Zusammenfassung (German Summary) Erkenntnisse aus der Experimentalforschung zur Raumkognition belegen, dass kognitive Raumrepräsentationen, die auf der Behaltensleistung von Informationen aus Karten basieren, kognitionspsychologischen Prinzipien und damit – zumindest teilweise – voraussehbaren Einflüssen unterliegen. Diese räumlichen Verzerrungsmuster im kognitiven Abbild einer Karte können sowohl in der Wahrnehmung (Gestaltgesetze) als auch im räumlichen Gedächtnis (Enkodierung und / oder Abruf) entstehen. Um Objektpositionen und -relationen der Karte mit geringeren Verzerrungen im räumlichen Gedächtnis behalten zu können, wie es zur Unterstützung alltäglicher Navigations- und Orientierungsaufgaben wünschenswert wäre, eignet sich u.a. der Eintrag von aufliegenden Gitterstrukturen in die Kartengraphik. Die grundlegende Hypothese dieser Arbeit ist, dass Gitter im Verarbeitungsprozess räumlicher Karteninformationen korrigierend wirken können, in dem sie dem Gedächtnis durch die Aufteilung des Kartenbildes in gleichmäßige Regionen eine räumliche Referenzierungsshilfe bieten. Auf der Grundlage eines in der Raumkognitionsforschung etablierten Paradigmas zur Untersuchung des räumlichen Gedächtnisses (Enkodierung und Abruf) war es in dieser Arbeit das Ziel, die korrigierende Wirkung von Gittern in topographischen Karten auf das menschliche Positionsgedächtnis zu überprüfen. Als quantitative Messgrößen dienten dabei die Trefferrate (prozentualer Anteil korrekt abgerufener Objektposition) und die räumliche Genauigkeit (durchschnittliche Abweichung korrekt abgerufener Objektpositionen von der Position des zu lernenden Objekts). Für die Überprüfung der Gittereffekte auf das Positionsgedächtnis wurden im Rahmen dieser Arbeit, eingebettet in ein interdisziplinäres DFG-Forschungsprojekt der Fachbereiche Geomatik / Kartographie und Experimentelle Psychologie und Methodenlehre der Ruhr-Universität Bochum (RUB), fünf kartenexperimentelle Studien durchgeführt. Mit der ersten dieser Studien wurde untersucht, ob Gitter, in gängigen Darstellungsformen der amtlichen kartographischen Praxis, generell Verzerrungsfehler im menschlichen Positionsgedächtnis reduzieren können. Diese einleitende Studie belegte, dass Gitter in Topographischen Karten (im Maßstab 1:10.000), bestehend aus geschlossenen oder gestrichelten Linien oder aus 154 Gitterkreuzen, die Trefferrate und räumliche Genauigkeit, im Vergleich zu einer „ohne Gitter“-Bedingung signifikant verbessern. Anknüpfend an diese Ergebnisse wurden vier weitere empirische Studien konzipiert und durchgeführt, die auf die räumlichen Gedächtniseffekte ausgewählter Darstellungsparameter von Gittern abzielten. Die zweite Studie verdeutlichte, dass eine geringere Opazität von Gitterkreuzen in topographischen Karten (20 %, verglichen mit 60 % und den in Studie 1 eingesetzten 100 %) zu keinen signifikanten Nachteilen hinsichtlich der Trefferrate und räumlichen Genauigkeit im menschlichen Positionsgedächtnis führt. Die dritte Studie zeigte, dass in einer topographischen Karte die Platzierung von geschlossenen Gitterlinien im Abstand von 5,0 cm14 (im Vergleich zu 2,5 cm und den in Studie 1 eingesetzten 10,0 cm) zu einer verbesserten Trefferrate und räumlichen Genauigkeit im Positionsgedächtnis führt. Aufbauend auf den Ergebnissen der ersten und dritten Studie basierte die vierte Studie technisch auf der Möglichkeit, mit autostereoskopischen Bildschirmen „Echt-3D“-Tiefeneffekte in Karten einzubauen. Die Studie zeigte, dass das dreidimensionale Hervorheben von Gittern (5,0 cm Erhöhung im Vergleich zur Basiskarte; 5,0 cm Gitterlinienabstand) einen weiteren signifikanten Vorteil für die räumliche Genauigkeit des Positionsgedächtnisses bewirkt. Die fünfte Studie belegte, dass auch die Farbe von Gitterlinien (5,0 cm Gitterlinienabstand) die räumliche Genauigkeit des Positionsgedächtnisses signifikant verbessern kann. Im Vergleich zu in der kartographischen Praxis gängigen schwarzen und dunkelbraunen Gitterfarben, verursachte eine blaue Färbung der Gitter diesen Vorteil. Die in diesen fünf Studien empirisch ermittelten Ergebnisse weisen darauf hin, dass Kartographen durch die Wahl der Kartengraphik – in diesem Fall von Topographischen Karten (im Maßstab 1:10.000) unterschiedlicher Komplexität – Einfluss auf die Qualität des räumlichen Gedächtnisses der Kartennutzer nehmen können. Durch das Auflegen von Gittern können Kartographen die Nutzer unterstützen sich in Karten repräsentierte Rauminformation vollständiger und genauer zu merken. 14 5 cm Distanz auf der Karte entsprechen bei einem Maßstab von 1:10.000 500 m Realdistanz. 155 Aufbauend auf diesen Ergebnissen sollten die ermittelten graphischen Einflussparameter von Gittern (Opazität, Separation, Tiefenversatz und Farbe) weiter zur optimalen Wirkung hin quantifiziert werden. Ferner sollte in zukünftiger Forschung, bspw. durch moderne Verfahren der Blickbewegungsmessung, nach Zusammenhängen zwischen den ermittelten Effekten und der Wahrnehmung bzw. dem Lesen von Karteninformation untersucht werden. 156