„Was ER euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5) Die Theologie des Apostels Paulus in den Evangelien und ihre Folgen Manche Theologen meinen, in den Evangelien stammten eigentlich nur die Bergpredigt, das Vaterunser und einige Gleichnisse von Jesus. Alles Andere seien „redaktionelle Überarbeitungen“, also Erfindungen der jeweiligen Verfasser der Evangelien. Diesen Theologen ist allerdings entgegenzuhalten, dass Jesus mit einer derart spärlichen Botschaft niemals eine Lehrtätigkeit von 1 bis 3 Jahren hätte ausfüllen und der Evangelist Johannes in seiner Schlussbemerkung niemals hätte schreiben können: „Es gibt aber noch vieles Andere, was Jesus getan hat. Wenn man Alles aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müsste“ (Joh 21,25). Auch hätte sich bei einer derart spärlichen Botschaft bei den Jüngern Jesu niemals die Überzeugung bilden können, Jesus sei „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20). Wollte Jesus als Messias erkannt werden, musste er die Verheißung Gottes an Mose im Buch Deuteronomium erfüllen: „Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen, und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage.“ (Dtn 18,18) Dieser verheißene Prophet soll also nicht nur dem großen Propheten Mose ebenbürtig sein, sondern sogar das endgültige Wort Gottes verkünden, so dass die Lehre des Mose nur eine vorläufige Gültigkeit erlangen kann. Tatsächlich wirkte die Lehre Jesu auf seine Zuhörer derart gewaltig, dass sie urteilten: „Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet.“ (Mk 1,27) Jesus hob mit seiner „ganz neuen Lehre“ das überkommene mosaische Gottesbild vom schrecklichen Rachegott Jahwe auf und ersetzte es durch den Gott der Liebe und der Barmherzigkeit. Das diesseitsorientierte Menschenbild der Thora, wonach sich der Segen Gottes in Reichtum, Kindern, Ansehen und hohem Lebensalter zeigt, wandelte er in ein jenseitsorientiertes Menschenbild um, wonach es ausschließlich auf die Gottes-, Nächsten- und Feindesliebe ankommt. Er bekämpfte die mosaische Leiddeutung, wonach das Leid die Strafe Gottes für die Sünde sei, und heilte Kranke ohne vorhergehendes Sündenbekenntnis und Tieropfer. Dem alttestamentlichen Heirats- und Zeugungszwang setzte er die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen entgegen und der Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung die 1 Seite 2 von 14 Gewaltlosigkeit. Das jüdische Eheverständnis als Herrschaftsverhältnis des Mannes über die Frau löste er durch ein Liebesverhältnis in Gleichachtung ab, indem er die Stellung der Frau durch das Scheidungsverbot stärkte und ihr die Wahlfreiheit zwischen Ehe und Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen eröffnete. Zum Entsetzen der frommen Juden schaffte er auch noch die Speisegesetze ab (Mk 7,19). Die Anhänger dieser „ganz neuen Lehre“ wurden daher auch als „Anhänger des neuen Weges“ bezeichnet (Apg 9,2). Während Mose den Alten Bund mit dem Blut geopferter Stiere besiegelte (Ex 24,5-8), besiegelt Jesus, der neue Mose und Messias, im Abendmahlssaal den Neuen Bund mit seinem Blut, das durch sein Kreuzesopfer vergossen wird. Entsprechend dem mosaischen Menschenbild strebten die jüdischen Priester nach Reichtum, Kindern, hohem Ansehen und hohem Alter. Jesus dagegen verlangt von seiner Priesterschaft des Neuen Bundes als Zeugnis für ihre Jenseitsorientierung die Nachfolge in Selbstverleugnung und Kreuztragen, was am Augenfälligsten im Mönchtum durch die Gelübde der Armut und der Keuschheit gelebt wird. Für den Hohen Rat, dem die Aufsicht über die Beachtung und Bewahrung der mosaischen Gesetze oblag, konnte Jesus nur ein falscher Prophet und Gesetzesbrecher sein, der entsprechend der Weisung im Buch Deuteronomium mit dem Tode bestraft werden musste (Dtn 13,2-6). Für die Juden war der Fall Jesus mit dessen Kreuzigung erledigt. Für die Jüngerschar ging er jedoch durch die Erscheinungserlebnisse des auferstandenen Jesus weiter. Da die Apostel von der Naherwartung der Wiederkunft Jesu ausgingen und sie ja selbst noch als Augen- und Ohrenzeugen zur Verfügung standen, erschien eine Niederschrift über Leben und Lehre Jesu entbehrlich. Dies änderte sich jedoch mit dem Auftreten des Pharisäers Paulus, der aufgrund einer Jesusvision vom Christenverfolger zum glühenden „Anhänger des neuen Weges“ wurde und durch seinen Missionseifer und seine Missionserfolge, insbesondere aber durch seine zahlreichen theologischen Briefe beeindruckte. Paulus war ausgebildeter Gesetzeslehrer und fühlte sich dem Apostelkollegium überlegen. Er erkundigte sich deshalb nach seiner Jesusvision nicht monatelang bei den Aposteln nach Leben und Lehre Jesu, sondern glaubte, aufgrund seiner Ausbildung selbst in der Lage zu sein, Leben und Lehre Jesu richtig beurteilen zu können. Ja, wegen seiner Jesusvision wähnte er sich sogar als unfehlbares Sprachrohr Gottes: „Das Evangelium, das ich verkündet habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen.“ (Gal 1,11-12) Als ebenso unfehlbares Sprachrohr Gottes wähnte sich übrigens auch der Prophet Mohammed aufgrund seiner Erzengel-Gabrielvision: „Und dieser Koran konnte von niemand ersonnen werden außer von Allah.“ (Sure 10,37) In seinen Briefen wird die Unkenntnis des Paulus von der Lehre Jesu offenkundig: Er bleibt beim mosaischen Rachegott, der den Sühnetod eines 2 Seite 3 von 14 Menschen für die Sünden verlangt, weil er Jesus mit dem Gottesknecht in den Gottesknechtsliedern im Buch Jesaja (Jes 42-53) gleichsetzt; er belässt es beim mosaischen Menschenbild, wonach sich der Segen Gottes in Reichtum, Kindern, hohem Ansehen und hohem Alter zeigt (z.B. Gebärzwang für Frauen in 1 Tim 2,15); er verharrt in der mosaischen Leiddeutung, wonach das Leid die Strafe Gottes für die Sünde ist (z.B. Röm 2,9-10; 5,12), und gründet seine Theologie auf das Tiermärchen von Adam und Eva (z.B. 1 Tim 1,11-14), das Jesus niemals erwähnt hat; das Eheverhältnis ist bei ihm nach wie vor - wie schon im Buch Genesis bei Adam und Eva (Gen 3,16) - ein Herrschaftsverhältnis des Mannes über die Frau, so dass er das jüdische Machotum fortsetzt (z.B. Eph 5,22; Kol 3,18; 1 Kor 11,3); die von Jesus für die Jüngerschaft geforderte Selbstverleugnung (Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23) kennt er nicht und bestimmt deshalb verheiratete Männer zu Ältesten, also zu Priestern; Jesus ist für Paulus weniger der neue Mose, also der Messias, sondern der neue Adam: „Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist“ (Röm 5,14); im Gegensatz zu Jesus kommt es bei Paulus nicht auf das Tun des Willens Gottes (Mt 7,21; Mk 3,35; Lk 8,21) an, sondern auf den Glauben an Jesus (Röm 3,28); für Paulus ist alle Staatsgewalt von Gott eingesetzt (z.B. Röm 13,1-2), was Jesus nicht lehrt; durch den Kreuzestod Jesu seien wir von der „Macht der Sünde“ befreit (Röm 6,18-22), so dass unsere Entscheidungsfreiheit aufgehoben wäre und wir nicht mehr sündigen könnten. Wegen seiner zahlreichen Irrlehren, die letztlich „die ganz neue Lehre“ Jesu missachteten, kam es in den Christengemeinden zu Streit und Spaltungen, so dass Paulus verzweifelt die Einheit im Glauben beschwor: „Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung!“ (1 Kor 1,10) Und weil er sich selbst als unfehlbaren Lehrmeister im Glauben sah, verfluchte er gleich alle, die nicht seiner Meinung waren: „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“ (Gal 1,8) Da sich die Naherwartung der Wiederkunft Jesu nicht erfüllte, die Apostel und damit die Augen- und Ohrenzeugen nach und nach starben und die Zeit nach einer Klärung der strittigen theologischen Fragen schrie, kam es zur Abfassung von zahlreichen mehr oder weniger zutreffenden Evangelien (Lk 1,1), von denen nur die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von der Kirche in den Kanon der Heiligen Schriften aufgenommen wurden. Die nicht aufgenommenen und damit apokryphen Evangelien spielten und spielen daneben aber durchaus eine Rolle, weil sie große Verbreitung fanden und weiterhin noch finden. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welchen Einfluss die paulinischen Irrlehren auf die kanonischen Evangelien hatten und wie sie darin abgehandelt wurden. 3 Seite 4 von 14 1. These des Apostels Paulus: Der Glaube allein rettet! „Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.“ (Röm 3,28) „Dem aber, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet.“ (Röm 4,5) Jesus selbst stellt nicht auf den Glauben ab, sondern auf das Tun: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Mt 7,21) „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.“ (Mk 3,35; Lk 8,21) „Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote!“ (Mt 19,17) „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“ (Mt 25,45-46) Gegen die These des Paulus, dass der Glaube allein rettet, wandte sich schon der Jakobusbrief: „Willst du also einsehen, du unvernünftiger Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?“ (Jak 2,20) Dass es auf das Tun ankommen muss, ist offensichtlich: Die Messiassendung Jesu sollte ja durch seine „ganz neue Lehre“ das falsche mosaische Gottesbild, das falsche Menschenbild, das falsche Leidverständnis und das falsche Eheverständnis berichtigen und neben der Gottes- und Nächstenliebe auch die Feindesliebe sowie die Gewaltlosigkeit verkünden. Der Glaube an Jesus als den Messias und Gottessohn ist daher nach dem Jakobusbrief nutzlos, wenn die Lehre Jesu nicht gelebt wird. Da Paulus großenteils in der mosaischen Lehre verharrte, verkündete er ein falsches Christentum mit der Folge, dass im paulinischen Missionsgebiet das wahre Christentum gar nicht gelebt wurde. Dies war ihm sogar zumindest teilweise bewusst; denn im 1. Korintherbrief schreibt er: „Vor euch, Brüder, konnte ich aber nicht wie vor Geisterfüllten reden; ihr wart noch irdisch eingestellt, unmündige Kinder in Christus. Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen. Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht; denn ihr seid immer noch irdisch eingestellt.“ (1 Kor 3,13) Dieses falsche paulinische Christentum rief notwendigerweise Auseinandersetzungen und Spaltungen hervor. Tatsächlich führten die im paulinischen Missionsgebiet entstandenen Kirchen in der Orthodoxie ein von der petrinischen Kirche abgesondertes Eigenleben und führen es auch heute noch. Teilweise gingen sie sogar im Islam unter. 4 Seite 5 von 14 Gleichwohl versprach die These des Paulus: Der Glaube allein rettet! eine – allerdings unredliche - erfolgreiche Christenwerbung: Es ist ja so einfach, in den Himmel zu kommen; man braucht nur an Jesus Christus zu glauben! Die Verfasser der Evangelien bauten die These wie folgt in ihre Schriften ein: a) Die These im Markusevangelium: Im ursprünglichen Markusevangelium findet sich die These nicht. Erst im 2. Jahrhundert wurde dem Evangelium ein Nachtrag angehängt, in dem es heißt: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16,16 sowie Anmerkung zu Mk 16,9-20 in der Einheitsübersetzung der Bibel) b) Die These im Lukasevangelium: Entgegen den Evangelien nach Matthäus und Markus, in denen beide Schächer Jesus verspotteten, erfindet der Verfasser des Lukasevangeliums einen reuigen Schächer, dem Jesus, nachdem der Schächer den Glauben an Jesus bekundet hatte, aufgrund der These des Paulus: Der Glaube allein rettet! angeblich das Paradies verspricht: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,39-43). Dass diese Geschichte erfunden ist, ergibt sich aus mehreren Gründen: 1. Jesus selbst hat nie vom Paradies, sondern immer nur vom „Himmelreich“ und vom „Reich Gottes“ gesprochen. 2. Mit dem frauenfeindlichen Tiermärchen von Adam und Eva mit der sprechenden Schlange im Paradies wollte Jesus nichts zu tun haben. Er hat es nie erwähnt. 3. Absurde Folge des Versprechens Jesu wäre gewesen, dass Jesus und der reuige Schächer noch am Karfreitagnachmittag im Phantasie-Paradies des Buches Genesis irgendwo zwischen Euphrat und Tigris (Gen 2,10-14) hätten auftauchen müssen! Die Grabesruhe in Jerusalem und die Auferstehung vom dortigen Grab hätte es dann allerdings nicht gegeben! c) Die These im Johannesevangelium: Die Endverfasser des Johannesevangeliums (Joh 21,24) hielten die falsche These des Paulus: Der Glaube allein rettet! zum Zwecke der - allerdings unredlichen Christenwerbung für äußerst nützlich und legten sie Jesus gleich mehrere Male in den Mund: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“ (Joh 3,18) „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn bleibt auf ihm.“ (Joh 3,36) 5 Seite 6 von 14 „Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.“ (Joh 5,14) „Denn es ist der Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und dass ich sie auferwecke am Letzten Tag.“ (Joh 6,40) d) Im Matthäusevangelium findet sich die These des Paulus - Gott sei Dank! - nicht. e) Die verheerenden Folgen der falschen These: Der Glaube allein rettet! Die These führte zu einer völligen Überbetonung und Überbewertung des bloßen Glaubens an Jesus Christus gegenüber vorbildlichem Tun und Handeln. Insbesondere die erfundene Geschichte vom reuigen Schächer ließ die Meinung entstehen, es komme nur auf den Glauben in der Todesstunde an. Vorher könne man munter drauflos sündigen. Ungläubige wurden als von Gott verfluchte Höllenanwärter angesehen, die man zu ihrem Heil zwingen müsse. So kam es zu Zwangstaufen und Zwangsbekehrungen, aber auch zu Vertreibungen und Massakern. Der islamistische Terror unserer Tage gründet sich ebenfalls auf der Überbewertung des Glaubens und der damit verbundenen Verfluchung der Ungläubigen im Koran: „Allahs Fluch lastet auf den Ungläubigen.“ (Sure 2,89) „Denke nicht, dass die Ungläubigen Allah auf Erden entrinnen können. Ihre Herberge ist das Feuer, und schlimm ist die Fahrt dorthin.“ (Sure 24,57) „Siehe, schlimmer als das Vieh sind vor Allah die Ungläubigen, die nicht glauben (wollen).“ (Sure 8,55) „Und die Christen sagen: „Der Messias ist Allahs Sohn.“ … Allahs Fluch über sie! Wie sind sie doch völlig ohne Verstand!“ (Sure 9,30) „Und bekämpft sie, bis die Verführung aufgehört hat und die Religion Allah gehört!“ (Sure 2,193) Islamisten wie Salafisten und Dschihadisten wähnen sich als von Allah berufene Vollstrecker seiner Verfluchungen und richten als selbsternannte Gotteskrieger Blutbäder an. 2. These des Apostels Paulus: Das von Paulus verkündete Evangelium ist das einzig richtige. Wer es angreift, ist ein Spalter und Zerstörer der Einheit der Kirche. Er sei verflucht! Obwohl Paulus Leben und Lehre Jesu nicht erlebt hat und sich auch bei den Aposteln nicht darüber erkundigte, glaubte er doch, dass er aufgrund seiner Jesusvision und seiner theologischen Ausbildung zum pharisäischen 6 Seite 7 von 14 Gesetzeslehrer das Evangelium Jesu vollständig und richtig erkannt und verkündigt hat. Er schreibt deshalb: „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“ (Gal 1,8) Wer also Kritik übt, anderer Meinung ist oder gar die Irrlehren des Paulus angreift, wird ganz einfach verflucht. Jesus dagegen will keine Verfluchungen: „Segnet die, die euch verfluchen!“ (Lk 6,28) Die solchermaßen von Paulus verfluchten Unruhestifter und Spalter müssen nach paulinischer Logik - ausgegrenzt, ausgesperrt und zum Schweigen gebracht werden: „Ich ermahne euch, meine Brüder, auf die achtzugeben, die im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt, Spaltung und Verwirrung verursachen: Haltet euch von ihnen fern!“ (Röm 16,17) „Diese Menschen muss man zum Schweigen bringen…“ (Tit 1,11) Paulus setzt also auf Drohung und Druck. Jesus dagegen will durch Liebe, Güte und Barmherzigkeit eine Sogwirkung erzielen und die Menschen zu sich heranziehen: „Kommet alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht (in der Vulgata heißt es: „Mein Joch ist nämlich süß“) und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,28-30) Und weil Paulus die Meinungsfreiheit und damit die Meinungsvielfalt ablehnt, beschwört er eindringlich die Einheit und Einmütigkeit: „Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung!“ (1 Kor 1,10) „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. E i n Leib und e i n Geist, wie euch durch eure Berufung auch e i n e gemeinsame Hoffnung gegeben ist; e i n Herr, e i n Glaube, e i n e Taufe, e i n Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.“ (Eph 4,3-6) Jesus dagegen wusste, dass es je nach Kenntnis- und Erfahrungsstand sowie Urteilsvermögen jedes Einzelnen immer zu Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen um den Glauben kommen wird und kommen muss. Dies ist ganz einfach der notwendigen Gedanken- und Geistesfreiheit jedes Einzelnen geschuldet. Jeder ist aufgefordert, um eine eigene Glaubensüberzeugung zu ringen. Und dieses Ringen durfte und darf von der Kirche nicht durch Ausgrenzung, Ketzerverfolgung, Inquisition, Folter, Vertreibung und Kirchenbann bis hin zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen unterdrückt und abgewürgt werden: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.“ (Lk 12,51; ähnlich Mt 10,34) 7 Seite 8 von 14 Jesus will keine denkfaulen Jünger, die blindlings einem religiösen Führer folgen, sondern solche, die sich um eine Glaubensüberzeugung bemühen. Nur wer sich selbst eine Glaubensüberzeugung gebildet hat, kann auch andere überzeugen. a) Die These im Johannesevangelium: Die Endverfasser des Johannesevangeliums ließen sich vom Einheitswahn des Paulus anstecken und schlossen sich dessen religiösem Führerkult an. Sie erwähnten deshalb die Worte Jesu von der Spaltung in den früheren Evangelien nach Matthäus und Lukas nicht. Vielmehr erdichteten sie ein Abschiedsgebet, in dem Jesus die Einheit wie folgt beschwört: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir… Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,16 - 21) Der Einheitswahn des Paulus, den die Endverfasser des Johannesevangeliums zu allem Überfluss auch noch Jesus in den Mund gelegt hatten, und die damit verbundene Verfluchung Andersdenkender und Andersgläubiger brachte die aus der Kirchengeschichte bekannten verheerenden Folgen. Gerade durch die Verfluchungen erhielt das Christentum einen satanischen Einschlag. Der Einheitswahn des Paulus fand im Nationalsozialismus mit seinem blinden Führergehorsam schreckliche Nachahmung: „E i n Reich, e i n Volk, e i n Führer, e i n e Partei, e i n e Rasse, e i n e Weltanschauung“ lauteten die Parolen. Wer dem Einheitswahn nicht entsprach oder sich ihm gar widersetzte, landete in den Konzentrationslagern oder sogar in den Vernichtungslagern. b) In den übrigen Evangelien fand der Einheitswahn des Paulus - Gott sei Dank!- keinen Niederschlag. 3. These des Apostels Paulus: Jede staatliche Gewalt ist von Gott eingesetzt. Wer sich ihr widersetzt, verfällt dem Gericht. Paulus geht einerseits vom urweltlichen natürlichen Recht des Stärkeren als gottgegeben aus, dem man sich unterzuordnen oder gar zu unterwerfen hat. Andererseits ist seiner Meinung nach ohnehin alles von Gott bestimmt, so dass auch der Machthaber und Herrscher von Gott bestimmt und eingesetzt ist. Dabei verkennt Paulus, dass dann, wenn ohnehin alles von Gott bestimmt wäre, wir Menschen keine Entscheidungsfreiheit hätten und es folglich auch keine Sünde und Schuld gäbe. Irrig schreibt er daher im Römerbrief (Röm 13,1-2): „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegen stellt, wird dem Gericht verfallen.“ 8 Seite 9 von 14 Jesus dagegen lehrt eine kritische Distanz zu den Machthabern und eine völlige Abkehr vom Herrschaftsdenken nach dem Recht des Stärkeren. Nicht mehr die größere Kraft, Gewalt und Macht sollen bestimmend sein, sondern die größere Liebe: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mt 20,26 – 28) a) Die These im Johannesevangelium: Trotzdem scheint Jesus im Johannesevangelium die These des Paulus zu bestätigen, wonach alle staatliche Gewalt von Gott eingesetzt sei. In einem Vieraugengespräch soll Jesus dem Statthalter Pontius Pilatus geantwortet haben: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat.“ (Joh 19,11) Diese angeblichen Worte Jesu sind dunkel und verworren. Selbst wenn es hieße: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von Gott gegeben wäre“, wären sie derart unsinnig, dass sie unschwer als Erfindung der Endverfasser des Johannesevangeliums erkannt werden können. Es ist nämlich nicht einsehbar, warum der, der Jesus dem Pilatus ausgeliefert hat, nämlich Kajaphas und der Hohe Rat sowie Judas Iskariot, größere Schuld an der Kreuzigung Jesu haben sollte als der Statthalter Pilatus, der das Todesurteil fällte, obwohl er „keinen Grund“ (Joh 19,6) fand, Jesus zu kreuzigen. Und welchen Grund sollte Jesus gehabt haben, die Schuld des Statthalters an der Kreuzigung von vorneherein abzumildern? Wollte Jesus vor dem Statthalter gar schleimen und kriechen? Nie und nimmer! Und wer hätte dieses geheime Vieraugengespräch auch mithören und weitergeben können? Hier verfolgten die Endverfasser des Johannesevangeliums die leicht zu durchschauende Absicht, sich die römische Staatsgewalt gewogen zu machen und das junge Christentum vor Verfolgungen zu schützen. Im Übrigen bedienten sich die Endverfasser des Johannesevangeliums auch noch im Falle des Pharisäers Nikodemus und einer Samariterin am Jakobsbrunnen des Mittels des geheimen Vieraugengesprächs, um ihre theologischen Ansichten Jesus in den Mund zu legen und damit zum Wort Gottes zu machen. Die These des Apostels Paulus, dass jede staatliche Gewalt von Gott eingesetzt sei und Widerstand zur Verdammnis führe, brachte im Christentum das feudale und zuletzt absolutistische Gottesgnadentum hervor, das Untertanengeist und Obrigkeitshörigkeit forderte und förderte. Adolf Hitler konnte sich als von der „Vorsehung“ eingesetzter Führer des Deutschen Volkes aufspielen und den Untertanengeist der Christen missbrauchen. Soweit es überhaupt christlichen Widerstand gab, litt dieser gerade wegen der Apostelbriefe unter ganz gewaltigen Skrupeln. 9 Seite 10 von 14 b) In den übrigen Evangelien findet sich die falsche These des Paulus - Gott sei Dank! - nicht. 4. These des Apostels Paulus: Jesus ist der leidende und sterbende Gottesknecht im Buch Jesaja, der durch seinen Tod am Kreuz Sühne für unsere Sünden leistete, so dass uns Gott-Vater die Sünden vergab; Jesus sühnte unsere Sünden, um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu erlösen Die vier Lieder vom Gottesknecht im Buch Jesaja besingen einen von Gott erwählten Knecht, der sein Leben als Sühnopfer für unsere Sünden hingibt und dadurch von Gott die Vergebung der Sünden bewirkt, die wiederum zur Leiderlösung und damit zum Heil auf Erden führt: „Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt…“ Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf… Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen Knecht, er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen. Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen, und mit den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab, und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein.“ (Jes 53,5-12) Angesichts des Leidens und Sterbens Jesu, aber ungeachtet der Tatsache, dass der Gottesknecht im Buch Jesaja nach seinem Sühnetod und nach seiner Wiedererweckung zu einem 2. irdischen Leben „Nachkommen sehen“ und „mit den Mächtigen die Beute teilen“ soll, identifizierte Paulus Jesus als diesen Gottesknecht im Buch Jesaja und wies deshalb in seinen Briefen immer wieder auf den Tod Jesu als Sühnetod hin, der die Vergebung der Sünden und die Erlösung aus der gegenwärtigen bösen Welt bewirkt haben soll: „Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne wirksam durch Glauben. So erweist Gott seine Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, die früher, in der Zeit seiner Geduld, begangen wurden; er erweist seine Gerechtigkeit in der gegenwärtigen Zeit, um zu zeigen, dass er gerecht ist und den gerecht macht, der an Jesus glaubt.“ (Röm 3,24-26) „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünden hingegeben hat, um uns aus der 10 Seite 11 von 14 gegenwärtigen bösen Welt zu befreien, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters.“ (Gal 1,3-4) Der Katechismus der Katholischen Kirche hat die These des Paulus übernommen (Ziffer 623): „Jesus war seinem Vater in Liebe gehorsam „bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8). Dadurch erfüllte Jesus die Sendung, Sühne zu leisten als leidender Gottesknecht, der „die vielen gerecht“ macht, indem er „ihre Schuld auf sich“ lädt (Jes 53,11).“ Paulus und der Katechismus der Katholischen Kirche irren: Die Sendung Jesu bestand nicht in der Sühneleistung als Gottesknecht, „um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien“ - auch wir Christen leben weiter in dieser unserer „gegenwärtigen bösen Welt“ und sündigen weiter, weil unsere Entscheidungsfreiheit für Gut und Böse nicht aufgehoben wurde - , sondern darin, als der neue Mose, nämlich als der Messias, das falsche Gottes- und Menschenbild der Thora, deren falsche Leiddeutung sowie deren falsches Eheund Staatsverständnis abzulösen und als menschgewordenes Wort Gottes das endgültige Wort Gottes zu verkünden. Das Bekenntnis des Petrus lautet daher nicht: Du bist der Gottesknecht, der Sohn des lebendigen Gottes, sondern: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ (Mt 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20)) Der Gottessohn Jesus brauchte sich die Sündenvergebung für die Menschen nicht durch einen Sühnetod verdienen. Er als menschgewordener Gott konnte die Sünden selbst vergeben und vergab sie auch dem Gelähmten (Mt 9,2). Am Auferstehungstag beauftragte er seine Jünger mit der Sündenvergebung (Joh 20,23). Hätte uns Jesus schon durch seinen Kreuzestod von den Sünden erlöst, hätte es der Beauftragung seiner Jünger zur Sündenvergebung am Auferstehungstag nicht mehr bedurft. Die Annahme eines Sühnetodes Jesu ist aber auch aus folgender Überlegung irrig: Da ja nur begangene Sünden gesühnt werden können, wären die seit dem Kreuzestod Jesu begangenen Sünden noch nicht gesühnt. Jesus müsste also, wäre der Kreuzestod ein Sühnetod gewesen, immer wieder ins Erdenleben eintreten und immer wieder Kreuzestode sterben, um die neu begangenen Sünden zu sühnen. Legt man den Sühnetod dahin aus, dass auch alle seit dem Kreuzestod begangenen Sünden schon im Voraus gesühnt wurden, bräuchte es das Sakrament der Beichte und Buße nicht. Das Gericht Gottes und seine ausgleichende Gerechtigkeit wären überflüssig, weil ohnehin bereits alle Sünden gesühnt wären und deshalb alle Menschen in den Himmel kämen. Auch die Massenmörder Hitler, Himmler, Stalin und Mao wären im Himmel, weil ihre Verbrechen ja durch den Sühnetod Jesu schon gesühnt wären. Jesus erlöst uns durch seinen Kreuzestod also weder „aus der gegenwärtigen bösen Welt“ (Gal 1,4) noch von den Sünden. Er erlöst uns aber auch nicht vom Leid. Insofern enttäuscht Jesus die Erwartung, die an den Tod des Gottesknechts 11 Seite 12 von 14 im Buch Jesaja geknüpft wurde. Das Leid ist nicht Strafe Gottes für die Sünde, wie die Thora und der Prophet Jesaja meinen. Das Leid bleibt vielmehr unverzichtbarer Bestandteil des weltimmanenten Dualismus und trifft Heilige ebenso wie Verbrecher, Getaufte ebenso wie Nichtgetaufte. Durch sein Leiden und Sterben am Kreuz zeigt uns Jesus vielmehr das Mitleiden Gottes mit uns Menschen. Jesus wird damit der „Immanuel, der Gott mit uns“ (Jes 7,14). Und weil die Jünger ihren auferstandenen Herrn und Meister Jesus erlebten, erkannten sie auch, dass er kein von Gott verfluchter Gotteslästerer war, wie es zunächst angesichts des Kreuzestodes schien, sondern dass er tatsächlich als der Messias und Sohn Gottes das endgültige Wort Gottes verkündet und gelebt hatte. Der Kreuzestod Jesu hat also nicht die Bedeutung eines Sühnetodes, sondern ist: 1. der im Buch Deuteronomium (Dtn 13,6) vorgesehene Tod für den Propheten, der „eine ganz neue Lehre“ verkündet; 2. der Tod, durch den Jesus das Gottesbild der Thora vom schrecklichen Rachegott Jahwe beseitigt und durch das neue Gottesbild vom Gott der Liebe und des Erbarmens ersetzt, dessen Liebe zu uns Menschen so unendlich ist, dass er sich ans Kreuz schlagen lässt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) 3. der Tod, durch den Jesus das Menschenbild der Thora beseitigt, wonach es auf Reichtum, Kinder, hohes Ansehen und hohes Alter ankommt: Jesus selbst starb ja arm, kinderlos und als verachteter Gotteslästerer mit gerade einmal 33 Jahren! Für das Gericht Gottes kommt es vielmehr auf Gottesliebe, Nächstenliebe und Feindesliebe an! 4. der Tod, in dem der neue Mose, also der Messias Jesus, sein Blut zur Besiegelung des Neuen Bundes vergießt, während der Alte Bund von Mose mit Stierblut besiegelt wurde (Ex 24,8); 5. der Tod, der Voraussetzung für die Auferstehung Jesu von den Toten und damit Voraussetzung für den Glauben an die Göttlichkeit Jesu, an seine Messianität, an ein Gericht Gottes im Jenseits, an eine ausgleichende Gerechtigkeit und an ein Weiterleben im Reich Gottes ist; 6. der Tod, durch den uns Gott zwar nicht vom Leid erlöst, aber uns sein Mitleiden mit der von ihm geschaffenen und vom Leid geplagten Menschheit zeigt und dadurch zum „Immanuel, dem Gott mit uns“ (Jes 7,14) wird. Der Kreuzestod Jesu wird damit zum Liebestod. Gleichwohl fand die falsche These des Paulus vom Sühnetod Jesu ihren Niederschlag in den Evangelien: a) Die These im Matthäusevangelium: 12 Seite 13 von 14 Der Verfasser des Matthäusevangeliums übernahm die Auffassung des Paulus, Jesus habe als der Gottesknecht im Buch Jesaja den Sühnetod erlitten, um uns von den Sünden zu erlösen: Die Mitteilung der Gottessohnschaft Jesu an Josef wird nämlich wie folgt dargestellt: „Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ (Mt 1,21) Ferner fügte der Verfasser den Einsetzungsworten Jesu im Abendmahlssaal den Zusatz hinzu: „zur Vergebung der Sünden“: „Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ (Mt 26,27-28) Selbst in der frühesten Überlieferung der Einsetzungsworte ausgerechnet bei Paulus im 1. Korintherbrief (1Kor 11,25) und im ältesten Evangelium nach Markus (Mk 14,24) fehlt dieser Zusatz. Ebenso fehlt der Zusatz in den Evangelien nach Lukas (Lk 22,20) und nach Johannes (Joh 13 ff.). b) Die These im Johannesevangelium: Die Verfasser des Johannesevangeliums schlossen sich der Auffassung des Paulus vom Sühnetod des Gottesknechts Jesus an, indem sie Johannes dem Täufer beim Anblick Jesu am Jordan in den Mund legten: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Der Vergleich des Gottesknechts mit einem Lamm findet sich im Buch Jesaja: „Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf.“ (Jes 53,7) In den übrigen Evangelien findet sich der angebliche Ausspruch Johannes des Täufers nicht. c) Die Folge der These vom Sühnetod Jesu: Die Auslegung des Kreuzestodes Jesu als Sühnetod vermittelt weiterhin das Gottesbild vom schrecklichen Rachegott Jahwe der Thora, der nicht davor zurückschreckt, seine Rachegelüste wegen der Sünden der Menschheit an einem unschuldigen Menschen auszulassen. Die Sendung Jesu bestand aber nun gerade darin, dieses falsche Gottesbild durch das Gottesbild des liebenden und barmherzigen Gottes zu ersetzen: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!“ (Mt 9,13) Das Gottesbild des Paulus ist deshalb so widersinnig, weil der schreckliche Rachegott Jahwe einerseits Rache an einem gottergebenen unschuldigen Menschen nimmt, andererseits aber sich selbst zum Opfer seiner eigenen Rache macht! Wer soll ein derart widersinniges Gottesbild verstehen? Es kann daher nicht verwundern, wenn das Christentum, das an einem derart widersinnigen Gottesbild festhält, auf Unverständnis stößt und nicht zuletzt deshalb abgelehnt wird. 13 Seite 14 von 14 Schlussbemerkung: Die irrige Theologie des Paulus führte von Anfang an zu Auseinandersetzungen und Spaltungen, die sogar noch verstärkt wurden, weil diese irrige Theologie Eingang in die Evangelien fand. Ja, aufgrund der Dogmatischen Konstitution „Dei Verbum“ vom 18.11.1965 des 2. Vatikanischen Konzils gelten die irrigen Apostelbriefe sogar als „Wort Gottes“: „Die Heiligen Schriften aber enthalten das Wort Gottes, und weil inspiriert, sind sie wahrhaft Wort Gottes.“ (DV 24) Das Neue Testament enthält also mindestens zwei konkurrierende Theologien: Die Lehre Jesu und die Irrlehren des Paulus, die beide gleichzeitig „Wort Gottes“ sein sollen. Dabei wurden die Irrlehren des Paulus großenteils von der Katholischen Kirche gar nicht als solche erkannt, sondern in der Theologie sogar weiterentwickelt (Erbsünde als Ausfluss des frauenfeindlichen Tiermärchens von Adam und Eva mit der sprechenden Schlange, was von Jesus nicht gelehrt wurde; Jesus als Gottesknecht des Jesaja; Gottesgnadentum und Untertanengeist; Einheitswahn mit Ketzerverfolgung; Ehe als Herrschaftsverhältnis; Gnadenlehre, obwohl Jesus niemals von der Gnade sprach!). Es ist also festzustellen: Ja, es gibt „redaktionelle Überarbeitungen“, also Erfindungen der jeweiligen Verfasser der Evangelien. Trotz allem aber kann die im Vergleich zur mosaischen Lehre „ganz neue Lehre“ Jesu aus den Evangelien zweifelsfrei ermittelt werden. München, 2. September 2014 --- 14