Arbeitskreis der Leitenden Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Rheinland Pfalz Sprecher: Dr. med. Michael Brünger __________________________________________________ Situationsbericht zur Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Rheinland-Pfalz Landespsychiatriebeirat Rheinland-Pfalz, Mainz, 14.11.2002 Nach den Ergebnissen wissenschaftlicher epidemiologischer Studien sind 5-6% aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland von dringend behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen betroffen. In Rheinland-Pfalz ( ca. 4 Mio. Einwohner, 19,5% Kinder und Jugendliche) ist von folgenden Zahlen auszugehen1: Prozentsatz Deutschland Rheinland-Pfalz Kinder und Jugendliche, die bis zum 18. 5-6% 800.000 bis Ca. 39.000 bis Lebensjahr auf Grund einer schweren 960.000 46.800 psychischen Erkrankung dringend behandlungsbedürftig werden Kinder und Jugendliche, bei denen bis 15-20% 2.400.000 bis Ca. 117.000 bis zum 18. Lebensjahr fachärztlicher kinder3.200.000 156.000 und jugendpsychiatrischer Abklärungsbedarf besteht Es handelt sich um folgende Krankheits- und Störungsbilder2,3: Kinder- und jugendpsychiatrische Krankheitsund Störungsbilder (alle Ausprägungsgrade, Auswahl) Aufmerksamkeitsstörung mit/ohne Hyperaktivität. Depressionen/depressive Verstimmungen Emotionale Störungen außer Depression Ess-Störungen, vornehmlich Anorexie und Bulimie Störung des Sozialverhaltens Ticstörungen Erkrankungen des psychotischen Formenkreises Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (z.B. Autismus) Umschriebene Entwicklungsstörungen Sprachstörungen Lese-Rechtschreibstörungen Rechenstörungen 1 In Prozent Geschätzte Zahl von Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz 4% 4-5% 2% 1% 2% 0,030,6% 0,05 0,1% 22.000 22.000-33.000 11.000 5.5000 11.000 165-3.300 1-5% 3-8% 6% 5.500-27.500 16.500-44.000 33.000 275 550 Quelle: Bundesweite Erhebung der BAG der Leitenden Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zur Versorgungssituation der klinischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland ,2002 (Stand: 10/2001) 2 Angaben nach Warnke et al 2000 und Schepker 2000 3 Psychiatrische Versorgung in Hessen, Entwicklung bis 2007, Gutachten im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums, Wiesbaden, 2002 Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz, die von psychischen Störungen betroffen oder bedroht sind, ist noch im Aufbau4. Die Strukturen, die in den letzten Jahren entstanden sind, müssen weiter ausgebaut werden, um dem sich verändernden Bedarf gerecht zu werden. Deutschland Rheinland-Pfalz Hessen Zahl der niedergelassenen Kinder- Ca. 500 15 39 und Jugendpsychiater Geschätzter Bedarf an Ca. 618 30 45 niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern3:1/133.000 Einwohner Stationäre und teilstationäre Ca. 7,4 Ca. 4,3 7,2 Behandlungsplätze auf 100.000 (5527) (172) (434) Einwohner Davon vollstationär 4382 132 373 Davon teilstationär 1145 406 61 (20,7 %) (23,3 %) (16,4 %) Vordringlich ist der Ausbau ambulanter Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung in kinder- und jugendpsychiatrischen Praxen. Eine Stärkung der ambulanten kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung kann durch Angleichung der Niederlassungsbedingungen an die Verhältnisse in den benachbarten Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Nordrhein-Westfalen erreicht werden. Ambulante und teilstationäre Diagnostik und Behandlung kann die Inanspruchnahme vollstationärer Einrichtungen vermindern. Kooperationspartner der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie bei der Beratung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien sind die Schulen, die Jugendämter, die Einrichtungen der Jugendhilfe. Präventive und früh intervenierende Hilfen von Seiten der Schule und der Jugendhilfe6 können die Inanspruchnahme spezifischer kinderund jugendpsychiatrischer Einrichtungen vermindern. Die Bedarfsberechnung im psychotherapeutischen Bereich muss für Kinder und Jugendliche getrennt vom Bedarf im Erwachsenenalter erfolgen. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie kann in Rheinland-Pfalz nicht in ausreichendem Maß durchgeführt werden. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein eigenständiges medizinisches Fachgebiet. Eine Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischer Störung kann nicht „ersatzweise“ in Abteilungen der Psychiatrie oder Pädiatrie stattfinden. Erforderlich ist die Entwicklung tragfähiger Strukturen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Rheinland-Pfalz. Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie sind fachärztlich und eigenständig zu leiten. Sie arbeiten im Rahmen einer Versorgungsverpflichtung für ein bezeichnetes Einzugsgebiet. Dem Landespsychiatriebeirat wird die vertiefte Beschäftigung mit der Versorgungslage bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz empfohlen. Dr. M. Brünger 4 Empfehlungen des Ausschusses für Krankenhausplanung für die teil- und vollstationäre kinder- und jugendpsychiatrische Krankenhausversorgung in Rheinland-Pfalz, Stand 19.März 2001 5 Diese Plätze sind sämtlich außerhalb der Pfalz angesiedelt 6 Siehe hierzu auch den Begriff der „pädagogischen und damit verbundenen therapeutischen Leistungen“ nach §27ff KJHG