7. Paradigmatik der Wortbildung • gewisse Wörter veralten, andererseits entstehen immer wieder auch neue Wörter • Produktion von neuen Wörtern aus den vorhandenen Morphemen: Wortbildung • Struktur der Wörter: Morphemanalyse: Ver + voll + komm + n + ung Wortbildungsanalyse: vollkommen → vervollkommnen → Vervollkommnung bei Letzterer werden nur die Morpheme getrennt, deren Bedeutung in der Gesamtbedeutung nach- weisbar ist, deshalb wird vollkommen nicht in voll und kommen zerlegt (aber: voll + pumpen) • die synchrone Wortbildungsanalyse weicht selten von der diachronen Etymologie des Wortes ab, z.B. Freimut → freimütig, aber in Wirklichkeit ist es eine Rückbildung, d.h. freimütig > Freimut • Grad der Produktivität von WBModellen/Affixen: keine neuen Bildungen sind z.B. heute mit dem un- produktiven Suffix -sal zu erwarten (vgl. Schicksal, Drangsal usw.) • sogar bei produktiveren Modellen sind konkrete Bildungen weitgehend unvorhersagbar (u.a. wegen der ziemlich allgemeinen Affixbedeutungen und der Synonymie von Affixen), vgl. erleben →Erlebnis, aber: beleben → Belebung • System – in der paradigmatischen Dimension • was ist ein "Wortbildungsparadigma"? a) leere Tabelle mit etikettierten Stellen (z.B. 'Ortsnamen': Einwohner, Einwohnerin, Bezugsadjektiv) – ähnlich wie Wortparadigmen in der strukturalistischen Semantik b) im weiteren Sinn: Basiswort und Derivat bilden kein Syntagma, sondern ein Paradigma Wortbildungsarten • nur selten werden ganz neue Formen geprägt − das nennt man Wortschöpfung, die nicht zur Wortbil- dung gehört (z.B. Schallworte) • neue Wörter können auch Lehnwörter sein, aber das ist auch keine Wortbildung • Arten der Wortbildung: Komposition Derivation Konversion Abbreviation Doppelung weitere besondere Formen wie Kontamination, Rückbildung, Zusammenbildung Komposition • keine Regel begrenzt die Zahl der Komponenten, vgl. Donauschifffahrtsgesellschaftskapitänsuniform , aber: Vereinsjahreshauptversammlung oder Neugeborenenintensivpflegestation (vgl. GoogleSuche) • Klassifizierungsmöglichkeiten: nach der a) Zahl der Komponenten b) Wortart der Komponenten c) inhaltlichen Beziehung zwischen den Komponenten • ein Kompositum enthält mindestens zwei Stämme und eventuell auch Affixe a. holen → erholen (sich) → Erholung b. Erholung + Heim → Erholungsheim Klassifikation nach der Wortart • zwei unmittelbare Konstituenten: Erstglied (Bestimmungswort) und Zweitglied (Grundwort) • Konstituenten können selbst Komposita sein • Wortart des Kompositums: zumeist identisch mit der des Zweitglieds, z.B. einsteigen (V) + Bahnhof (N) → Einsteigebahnhof (N) • aber das Kompositum kann suffigiert werden, wodurch oft auch seine Wortart verändert wird: a. lang (A) + Weile (N) → Langeweile (N) b. Lang(e)weile (N) + -ig → langweilig (A) die Wortart wird also vom letzten Suffix bestimmt (es gibt kein Adjektiv *weilig) Wortartenkombinationen der beiden unmittelbaren Konstituenten (UK): I. Substantiv als Zweitglied a) Subst. + Subst. Straße + Bahn → Straßenbahn b) Adj. + Subst. privat + Geschäft → Privatgeschäft c) Verb + Subst. bestellen + Nummer → Bestellnummer d) Pron. + Subst. wem + Fall → Wemfall e) Num. + Subst. fünf + Kampf → Fünfkampf f) Präp. + Subst. (diese Erstglieder können auch als Präfixe betrachtet werden) aus + Weg → Ausweg g) Adv. + Subst. sofort + Aktion → Sofortaktion II. Adjektiv als Zweitglied a) Subst. + Adj. Arbeit + unfähig → arbeitsunfähig b) Adj. + Adj. schwer + krank → schwerkrank c) Verb + Adj. triefen + nass → triefnass d) Pron. + Adj. selbst + sicher → selbstsicher e) Num. + Adj. dreiviertel + lang → dreiviertellang f) Adv. + Adj. rechts + radikal → rechtsradikal g) Präp./Präfix + Adj. mit + schuldig → mitschuldig III. Adverb als Zweitglied a) Adv. + Adv. überall + hin → überallhin b) Pron. + Adv. aller + frühestens → allerfrühestens IV. Verb als Zweitglied a) Verb + Verb spülen + bohren → spülbohren Erstglied häufiger als Inf. oder Partiz. kennen + lernen → kennenlernen (auch: kennen lernen) b) Subst. + Verb Kopf + rechnen → kopfrechnen diese sind untrennbar; trennbar und daher eher lexikalisierte Wortverbindungen sind z.B. kopfstehen (er steht Kopf), staubsaugen (auch: Staub saugen) usw. c) Adj. + Verb froh + locken → frohlocken trennbare sind auch hier als Wortverbindungen zu behandeln, z.B. festhalten (er hält fest) d) Adv. + Verb rück + fragen → rückfragen (nur als Inf. oder im Nebensatz) V. Präposition als Zweitglied Wortart: hier nicht identisch mit der des Zweitgliedes, sondern Adverb oder Pronominaladverb a) Adv. (hin/her) + Präp. → Adverb hin + auf → hinauf b) Adv. (da(r)/wo(r)/hier) + Präp. → Pronominaladverb da + auf → darauf c) Pron. + Präp. → Adverb (Zusammenrückungen) dem + gegenüber → demgegenüber VI. Pronomen als Zweitglied i.d.R. Konjunktionaladverbien; Erstglied: Präp., das Pron. steht im regierten Kasus (also Zusammenrückung) außer + dem → außerdem infolge + dessen → infolgedessen neuere Präpositionen: Zusammenrückungen aus Präp. + Subst., z.B. in + Folge → infolge (auch: in Folge) Klassifikation nach dem Verhältnis zwischen den Komponenten • nicht bestimmbar, wenn die ursprüngliche Motivation verblasst ist (z.B. Junggeselle) oder eine der Komponenten als Wort nicht mehr existiert (z.B. Himbeere) • koordinierendes Verhältnis: nur kopulativ (’und’), z.B. Strumpfhose: Strumpf und Hose zugleich; manchmal ist die Reihenfolge variabel, z.B. Hosenrock/Rockhose, Uhrenradio/Radiouhr • subordinierendes (und prädikatives) Verhältnis Rektionskomposita: Satzglied- oder attributives Verhältnis − jeweils diverse semantische Rollen (z.B. Danksagung: ’Dank sagen’ − Akkusativobjekt, semantisch: ’Inhalt’) keine Rektionskomposita sind, in deren Paraphrasen weitere Lexeme erscheinen (z.B. Maschinenfabrik: ’Fabrik, die Maschinen herstellt’) subordinierende Komposita kann man in Determinativkomposita und Possessivkomposita teilen • Arten der Determinativ- und Possessivkomposita: a) Subjektkomposita − das Erstglied ist das Subjekt, z.B. Völkerwanderung – ’die Völker wandern ’ − das Zweitglied ist das Subjekt, z.B. Lebewesen – ’Wesen, das lebt’ b) Objektkomposita − das Erstglied ist das Objekt, z.B. Sprachunterricht – ’man unterrichtet die Sprache’ − das Zweitglied ist das Objekt, z.B. Trinkwasser – ’man trinkt das Wasser’ c) Adverbialkomposita − Modalbest., z.B. Schnelldrucker – ’(das Gerät) druckt schnell’ − Instrumentalbest., z.B. Maschinenschrift – ’mit der Maschine geschrieben’ − Komitativbest., z.B. Wurstbrot – ’Brot mit Wurst’ − Lokalbest., z.B. Auslandsreise – ’Reise ins Ausland’ − Temporalbest., z.B. Abendzeitung – ’die Zeitung erscheint abends’ − Finalbest., z.B. Rasierapparat – ’der Apparat dient zum Rasieren’ − Konsekutivbest., z.B. Lachreiz – ’die Folge des Reizes ist Lachen’ d) Attributivkomposita viele attributive Konstruktionen können auch in der Form von Komposita ausgedrückt werden: Warmwasser – ’warmes Wasser’ (’das Wasser ist warm’) Hemdkragen – ’Kragen des Hemdes’ e) weitere Beziehungen − Zuständigkeit, z.B. Kinderarzt ’ein für Kinder(krankheiten) zuständiger Arzt’ − Name, z.B. Schillerstraße ’eine Straße mit dem Namen (von) Schiller’ − Gradbestimmung, z.B. hochverschuldet, superbillig − Vergleich, z.B. schneeweiß ’weiß wie der Schnee’ − Rektion, z.B. blutarm ’arm an Blut’ (in der Umgangsspr. kann es auch ’sehr arm’ bedeuten, mit der Betonung auf arm) − Nebenordnung + Reihenfolge, z.B. deutsch-ungarisch (z.B. Wörterbuch), schwarz-rot-gold die Paraphrase einiger Komposita enthält wesentlich mehr Lexeme als die Komponenten, z.B. LuftBoden-Rakete: ’eine von der Luftwaffe aus der Luft gegen Ziele auf dem Boden abgeschossene Rakete’ Zusammenrückungen: die syntaktische Beziehung der Elemente des Ausgangssyntagmas bleibt auch morphologisch erhalten (meistens einigermaßen verblasst), z.B. Schlagetot, Außerachtlassen usw. Zusammenbildungen: das Kompositum enthält Elemente einer Phrase, aber ohne morphologische Merkmale der syntaktischen Konstruktion, z.B. in Angriff nehmen → Inangriffnahme Ableitung (oder Derivation) • an ein Wort wird ein gebundenes Morphem angehängt, wodurch ein neues Lexem entsteht • Abgrenzung gegen Flexion: bei Letzterer entsteht kein neues Lexem (3) Kind + -er → Kinder (Flexion) (4) Kind + -heit → Kindheit (Ableitung) • Ableitungsaffix von rechts (hinten): Suffix • Ableitungsaffix von links (vorne): Präfix • weitere Ableitungssuffixe nach einem Suffix: lehr(en) + er → Lehrer; Lehrer + in → Lehrerin • formenbildende Suffixe nach Ableitungssuffixen: Freund + -lich → freundlich; freundlich + e → freundliche; freundlich + er + e → freundlichere • Grundwort als Derivat: Lehrer + -in → Lehrerin • Grundwort als Kompositum: Landsmann + in → Landsmännin • Grundwort als Derivat und Kompositum: Deutschlehrer + -in → Deutschlehrerin • Suffix: kann die Wortart unverändert lassen (z.B. Mensch + -heit → Menschheit) oder verändern (z.B. frei + -heit → Freiheit) • Präfix: verändert selten die Wortart (z.B. er- + blind → erblind(en)) • Konfix: gebundenes Morphem fremder Herkunft; Stamm oder Affix? z.B. poly-, pseudo-, super- P räfix e • treten von links (vorne) an das Grundwort • Funktion: Wortbildung (nur ge- hat z.T. formenbildende Funktion) • die meisten sind Verbalpräfixe • vor Verbstämmen können weitere Stämme stehen, die aber keine Präfixe sind (z.B. froh + locken → frohlocken: Kompositum, hinein + gehen → hineingehen: Wortverbindung, weil trennbar) • trennbare Präfixe (auch: Halbpräfixe, Präfixoide, Verbzusätze): selbstständige Textwörter, aber keine Lexeme → mit Verbstämmen bilden sie Derivate (z.B. auf + stehen → aufstehen) • • Verbalpräfixe: nicht nur mit Verbstämmen, z.B. Umweg, Ausland nicht verbale Präfixe sind nie trennbar, z.B. ungünstig (aber verbale in Substantiven ebenfalls nicht, z.B. Aufräumung) • Funktionen und/oder Bedeutungen der einzelnen Präfixe Verbalpräfixe be1. Transitivierung z.B.dienen + Dat. → bedienen + Akk., kämpfen + gegen + Akk. → bekämpfen + Akk. 2. Objektverschiebung z.B.liefern + Dat., Akk. → beliefern + Akk., mit + Dat., laden + auf + Akk., Akk. → beladen + Akk., mit + Dat. 3. transitive Synonyme von Transitiva, auch mit Intensivierung z.B.fürchten → befürchten, fragen → befragen 4. Bildung von Transitiva aus Adjektiven z.B.reich → bereichern (aus der Komparativform reicher), ruhig → beruhigen (es gibt ja keine Verben *fähigen, *reichern oder *ruhigen) aber nicht alle Verben mit be- sind transitiv, z.B. bedürfen + Gen.; der Stamm von begegnen und beginnen existiert nicht als Wort 5. aus Substantiven: Adjektive i.d.B. ’ist versehen mit …’ (ornativ) (Zirkumfix be- …-t) z.B. Brille → bebrillt, Moos → bemoost nur Scheinpartizipien, *bebrillen und *bemoosen gibt es nämlich nicht A ble i t ungs s uff i xe ( D e r i v a t i onss uff i xe) • treten von rechts (hinten) an das Basiswort (Grundwort) • sie sind gebundene Morpheme • einige verändern die Wortart des Basiswortes (4) (neue Wörter) bilden → Bildung (von neuen Wörtern) − ohne Bedeutungsveränderung (5) (einen Text) vorlesen → Vorlesung (halten, besuchen usw.) − mit Bedeutungsveränderung • Gruppierung nach Wortart der Derivate − Wortart des Basiswortes kann auch bei einem Suffix variieren: (6) a. erlauben (Verb) + -nis → Erlaubnis b. finster (Adj.) + -nis → Finsternis c. Bund (Subst.) + -nis → Bündnis a) Bildung von Substantiven -ei (-elei, -erei) 1. aus Substantiven: – ’Ort’ z.B. Karte → Kartei, Bäcker → Bäckerei, Bücher → Bücherei (aus dem Plural) – ’für das Basiswortdenotat charakteristisches Verhalten/Ding’ z.B. Ferkel → Ferkelei, Teufel → Teufelei, Kinder → Kinderei (aus dem Plural) – Sammelname z.B. Staffel → Staffelei, Gauner → Gaunerei, Länder → Länderei (aus dem Plural) 2. aus Verben (v.a. in der Variante -erei) – abwertend z.B. brüllen → Brüllerei, essen → Esserei, recht haben → Rechthaberei, heucheln → Heuchelei – ’Ergebnis einer Handlung’ z.B. häkeln → Häkelei, schnitzen → Schnitzerei b) B i l d u n g v on A d j e kt i ve n -bar 1. aus Verben: – ’die betreffende Handlung kann in Bezug auf den (Akkusativ)Objektreferenten ausgeführt werden’ z.B. waschen → waschbar, auffinden → auffindbar, deklinieren → deklinierbar – ’der betreffende Vorgang kann in Bezug auf den Subjekt- oder einen (nicht akkusativischen) Objektreferenten geschehen’ (nur aus Intransitiva) z.B. gerinnen → gerinnbar (Subj.), (nicht) entrinnen → (un)entrinnbar (Dativobj.) 2. aus Substantiven: – ’Eignung’ (selten) z.B. Jagd → jagdbar, Schiff → schiffbar, Frucht → fruchtbar in weiteren Bedeutungen: furchtbar, mittelbar 3. aus Adjektiven: – Synonym des Basiswortes (ziemlich selten) z.B. offen → offenbar c) B i l d u n g v on A dv e r bi e n -s 1. aus Substantiven: – ’Zeit’ z.B. Abend → abends, Anfang → anfangs, Sommer → sommers aus Wortverbindungen: der heutige Tag → heutigentags – ’Ort’ (nur aus Wortverbindungen) z.B. viele Orte → vielerorts, alle Orte → allerorts, hinter dem Rücken → hinterrücks (auch Modaladverb) – ’Art und Weise’ z.B. Flug → flugs, Teil → teils, Ring → rings (kombiniert mit Lokaladverbialien mit um) 2. aus Adjektiven: z.B. besonder → besonders, link- → links, ander- → anders, vergeben → vergebens (aus Partizip) d) B i l d u n g v on V e r be n -(e)l 1. aus Substantiven: – ’etw. so / zu dem machen, was das Basiswort bezeichnet’ z.B. Falte → fälteln, Haufe(n) → häufeln, Stück → stückeln – diminutiv und/oder iterativ z.B. Frost → frösteln, Schlange → sich schlängeln, Herbst → herbsteln – ’so sprechen wie die betreffende Menschengruppe (so einen Akzent haben)’ z.B. Sachse → sächseln, Franzose → französeln 2. aus Verben: – diminutiv und/oder iterativ z.B. lachen → lächeln, husten → hüsteln, streichen → streicheln, tanzen → tänzeln 3. aus Adjektiven (selten): – ’sich verhalten wie jemand mit der betreffenden Eigenschaft’ z.B. fromm → frömmeln, blöd → blödeln, klug → klügeln Konversion • Veränderung der Wortart ohne die Verwendung irgendeines Affixes • es wird selten auch die Bedeutung modifiziert, z.B. das Schreiben – 1. ’Schreiben als Handlung’ 2. ’Produkt der Handlung’ • Konversionsprodukt: meistens Substantiv (alle Wortarten können substantiviert werden) • Einteilung nach Wortarten: Substantive a) aus Verben: 1. aus dem Stamm, z.B. (der) Ruf 2. aus dem Infinitiv, z.B. (das) Lachen 3. aus einer finiten Form, z.B. (das) Muss b) aus Adjektiven: 1. mit adjektivischer Deklination, z.B. (der/die/das) Deutsche, (der/die) Reisende, (der/die) Angestellte 2. mit substantivischer Deklination, z.B. (das) Deutsch, (das) Grün c) aus Adverbien: z.B. (das) Heute d) aus Numeralia: z.B. (die) Hundert, (das) Hundert e) aus Pronomina: z.B. (der) Jemand f) aus Präpositionen: z.B. (das) Für und Wider g) aus Konjunktionen: z.B. (das) Aber h) aus Partikeln: z.B. (das) Nur i) aus Satzäquivalenten: z.B. (das) Ja Adjektive: a) aus Verben: z.B. wach b) aus Substantiven: z.B. schmuck, koralle Verben: a) aus Substantiven: z.B. filmen b) aus Adjektiven: z.B. lahmen • Richtung der Konversion: a) aufgrund der allgemeinen semantischen Merkmale der Wortarten z.B. Verb und Substantiv, die ein Geschehen ausdrücken − Basiswort ist das Verb (z.B. kaufen → Kauf, aber: Film → filmen, da Film ein Gegenstand ist) b) aufgrund der morphologischen Struktur z.B. Verbalpräfix im Verb und Substantiv − Basiswort ist das Verb (z.B. besitzen → Besitz) Stammvokalwechsel: keine Konversion, sondern implizite Derivation, z.B. werfen → Wurf, verbieten → Verbot, binden → Band und Bund, Grund → gründen Kurzwortbildung (Abbreviation) • Teile von Stämmen werden weggelassen, z.B. Lokomotive → Lok, Omnibus → Bus, Newton → N • Kombinationen mit anderen Wortbildungsarten: mit Komposition: Geheime Staatspolizei → Gestapo, Technischer Überwachungs-Verein → TÜV, Obergeschoss → OG mit Ableitung: Trabant → Trab+i, logisch → log+o • weggelassen werden können Wortteile von a) dem Ende, z.B. Stefan → Stef, Fotografie → Foto, Oberkellner → Ober, Kilobyte → K b) dem Anfang, z.B. Martina → Tina, Violoncello → Cello, Schallplatte → Platte c) der Mitte, z.B. Sanitärraumzelle → Sanizelle, Apfelbaumplantage → Apfelplantage (diese heißen auch Klammerformen) d) dem Anfang und dem Ende, z.B. Sebastian → Basti, Elisabeth → Lisa • Komposita aus Kurzwörtern: 1. Silbenwörter (z.B. Motorfahrrad → Mofa) 2. Initialwörter a) buchstabiert (z.B. TV [te'f_], DAAD [de|a'de:] (Deutscher Akademischer Austauschdienst)) b) in phonetischer Gebundenheit (z.B. TÜV [tYf], BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz), bzw. fremde Initialwörter wie UNO, RAM, NATO usw.) 3. Kurzwort + Vollform (z.B. Schukostecker (Schutzkontakt → Schuko.), Kfz-Werksatt (Kraftfahrzeug → Kfz), U-Bahn (Untergrundbahn)) • Komposition und Derivation von Kurzwörtern: „Kurzwort-Wortbildung” Doppelung (oder Reduplikation) • keine Doppelung i.e.S.: emphatische Wiederholungen (z.B. sehr-sehr, viele-viele, ja-ja, los-los usw.), lautmalerische Interjektionen (z.B. peng-peng, zack-zack), kindersprachliche Wörter (z.B. Wauwau) • als Wortbildungsprodukte gelten: a) einfache Doppelung (z.B. halbe-halbe) b) Reimdoppelung (z.B. Schickimicki, Schorlemorle) c) Ablautdoppelung (z.B. Mischmasch, Singsang, Wirrwarr, Tingeltangel usw.) Kombinationen von Wortbildungsarten • gleichzeitige Anwendung verschiedener Wortbildungsarten • Autoschlosser gehört nicht dazu, weil die Schritte nacheinander folgen: (1) a. Schloss + -er → Schlosser b. Auto + Schlosser → Autoschlosser • aber bei fünfjährig vereinigen sich zwei Stämme und ein Suffix in einem Schritt: (2) a. fünf + jahr + -ig → fünfjährig b. *fünfjahr / * jährig • eine Klassifizierung von Typ (2): a) Wort + Wort + Suffix z.B. fünfjährig, Holzfäller (es gibt weder *holzfällen noch *Fäller) b) Präfix + Wort + Suffix z.B. befriedigen (kein *friedigen), begnadigen (kein *gnadigen), unwiderstehlich (kein *widerstehlich) c) Präfix + Wort + Konversion z.B. beglückwünschen (aus Glückwunsch, aber es gibt kein *glückwünschen) verkraften (es gibt kein *kraften, nur Kraft) d) Wort + Wort + Wort z.B. Achtstundentag (es gibt weder *Achtstunden noch *Stundentag) Neue Bildungen der letzten Jahrzehnte • vorwiegend umgangssprachliche und jugendsprachliche Neubildungen o Abkürzung + Suffix -i z.B. Student → Studi, Ostdeutscher → Ossi, Konzert → Konzi, Zigarette → Ziggi o einige Kurtzwörter enden auch ohne Suffix auf i z.B. Universität → Uni, prominente Person → Promi o seltener auch die Suffixe -o und -e z.B. Anarchist → Anarcho, logisch → logo, emanzipierte Frau → Emanze (pejorativ) o einige Kurtzwörter enden auch ohne Suffix auf o z.B. Majonäse → Majo, Homosexueller → Homo o einige Silbenwörter enden auch ohne Suffix auf o, e oder i z.B. Jungsozialist → Juso, Wasserwerfer → Wawe, Schiedsrichter → Schiri o diese Suffixe werden auch an vollständige Stämme angehängt z.B. brutal → Brutalo, brumm(en) → Brummi ’großer Laster, Lastzug’ o Suffix -e nach Verbstamm: nicht neu, aber es gibt umgangssprachliche Neubildungen z.B. mögen → Möge ’Lust’, machen → Mache ’unechtes Gehabe’ o -itis: fachsprachlich für Erkrankungen, später ugs. für krankhaft übertriebene Tätigkeiten z.B. Sommer-Festival → Sommer-Festivalitis, Fotokopieren → Fotokopieritis, Mattscheibe → Mattscheiberitis (ständiges Fernsehen) o Stämme englischer Herkunft mit deutschen Flexions- und Wortbildungsmorphemen z.B. to leas → leasen (ich lease, du least, hast geleast usw.), to flip → flippen → ausflippen, wegflippen, handicap → handicapen (handicapte, h. gehandicapt)