Investieren auf is- lamisch

Werbung
Investieren auf islamisch
Wer Finanzierungen nach Scharia-Recht in Europa anbieten
will, muss bei der Umsetzung der strengen Vorgaben Kreativität
beweisen.
von Marc Trinkaus und Thomas Prüm
Hinter "Islamic Finance" verbergen sich Finanzierungsinstrumente nach islamischem Recht.
Nicht zuletzt in der aktuellen Finanzkrise rücken bei der Suche nach alternativen Finanzierungsquellen Investoren aus den ölreichen Golfstaaten in den Fokus, die in diese im Westen
weitgehend unbekannte Anlageformen investieren, die auch für nicht-islamische Marktteilnehmer interessante Instrumente sein können. "Islamic Finance" ist dabei ein Konzept mit großem
Wachstumspotential, das auf nahezu alle herkömmlichen Finanzierungen anwendbar ist.
Nahezu das gesamte Spektrum traditioneller Finanzierungen lässt sich in Scharia- konformer
Weise darstellen. Ein Beispiel hierfür sind besicherte Anleihen, sogenannte Sukuk. Der Markt
für Sukuk-Anleihen - ein Instrument, das sich für Finanzierungsvolumina über 20 Millionen Euro
eignet - hat sich in den Jahren bis zur Finanzkrise sehr gut entwickelt. Die Investorennachfrage
ist mit der Verschärfung der Finanzkrise seit Mitte 2008 wie bei vergleichbaren konventionellen
Instrumenten jedoch zum Erliegen gekommen.
Spezielle Anforderungen: Bei einem Sukuk veräußert der Initiator einen Vermögensgegenstand
an eine Zweckgesellschaft, die sich über sogenannte Sukuk- Zertifikate refinanziert. Der Investor erhält Zahlungen wie bei einer klassischen Anleihe. Eine erste prominente Transaktion gab
es in Europa bereits 2004: Sachsen-Anhalt legte eine Anleihe in Form eines islamischen Bonds
auf.
Allerdings sind nur bestimmte Vermögensgegenstände für diese Finanzierungsart geeignet. So
war etwa der Sukuk des Landes Sachsen-Anhalt über Leasingstrukturen mit Gebäuden der Finanzverwaltung unterlegt. Auch Flugzeuge und Schiffe, Flughäfen, Rohstoffe und sogar Vermarktungsrechte eignen sich als Basis für solche Anleihen. Daneben gibt es eine Reihe weitere
Vorgaben für die Strukturen von Sukuks, etwa im Hinblick auf die Ausgestaltung der Rückkaufsoption.
Einige Gestaltungsoptionen werden von Gelehrten in Frage gestellt. So veröffentlichte die Accounting & Auditing Organisation for Islamic Financial Institutions in Bahrein (AAOIFI), eine renommierte Interessenorganisation im Bereich Islamic Finance, 2008 eine Verlautbarung, nach
der eine Vielzahl seinerzeit gängiger Sukuk-Strukturen nicht Scharia-konform wären. Die praktischen Auswirkungen des AAOIFI Papiers sind beschränkt, denn die Vorgaben lassen sich einfach umsetzen.
Die Vorgaben der Scharia "Islamic Finance" umschreibt Finanzierungen, die dem islamischen
Recht, der Scharia, entsprechen. Zu den bekanntesten Vorgaben der Scharia für Geldgeschäfte
zählt das Verbot, Zinsen - sogenannte Riba - zu zahlen. Ein solches Verbot hat natürlich weitreichende Folgen. Derjenige, der einem anderen Geld überlässt, wird hierfür ein Entgelt erwarten. Daher sind Scharia-konforme Finanzierungen so konzipiert, dass der Geldgeber ein Entgelt
bekommt, das im formalen Sinne kein Zins ist. Außer dem Zinsverbot gibt es noch weitere Vorgaben: So untersagt die Scharia, ein unangemessenes Risiko zu übernehmen - was im Versicherungsgeschäft nicht einfach darzustellen ist. Auch Spekulationen sind nicht zulässig. Insgesamt schreibt die Scharia ein höheres Maß an Risikoteilung zwischen Geldgeber und Darlehensnehmer vor, als dies bei westlichen Finanzierungen üblich ist. Daher entsprechen auch
bestimmte Formen der Mezzanine-Finanzierung in besondere Weise der Scharia - eine echte
Chance für den deutschen Mittelstand.
Die Vorgaben der Scharia können auf innovative Weise umgesetzt werden. Ein Beispiel sind
Immobilienfinanzierungen: Statt dem Kunden einen Kredit zu gewähren, erstehen spezialisierte
Bankinstitute die Immobilie und bieten sie dem Klienten gleich wieder zum Kauf an - wobei der
Kaufpreis gestundet wird. Die Rückzahlung erfolgt nach dem gleichen Zahlungsplan wie die
Annuität bei einem Darlehen. Die Bank erhält bei dem Weiterverkauf einen höheren Preis, der
eine Prämie für die Überlassung des Kapitals beinhaltet. Damit zahlt der Kunde keine Zinsen,
sondern eine Prämie an die Bank. In Deutschland führt diese Regelung allerdings dazu, dass
die Grunderwerbsteuer doppelt anfällt. Dadurch wird eine solche Finanzierung kostspieliger als
ein herkömmlicher Kredit. Hier müssen Juristen und Steuerexperten eine Lösung finden. Zwar
lässt sich diese Belastung auch nach geltendem Recht verhindern, allerdings lohnt sich der
Aufwand erst bei einem größeren Transaktionsvolumen.
Globales Wachstum Auch wenn "Islamic Finance" hier zu Lande noch ein Nischenprodukt ist,
wird dieser Markt an Bedeutung gewinnen. Es ist global einer der am schnellsten wachsenden
Bereiche der Märkte für Finanzprodukte - Branchenkenner rechnen mit Investitionen von mehr
als einer Billion US-Dollar allein in den Vereinigten Emiraten innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Zwar hat die Kapitalmarktkrise auch diesen Teil der Welt nicht unberührt gelassen. Im Gegenteil: Schlagzeilen vom Platzen der Immobilienblase in Dubai, der Verzögerung prominenter
Bauprojekte und den Folgen des Preisrutsches für Rohöl waren in den letzten Wochen allgegenwärtig. Diese kurzfristigen Entwicklungen ändern jedoch nichts an dem beachtlichen Vermögen, das in diesen Staaten entstanden ist. Mittelfristig wird der Rohstoffreichtum auch für
weiteres Wachstum der dort verfügbaren Mittel sorgen.
Für den deutschen Anwalt ist "Islamic Finance" nicht nur wegen des Wachstumspotentials ein
spannendes Rechtsgebiet. Generell unterliegen alle Verträge zwar der jeweils gängigen
Rechtsordnung, bei Transaktionen in Deutschland typischerweise deutschem Recht. Daneben
sind aber auch die im islamischen Recht niedergelegten Strukturierungsvorgaben zu berücksichtigen. Eine zusätzliche Prüfung erfolgt durch islamische Gelehrte, die ihr Ergebnis in ei- 1
ner sogenannten Fatwa, einer Art Rechtsgutachten, zusammenfassen.
2
Die mangelnde Standardisierung der Rechtsauffassungen der Gelehrten ist allerdings eine
Hürde bei der Etablierung von "Islamic Finance" als gängiger Finanzierungsform.
Krisenfestes Konzept: Obwohl nahezu eineinhalb Jahrtausende alt, sind die Konzepte des "Islamic Finance" spannend und durchaus aktuell. Das zeigt eine Blick auf die Diskussion über die
Gründe der Kreditkrise und die Lehren, die daraus zu ziehen sind. Die Scharia schreibt etwa
konservative, weniger risikobehaftete und nachhaltige Anlagegrundsätze vor - nicht unwahrscheinlich, dass diese Grundsätze die Finanzwelt von morgen prägen.
Marc Trinkaus ist Partner im Frankfurter Büro von Linklaters LLP.
Thomas Prüm ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Linklaters LLP.
Haben Sie Fragen an die Autoren? Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail
3
Herunterladen