SÓNDERABDRUCK MONATSSCHRIFT UNGARISCHER

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SÓNDERABDRUCK
aus der Festnummer
MONATSSCHRIFT
der
UNGARISCHER
MEDIZINER
anlässlich des V. internationalen
Kongresses
für
Unfallheilkunde und Berufskrankheiten in Budapest
.
7—9. Heft 1928
Die M. U. M. behält sich das ausschliessliche Recht der Vervielfältigung, der Ver' breitung, sowie der ungarischen Publikation
etc. vor. — Nachdruck verboten. — Alle
Zuschriften und Anfragen sind an die Redaktion (Budapest, V., Berlini-tér 5) zu richten.
Bemerkungen zur Knochenbruchbehandlung.
Prof. C. V1DAKOV1TS
Direktor
der chirurgisdten
Klinik
der königl.
(Szeged),
ungar.
Franz-Josef-Universität.
Die Frage der Knochenbruchbehandlung ist bei weitem noch
keine abgeschlossene. Bezüglich der Wahl der Methode gehen die
Meinungen heute weiter auseinander, als zu jener Zeit als es noch
um einige Verfahren weniger gab. Soll Schiene, einfache Lagerung
nach Lucas Championniere, soll Fixationsmethode — also Gips —,
Extensionsmethode, oder Nagelextension, oder blutig eingegriffen
werden ? Ausser diesen allgemeinen Fragen kommen nun noch die
Detailfragen: welche Fixations- oder Extensionsmethode soll im gegebenen Fall angewendet werden ?
In zweiter Linie ist die Frage der Behandlungsdauer wieder
aktuell geworden, in der Erkennung, dass gewisse Frakturen eine
viel längere Ruhigstellung erfordern, als es bisher angenommen wurde;
diese wichtige Frage ist nach der Erlangung der Erwerbsfähigkeit etwas
in den Hintergrund gedrängt worden. Böhler hat uns heuer am Berliner
Chirurgenkongress darauf aufmerksam . gemacht, dass der Unterschenkelbruch eine ungefähr 6—8 wöchentliche Ruhigstellung im
Gipsverbande verlangt. Ebenso auch andere Brüche.. Er empfiehlt
also eine lange Ruhigstellung, keine Bewegung, um die zarten Gefässe
des fibrösen Kallus nicht zu schädigen.
Es soll demnach das Bardenheuer'sche Prinzip verlassen werden.
Ich glaube jedoch, dass man davon im allgemeinen nicht abgehen soll.
Frühzeitige Mobilisation und Massage, also funktionelle Behandlung des
inaktiven Gliedes sind unsere kräftigsten Massnahmen, um die Funktionsfähigkeit, also die Brauchbarkeit des Gliedes im Sinne der Arbeitsfähigkeit teils zu erhalten, teils um dieselbe baldigst wieder zu gewinnen.
Und das ist eine :grosse Sache, wenn es sich um Rente oder der
Interessen einer Krankenkasse handelt, aber auch für den Patienten
selbst. Es handelt sich um einige gute Wochen, um welche der Patient
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seine Arbeitsfähigkeit früher wiedererlangt, wenn er funktionell behandelt
wurde. Das Prinzip soll also bestehen bleiben. Wenn jemand durch
das frühe Bewegen des Gliedes in Nachdenken geraten sollte, ob
er damit die Kallusbildung nicht verzögert, dem kann geraten werden
2 Wochen zu warten, und erst nach Ablauf dieser Zeit mit dem Bewegen
zu beginnen. Dieses Prinzip führen wir durch in allen Fällen, in
welchen das Alter des Patienten eine funktionelle Behandlung erfordert. Diese Prinzipien vor Auge haltend, gestaltet sich unsere Behandlung folgendermassen (wegen Mangels an Raum nur allerkürzest).
Grundsätzlich sind wir Anhänger der Extensionsbehandlung nach
Bardenheuer. Davon weichen wir ab:
1. bei Kindern, wenn die Reposition einfach gelingt, und
zur Ruhigstellung der Gipsverband ausreicht. Die suprakondyläre Humerusfraktur aber behandeln wir prinzipiell mit dem unten
angegebenen Verfahren.
2. In allen Fällen, wo keine oder eine nur geringe Dislokation vorhanden ist, an der unteren Extremität zuerst Gips,
dann nach fester werden des Kallus, funktionelle Behandlung.
Dies gilt besonders für Frakturen im mittleren Lebensalter. Alte
Leute vertragen schlecht einen Gehverband.
•
3. Zur Frakturbehandlung der oberen Extremität hauptsächlich die Bardenhauer'sehe Schiene. Sehr hohe Brüche Extension in Abduktion. Frakturen beider Knochen des Vorderarmes
erfordern sehr oft die Knochennaht. Der typische Radiusbruch,
ebenso subperiostale Frakturen der Kinder oder Infraktionen
'
werden mit Gipsverband behandelt.
4. Knöchelbrüche werden nach dem Rückert'schen Verfahren behandelt.
5. Schenkelhalsfraktur: wenn eingekeilt, Gipsverband, oder
nur Ruhe. Wenn nicht eingekeilt, so Extension, Behandlungsdauer 3 Monate. Bei Jugendlichen grundsätzlich Extension.
6. Die blutige Behandlung bleibt für nicht reponible, für
veraltete Fälle, hauptsächlich für Frakturen in der Nähe grosser
Gelenke. Oft für Querfrakturen (Humerus, Femur).
7. Die Nagelextension für veraltete, und solche Fälle, bei
denen eine hochgradige Längsverschiebung besteht.
Ich habe im Jahre 1912 nur in ungarischer Sprache ein einfaches Verfahren veröffentlicht, welches ich als das Verfahren mit
der Doppelschlinge nannte. Es besteht darin, dass man — wie es
nebenstehendes Bild versinnlicht — eine Schleife nach Bardenheuer z. B.
aussen am Oberarme (Stellung: rechtwinkelig im Ellenbogengelenke)
beginnend um das Ellenbogengelenk führt, rückwärts eine Schleife
bildend, den Flanellstreifen unmittelbar vor dem Gelenke von der Innenseite den Unterarm kreuzt, dann wieder zurück über die Aussenseite die
Schleife rückwärts verdoppelt und schliesslich nach innen wieder aufwärts führt, und festklebt. So haben wir das Ellenbogengelenk, eventuell das kleine Bruchstück, bei der suprakondylären Fraktur vollends
in unserer Macht und können es nach Belieben: je nach der Art der
Fraktur nach vorne oder nach rückwärts ziehen. (Siehe Abbildung 1.)
Bei dieser Fraktur liegt das Kind am Rücken, Arm vertikal suspendiert
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mittels der erwähnten Schleife. Weiters ein Zug in der Längsachse
des Vorderarmes nach vorne, eine Schleife am Oberarm nach rückwärts. Das Verfahren ist so einfach, dass es — in sehr vielen Fällen
angewandt — fast keine Reposition erfordert, dieselbe erfolgt von
selbst infolge des Zuges, einerlei, ob Flexions- oder Extensionsfraktur.
(Siehe Abbildung 2.)
Diese Schleife kann auch um das Kniegelenk angewendet werden, man erreicht damit gute Erfolge bei suprakondylären Frakturen
des Femur. Auch als Zug bei Anlegen des Gipsverbandes in Fällen
von hohen Femurfrakturen macht sie gute Dienste.
Und schliesslich möchte ich dem verehrten Kongress noch meine
Methode zur Behandlung des Schlüsselbeinbruches erwähnen, welche
im Zentralblatt f. Chir. 1926 erschien. Es ist eine Modifikation des
Borchgrevink'sehen Verbandes. Man führt einen gepolsterten fingerdicken Gummischlauch vom Nacken beginnend vor beiden Schultern
durch die Achselhöhle nach rückwärts und nach erwünschtem Zuge
knüpft man hier die Enden des Schlauches. Damit ist die Längsverschiebung behoben. Die Achsenverschiebung wird durch eine Mittela
ausgeglichen. Dies ist alles. Die Patienten können sofort den Arm
erheben und bewegen. Um die Gefässe und Nerven der Achselhöhle
nicht zu drücken, wird der Schlauch vor dem Schultergelenke unterpolstert. Ein ideal einfaches Verfahren, man sollte wirklich nicht mehr
neuere Gipsverbände erfinden, und die Patienten nicht mehr mit
solchen quälen.
Pester Lloyd-Druckerei.
Abbildung 2
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