Magengeschwüre beim Pferd – gibt’s das denn überhaupt? Dr. Kai Kreling, Tierärztliche Klinik Binger Wald, Waldalgesheim Das Magengeschwür gehört bei uns Menschen schon fast zum Alltag. Jeder unter Stress Stehende klagt früher oder später über mangelhaften Appetit, Schmerzen im Magenbereich und Sodbrennen. Das Pferd hat sicher nicht den Stress, den wir als Menschen im täglichen Berufsleben erfahren. Doch gibt es besondere Situationen, die für ein Pferd sehr belastend sein können. Nur ein Beispiel soll das halbjährige Fohlen sein, das von der Mutter abgesetzt und in eine wohlmöglich noch fremde Herde Gleichaltriger kommt. Das ist in unseren Augen eine Pferdegerechte Massnahme. Das Fohlen erlebt jedoch eine massive Umstellung. Weg von der Mutter, eine andere Umgebung und ein völlig neues und oft ziemlich hartes Herdengefüge. „Schüchterne“ Fohlen haben es jetzt besonders schwer. Sie werden zurückgedrängt, dürfen als letzte an Tränke und Futtertrog und sind in der Herdenhirarchie ganz unten. Diese Situation ist nicht nur kurzfristig, sondern zieht sich über einige Wochen hin. Während dieser Zeit kann es zu einer vermehrten Sekretion von Magensäure kommen, die die Magenschleimhaut reizt und mittelfristig auch zu einer Entzündung der Magenschleimhaut führt. Wird die Magenschleimhaut über einen längeren Zeitraum immer wieder gereizt, kommt es zu einer chronischen Magenschleimhautentzündung und zur Ausbildung von Magengeschwüren. Was passiert im Magen des Pferdes? Der Magen des Pferdes ist relativ klein ( Erwachsenes Pferd zwischen 10 und 15 Litern Inhalt). Der Magen sieht aus wie ein großer Sack mit einem Eingang und einem Ausgang. Er ist mit Schleimhaut ausgekleidet, die die Magenwand vor aggressiven Einflüssen wie der Magensäure schützt. Die den Magen auskleidende Schleimhaut ist aber nicht einheitlich konstruiert. Im vorderen und auch oberen Anteil des Magens befindet sich eine Schleimhaut, die der äußeren Haut im Aufbau ähnelt. Der hintere und auch tiefer gelegene Anteil des Magens wird von einer Drüsenhaltigen Schleimhaut ausgekleidet. Hier werden auch die zur Verdauung notwendigen Magensäfte produziert. Die Schleimhaut im oberen/vorderen Bereich des Magens ist gegen die Magensäure nicht gut geschützt. Kommt es zu Stress, wird mehr Magensäure produziert und der Magensäurespiegel steigt. Damit erreicht er die schlechter geschützte Schleimhaut und kann dort zu entsprechenden Schäden führen. Ein weiterer Faktor ist die Fütterung. Der kleine Magen des Pferdes ist nicht auf große Mengen Futter eingestellt. Wird einem Pferd eine größere Menge meist auch noch Kraftfutter nicht über den Tag, sondern nur auf ein oder zwei Mahlzeiten verteilt, so kommt es zu einer extrem Füllung des Magens. Der Magen kann nicht so schnell wieder geleert werden wie das Futter in den Magen gelangt. Die Füllung des Magens führt auch zu einem Ansteigen der Magensäfte über den Bereich der Drüsenschleimhaut hinaus. Jetzt wird wieder die ungeschützte Schleimhaut irritiert und es kann zu Entzündungen dieser Magenschleimhaut führen. Große Futtermengen führen zu einer verzögerten Magenentleerung. Der Magen entleert seinen Inhalt in den Dünndarm und benötigt im Normalfall ca. 40 Minuten dafür. Bei extrem schneller Aufnahme von Kraftfutter kann diese Zeit sich auf mehrere Stunden verlängern. Während dieser Zeit wirkt die Magensäure schädigend auf den oberen, vorderen Schleimhautanteil des Magens. Magenschleimhaut – oben blass im unteren Abschnitt dunkelrot = Drüsenschleimhaut. Flüssigkeitsspiegel weiß, schaumig in der Tiefe. Zwei große Zubildungen auf der Magenschleimhaut Welches Futter belastet besonders? Bleiben wir bei dem Beispiel des Absetzers. Das halbjährige Pferd steht voll im Wachstum. Kommt es weg von der Mutter, fehlt ihm die Muttermilch. Es soll möglichst gut wachsen und propper aussehen. Was liegt da näher, als das Pferd jetzt mit entsprechendem Kraftfutter ausreichend zu füttern. Aber gerade hier kann es ein Problem geben. Kraftfutter ist Eiweißhaltig und führt über seine Zusammensetzung zu einer Ansäuerung des MagenDarminhaltes. Die häufig große Menge, verteilt auf wenige Mahlzeiten und der Effekt der Ansäuerung addieren sich auf und belasten das Pferd in vielen Fällen extrem. Wie sieht das äußere Erscheinungsbild aus? Die so gehaltenen und gefütterten Pferde reagieren nach einiger Zeit mit Entwicklungsstörungen, schlechtem, stumpfen Fell, Anteilnahmslosigkeit. Sie sondern sich von der Gruppe und benehmen sich wie Einzelgänger. Vor allem unmittelbar nach dem Fressen legen sie sich hin, Flehmen vereinzelt und sind dann besonders ruhig. Die akuten Symptome wie Hinlegen und Flehmen vergehen nach kurzer Zeit wieder und wiederholen sich regelmäßig nach dem Fressen. Diese Pferde neigen in extremen Fällen zu Koliken. Wie kann man vorbeugen? Ideal ist es, das Fohlen von der Mutter im eigenen Stall zu trennen und noch einen losen Kontakt zur Mutter zu erlauben. Ist das junge Pferd mit anderen Fohlen vorher schon zusammen auf der Weide gewesen, sollten diese Pferde auch jetzt wieder zusammen gehalten werden. Nach weiteren 14 Tagen ist die Umstellung in eine größere Herde dann oft kein Problem mehr. Die Fütterung ist noch wesentlicher als die Haltung. Extreme Kraftfutterrationen müssen vermieden werden. Am günstigsten sind die kommerziell angebotenen Jungpferdefertigfutter, die einen ausgewogenen Anteil von Energie zu Menge beinhalten. Das Futter sollte auf wenigstens 3 Mahlzeiten verteilt werden. Um die Fressgeschwindigkeit zu reduzieren hat es sich bewährt, in den Trog des Pferdes einen oder mehrere große Kieselsteine zu legen. So muss das Futter zwischen den Steinen herausgesucht werden. Das kostet Zeit und verlangsamt die Futteraufnahme. Damit wird dem Magen Gelegenheit gegeben, erste Futterbestandteile in den Dünndarm weiter zu transportieren. Wie sieht eine Therapie erkrankter Pferde aus? Gastroskopie – Magenspiegelung. Das flexible Endoskop ist bis in den Magen vorgeschoben. Das Bild der Magenschleimhaut ist auf dem Monitor zu sehen. Hat sich die Diagnose per Magenspiegelung bestätigt, wird durch eine reduzierte Diät mit wenig Eiweiß, ausbalanciertem Fertigfutter und häufiger Futtergabe versucht das Gleichgewicht im Magen des Pferdes wieder herzustellen. Medikamente zur Verringerung der Magensäureproduktion, Neutralisation der Säureanteile und zur Beschleunigung der Magenentleerung helfen der Abheilung der Magenschleimhaut. Empfindliche Pferde, wie Hochleistungssportler und Rennpferde sollten unter den oben aufgeführten Aspekten ihr Leben lang eine entsprechende Ernährung bekommen. Die Häufigkeit von Magengeschwüren liegt deutlich höher als bislang angenommen. Verschiedene Literaturstellen berichten von erkrankten Pferden in Größenordnungen von > 30%. Viele diese erkrankten Pferde sind unerkannt, da sich die Symptomatik auf eine Leistungsschwäche beschränkt. Neben den diätetischen Maßnahmen müssen auch die Umfeldfaktoren der Pferde stimmen. Die moderne Pferdehaltung mit Auslaufmöglichkeiten, Offenboxen, Sozialkontakten unter den Pferden und häufigerem Füttern trägt speziell bei dieser Erkrankung zu einer effizienten Vorbeuge bei.