Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Dynamische Systeme Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften Universität Hamburg 9. Juli 2012 (13. Vorlesung) Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Attraktoren (Definition) Definition Es sei (M, d) ein metrischer Raum, (M, d, f ) ein dynamisches System. Dann nennen wir 1 2 eine kompakte Teilmenge K ⊂ M invariant, falls x0 ∈ K impliziert Of (x0 ) ⊂ K , eine kompakte Teilmenge A ⊂ M einen Attraktor, falls A 1 2 3 invariant ist, stabil ist, d. h. wenn es zu jeder offenen Menge U mit A ⊂ U eine offene Menge V gibt mit A ⊂ V , so dass für x0 ∈ V der Orbit Of (x0 ) ⊂ U und attraktiv ist, d. h. es es eine offene Menge P ⊂ M gibt mit A ⊂ P, so dass für x0 ∈ P die Grenzmenge ω(x0 ) ⊂ A, und 3 eine kompakte Teilmenge A ⊂ M einen globalen Attraktor, falls A ein Attraktor ist und für alle x0 ∈ M gilt: ω(x0 ) ⊂ A. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Attraktoren (Beispiele) Beispiel Attraktoren sind zum Beispiel 1 asymptotisch stabile Ruhelagen, 2 asymptotisch stabile periodische Orbits und 3 Vereinigungen solcher. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Attraktoren (Beispiele) Beispiel (Graphische Iteration) f (x) = ax(1 − x), a = 3.2 x Welchen Attraktor legt die Betrachtung der graphischen Iteration nahe? Ist es ein globaler Attraktor (für f : [0, 1] → [0, 1])? Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Attraktoren (Beispiele) Beispiel (Feigenbaumdiagramm) Druckt man nach 200 Iterationen die nächsten 100 Iterationen von f (x) = ax(1 − x) für verschiedene a ∈ [1, 4], so erhält man das sogenannte Feigenbaumdiagramm: Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Attraktoren (Beispiele) Beispiel (Feigenbaumdiagramm) Die Punkte, die für a > 4 nicht das Intervall [0, 1] verlassen, bilden eine Cantormenge (abgeschlossen, enthält keine Intervalle, jeder Punkt ist Häufungspunkt). Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Beispiel (Selbstbezügliche Sätze) Wir betrachten wieder die Iteration von Sätzen mit der Zählabbildung: Ψ : N10 → N10 : z = (z0 , . . . , z9 )T 7→ (1 + w0 (z), . . . , 1 + w9 (z))T , wobei wi (z) die Gesamtanzahl der Ziffern i in der Dezimaldarstellung von z0 , . . . , z9 ist. Ein globaler Attraktor ist die Menge ( ) 9 X 10 z ∈ N L(z) = zi ∈ {20, 21} . i=0 Bei diesem dynamischen System in diskreter Metrik wollen wir den Attraktor auch ausrechnen. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Lemma Für alle z ∈ N10 gilt L(Ψ(z)) ≥ 20. Beweis. Da Ψi (z) = 1 + wi (z), erhält man L(Ψ(z)) ≥ 10 + 9 X wi (z). i=0 Da R(z) = z ist, folgt P9 i=0 wi (z) die Gesamtanzahl an Ziffern des Zustands L(Ψ(z)) ≥ 10 + 10 = 20. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Lemma Für z ∈ N10 mit L(z) ≥ 22 ist L(Ψ(z)) < L(z). Ist 20 ≤ L(z) ≤ 21, so gilt L(Ψ(z)) ∈ {20, 21}. Beweis (Teil 1). Gibt es maximal eine zweistellige und keine mehr als zweistellige Zahl in z, so ist R(z) ≤ 11 (der Zustand hat insgesamt 10 oder 11 Ziffern), also L(Ψ(z)) ≤ 10 + R(z) ≤ 21. Es gilt also L(Ψ(z)) ∈ {20, 21}, falls L(z) ≤ 27, da 28 die kleinste Summe von 10 natürlichen Zahlen ist, von denen zwei zweistellig sind. Bei mehr als zweistelligen Zahlen ist L(z) noch größer. ... Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Lemma Für z ∈ N10 mit L(z) ≥ 22 ist L(Ψ(z)) < L(z). Ist 20 ≤ L(z) ≤ 21, so gilt L(Ψ(z)) ∈ {20, 21}. Beweis (Teil 2). Es bleibt der Fall, dass es mindestens zwei zweistellige Zahlen oder eine mehr als zweistellige in z gibt. Um L(Ψ(z)) < L(z) zu zeigen, muss man betrachten, wie sich die Gesamtsumme beim Übergang von den Werten z zu den Anzahlen der Ziffern Ψ(z) verhält. Für zweistellige Zahlen zi ist die Anzahl der Stellen maximal zi − 8 (da zi ≥ 10), für mindestens dreistellige zi ist die Anzahl der Stellen maximal zi − 97. ... Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Lemma Für z ∈ N10 mit L(z) ≥ 22 ist L(Ψ(z)) < L(z). Ist 20 ≤ L(z) ≤ 21, so gilt L(Ψ(z)) ∈ {20, 21}. Beweis (Teil 3). Für zwei zweistellige Zahlen in z ist also R(z) ≤ L(z) − 16, für eine mindestens dreistellige Zahl ist R(z) ≤ L(z) − 97. In beiden Fällen wird die Addition von 10 nicht ausgeglichen: L(Ψ(z)) = 10 + R(z) ≤ 10 + L(z) − 16 = L(z) − 6 < L(z). Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Ein Attraktor bei selbstbezüglichen Sätzen Korollar Für jedes z ∈ N10 gibt ein N ∈ N, so dass für alle n ≥ N gilt 20 ≤ L(Ψn (z)) ≤ 21. Beweis. Folgt unmittelbar aus den vorhergehenden Lemmata. Korollar Jeder Anfangswert erreicht irgendwann einen Fixpunkt oder einen periodischen Orbit. Alle Orbits enden in der endlichen Teilmenge des Zustandsraums N10 mit 20 ≤ L(z) ≤ 21. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Orbits bei selbstbezüglichen Sätzen Wir wollen nun die Orbits OΨ (z) für verschiede Startwerte z ∈ N10 berechnen: z =(1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 11, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 12, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 11, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 11, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→ . . . Was ist also die ω-Limesmenge ω(z)? Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) ω-Limesmengen in diskreter Metrik Bemerkung In ω(z) = \ (sh− )n O(z) n∈N ist der Abschluss des nach links verschobenen Orbits in diskreter Metrik dieser selbst, im Schnitt sind also nur die Elemente enthalten, die immer wieder im Orbit auftreten. Dies ist nur für Elemente von periodischen Orbits oder speziell für Ruhelagen möglich. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Orbits bei selbstbezüglichen Sätzen z =(2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 10, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(2, 10, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(2, 9, 3, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 8, 2, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 2)T 7→(1, 7, 4, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 1)T 7→(1, 8, 2, 1, 2, 1, 1, 2, 1, 1)T 7→(1, 7, 4, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 1)T 7→(1, 8, 2, 1, 2, 1, 1, 2, 1, 1)T 7→ . . . Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Orbits bei selbstbezüglichen Sätzen z =(1, 3, 7, 2, 2, 1, 1, 1, 1, 1)T 7→(1, 7, 3, 2, 1, 1, 1, 2, 1, 1)T 7→(1, 7, 3, 2, 1, 1, 1, 2, 1, 1)T 7→ . . . Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Orbits bei selbstbezüglichen Sätzen Satz Die ω-Grenzmengen bei den selbstbezüglichen Sätzen sind zwei Ruhelagen und ein periodischer Orbit mit Periodenlänge 2: {(1, 11, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1)T }, {(1, 7, 3, 2, 1, 1, 1, 2, 1, 1)T }, {(1, 7, 4, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 1)T , (1, 8, 2, 1, 2, 1, 1, 2, 1, 1)T } Beweis. Geschicktes Durchprobieren der ω(z) für alle ( ) 9 X 10 z ∈ N L(z) = zi ∈ {20, 21} . i=0 Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Dynamische Systeme Abstrakte Definitionen und einführende Begriffe Invariante Mengen und Attraktoren Selbstbezügliche Sätze (Wiederholung) Orbits bei selbstbezüglichen Sätzen Betrachtet man die Zählabbildung auch für andere Basen von Zahlensystemen erhält man ebenfalls periodische Orbits, zum Beispiel zur Basis 3: Im nächsten Satz kommt die Ziffer 0 genau 1-mal, die Ziffer 1 genau 10-mal und die Ziffer 2 genau 10mal vor. Im nächsten Satz kommt die Ziffer 0 genau 10-mal, die Ziffer 1 genau 11-mal und die Ziffer 2 genau 1mal vor. Reiner Lauterbach (Vertretung: Jan Henrik Sylvester) Im nächsten Satz kommt die Ziffer 0 genau 2-mal, die Ziffer 1 genau 12-mal und die Ziffer 2 genau 1mal vor. Dynamische Systeme