Lehrbuch Allgemeine Didaktik Angeborenes Verhalten Angeborenes Verhalten Jedes Lebewesen hat die Fähigkeit, sich an die Lebensbedingungen in der Umwelt anzupassen. Diese Anpassung benötigt viel Zeit. Ist nicht genug Zeit vorhanden oder sind die Veränderungen zu grundsätzlich, gelingt die Anpassung nicht und das Lebewesen stirbt. Darüber hinaus Können Lebewesen diese Anpassung an ihre Nachkommen vererben. Diese vererbte Anpassung nennt man Evolution. Dazu wird noch mehr Zeit benötigt als für die Anpassung eines Lebewesens. Der Mensch hat sich mit Hilfe der Naturwissenschaften in den letzten 2000 Jahren technische Möglichkeiten geschaffen, an die uns die Natur im Zuge der Evolution noch nicht gewöhnen konnte. Dazu sind 2000 Jahre zu wenig und die gemachten Erfahrungen nicht allgemeingültig genug. Evolution und Evolutionszeiträume Ein Beispiel: Der Mensch hat erst in den letzten 100 Jahren das Fliegen gelernt. Dennoch bleibt eine Urangst im Fühlen des Menschen zurück, die bei manchen so groß ist, dass sie nicht in ein Flugzeug steigen können, ohne dass sie alle Anzeichen von Stress zeigen (Herzklopfen, Schweißausbruch, feuchte Hände, hohen Blutdruck, unruhige Augenbewegung). Diese Menschen sind auf „fliehen“ eingestellt, wir nennen ihr Gefühl „Flugangst“. – Man kann diese „Flugangst“ bei einem krabbelndem Kleinkind beobachten. Läst man ein Kleinkind über eine an Boden fest aufliegende Glasplatte krabbeln, zeigt es ein ganz normales Verhalten. Hebt man die durchsichtige Glasplatte auf ca. 1,50 Meter über dem Boden an, weigert sich das Kleinkind auf diese durchsichtige Platte zu krabbeln. Reflex „Flugangst“ Das Bestreben von Lebewesen, sich zu entwickeln, darf aber vor angeborenen Reflexen nicht halt machen. Daher haben Heranwachsende einen „Spaßgewinn“, wenn sie eine bekannte Gefahr überwinden können. So kreischt ein Kleinkind nach kurzer Erfahrung vor Vergnügen, wenn man es hochwirft und wieder auffängt. Dabei steht ihm beim Fliegen die „Angst ins Gesicht geschrieben“. Trotzdem, und wegen des angeborenen Reflexes Vertrauen zu ihren Eltern zu haben, können sie vom Fliegen nicht genug bekommen. – Eine ganzer Erwerbszweig hat sich diesen Reflex und seine Überwindung zu Nutze gemacht. Es sind die Fahrgeschäfte auf den Jahrmärkten, die „Schiffschaukeln“ und „Achterbahnen“. Lust an der „Grenzüberschreitung“ Zum angeborenen Verhalten zählt auch, dass der Mensch Erfahrungen macht und diese mit dem Erfolg seiner Handlung verbindet. Die Folge dieser Erfahrungen kann Einfluss auf sein zukünftiges Verhalten haben. So können zum Beispiel schmerzhafte Misserfolge beim Versuch, etwas Neues auszuprobieren, die Umsetzung von Neugier in Angst vor Neuem verändern. Werden diese Erfahrungen sehr oft hintereinander von vielen Generationen gemacht, wird daraus wahrscheinlich ein neues angeborenes Verhalten entstehen. Dazu wird aber sehr viel Zeit benötigt. Man kann diese „Urängste“ auch im Chemielabor erkennen und ihre Überwindung trainieren. Dazu muss man die Schülerinnen und Schüler zunächst auffordern, sich mit der Ausstattung des Chemieraumes zu beschäftigen. Was ist gleich, was ist anders im Vergleich zu einem normalen Klassenraum? Wenn Schülerinnen und Schüler erst einmal den Chemieraum bewusst betrachten, werden sie viele Dingen entdecken, die sie zur Vorsicht mahnen. Es gibt deutlich sichtbar mindestens einen Feuerlöscher, eine Löschdecke, unter Umständen eine Notdusche, eine Augendusche und viele Schalter mit roten Warnleuchten, Notausschalter, Hinweistafel und einiges andere mehr. Vieles deutet darauf hin, dass es im Chemieraum gefährlich werden kann besonders, wenn man auf die Möglichkeit hinweißt, mit Gasbrennern zu arbeiten. Deshalb ist es leicht möglich, das Vorhandensein von Urängsten am Beispiel der Angst vor Feuer zu zeigen. Das ist aber für den Chemieunterricht nur sinnvoll, wenn damit das Lernen zur Überwindung von Ängsten durch das Gewinnen neuer Erfahrungen verbunden ist. Ein Mutiger, besser ein Mensch mit Erfahrung, entzündet Erdgas, das aus einem weiten Glasrohr austritt, direkt mit einem Streichholz. Diese Rolle spielt der Lehrer. Die in der Nähe sitzenden Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa 10 Jahren werden schon bei der Vorbereitung versuchen, aus dem vermuteten Gefahrenbereich weichen wollen. Sie werden aber aufgefordert zu bleiben. Nur zögernd werden sie der Aufforderung folgen, möglicherweise ist die Angst vor Feuer bei dem einen oder anderen so groß, dass er nicht sitzen bleibt. Nun wird das Gas vom Unterrichtenden gezündet. Es entsteht eine große Stichflamme, die am nächsten Sitzenden werden zurückschrecken. Anschließend wird gezeigt, dass man mit der ungeschützten Hand durch die Flamme wedeln kann, ohne sich merklichen Schaden zuzuziehen. Es riecht vielleicht etwas nach angesengten Haaren. Das Gas verbrennt nicht sofort an der Austrittsstelle, es bleibt eine flammfreie Zone von etwas 2-3 cm. In diesem Falle wird das Glasrohr nicht heiß, man kann das Austreten des Gases ganz einfach verhindern und die Flammen löschen, indem man das Rohr mit dem Finger schnell verschließt. Zuletzt wird einigen wenigen Schülerinnen und Schüler erlaubt, den Versuch nachzumachen. Dabei wird jeder einzelne Versuch vom Unterrichtenden überwacht. Zum Schluss wird ein Schüler aufgefordert, schnell einen der Not-Aus-Schalter des Labors zu betätigen, um allen zu zeigen, wie man in einem Notfall Gas am Austreten hindern kann. Dann wird unbedingt darauf hingewiesen, dass alle Gashähne geschlossen werden müssen, bevor der Raum verlassen werden darf! © 2005 HMTC Halbmikrotechnik Chemie GmbH; Lernbuch Flugangst Erkennen der Umgebung Urangst vor Feuer und deren Überwindung Lernen aus Erfahrung und Lernen durch Imitation Angstüberwindung als Ziel zur Gefahrenbegrenzung