Nachtkritik). «Ein sehr berührender, intimer Dialog … (dessen) Wirksamkeit darin besteht, dass eben nicht aufklärerisch dokumen­ tiert wird, sondern Nachgeborene schildern, aus­ drücken, wie sie emotional mit dem historischen Geschehen umgehen und wie die Geschichte mit ihnen umgeht.» (Theater der Zeit) SVEN REGENER Magical Mystery* «Magical Mystery Tour? War die nicht von den Beatles? Und ist das damals nicht irgendwie in die Hose gegangen?» A ls Karl Schmidt, Opfer eines depressiven Nervenzusammenbruchs am Tag der Mauer­ öffnung, nach Jahren der Versenkung von alten Kumpels zufällig in Hamburg als Bewohner einer drogentherapeutischen Einrichtung wiedergefun­ den wird, ist das der Anfang einer seltsamen Zu­ sammenarbeit: Die alten Freunde, mittlerweile zu Ruhm und Reichtum gelangt, wollen mit ihrem Techno-Label auf einer DJ-Tour durch Deutsch­ land den Rave der 90er Jahre mit dem Hippie­ geist der 60er versöhnen und brauchen dazu ­einen Fahrer, der immer nüchtern bleiben muss. Das kommt Karl Schmidt gerade recht, denn der hat keine Lust mehr, sich in einer Parallelwelt aus Drogen-WG, Hilfshausmeisterjob und gruppendy­ namischen Wochenendausflügen zu verschanzen. Und so beginnt eine Reise durch ein Land und eine Zeit im Umbruch, unternommen von einer Hand­ voll Techno-Freaks, betreut von einem psychisch labilen Ex-Künstler, für den dies der Weg zurück in ein unabhängiges Leben sein soll. «Wie Karl Schmidt durch diesen hedonistischen Hindernisparcours gelangt, das ist große Satire … (ein) herrlich nüchterner Schelmenroman über das Mittelalter der Popmusik.» (Süddeutsche Zeitung) «Regener ist auf der Höhe seiner Unterhaltungs­ kunst … seine Dialoge sind brillant, umwerfend komisch.» (Deutschlandradio) «Regener versteht sich in der hohen Kunst der Unterhaltung. Und er kann Dialoge wie kaum jemand in Deutschland schreiben.» (Der Tagesspiegel) «Noch nie war er so in seinem Element wie in Magical Mystery.» (die tageszeitung) Julia Albrecht / Corinna Ponto ■■ Patentöchter Bühnenfassung: Mirko Böttcher 2D U: 07.11.2013 Theater unterm Dach, Berlin, in Koproduktion mit dem Schlosstheater Celle (Regie: Mirko Böttcher) Das Buch Patentöchter. Im Schatten der RAF – ein Dialog ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Sven Regener ■■ Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt U: 03.05.2015 Altonaer Theater, Hamburg (Regie: Mona Kraushaar) Der Roman Magical Mystery ist im Galiani Verlag erschienen. * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor. www.rowohlt-theater.de 39 STOFFRECHTE · BEARBEITUNGEN Florian David Fitz ■■ vincent will meer 2D – 3H U: 22.03.2014 Hessisches Staats­ theater Wiesbaden (Regie: Dirk Schirdewahn) FLORIAN DAVID FITZ vincent will meer E Florian David Fitz ist Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur. vincent will meer war sein erstes Drehbuch. Bei der Komödie Jesus liebt mich nach dem gleichnamigen Roman von David Sa­ fier, die 2012 in die Kinos kam, schrieb Flo­ rian David Fitz ebenfalls das Drehbuch und spielte die männliche Hauptrolle, führte aber auch zum ersten Mal Regie. s war der letzte Wunsch von Vincents Mutter: noch einmal ans Meer. Deshalb ist Vincent jetzt fest entschlossen, zumindest ihre Asche an die italienische Küste zu bringen. Zuerst einmal muss er aber aus der psychiatrischen Klinik raus, in die ihn sein Vater verfrachtet hat. Der ist näm­ lich aufstrebender Lokalpolitiker mitten im Wahl­ kampf, und ein erwachsener Sohn mit TouretteSyndrom ist das Letzte, was er gebrauchen kann. Zusammen mit der magersüchtigen Marie und dem zwangsneurotischen Alex klaut Vincent das Auto der Ärztin Dr. Rose und macht sich auf die Reise – verfolgt von Dr. Rose, die sich um ihre Patienten sorgt, und von Vincents Vater, der seine Karriere gefährdet sieht. Doch der Aufbruch ins Ungewis­ se birgt große Herausforderungen: Alex fürchtet sich vor Bakterien, Marie vor Nahrung, und beide fürchten den Kontrollverlust. So entstehen Mo­ mente von großer Zartheit und absurder Komik, aber auch existenzieller Not. Keiner der drei ist es gewohnt, auf sich selbst gestellt zu sein, und wäh­ rend Vincent und Alex massiv in Streit geraten, wird Maries Nahrungsverweigerung lebensbedrohlich. Florian David Fitz’ Drehbuch wurde mit ihm in der Titelrolle mit großem Erfolg verfilmt und unter anderem mit dem Bayerischen Filmpreis für das beste Drehbuch ausgezeichnet sowie mit dem Jupiter Award als bester Film. «Die Ausgangslage klingt nach Tra­ gödie und Sozialdrama. Und doch ist Florian David Fitz eine subtile Komö­ die gelungen.» (Frankfurter Allgemei­ ne Zeitung) vincent will meer, Hessisches Staatstheater Wiesbaden 40 www.rowohlt-theater.de UR- UND ERSTAUFFÜHRUNGEN Spielzeit 2014 / 15 Uraufführungen: Jörg Albrecht ■■ ANARCHIE IN RUHRSTADT* John von Düffel ■■ ANTIGONE nach Sophokles, Euripides und Aischylos Theater Heilbronn 22.11.2014 Regie: Johanna Schall John von Düffel ■■ DIE BAKCHEN (PUSSY RIOT) Theater Oberhausen in Koproduktion mit Ringlokschuppen Mülheim 12.09.2014 Regie: Steffen Klewar nach Euripides Theater Ulm 16.04.2015 Regie: Andreas von Studnitz Thomas Arzt Thomas Freyer ■■ JOHNNY BREITWIESER Schauspielhaus Wien 28.11.2014 Musik: Jherek Bischoff; Regie: Alexander Charim Sibylle Berg ■■ VIEL GUT ESSEN Schauspiel Köln 18.10.2014 Regie: Rafael Sanchez Sibylle Berg ■■ MEIN ZIEMLICH SELTSAMER FREUND WALTER Kunststiftung NRW / Consol Theater, Gelsen­ kirchen 09.11.2014 Regie: Andrea Kramer ■■ MEIN DEUTSCHES DEUTSCHES LAND Staatsschauspiel Dresden 04.12.2014 Regie: Tilmann Köhler Thomas Freyer ■■ THIS IS FOR EVERYONE (Arbeitstitel)* Staatstheater Braunschweig 24.04.2015 Regie: Ulrike Hatzer David Gieselmann ■■ DIE OPPELTS HABEN IHR HAUS VERKAUFT Theater Bielefeld 06.09.2014 Regie: Christian Schlüter David Gieselmann ICH HAB BLOSS ZUCKER* ■■ CONTAINER PARIS Schauspiel Frankfurt 19.12.2014 Regie: Christian Brey Theaterei Herrlingen 17.04.2015 Regie: N. N. ■■ DAS GEMEINDEKIND Renate Bergmann ■■ ICH BIN NICHT SÜSS, John von Düffel ■■ DIE WANDLUNG DER SUSANNE DASSELDORF nach dem gleichnamigen Roman von Joseph Breitbach Theater Koblenz 20.09.2014 Regie: Markus Dietze John von Düffel ■■ DAS PERMANENTE WANKEN UND SCHWANKEN VON EIGENTLICH ALLEM nach John von Düffels «Wassererzählungen» Hans Otto Theater, Potsdam 14.11.2014 Regie: Tobias Wellemeyer Anne Habermehl (Arbeitstitel)* Schauspielhaus Wien 05.03.2015 Musik: Gerald Resch; Regie: Rudolf Frey Händl Klaus ■■ WILDE (Mann mit traurigen Augen) Schwetzinger SWR Festspiele 22.05.2015 Musik: Hèctor Parra; Regie: Calixto Bieito Wolfgang Herrndorf ■■ BILDER DEINER GROSSEN LIEBE* Bühnenfassung von Robert Koall Staatsschauspiel Dresden 01.03.2015 Regie: Jan Gehler Elfriede Jelinek ■■ STRAHLENDE VERFOLGER. Deutsches Schauspielhaus Hamburg 20.09.2014 Regie: Karin Beier Tina Müller ■■ DIE GUTE STADT* Theater Freiburg 13.06.2015 Musik: Sinem Altan; Regie: Thalia Kellmeyer Laura Naumann Thilo Reffert ■■ RONNY VON WELT Landestheater Tübingen 18.04.2015 Regie: Michael Miensopust Sven Regener WUNSCHKONZERT (Arbeitstitel)* ■■ MAGICAL MYSTERY* Altonaer Theater 03.05.2015 Regie: Mona Kraushaar Münchner Kammerspiele 27.09.2014 Regie: Johan Simons Theater Bielefeld 07.02.2015 Regie: Ivna Žic ■■ DER SCHWARZE Siegfried Lenz Nolte Decar Elfriede Jelinek ■■ DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN ■■ DEUTSCHSTUNDE a.gon Theaterproduktion 04.11.2014 Regie: Stefan Zimmer­ mann Philipp Löhle ■■ PETERCHENS MONDFAHRT nach Gerdt von Bassewitz Theater Baden-Baden 02.11.2014 Regie: Philipp Löhle Philipp Löhle ■■ NUR DAS GUTE, NICHT DAS SCHLECHTE (Arbeitstitel)* Hessisches Staatstheater Wiesbaden 12.04.2015 Regie: Jan Philipp Gloger Philipp Löhle ■■ JEDE STADT BRAUCHT IHREN HELDEN Deutsches Theater Berlin 08.05.2015 Regie: Daniela Löffner Joachim Lottmann ■■ ENDLICH KOKAIN* Theater Bremen 25.04.2015 Regie: Pedro Martins Beja Thomas Melle ■■ 3000 EURO* Theater Bremen 08.05.2015 Regie: Anne Sophie Domenz Tuğsal Moğul ■■ AUCH DEUTSCHE UNTER DEN OPFERN (Arbeitstitel)* Theater Münster 17.01.2015 Regie: Tuğsal Moğul ■■ GLOBAL ■■ DAS TIERREICH Schauspiel Leipzig 03.10.2014 Regie: Gordon Kämmerer Nolte Decar ■■ DER VOLKSHAI (Arbeitstitel)* Theater Bonn 24.01.2015 Regie: Matthias Rippert René Pollesch ■■ HOUSE FOR SALE* Volksbühne Berlin 10.09.2014 Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ DU WEISST EINFACH NICHT, WAS DIE ARBEIT IST* Staatstheater Stuttgart 04.10.2014 Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ ROCCO DARSOW* Deutsches Schauspielhaus Hamburg 12.12.2014 Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ NOCH OHNE TITEL* Volksbühne am RosaLuxemburg-Platz, Berlin 11.03.2015 Musik: Dirk von Lowtzow; Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ LOVE / NO LOVE* Schauspielhaus Zürich Mai 2015 Regie: René Pollesch Thilo Reffert ■■ PINOCCHIO nach Carlo Collodi Theater Koblenz 22.11.2014 Regie: Astrid Griesbach Erich Maria Remarque OBELISK* Bühnenfassung von Carsten Golbeck Theater Osnabrück 31.01.2015 Regie: Marco Štorman Oliver Schmaering ■■ WIR* Theater Rampe, Stuttgart 29.04.2015 Regie: Christina Paulhofer Semiya Simsek ■■ SCHMERZLICHE HEIMAT* Theater Hof in ­Kopro­duk­tion mit dem Westfälischen Landestheater 03.10.2014 Regie: Christian Scholze Tim Staffel ■■ CAMP CÄSAR junges theater basel 07.09.2014 Regie: Daniel Wahl Ulrike Syha ■■ REPORT Schauspiel Leipzig 28.02.2015 Regie: Michael Talke Stefanie de Velasco ■■ TIGERMILCH* Schauspiel Hannover 18.10.2014 Regie: Babett Grube David Wagner ■■ LEBEN* Theater Basel 20.05.2015 Regie: N. N. Theresia Walser ■■ HERRINNEN Nationaltheater Mannheim 29.10.2014 Regie: Burkhard C. Kosminski Die mit * markierten Titel liegen nicht oder noch nicht als Textbuch vor. www.rowohlt-theater.de 41 UR- UND ERSTAUFFÜHRUNGEN Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ SIEGFRIED Münchner Volkstheater 19.03.2015 Regie: Christian Stückl Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ DIE ZEHN GEBOTE Theater Kiel 22.05.2015 Regie: Daniel Karasek Erstaufführungen: Paul Auster ■■ WINTERJOURNAL* Theater Bielefeld 07.11.2014 Regie: Christian Schlüter Jeff Baron ■■ MISCHPOKE Neues Schauspiel Ensemble, München 05.12.2014 Regie: Michael Stacheder Adam Cass ■■ ICH LIEBE DICH, MANN Uckermärkische Bühnen Schwedt 25.02.2015 Regie: N. N. Philippe Claudel ■■ RED DU MIR VON LIEBE! Theater Basel 12.10.2014 Regie: Ulrich Lampen 42 www.rowohlt-theater.de Anna Jablonskaja ■■ FAMILIENSZENEN Landestheater Niederösterreich, St. Pölten 14.03.2015 Regie: Sarantos Zervoulakos Imre Kertész ■■ LIQUIDATION Bühnenfassung von Stephanie Mohr und Michael Billenkamp Schauspiel Frankfurt 14.11.2014 Regie: Stephanie Mohr Finegan Kruckemeyer ■■ EINE LACHT, EINE WEINT, EINE BLEIBT Theaterhaus Frankfurt 28.09.2014 Regie: Rob Vriens Rodman Philbrick ■■ FREAK* Theater der Jugend, Wien 21.04.2015 Regie: Sandra Cervik Lars von Trier ■■ ANTICHRIST Theater Lübeck 23.01.2015 Regie: Carina Riedl Oscar van Woensel ■■ ÖDIPUS Theater Bremen 27.09.2014 Regie: Frank Abt Die mit * markierten Titel liegen nicht oder noch nicht als Textbuch vor. Impressum: Bildnachweise: Matthias Horn (Cover: Szenenfoto aus Herein! Herein! Ich atme euch ein! von René Pollesch, Schauspielhaus Zürich) Karin Rocholl (S. 1 oben) Klaus Lefebvre (S. 1 unten) Thomas Aurin (S. 2) Katja Hoffmann (S. 3 links) Ekko von Schwichow (S. 3 rechts) David Finck (S. 4 links) Martin Klimas (S. 4 rechts) Kerstin Schomburg (S. 5 links) Christian Kleiner (S. 5 rechts) Ute Langkafel Maifoto (S. 6 oben) Nicole Gräter (S. 6 unten) Matthias Horn (S. 7) Fernando Perez Re (S. 8 links) Annette Boutelier (S. 8 rechts) Katja von Düffel (S. 9) Matthias Baus (S. 10) Freese / drama-berlin.de (S. 11 links) Philipp Ottendörfer (S. 12) Nina Grünberger (S. 13 oben) Christian Kleiner (S. 13 unten) Thilo Beu (S. 14 links) Reinhard Werner (S. 14 rechts) Beowulf Sheehan (S. 15 oben) Achim Hehn (S. 15 unten) Theater Operation (S. 16) Martin Skoog (S. 17 oben) Petra Hellberg (S. 17 unten) picture alliance (S. 18) Leif Hansen (S. 19 oben links) Eline Hensen (S. 19 oben rechts) Ute Langkafel Maifoto (S. 19 unten) Laura Malmivaara (S. 20 links) Katrin Ribbe (S. 22 oben) Stephan Cummiskey (S. 22 unten) Katrin Ribbe (S. 23) David Baltzer (S. 24) Barbara Palffy (S. 27 unten) Ekko von Schwichow (S. 28 links) Katja Hoffmann (S. 28 rechts) Uwe Heinrich (S. 29 unten) Dennis Pauls (S. 30) Kay Meyer (S. 31 links) Stefan Klüter (S. 31 rechts) Meyer Originals (S. 32 links) Joachim Gern (S. 32 rechts) Dirk Richard Heidinger (S. 33 links) Matthias Horn (S. 33 rechts) Fernando Perez Re (S. 34 links) Rita Newman (S. 34 rechts u. unten) Theater St. Gallen, Tine Edel (S. 35 links) Katja von Düffel (S. 35 oben) Peter-Andreas Hassiepen (S. 35 rechts) Philipp Zinniker (S. 35 unten) Erich Maria Remarque-Friedenszentrum Osnabrück (S. 36 oben links) Armin Smailovic (S. 36 oben rechts) Isolde Ohlbaum (S. 36 unten) Karsten Thielker (S. 37 links) René Fietzek (S. 37 rechts) Peter-Andreas Hassiepen (S. 38 links) Annette Pohnert (S. 38 rechts) Charlotte Goltermann (S. 39) Nadja Klier (S. 40 oben) Lena Obst (S. 40 unten) Alle weiteren Abbildungen sind über das Archiv des Rowohlt Theater Verlags nachweisbar oder konnten nicht ermittelt werden. Diese Rowohlt E-Books Theater sind seit März 2014 erhältlich: Rowohlt Theater Verlag Hamburger Straße 17 D-21465 Reinbek bei Hamburg Tel: 040-7272-270 Fax: 040-7272-276 [email protected] www.rowohlt-theater.de Leitung: Nils Tabert ([email protected]) Lektorat: Maren Zindel ([email protected]) Bastian Häfner ([email protected]) Aufführungsverträge: Tanja Müller ([email protected]) Assistenz: Kathrina Gruyters ([email protected]) Redaktion: Kathrina Gruyters, Bastian Häfner, Nils Tabert, Maren Zindel Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg Druck: Bartels Druck, Lüneburg Rowohlt Theater Verlag · Hamburger Straße 17 · D-21465 Reinbek · Tel. 040 - 72 72 270 · Fax 040 - 72 72 276 · E-Mail: [email protected] www.rowohlt-theater.de