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Datum:
29. November 2007
Thema:
Wege aus dem Teufelskreis
Angst, Depressionen und Sucht
Referenten:
Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, AKH Wien
Mag. Bernadette Winklbaur
Klinische Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universitätsklinik
für Psychiatrie und Psychotherapie, AKH Wien
Dr. Christian Wannner
Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- Und Jugendalters, AKH Wien
Psychische Erkrankungen, wie Sucht, Depression oder Angsterkrankungen, nehmen insgesamt in
unserer Gesellschaft dramatisch zu. Laut WHO Schätzungen wird die Depression bis 2020 auf Platz
zwei der häufigsten Erkrankungen stehen und der damit assoziierten Arbeitsunfähigkeit. Neben
biologischen Faktoren spielen multifaktorielle Einflüsse in der Entstehung psychischer Erkrankungen
eine wichtige Rolle. So können neurobiologische Aspekte nicht unabhängig von Umweltbedingungen
betrachtet werden.
Depressionen werden etwa doppelt so oft bei Frauen wie bei Männern diagnostiziert. So besteht für
Frauen eine Lebenszeitprävalenz von 23,3%, für Männer von 11,1%. Diese geschlechtspezifischen
Unterschiede manifestieren sich bereits in der Adoleszenz: Mädchen weisen ab dem ca. 13.
Lebensjahr deutlich höhere Depressionswerte auf als gleichaltrige Buben. Erklärungsmodelle sehen
genetische Faktoren, geschlechtsspezifische Sozialisationsfaktoren, vorbestehende Angststörungen,
den sozialen Status und Life Events als mögliche Ursachen für das häufigere Auftreten von
Depressionen bei Frauen an.
Als therapeutische Maßnahmen kommen, je nach Schweregrad der depressiven Störung,
medikamentöse und psychotherapeutische Methoden zum Einsatz. Es existieren mittlerweile eine
Reihe von Medikamentenklassen mit unterschiedlichen Wirkprofilen, wie beispielsweise Selektive
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
oder trizyklische Antidepressiva. Aktuell gibt es Hinweise, dass Frauen prämenopausal besser auf
SSRI ansprechen als Männer, wohingegen postmenopausal trizyklische Antidepressiva ähnlich gute
Ergebnisse erzielten. Es wird angenommen, dass hier die weiblichen Sexualhormone eine Rolle
spielen. Psychopharmaka stellen insgesamt eine notwendige und hilfreiche Form der Therapie bei
klarer Indikationsstellung, etwa bei diagnostizierten Depressionen oder Angststörungen dar.
Benzodiazepine, die neben Antidepressiva zur Behandlung von Angsterkrankungen eingesetzt
werden, weisen ein hohes Abhängigkeitsprofil auf und sind daher nicht zur langfristigen Therapie
geeignet.
Neben der medikamentösen Therapie finden psychotherapeutische Verfahren breite Anwendung.
Nichtmedikamentöse Therapien zielen hier vor allem auf die Umstrukturierung dysfunktionaler Denkund Handlungsmuster sowie das Erlernen von Bewältigungsstrategien ab. Durch Psychoedukation,
Selbstbeobachtung durch Protokolle, Symptomlisten und Expositionsübungen lernen Patienten neue
Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln.
In der Suchttherapie unterscheidet man generell sogenannte „substanzgebundene“ Süchte (z.b.
Zigaretten, Alkohol, Heroin, Kokain oder Essen) von „substanzungebundenen“ Suchterkrankungen
(z.b. Kaufsucht oder pathologisches Spielen). Unabhängig von der Art der Suchterkrankung spielt sich
dabei im Gehirn biochemisch immer das Gleiche ab. So zeigen Neuroimaging-Studien (bildgebende
Verfahren) klare Parallelen zwischen PatientInnen mit Substanzabhängigkeit (zb. Opiat-,
Kokainabhängigkeit) und jenen mit Spielsucht. Demzufolge scheint die Fähigkeit, den Wert einer
kurzfristigen Belohnung im Hinblick auf seine langfristigen Konsequenzen einzuschätzen, in beiden
Gruppen beeinträchtigt. Weiters belegen Untersuchungen des Gehirns vergleichbare
Neurotransmitteraktivitäten während einer Binge-Eating Attacke, die mit anderen stoffgebundenen oder
stoffungebundenen Suchterkrankungen vergleichbar sind. Neben den substanzungebundenen
Süchten, wie Internet oder Spielsucht, wird die Esssucht insofern die Herausforderung der Zukunft sein,
als die Prävalenz für Adipositas in Österreich in der Zeit von 1999 bis 2006, von 14% auf 22%
gestiegen ist. Darüber hinaus zeigt sich eine hohe Korrelation mit Angststörungen und Depressionen.
Als signifikanter Faktor für Alkoholkonsum und Substanzmissbrauch unter Jugendlichen werden
neben Adoleszenzkrisen auch Depressionen und Angststörungen angesehen – so kann die
Zuwendung zu Drogen im Zusammenhang mit einer psychiatrischen Krankheit verstanden werden, die
bereits in der Pubertät auftritt. Demzufolge muss in der Behandlung natürlich das gesamte
Erkrankungsbild berücksichtigt werden. Der Krankheitsverlauf selbst wird umso maligner, je früher die
Substanzabhängigkeit auftritt. Breitere Zugänge zur Suchterkrankung und ihrer Behandlung werden
auch im Bereich der ADHS (Aufmerksamkeits–Defizit–Hyperaktivitätstörung, „Zappelphilipp“ Syndrom)
benötigt. So kann eine frühzeitige Behandlung der ADHS im Jugendhalter, das Risiko einer späteren
Suchterkrankung wesentlich reduzieren.
Insgesamt sind die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der Sucht verglichen mit anderen
Bereichen der Medizin noch immer limitiert. In der Behandlung der Kokainabhängigkeit existieren
neue Behandlungsstrategien, die die Anzahl rückfallsfreier Tage erhöhen und Intensität der Rückfälle
vermindern, zB. durch immunologische Interaktionen bei der „Kokainimpfung“. Untersuchungen aus
den USA berichteten von sechsmonatigen Abstinenzraten bei Kokainabhängigkeit und auch klinische
Studien zur „Nikotinimpfung“ zeigen erste vielversprechende Fortschritte.
Kontakt:
Suchtforschung und –therapie
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Psychiatrie & Psychotherapie
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
www.sucht-addiction.info
E-Mail:[email protected]
Tel: 0043 01 40400-2117
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