Weshalb rauchen Menschen? Regina Burri Weshalb rauchen Menschen, obwohl Rauchen schädlich ist? Robert West, ein britischen Suchtforscher, beschäftigt sich schon seit etlichen Jahren mit der Beantwortung dieser Frage. Er hält folgende fünf Wirkmechanismen für bestimmend. Rauchen ist oft eine automatisch ablaufende Gewohnheitsreaktion. Annika z.B. raucht immer, wenn sie auf dem Weg zur Fachhochschule umsteigt. Sie raucht auch nach jedem Essen und in allen Pausen. Über die Lunge gelangt das Nikotin Zug für Zug ziemlich rasch und in hoher Konzentration ins Gehirn. Ein bestimmter Teil des Hirns ist speziell sensibel für die Wirkung des Nikotins über eine Art Nikotinrezeptoren. In diesem Teil des Gehirns lernen Menschen, was gut für sie ist, z.B. für Nahrung zu sorgen. Nikotin dockt an diese Rezeptoren an. Das erzeugt eine Aktivierung der Bahnen, die zu einem weiter vorne gelegenen Teil des Gehirns führen (Nucleus Accumbens) und dort eine Ausschüttung eines chemischen Codes (Dopamin) erzeugen. Wenn das Dopamin in die Kernregion dieses Gerhirnteils ausgeschüttet wird, sagt dieser Teil: „Was wir jetzt gerade getan haben, das war wirklich gut für uns. Das machen wir wieder sobald die gleichen Umstände wieder auftreten!“ Daraus bildet sich eine Gewohnheitsreaktion, die in der Regel nicht bewusst wahrgenommen wird und auch keinen positiven Effekt auf die Rauchenden haben muss. Diese Gewohnheitsbildung erklärt, warum Annika immer raucht, wenn sie z.B. umsteigt. Aber Annika hat auch oft Vergnügen am Rauchen. Sie denkt: „Ich rauche gerne, ich möchte nicht aufhören.“ Das geht vielen Raucherinnen und Rauchern so, denn das Nikotin beeinflusst im Belohnungszentrum (Schalengegend des Nucleus Accumbens). Über den bereits erwähnten Mechanismus wirkt Nikotin auf diesen Schalenbereich ein und löst damit Freude oder Vergnügen aus. West hat in seinen Studien festgestellt, dass der Genuss am Rauchen eine der Hauptbarrieren für den Wunsch zum Aufhören ist. Es erschwert Menschen den Wunsch zu entwickeln mit dem Rauchen aufzuhören. Aber der tatsächliche Ausstieg wird für Menschen die aus Vergnügen rauchen, nicht schwieriger. Auch Annika wollte lange nicht aufhören. Wenn Annika am Morgen erwacht hat sie das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette. Wenn Menschen über Wochen oder Monate Nikotin konsumieren, kommt es zu einer verminderten Aktivität der oben beschriebenen Bahnen. Sobald der Nikotinlevel im Blut gesunken ist bewirkt dieser Mangel ein sehr unangenehmes Gefühl im Körper. Robert West nennt dieses unangenehme Gefühl ‚Nikotinhunger’. Der Nikotinhunger verschwindet, wenn sie rauchen, deshalb interpretieren Rauchende den Nikotinhunger als Hunger nach einer Zigarette. Nicht alle Raucherinnen und Raucher spüren einen Nikotinhunger. Aber Menschen wie Annika, die als erstes am Morgen rauchen müssen (oder mitten in der Nach erwachen um eine Zigarette zu rauchen), leiden vermutlich stark unter Nikotinhunger. Die Prognose für einen Rauchstopp ist für diese Menschen wesentlich besser, wenn sie sich beim Ausstieg von Fachpersonen coachen lassen. Wenn Menschen mit Rauchen aufhören, kommt es meist zu Entzugserscheinungen. Entzugserscheinungen werden von unangenehmen Symptomen begleitet, z.B. Irritierbarkeit, Angst, Depression, erhöhtem Appetit, Ruhelosigkeit und schlechter Konzentration. Einige dieser Entzugssymptome – allen voran die Depression - sind sehr unerfreulich und treiben die Menschen zurück zum Rauchen. Es ist deshalb eine gute Sache, dass Entzugssymptome durch Medikamente erleichtert werden können, denn damit können sie Menschen beim Aufhören unterstützen. Entzugssymptome dauern meist nicht sehr lange. Die Angst beispielsweise dauert längstens ein paar Tage, die anderen Entzugssymptome höchstens vier Wochen. Ein erhöhter Appetit ist das einzige Entzugssymptom, das drei bis sechs Monate dauern kann. Gewichtszunahme ist deshalb eine regelmässige Begleiterscheinung des Rauchstopps. Robert West berichtet, dass die Überzeugung dass Rauchen hilft, Stress abzubauen eines der Hauptargumente für das Rauchen ist. West untersuchte in verschiedenen Studien die Wirkung von Nikotin auf Stress und Stressabbau. Interessanterweise stellte er in keiner der Studien einen Einfluss fest. Er vermutet deshalb einen anderen Zusammenhang: Die meisten Rauchenden kennen unangenehme Entzugserscheinungen. Diese verschwinden sobald sie eine Zigarette rauchen. So denken sie: „Aha, wenn ich mich schlecht fühle und eine Zigarette rauche, gehen diese schlechten Gefühle weg.“ Sie ziehen aus dieser Erfahrung fälschlicherweise den Schluss, dass Rauchen beim Stressabbau hilft. Und die Überzeugung, dass Rauchen dabei hilft, den Stress zu reduzieren wird ein wichtiger Grund dafür sein, dass jemand wieder raucht, wenn ein Stressereignis auftaucht, z.B. wenn einem Familienmitglied etwas zustösst. Gewohnheit, Vergnügen, Suchthunger, Entzugserscheinungen, die Überzeugung, dass Rauchen hilft Stress zu abzubauen - alle diese Merkmale machen es Raucherinnen und Rauchern wirklich schwer, mit dem Rauchen aufzuhören. Es ist sehr hart, aber es ist möglich. Sehr viele Menschen hören auf damit. Manche brauchen Hilfe dabei, andere machen es alleine. Aber es ist möglich. Auch Annika hat in der Zwischenzeit aufgehört. Über Faktoren, die beim Rauchausstieg helfen, berichten wir gerne in unserer nächsten Rubrik. Regina Burri, MA., Stellenleiterin, Suchtberatung Bezirk Dietikon, Fachstelle des Sozialdienstes Limmattal, Poststrasse 14, 8953 Dietikon, Telefon: 044 741 56 56, E-Mail: [email protected], www.sucht-beratung.ch suchtberatung bezirk dietikon poststrasse 14 8953 dietikon tel 044 741 56 fax 044 741 21 31 [email protected] www.sucht-beratung.ch