2 Energietechnische Grundlagen

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2 Energietechnische Grundlagen
2.1 Energieformen
Energie hat die Einheit Joule J. Energie tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf und
kann, beispielsweise gemäß Tabelle 2.1, klassifiziert werden. Kinetische und potenzielle Energien zählen zur mechanischen Energie, magnetische, elektromagnetische, elektrische und
Strahlungsformen der Energie zur elektrischen Energie. Unter chemischer Energie ist die freisetzbare Energie zu verstehen, die sich durch chemische Reaktionen (meist Verbrennung)
ergeben kann, unter Kernenergie diejenige Energiefreisetzung, die bei kerntechnischen Reaktionen (Kernspaltung, Kernfusion, radioaktiver Zerfall) auftritt. Die thermische Energie ist am
häufigsten anzutreffen. Umgangssprachlich wird sie oft fälschlich als Wärme bezeichnet, da
die Übertragung von Wärme1 i. d. R. die thermische Energie ändert.
Tabelle 2.1: Energieformen (unvollständige Aufzählung)
Energieform
Natürliche Form
Berechnung2
Kinetische Energie
Bewegung von Körpern und Fluiden
EKin = ½ m v2 bzw.
ERot = M ǻij
Potenzielle Energie
Lageenergie
EPot = m g z
Thermische Energie
Innere Energie, Enthalpie
ETh = m c T
Chemische Energie
Brennwert von Brennstoffen
Echem = m Ho
Energie elektromagnetischer
Wellen, Strahlungsenergie
Energie von Mikrowellen, Radiowellen, Wärmestrahlung
EQ = h Ȟ
(Energie des Strahlungsquantums)
Spaltungsenergie: Spaltung
schwerer Atomkerne
Freisetzung der Bindungsenergie der
Nukleonen3
EFis = A BE
Fusionsenergie: Verschmelzung
leichter Atomkerne
Freisetzung der Bindungsenergie der
Nukleonen
EFus = A BE
Eine Arbeit bewirkt eine Änderung der Energie bzw. wird aus dieser gewonnen. Die klassische
mechanische Arbeit W ist als Kraft F mal Weg s bekannt:
WMech = F · s
Gl. 2.1
Die Arbeit hat, wie die Energie, die Einheit J = Nm. Durch die Abnahme der potenziellen Energie einer Masse ǻEPot = m · g · ǻz < 0 lässt sich durch technische Maßnahmen mechanische
1 Wärme und Arbeit werden als Prozessgrößen bezeichnet, da deren Übertragung eine Änderung des
Zustands bewirkt (Zustandsänderung = Prozess). Konsequenterweise erhalten Prozessgrößen einen
Doppelindex.
2 Definition der Symbole im Verzeichnis der Formelzeichen
3 Siehe Kapitel 5
H.-J. Allelein et.al., Energietechnik
DOI 10.1007/978-3-8348-2279-6_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
6
2 Energietechnische Grundlagen
Arbeit leisten, z. B. um ein Gewicht zu heben oder eine Feder zusammenzudrücken. Analog
den Energieformen gibt es verschiedene Arbeitsformen, siehe Tabelle 2.2.
Tabelle 2.2: Arbeitsformen (unvollständige Aufzählung)
Arbeitsform
Generalisierte Kraft
Generalisierter Weg
Verrichtete Arbeit
lineare elastische
Verschiebung
Kraft F
Verschiebung dz
dW
F º dz
Drehung eines starren Körpers
Drehmoment Md
Drehwinkel dD
dW
M d º dD
Oberflächenvergrößerung
Oberflächensp. V…
Flächenänderung dA
dW
V… º dA
elektrische Arbeit
(allgemein)
Spannung Ue
Ladungsänderung Qe
dW
U e º dQ e
elektrische Arbeit
(in linearem Widerstand R)
dW
V º V º dH
U e º I º dt
R º I² º dt
U² / R º dt
Magnetisierung
magnet. Feldstärke H
magnet. Induktion
dB d(P 0 H M)
dW
H º dB
elektrische Polarisation
elektr. Feldstärke E
dielektr. Verschiebung
dD d(H0 E P)
dW
E º dD
2.2 Energieerhaltung
Der Energieerhaltungssatz ist allgemein akzeptiert: Energie kann weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur in andere Formen umgewandelt werden. Die Energieerhaltung wurde von
Julius Robert von Mayer4 [2.1] postuliert und hat sich seither bestätigt. Der Mensch kann nur
aus dem natürlich vorgegebenen Energieangebot schöpfen.
In der Energieverfahrenstechnik erweist sich die thermodynamische Formulierung der Energieerhaltung, erster Hauptsatz der Thermodynamik genannt (1. HS), als besonders praktisch.
Die Beziehungen sind im Anhang zu diesem Kapitel hergeleitet. Der 1. HS behandelt Wärme,
Arbeit und Energie als gleichwertig. Es ist jedoch nur eingeschränkt möglich, Wärme in Arbeit
oder in eine andere, nicht thermische Energieform umzuwandeln. Demgegenüber lassen sich
die hochwertigen mechanischen und elektrischen Energieformen fast beliebig ohne thermische
Verluste in andere Energieformen umwandeln (siehe Kap. 3).
Das Maß für die Umwandlungsfähigkeit der Energieform Wärme in Arbeit mittels thermodynamischem Kreisprozess ist der Carnot5-Wirkungsgrad ȘC (Herleitung in Abschnitt 2.3.1):
ȘC = 1 – TU/T
4 Julius Robert von Mayer, deutscher Mediziner, 1814–1878
5 Nicolas Leonard Sadi Carnot, franz. Physiker, 1796–1832
Gl. 2.2
2.3 Thermodynamische Kreisprozesse
7
Thermodynamische Kreisprozesse nutzen die Differenz der thermischen Energie zwischen
zwei Temperaturniveaus. Falls auf weitere technische Maßnahmen verzichtet werden soll, ist
das unterste Temperaturniveau durch die Umgebungstemperatur TU gegeben, entsprechend die
Enthalpie und die Entropie durch HU bzw. SU. Die obere Temperatur T ist durch die genutzte
Wärmequelle (Verbrennung, Solarstrahlung o. Ä.) bestimmt. Damit lässt sich die aus dieser
Wärmemenge maximal gewinnbare Arbeit als Zustandsgröße Exergie6 Ex formulieren. Der
Begriff Exergie ist nicht auf Wärmemengen begrenzt, er kann auf jede Energieform angewandt
werden und ist auch als „Arbeitsfähigkeit“ interpretierbar. Der nicht umwandelbare Anteil
einer Energieform ist die Anergie. Die Energie ist die Summe von Exergie und Anergie.
Die Exergie der Enthalpie EH ergibt sich (siehe beispielsweise [2.2]) zu:
Ex = EH = H – HU – TU (S - SU)
Gl. 2.3a
Die Exergie der Wärme EQ7 berechnet sich, wie durch Vergleich mit dem Carnot-Wirkungsgrad gleich ersichtlich wird, gemäß:
Ex = EQ = Q (1 – TU/T)
Gl. 2.3b
Liegt die thermische Energie Eth bei einer Temperatur nahe der Umgebungstemperatur TU vor,
so ist deren Carnot-Wirkungsgrad und damit deren Exergie gering. Die thermische Energie
kann immer nur teilweise über einen Kreisprozess in Arbeit umgewandelt werden.
2.3 Thermodynamische Kreisprozesse
T
i
3
i+1
2
n-1
1
Bild 2.1:
Willkürlicher Kreisprozess im
T,s-Diagramm
n
s
Bei einem Kreisprozess durchläuft ein Fluid, z. B. ein Gas, thermodynamische Zustandsänderungen, die es letztlich wieder auf den ursprünglichen Zustand zurückführen. Kreisprozesse
sind in Zustandsdiagrammen darstellbar. Bild 2.1 zeigt einen beliebigen Kreisprozess im T,sDiagramm.
Der 1. HS ergibt für eine Änderung in einem offenen, stationär durchströmten System (Anhang
zu Kapitel 2) in spezifischer Schreibweise:
q + wt = ǻh + ½ ǻc2 + g ǻz
Gl. 2.4
Damit ergeben sich die Zustandsänderungen zu den einzelnen Punkten in Bild 2.1:
6 Der Begriff wurde 1956 nach einem Vorschlag von Zoran Rant (1904–1972) eingeführt [2.8].
7 Diese Formel gilt für Wärmeübertragung bei konstanter Temperatur, wie es in einem stationären Pro-
zess der Fall ist.
8
2 Energietechnische Grundlagen
1ĺ2:
q1,2 + wt1,2
= (h2 – h1) + ½ (c22 – c12) + g (z2 – z1)
2ĺ3:
q2,3 + wt2,3
= (h3 – h2) + ½ (c32 – c22) + g (z3 – z2)
iĺi+1: qi,i+1 + wti,i+1 = (hi+1 – hi) + ½ (ci+12 – ci2) + g (zi+1 – zi)
Gln. 2.5
n-1ĺn: qn-1,n + wtn-1,n = (hn – hn-1) + ½ (cn2 – cn-12) + g (zn – zn-1)
nĺ1:
qn,1 + wtn,1
= (h1 – hn) + ½ (c12 – cn2) + g (z1 – zn)
Die Bilanz aller Zustandsänderungen von 1 über n bis zurück zu 1 ist die Addition aller Einzelschritte, d. h. die Addition der Gleichungen 2.5. Die Zustandsgrößen der aufeinander folgenden Schritte haben entgegengesetzte Vorzeichen, so dass die rechte Seite der summierten
Gleichungen zu Null wird8:
™q + ™wt = 0,
Gl. 2.6
bzw. ™q = – ™wt
Weiterhin gilt für reversible Zustandsänderungen [2.2]:
q = œTds
Gl. 2.7
Damit ist die Summe der gewinnbaren technischen Arbeit – ™wt gleich dem Kreisintegral œTds
im T,s-Zustandsdiagramm (schraffierte Fläche in Bild 2.1). Die Summe der technischen Arbeit
ist negativ, das System gibt Arbeit ab. Da die Summe der Wärmen ein positives Vorzeichen
aufweist, muss dem System Wärme zugeführt werden. Derartige Prozesse, aus denen Arbeit
gewonnen wird, heißen rechtsläufige Prozesse. Es sind die für die Energietechnik interessierenden thermischen Prozesse. Bei linksläufigen Prozessen drehen sich alle Vorzeichen um, es
wird Arbeit aufgebracht, um Wärme (bzw. Kälte) zu gewinnen (zu transportieren). Diese Prozesse liegen der Wärmepumpe und der Kältetechnik zugrunde.
Es ist Aufgabe der Energietechnik, Kreisprozesse zu konzipieren, die die leicht verfügbare
Wärme, z. B. aus einer Verbrennung, in technische Arbeit umwandeln.
2.3.1 Carnot-Prozess
Der Carnot-Prozess ist ein formal einfacher
Prozess, der aus vier Einzelschritten besteht.
T
2
3
1
4
1ĺ2: Isentrope Druckerhöhung
2ĺ3: Isotherme Wärmezufuhr
3ĺ4: Isentroper Druckabbau
4ĺ1: Isotherme Wärmeabfuhr
s
Bild 2.2: Carnot-Prozess im T,s-Diagramm
Der Prozess ist in Bild 2.2 dargestellt. Für die Summe der Wärmen folgt mit Gln. 2.6 und 2.7:
™q = q2,3 + q4,1 = T2 . (s3 – s2) + T4 . (s1 – s4)
Gl. 2.8
8 Dies ergibt sich hier rein mathematisch, es ist jedoch auch thermodynamisch zwingend notwendig, da
die rechte Seite der Gleichung nur Zustandsgrößen enthält, deren Wert definitionsgemäß unabhängig
vom Weg ist, auf dem der Zustand erreicht wird.
2.3 Thermodynamische Kreisprozesse
9
Da s3 – s2 = – (s1 – s4), vereinfacht sich die Beziehung zu
™q = (T2 – T4) ¨s
Gl. 2.9
Unter umgekehrtem Vorzeichen ist dies gleichzeitig die gewinnbare technische Arbeit mit
Gl. 2.6:
– ™wt = (T2 – T4) ¨s
Gl. 2.10
Der thermische Wirkungsgrad, definiert als der Quotient aus der gewonnenen technischen
Arbeit und der zugeführten Wärme qzu, ergibt sich also zu:
Șth = _™wt_ / qzu
Gl. 2.11
Die Wärme wird von 2 nach 3 zugeführt, q2,3 ist positiv:
qzu = q2,3 = T2 ¨s > 0
Gl. 2.12
Demgegenüber wird von 4 nach 1 dem System Wärme entzogen, da q4,1 negativ ist. Die spezifische Wärmeabfuhr ist also qab = q4,1.
Mit Gln. 2.10, 2.11, 2.12 und T1 = T4 folgt:
Șth = (T2 – T1) ¨s / (T2 ¨s) = 1 – T1/T2 = 1 – Tmin/Tmax = ȘC
Gl. 2.13
Der Carnot-Wirkungsgrad ȘC ist der durch einen thermischen Kreisprozess maximal erreichbare thermische Wirkungsgrad. Der Carnot-Prozess findet in der Energietechnik keine Anwendung, da er technisch praktisch nicht zu verwirklichen ist. Der ideale Stirling-Prozess erreicht
allerdings auch den Carnot-Wirkungsgrad, wenngleich die Prozessführung unterschiedlich ist
(Kapitel 8).
2.3.2 Technisch realisierbare Kreisprozesse
Die Qualität eines energietechnischen Prozesses wird i.d.R. durch den Wirkungsgrad beschrieben, dem Verhältnis von Ziel-Energie zu Einsatz-Energie. Da die eingesetzten Energien (kinetische oder potentielle Energie von Luft oder Wasser, Bindungsenergie des Brennstoffs, thermische Energie) jedoch unterschiedlich viel Exergie enthalten, hat z. B. der thermische Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine (Gl. 2.11) nur eine begrenzte Aussagekraft. Eine Wärmekraftmaschine zur Nutzung der Energie von Brüdendampf kann niemals den Wirkungsgrad
bei der Nutzung einer Hochtemperaturquelle erreichen.
Technische Prozesse weisen, analog zum Carnot-Prozess, oft vier Teilschritte auf. Jedoch
bereiten insbesondere die isotherme Wärmezufuhr und die isotherme Wärmeabfuhr technische
Probleme9. Technische Prozesse beginnen i.d.R. mit einer Druckerhöhung, die nur als Ideal
isentrop zu erreichen ist, gefolgt von der Wärmezufuhr, die im Normalfall nicht isotherm erfolgt.
Danach kommt die Entspannung des Fluids, wobei technische Arbeit freigesetzt wird, von der
jedoch ein Teil für den ersten Prozessschritt, die Druckerhöhung, benötigt wird. Die Wärmeabfuhr schließt den Prozess ab. Diese Prozesse lassen sich durch weitere Schritte verfeinern. In
den folgenden Kapiteln sind die energietechnisch wichtigen Kreisprozesse für Dampfkraftwerke (Clausius-Rankine-Prozess), Gasturbinen (Joule-Brayton-Prozess) und Kolbenmotoren
(Otto-, Diesel- oder Seiliger- und Stirling-Prozess) behandelt.
9 Eine isotherme Wärmezu- oder -abfuhr ist zwar bei Verdampfung und Kondensation prinzipiell leicht
zu erreichen, jedoch meist nicht im gewünschten Temperaturbereich; beim Arbeitsmedium Luft entfällt
diese Möglichkeit prinzipiell.
10
2 Energietechnische Grundlagen
2.3.3 Irreversibilitäten
Die unter diesem Abschnitt hergeleiteten Beziehungen von Kreisprozessen gelten für ideale,
reversible Zustandsänderungen, bei denen die Exergie konstant bleibt. Irreversibilitäten ergeben sich durch Reibungseinflüsse und Wärmeabfuhr nach außen. Die Reibung bewegter Strömung oder bewegter Teile an Wandungen ist die nicht umkehrbare Umwandlung kinetischer
Energie in Wärme, was eine Entropieproduktion bewirkt. So lassen sich die isentropen Zustandsänderungen, z. B. beim Carnot-Prozess von Zustand 1 nach 2 und von 3 nach 4, technisch nicht realisieren. Über Reibungseinflüsse erhöht sich die Entropie, so dass s2 > s1 und s4
> s3 wird. Nur durch eine gleichzeitige Wärmeabfuhr bei diesen Zustandsänderungen ließe
sich die Entropiezunahme kompensieren und eine isentrope Zustandsänderung annähern. Gelegentlich wird derartiges bei Kompressoren durch Zwischenkühlung oder Wassereinspritzung
(Nutzung der Verdampfungswärme) angenähert.
Jedenfalls ist Gl. 2.7 bei irreversiblen Zustandsänderungen nicht mehr gültig und die technische Arbeit ist nicht mehr das Kreisintegral der von den einzelnen Zustandsänderungen umschlossenen Fläche im Zustandsdiagramm (schraffierte Fläche in Bild 2.1).
Im 1. HS kann die nicht nutzbare Reibungsarbeit (Dissipation) explizit berücksichtigt werden,
so dass sich mit j, der spezifischen Reibungsarbeit, aus Gl. 2.4 ergibt:
q + wt + j = ǻh + ½ ǻc2 + g ǻz
Gl. 2.14
Damit ergibt sich aus einem Kreisprozess mit irreversiblen Zustandsänderungen analog
Gl. 2.6:
Gl. 2.15
™q + ™wt + ™j = 0,
bzw. ™q = – ™wt – ™j
Die Reibungsarbeit reduziert somit die nutzbare technische Arbeit wt. Sie wird, abhängig vom
Temperaturniveau, auf dem sie anfällt, teilweise oder vollständig in Anergie umgewandelt.
2.4 Erschöpfbares und nicht erschöpfbares (regeneratives)
Energieangebot
Die Erde ist dem Energiestrom der Sonne in Form von Strahlung ausgesetzt. Diese auf die
Erde entfallende Sonnenleistung, auf 5,6 · 1024 J/Jahr = 178 000 TW (T = 1012 ) abgeschätzt,
teilt sich auf in
š Reflektion an der Atmosphäre und der Erdoberfläche,
š Erwärmung der Atmosphäre und der Erdoberfläche, wodurch wiederum die Verdampfung
von Wasser (Wolkenbildung), thermischer Auftrieb und Winde bewirkt werden,
š Umwandlung in Biomasse, wovon sich ein kleiner Teil in (zukünftig) fossile Brennstoffe
umwandelt.
Der solare Energiestrom strahlt letztlich im Jahresmittel wieder in das Weltall zurück. Lediglich die in den organischen Substanzen und die von Menschen temporär gespeicherte Energie
verbleiben. Etwa 15 TW wandelt die Menschheit durch die Verbrennung fossiler Energieträger
und den Einsatz der Kernenergie um. Die Energieanteile durch Erdwärme, Vulkane und Gezeiten sind, verglichen mit der Sonneneinstrahlung, vernachlässigbar, Bild 2.3 zeigt die Verhältnisse [2.3]. Etwa 3 TW der Sonnenenergie verbleiben als prinzipiell nutzbare Wasserkraft.
Davon sind derzeit schätzungsweise knapp 10 % zur Stromerzeugung genutzt. Wind und Wellen haben im Mittel eine kinetische Leistung um 370 TW.
2.5 Primär- und Sekundärenergien
11
Sonnenenergien wie Wind-, Wasser- und Sonnenstrahlungsenergien sind regenerativ, da sie
kontinuierlich fließen und für menschliche Verhältnisse unerschöpfbar sind. Ebenso ist die
chemische Energie der Biomasse, falls nur soviel genutzt wird, wie nachwachsen kann, so
unerschöpflich wie die durch die Schwerkrafteinwirkung von Mond und Sonne hervorgerufene
Gezeitenenergie. Weiterhin ist die geothermische Energie, der teilweise durch den heißen
Erdkern und teilweise durch Kernzerfallsprozesse generierte Wärmestrom Richtung Erdoberfläche, unerschöpflich. Falls die Fusionsenergie nutzbar werden sollte, wäre eine weitere quasi
unerschöpfliche Energie erschlossen. Die Nutzung dieser regenerativen Energiequellen ist
nicht in jedem Falle ökologisch unbedenklich. So erfordern Wasserkraftwerke Eingriffe in die
Flussläufe oder das Anlegen von Wasserreservoiren, was Auswirkungen auf die aquatische
Flora und Fauna hat. Auch regt sich Widerstand gegen das Aufstellen von Windturbinen und
eine Diskussion über die Konkurrenz zwischen Biomasse für energetische Nutzung oder Nahrungsmittelproduktion hat eingesetzt.
Im Vergleich zu diesen regenerativen Energien werden die in den vergangenen Millionen
Jahren gebildeten fossilen Energieträger Kohle, Erdöl, Erdgas derzeit um ein Vielfaches
schneller verbraucht, als sie sich nachbilden können.
Einstrahlung der Sonne
178.000 TW: 100 %
Erdwärme, Vulkane,
Gezeiten 0,02 %
PrimärenergieVerbrauch 0,006 %
Reflektion in der
Atmosphäre
Lufterwärmung 17,3 %
Konvektion
14,4 %
Reflektion an
Erdoberfläche 4,2 %
Organische Substanzen 0,1 %
Bild 2.3:
Sankey-Diagramm der durch
Sonneneinstrahlung bewirkten
Energieströme
Meere 33 %
2.5 Primär- und Sekundärenergien
Die natürlich vorkommenden Energieformen wie Kohle, Rohöl, Erdgas, Windenergie, Wasserenergie, die noch keine menschliche Veränderung erfahren haben, gelten als Primärenergieträger bzw. Primärenergien. Alle veränderten oder veredelten Formen sind Sekundärenergieträger (z. B. Heizöl, Benzin, aufbereitete Kohle wie Briketts, Biogas, angereichertes
Uran) oder Sekundärenergien (z. B. elektrische Energie, mechanische Energie). Weiterhin
werden zur detaillierteren Unterscheidung noch die Begriffe Endenergie und Nutzenergie
verwendet. Mit Endenergie bezeichnet man diejenige Energie, die am Ort der Nutzung vor der
Nutzung vorliegt (z. B. elektrische Energie, Fernwärme), mit Nutzenergie diejenige, die beim
Nutzer zur Verfügung steht und Ziel seiner Nutzung ist (z. B. mechanische Energie, Wärme,
Kälte, Licht, Schall).
12
2 Energietechnische Grundlagen
Bei der Diskussion von statistischen Daten über Energieströme und Verbrauchswerte ist weiterhin zu beachten, dass trotz dieser feineren Unterscheidung z. T. noch großer Spielraum bei
der Bewertung bleibt10.
2.6 Weltenergiebedarf
Gegenüber dem konstanten Energiestrom der Sonne auf die Erde ist der anthropogene Energiebedarf gering. Allerdings schöpft die Menschheit diesen Energiebedarf fast ausschließlich
aus den erschöpfbaren fossilen Energieträgern. Die Umwandlung geschieht durch Verbrennung mit der unvermeidbaren Kohlendioxidproduktion11.
Eine umfassende, aktuelle Zusammenstellung der vorhandenen und nutzbaren Energieträger,
des derzeitigen Weltenergiebedarfs, die Entwicklungstendenzen und Hochrechnungen des
Energiebedarfs sind in [2.5, 2.6, 2.7] dargestellt.
Übungsaufgaben
2.1 Gegeben ist ein Volumen von 1 m3 Wasser der Dichte U = 1000 kg/m3. Alle Berechnungen sind ideal durchzuführen, d. h. reibungsfrei und ohne weitere Verluste.
a) Welche Arbeit ist notwendig, um das Wasser um 100 m anzuheben und gleichzeitig
von 10 m/s auf 100 m/s zu beschleunigen?
b) Welche Geschwindigkeit erreicht das anfänglich ruhende Wasser, wenn es in einem
Stauseekraftwerk 1000 m herabfließt und dabei je kg Wasser eine mechanische Arbeit
von 9 kJ abgeführt wird. Evtl. Reibung sei zu vernachlässigen, die Temperatur sei
immer auf Umgebungsniveau.
2.2 In einem Zylinder werde der Kolben mit einer konstanten Kraft von 500 N um 10 cm
gegen den Gasdruck verschoben. Danach werde das Gas 2 Minuten lang mit einer Leistung von 5 W gekühlt. Um wie viel hat sich die spezifische innere Energie des Gases geändert, wenn die Gasmasse 0,1 kg betrug?
2.3 Ein ideales Gas werde in einem Zylinder-KolbenSystem entspannt, wobei durch gleichzeitige Temperaturregelung der skizzierte lineare Temperaturverlauf erreicht werde.
5 bar
a) Welche Volumenänderungsarbeit fällt bei der
Expansion an?
2 bar
b) Wird das Gas gekühlt oder geheizt, um den
linearen Verlauf zu erreichen?
p
1
2
V
0,0005 m³
0,005 m³
10 Beispielsweise wird an Haushalte ausgeliefertes Heizöl unter Beachtung des üblichen Wirkungsgrades
als Nutzwärme und somit als Nutzenergie gewertet. Da der Umwandlungswirkungsgrad von Wärme
über dem durchschnittlichen liegt, „verbessert“ Heizen bei offenem Fenster, indem es den prozentualen Anteil der Nutzwärme am Gesamtumsatz erhöht, somit rein rechnerisch den Gesamtnutzungsgrad
einer Volkswirtschaft. Um solche Inkonsistenzen zu minimieren, wären weitere Begriffe notwendig,
z. B. ein „Energiebedürfnis“, das sich z. B. am Stand der Technik orientieren könnte.
11 Verfahren zur Abscheidung und Speicherung des entstehenden Kohlendioxids werden zur Zeit entwickelt, Sinnhaftigkeit des Einsatzes und Wirtschaftlichkeit sind jedoch noch strittig.
Übungsaufgaben
13
c) Wie groß wäre die technische Arbeit, wenn die skizzierte Zustandsänderung in einer
offenen Maschine (z. B. einer Turbine) erreicht werden könnte?
2.4 In einem Verdampfer werden bei konstantem Druck von 2 bar stündlich 5 Tonnen Wasser
verdampft.
a) Wie groß ist die Änderung der spezifischen Entropie des Wassers?
b) Welchen Wirkungsgrad könnte eine Dampfmaschine mit diesem Dampf maximal erreichen, wenn die Umgebungstemperatur 20 °C betrage?
Auszug aus der Wasserdampftabelle für alle nachfolgenden Übungen mit Wasserdampf:
Aus Dampftabelle bei p = 2 bar : t = 120, 21° C , ' h v ≡ r = 2201, 6 kJ / kg
2.5 Ermitteln Sie die Änderung der spezifischen inneren Energie, wenn Wasser bei 2 bar
verdampft.
a) Wie groß ist die spezifische Exergie der Enthalpie von Sattdampf bei 2 bar, wenn der
Umgebungszustand mit dem Tripelpunkt von Wasser identisch sei (t = 0,01 °C,
h = 0 J/kg K, s = 0 J/kg K)?
b) Ermitteln Sie die Änderung der spezifischen Exergie der Enthalpie, wenn Wasser bei
20 bar verdampft. Der Umgebungszustand sei 20 °C.
2.6 Ein Gasturbinen-Kraftwerk habe eine Brennstoffzufuhr äquivalent 90 MW, die Wärmeleistung im Turbinenabgas sei 60 MW. Welche Nutzleistung gibt die Gasturbine ab und
wie groß ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks, wenn der Verdichter der Gasturbine eine
Leistungsaufnahme von 70 MW habe?
Hinweis: Die Lösungen der Übungsaufgaben befinden sich am Ende des Buches, hinter Kap. 20.
14
2 Energietechnische Grundlagen
Literatur zu Kapitel 2
[2.1] Julius Robert von Mayer, Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur, Liebigs
Annalen, Band 42, 1842
[2.2] K. Langeheinecke, P. Jany and G. Thieleke, Thermodynamik, 8. Aufl., Vieweg+
Teubner Verlag, 2011
[2.3] H. Schaefer (Hrsg.), Nutzung regenerativer Energiequellen, Zusammenstellung von
Daten und Fakten für die Bundesrepublik Deutschland, VDI Verlag, Düsseldorf, 1986
[2.4] M. J. Moran, H. N. Shapiro, Fundamentals of Engineering Thermodynamics, 2. Aufl.,
John Wiley & Sons, Inc., 1992
[2.5] K. Heinloth, Die Energiefrage: Bedarf und Potenziale, Nutzung, Risiken und Kosten, 2.
Auflage, Vieweg Verlag, 2003
[2.6] V. Quaschning, Regenerative Energiesysteme, 5. Aufl., Carl Hanser Verlag, 2007
[2.7] F. Staiß, Jahrbuch Erneuerbare Energien, 1. Aufl., Bieberstein Verlag, 2007
[2.8] Rant, Z.: Exergie, ein neues Wort für technische Arbeitsfähigkeit. Forsch.-Ing. Wes. 22,
S. 36–37, 1956
Anhang zu Kapitel 2
Erster Hauptsatz der Thermodynamik
Der erste Hauptsatz (1. HS) ist der Energieerhaltungssatz, angewandt auf thermodynamische
Systeme, der sich für energieverfahrenstechnische Prozesse als besonders praktisch erweist.
Der erste Hauptsatz wird gemäß dem zu untersuchenden System formuliert. Die Analyse eines
abgeschlossenen Systems in Ruhe bedingt andere Beziehungen als die Analyse von offen
durchströmten Systemen.
1. HS für geschlossene Systeme in Ruhe
Über die Systemgrenzen können nur Wärme und Arbeit treten, jedoch keine Massen oder
Massenströme. Die einem geschlossenen thermodynamischen System (flüssiger, gasförmiger
oder fester Körper) zugeführte Wärmemenge dQ kann Folgendes bewirken:
– Erhöhung der inneren Energie um den Betrag dU
– Abgabe von äußerer Arbeit des Betrages dW.
Ebenso kann eine von außen zugeführte äußere Arbeit des Betrages dW die innere Energie
ändern und/oder eine Wärmemenge dQ entgegen des natürlichen Gefälles transportieren.
Die Energiebilanz, hier als 1. HS bezeichnet, lässt sich wie folgt schreiben:
dQ + dW = dU
Gl. A2.1
Bei Zuführung der Wärmemenge Q12 und bei Zustandsänderung des Gases von 1 nach 2 folgt
aus Gl. A2.1:
Q12 + W12 = U2 – U1
Gl. A2.2
Anhang zu Kapitel 2
15
Hierbei gilt
š die dem System von außen zugeführte Wärmemenge und Arbeit werden positiv eingesetzt;
š die innere Energie ist die in einem Körper gespeicherte Energiemenge. Sie ist abhängig von
der Temperatur. Da praktisch nur Differenzen der inneren Energie von Interesse sind, wird
der Nullpunkt Uo = 0 willkürlich bei T = 273 K, p = 1013,25 mbar festgelegt;
š die äußere Arbeit W12 wird bei der Volumenvergrößerung eines Systems nach außen abgegeben, d. h. W12 ist negativ anzusetzen. Bei der Volumenänderung dV eines Gases unter
dem Druck p ist für umkehrbare (reversible) Zustandsänderungen die geleistete äußere Arbeit dW = – pdV. Expandiert ein Gas vom Druck p1 und dem Volumen V1 auf den Druck
p2 und das Volumen V2, so ist:
2
2
1
1
W12 =−∫ p dV =−m∫ p dv
Gl. A2.3
Diese Arbeit ist die Fläche unter der Zustandsänderung im p,V-Diagramm. Die innere Energie
lässt sich durch die Enthalpie H substituieren, die sich aus der inneren Energie und der Verdrängungsarbeit pV zusammensetzt:
H = U + pV
Gl. A2.4
Gl. A2.4 lässt sich umformen und differenzieren zu
dU = dH – pdV – Vdp
Gl. A2.5
Nach Gl. A2.3 gilt für die äußere Arbeit:
dW = – pdV
Gl. A2.6
Die Beziehungen Gln. A2.5 und A2.6 in die Gl. A2.1 eingesetzt ergibt eine andere Schreibweise des 1. HS:
dQ = dH – Vdp
bzw. Q12 = H2 – H1 – ³ V dp
Gl. A2.7
oder mit dem Begriff der technischen Arbeit Wt:
Q12 = H2 – H1 – Wt
bzw. Q12 + Wt = H2 – H1
Hierbei ist die technische Arbeit Wt definiert als
Wt = + ³ V dp
Gl. A2.8
Gl. A2.9
Sie kann wiederum als Fläche im p,V-Diagramm dargestellt werden. Die technische Arbeit
kennzeichnet die in einer Maschine gewonnene oder zugeführte Arbeit, wenn ein Gas oder ein
Dampf mit der Enthalpie H1 einströmt und mit der Enthalpie H2 ausströmt. Zwischen W12 und
Wt12 gilt die Beziehung:
Wt12 = W12 + p1V1 – p2V2
Gl. A2.10
1. HS für bewegte, geschlossene Systeme
Bewegt sich ein System oder Teile davon, so ändern sich von 1 nach 2 zusätzlich die kinetischen und potenziellen Energien und Gl. A2.8 ist zu ergänzen:
Q = H2 – H1 – Wt + ½ m (c22 – c12) + m g (z2 – z1) bzw.
Q + Wt = H2 – H1 + ½ m (c22 – c12) + m g (z2 – z1)
Gl. A2.11
16
2 Energietechnische Grundlagen
1. HS für offene Systeme
Offene Systeme: Neben Wärme und Arbeit tritt auch Masse über die Systemgrenzen. Ingenieurtechnische Anwendungen beschränken sich überwiegend auf stationär durchströmte Systeme,
.
d. h. über die Systemgrenzen tritt ein gleichförmiger Massenstrom dm1/dt = dm2/dt = dm/dt = m
bezogen. Mit massenspezifischen
Der 1. HS wird gerne auf den Massendurchsatz dm/dt = m
wt wird Gl. A2.11 zu:
Größen sowie der Leistung Pt = m
+ Pt = m
q+ m
wt =
Q
(h2 – h1) + ½ m
(c22 – c12) + m
g (z2 – z1)
= m
bzw. in kürzerer Schreibweise:
+ Pt = m
( ' h + ½ ' c2 + g ' z)
Q
q + wt = ' h + ½ ' c2 + g ' z
Gl. A2.12
Da die Umwandlung von Wärme in Arbeit nur beschränkt möglich ist, ist gleichzeitig der
2. Hauptsatz der Thermodynamik zu beachten [2.2].
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
Die Richtung spontan ablaufender Prozesse ist vorgegeben. Beispielsweise wird ein Körper
mit einer über der Umgebungstemperatur liegenden Temperatur T > TU bei Umgebungskontakt abkühlen und Wärme an die Umgebung abgeben. Der umgekehrte Vorgang, dass der
Körper seine Temperatur erhöht, in dem er Wärme von der Umgebung aufnimmt und diese
abkühlt, widerspricht zwar der täglichen Erfahrung, jedoch nicht der Energieerhaltung, dem
1. Hauptsatz. Ein analoges Beispiel sind Druckbehälter, bei denen bei Öffnung des Ventils
eine Entspannung stattfindet – bei infinitesimal geringem Druckanstieg der Atmosphäre. Der
umgekehrte Fall einer Druckerhöhung durch Zustrom atmosphärischer Luft findet nicht statt.
Ebenso wenig können fallende Körper, die sich bei Auftreffen auf dem Boden durch Dissipation erwärmen, ihre innere Energie zum Aufsteigen benutzen. Insofern wird der 1. Hauptsatz
durch den völlig eigenständig formulierten 2. Hauptsatz eingeschränkt bzw. präzisiert.
Unter den vielen möglichen Formulierungen des 2. Hauptsatzes sind für Ingenieure u. a. die
folgenden zwei praktisch.
Formulierung von Clausius: „Ein System kann nicht so betrieben werden, dass das einzige
Resultat eine Wärmeübertragung von einem kühleren zu einem wärmeren Körper wäre.“
Formulierung von Kelvin-Planck: „Ein System kann nicht mittels thermodynamischem Kreisprozess betrieben werden und eine Nettoarbeit an die Umgebung abgeben, indem es Energie
durch Wärmeübertragung aus einem einzigen thermischen Reservoir aufnimmt.“
Dieses thermische Reservoir ist ein geschlossenes System, das seine konstante Temperatur
beibehält, selbst wenn Energie hinzugefügt oder durch Wärmetransfer entzogen wird. Hinreichend große Systeme wie die Erdatmosphäre oder Ozeane können als derart idealisierte Reservoire angesehen werden.
Eine tiefere Diskussion des 2. Hauptsatzes ist beispielsweise in [2.4] zu finden oder in jedem
anderen guten Thermodynamik-Buch.
http://www.springer.com/978-3-8348-1869-0
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