Klassische Mechanik - Ferienkurs Sommersemester 2011, Prof. Metzler 1 Inhaltsverzeichnis 1 Newtonsche Gesetze 4 2 Zwangskräfte 4 3 Koordinaten 3.1 Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 4 Lösungsstrategien für Differentialgleichungen 4.1 DGL 1. Ordnung - Seperation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 DGL 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 7 8 5 Newtonverfahren 10 2 Quellen für dieses Skript waren die ’Klassische Mechanik’ von Friedhelm Kuypers, das Vorlesungsskript von Prof. Metzler und die ’Theoretische Physik 1 - Mechanik’ von Florian Scheck, wobei teilweise Passagen wortwörtlich übernommen wurden! 3 1 Newtonsche Gesetze In der klassischen Mechanik existieren drei mathematische Modelle, die zur Beschreibung von physikalischen Vorgängen genutzt werden - Newton Verfahren, Lagrange-Formalismus und Hamiltonsche Mechanik. Jede dieser Formulierungen basiert auf dem Ziel Bewegungsgleichungen (Differentialgleichungen, die nach x(t) aufgelöst werden sollen) zu finden. 1) Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder gleichförmigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkedne Kräfte gezwungen wird, seinen Bewegungszustand zu ändern. 2) Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional, und ged schieht nach Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt. dt p = mr̈ 3) Die Wirkung ist stets der Geschwindigkeit gleich; oder die Wirkungen zweier Körper aufeinander sind stets gleich und von entgegendgesetzter Richtung. Insbesondere von Bedeutung ist das dritte Newtonsche Gesetz. Meistens treten in der Mechanik konservative Kräfte auf. Diese sind gleich dem negativen Gradienten eines Potentials. F(r, t) = −∆V (r, t) (1) ∂ 1 ∂ ∂ er + eθ + eϕ ∂r r ∂θ ∂z (2) ∂ 1 ∂ ∂ eρ + eϕ + ez ∂ρ r sin ϕ ∂ϕ ∂z (3) In Kugelkoordinaten ist der Gradient in Zylinderkoordinaten ist er 2 Zwangskräfte Treten Zwangskräfte Zi in einem n-dimensionalen Raum mit i Teilchen auf ergeben sich folgende Bewegungsgleichungen: mi r̈i = Fi + Zi (4) Zumeist beschäftigen wir uns mit holonomen Zwangsbedingungen. Von holonomen Zwangsbedingungen spricht man, wenn diese sich für ein n-Teilchensystem durch unabhängige Gleichungen der Form fλ (r1 , r2 , ..., t) = 0 (5) beschreiben lassen. Ein Beispiel wäre ein Drei-Teilchen-System, in dem alle drei Teilchen starre Abstände von einander haben. Hier gilt f1 = |r1 − r2 | − a3 = 0 (6) f2 = |r2 − r3 | − a1 = 0 (7) f3 = |r3 − r1 | − a2 = 0 (8) 4 Durch die Zwangsbedingungen wird die Anzahl der Freiheitsgrade eingeschränkt: Unterliegt das System k unabhängigen, holonomen Zwangsbedingungen existieren anstatt der 3n Freiheitsgrade nur noch 3n − k unabhängige Koordinaten. Damit erweist es sich als sinnvoll, 3n − k generalisierte Kordinaten zu suchen, durch die sich die Bewegung in Differentialgleichungen ausdrücken lässt. 3 Koordinaten Generalistierte Koordinaten sind unabhängige Koordinaten, die Zwangsbedingungen berücksichtigen. Als Beispiel betrachte man ein Teilchen auf einer Kugeloberfläche, für das also x2 + y 2 + z 2 = R2 gilt. Der Freiheitsgrad ist hier zwei, weshalb sich die Beschreibung der Kugeloberfläche auf zwei unabhängige generalisierte Koordinaten reduzieren lassen müsste. Statt der abhängigen Koordinaten x, y, z kann man die unabhängigen generalisierten Koordinaten q1 := θ q2 := ϕ einführen. Allgemein wird der Satz der 3n Ortskoordinaten durch einen Satz von 3n − k verallgemeinerten Koordinaten ersetzt, die selbst keineswegs die Dimension von Länge haben müssen. Die am häufigsten benötigten Koordinaten sind Kugel- und Zylinderkoordinaten. 3.1 Zylinderkoordinaten x = ρ cos ϕ (9) y = ρ sin ϕ (10) z=h (11) Geschwindigkeit ẋ = ρ̇ cos ϕ − ρϕ̇ sin ϕ (12) ẏ = ρ̇ sin ϕ + ρϕ̇ cos ϕ (13) ż = ḣ (14) Beschleunigung 3.2 ẍ = ρ̈ cos ϕ − ρ̇ϕ̇ sin ϕ − ρ̇ϕ̇ sin ϕ − ρϕ̈ sin ϕ − ρϕ̇2 cos ϕ (15) ÿ = ρ̈ sin ϕ + ρ̇ϕ̇ cos ϕ + ρ̇ϕ̇ cos ϕ + ρϕ̈ cos ϕ − ρϕ̇2 sin ϕ (16) z̈ = ḧ (17) Kugelkoordinaten x = r · sin θ · cos ϕ (18) y = r · sin θ · sin ϕ (19) z = r · cos θ (20) 5 Geschwindigkeit ẋ = ṙ · sin θ · cos ϕ + r · θ̇ cos θ · cos ϕ − r · sin θ · ϕ̇ sin ϕ (21) ẏ = ṙ · sin θ · sin ϕ + r · θ̇ cos θ · sin ϕ + r · sin θ · ϕ̇ cos ϕ (22) ż = ṙ · cos θ − r · θ̇ sin θ (23) Beschleunigung ẍ = r̈ · sin θ · cos ϕ + ṙ · θ̇ cos θ · cos ϕ − ṙ · sin θ · ϕ̇ sin ϕ (24) +ṙ · θ̇ cos θ · cos ϕ + r · θ̈ cos θ · cos ϕ − r · θ̇θ̇ sin θ · cos ϕ − r · θ̇ cos θ · ϕ̇ sin ϕ (25) −ṙ · sin θ · ϕ̇ sin ϕ − r · θ̇ cos θ · ϕ̇ sin ϕ − r · sin θ · ϕ̈ sin ϕ − r · sin θ · ϕ̇2 cos ϕ (26) ÿ = r̈ · sin θ · sin ϕ + ṙ · θ̇ cos θ · sin ϕ + ṙ · sin θ · ϕ̇ cos ϕ (27) +ṙ · θ̇ cos θ · sin ϕ + r · θ̈ cos θ · sin ϕ − r · θ̇2 sin θ · sin ϕ + r · θ̇ cos θ · ϕ̇ cos ϕ (28) 2 4 +ṙ · sin θ · ϕ̇ cos ϕ + r · θ̇ cos θ · ϕ̇ cos ϕ + r · sin θ · ϕ̈ cos ϕ − r · sin θ · ϕ̇ sin ϕ (29) z̈ = r̈ · cos θ − ṙ · θ̇ sin θ − ṙθ̇ · sin θ − r · θ̈ sin θ − r · θ̇2 cos θ (30) Lösungsstrategien für Differentialgleichungen Die explizite homogene DGL n-ter Ordnung, mit konstanten Koeffizienten ak : x(n) + an−1 x(n−1) + ... + a2 ẍ + a1 ẋ + a0 x = 0 (31) x(t) = c1 φ1 (t) + ...cn φn (t) (32) Die Lösungen dieser DGL bilden einen reellen oder komplexen Vektorraum. Hierbei stellen φ1 (t)...φn (t) n-linear unabhängige Basislösungen der homogenen DGL dar. Die lineare DGL mit konstanten Koeffizienten und der Inhomogenität g(t) x(n) + an−1 x(n−1) + ... + a2 x00 + a1 x0 + a0 x = g(t) (33) hat die Lösung x(t) = xpart (t) + n X cj φj (t) (34) j=1 Hierbei ist xpart die Partikulärlösung. Es sollen Differentialgleichungen 1. und 2. Ordnung zunächst ohne, dann mit Inhomogenität genaueren Betrachtung unterzogen werden. 6 4.1 DGL 1. Ordnung - Seperation der Variablen Für DGL 1. Ordnung ist das geeignete Lösungsverfahren die Seperation der Variablen: ẋ = f (x)g(t) dx = f (x)g(t) dt dt dx = g(t) f (x) (35) (36) (37) Durch Integration (Achtung - Integrationskonstante nicht vergessen) und passendes Umstellen der Gleichung erhält man das gesuchte Ergebnis x(t). Beispiele: 1. y 0 = −xy 2 dy = −xy 2 dx dy = −xdx y2 1 1 − + c1 = − x2 + c2 y 2 2 y= 2 x +c (38) (39) (40) (41) (42) 2. y = 2xy 0 , p dy 1 dx = 2 , ln(|x|) = 2ln(y) + c , y = d |x| x y (43) 3. y0 = − y2 x , dyy = −xdx , = r2 2 − x2 2 y 2 (44) 4. y 00 = f (y) , 2y 0 y 00 = 2y 0 f (y) , d 02 d (y ) = dx dx Z dy2f (y) (45) Inhomogene lineare DGL 1. Ordnung: ẋ − x · f (t) = g(t) (46) Da die Gesamtlösung eine Linearkombination aus partikulärer und homogener Lösung ist (s. 34) , löst man zunächst die zugehörige homogene DGL ẋ − x · f (t) = 0 7 (47) Über Seperation der Variablen ergibt sich xhomogen = e R f (x)dx (48) Der Ansatz für die Lösung der inhomogenen DGL ist x(t) = c(t)xhomogen (t) V ariationderKonstanten (49) ẋ(t) = ċxhom + cxhom ˙ = xhom (ċ(t) + c(t)f (t)) in Gl. 45 eigesetzt ergibt g(t) = ẋ − xf (t) = xhom [ċ(t) + c(t)f (t) − c(t)f (t)] = ċ(t)xhom Nach ċ(t) auflösen und dann integrieren ergibt c(t) Z Z R g(t) ) + k = dx(g(t)e− f (x)dx ) + k c(t) = dx( xhom (50) (51) Damit wäre die inhomogene DGL 1. Ordnung gelöst - mittels Seperation der Variablen in der homogenen Gleichung und Variation der Konstanten zum Lösen der inhomogenen DGL. Die Lösung sieht wie folgt aus: Z x(t) = (k + dx(g(t)e− R f (x)dx )) · e R f (x)dx (52) Beispiel: xy 0 + y = x2 + 3x + 2 4.2 (53) DGL 2. Ordnung Bei homogenen Differentialgleichungen 2. Ordnung a2 ẍ + a1 ẋ + a0 x = 0 (54) verwendet man anstatt der (hier sinnlosen) Seperation der Variablen den Ansatz xhom (t) = ce−iνt (55) Dieser führt auf die Gleichung −a2 · ν 2 − a1 iν + a0 = 0 mit den zwei Lösungen s p a1 i ± −a21 + 4a2 a0 a1 i −0, 25a21 + a2 a0 ν1,2 = = ± −2a2 −2a2 a22 Dies führen je nachdem, ob der Term unter der Wurzel (ω 2 := gleich Null ist zu unterschiedlichen Ergebnissen. 8 +0,25a21 +a2 a0 ) a22 (56) positiv, negativ oder a1 =: κ. Es sei −2a 2 1. Fall: ω > 0 xhom (t) = pe−κt+iωt + qe−κt−iωt = e−κt ((p + q) cos(ωt) + (p − q)i sin(ωt)) = e −κt (2<p cos(ωt) + 2=p sin(ωt)) (57) (58) wobei p = q∗, da kein imaginärer Anteil im Ergebnis vorkommen soll. xhom (t) = p0 e−κt cos(ωt + α) (59) 2. Fall: ω < 0 xhom (t) = pe−κ1 t + qe−κ2 t mitκ1,2 = κ ± p κ2 − ω 2 (60) 3. Fall: ω = 0 Da ν1 , ν2 entartet sind, lautet die Lösung: xhom (t) = (p + qt)e−κt (61) Es bleibt die Lösung für eine inhomogene DGL 2. Ordnung zu bestimmen: a2 ẍ + a1 ẋ + a0 x = f (t) (62) Da sich jede externe Kraft mittels Fouriertransformation in periodische Bestandteile zerlegen lässt, reicht es für uns aus, externe Inhomogenitäten der Form f (t) = g cos(iωt) f (t) = g<(eiωt ) zu betrachten. Hier wird folgender Ansatz benötigt: xpart (t) = χ(ω) · geiωt (63) Er ergibt χ(ω) = a0 −a2 ω12 +a1 iω Damit ist die Gesamtlösung für eine inhomogene DGL 2. Ordnung: x(t) = 1 · g cos(iωt) + xhom a0 − a2 ω 2 + a1 iω 9 (64) 5 Newtonverfahren Mit dem Vorwissen lässt sich nun das Newtonverfahren verwenden. Zunächst werden die Bewegungsgleichungen aufgestellt, außerdem wird die Anzahl k der Nebenbedingungen (=Zwangsbedingungen) ˆ und damit die der unabhängigen Koordinaten festgestellt. Werden die passenden Koordinaten gewählt, sollten die 3n − k Differentialgleichungen lösbar sein. Beispiel: Perle auf gebogenem rotierendem Draht Auf einem parabelförmig gebogenen Draht mit der Zwangsbedingung z = ar2 , der mit konstanten Winkelgeschwindigkeit ω um die z- Achse rotiert, gleitet eine Perle. Die Schwerkraft wirkt in negative z-Richtung. Die gesamte Zwangskraft Z = Z1 + Z2 des Drahtes auf die Perle besteht aus der Zwangskraft Z1 , die die Einhaltung der ersten Nebenbedingung z = ar2 garantiert und der Zwangskraft Z2 , die für die Nebenbedingung φ = ωt zuständig ist. Die Bewegungsgleichungen lauten daher mẍ = Zx = Z1x + Z2x (65) mÿ = Zy = Z1y + Z2y (66) m(z̈ + g) = Zz = Z1z + Z2z (67) (x, y, z) = (r cos ωt, r sin ωt, ar2 ) (68) Die Transformationsgleichungen liefern die Beschleunigungen als Funktion der unabhängigen Koordinate r, sodass m(r̈ cos ωt − 2ṙω sin ωt − rω 2 cos ωt) = Z1x + Z2x 2 (69) m(r̈ sin ωt + 2ṙω cos ωt − rω sin ωt) = Z1y + Z2y (70) m(2arr̈ + 2aṙ2 + g) = Z1z + Z2z (71) Z1 steht in der rotierenden Ebene, die vom Draht aufgespannt wird, senkrecht zum Draht: Z1x sin ωt = Z1y cos ωt (72) Weiter gilt: z 0 (r) = 2ar = tanβ = 10 q 2 + Z2 Z1x 1y Z1z (73) Z1z r cos ωt = − Z1x 2a (74) Nach der geometrischen Anschauung ist Z2 senkrecht zur rotierenden Ebene, in welcher der Draht liegt und hat keine z- Komponente: Z2x cos ωt = −Z2y sin ωt (75) Z2z = 0 (76) Wir multipliziern Gl. 68 mit cos2 ωt Gl. 69 mit sin ωt cos ωt, Gl. 70 mit 2ar cos ωt und addiert anschließend alle Gleichungen: (1 + 4a2 r2 )r̈ + 4a2 rṙ2 + (2ag − ω 2 )r = 0 (77) Wir multiplizieren diese Gleichung mit ṙ und erhalten: d [(1 + 4a2 r2 )ṙ2 + (2ag − ω 2 )r2 ] = 0 dt Z Z 1 + 4a2 r2 ⇒ (1 + 4a2 r2 )ṙ2 + (2ag − ω 2 )r2 = c ⇒ dt = dr c + (ω 2 − 2ag)r2 11 (78) (79)