Humboldts Bildungsideal und sein Modell der Universität Michael N

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Humboldts Bildungsideal und sein Modell der Universität
Michael N. Forster
Wilhelm von Humboldt wird oft als der Gründer nicht nur der Berliner Universität,
sondern auch der modernen deutschen Universität im allgemeinen und sogar der
modernen Universität überhaupt gefeiert. Andererseits lassen sich besonders seit kurzem
Stimmen vernehmen, die sein Modell der Universität als untauglich,1 institutionell
einflusslos2 oder wenigstens kurzlebig3 charakterisieren. Welche dieser beiden Ansichten
trifft zu? Ich neige eher zur ersteren, positiven als zur letzteren, negativen.
Humboldt hat zwar nur 15 Monate lang während der Jahre 1809-10 bei der Sektion des
Kultus und des öffentlichen Unterrichts die Erziehungsreformen Preußens im
allgemeinen und die Gründung der Universität Berlin im besonderen betreut, nur zwei
kurze Schriften bezüglich dieser Gründung verfasst – die sogar erst um 1900 im
normalen Sinne des Wortes veröffentlicht wurden (Antrag auf Errichtung der Universität
Berlin [Mai/Juli 1809] und Über die innere und äußere Organisation der höheren
wissenschaftlichen Anstalten in Berlin [1810]) – und erst nach 1900 einen
weitverbreiteten Ruf als Gründer eines neuen Universitätsmodells erhalten.4 Aber seine
leitenden Prinzipien zur Universität haben trotzdem m.E. das kulturelle Bewußtsein und
die Institutionen Deutschlands tatsächlich tief und nachhaltig geprägt sowie
1
Siehe bspw. Bernd Henningsen, Einsamkeit und Freiheit, in: Bernd Henningsen (Hrsg.),
Humboldts Zukunft. Das Projekt Reformuniversität, Berlin 2007, S. 103-31.
2
Siehe bspw. Mitchell G. Ash, Bachelor of What, Master of Whom? The Humboldt
Myth and Historical Transformations of Higher Education in German-Speaking Europe
and the US, in: European Journal of Education, 41(2)/2006, S. 245-67; Sylvia Paletschek,
The Invention of Humboldt and the Impact of National Socialism: The German
University Idea in the First Half of the Twentieth Century, in: Margit Szöllösi-Janze
(Hrsg.), Science in the Third Reich, Oxford 2001, S. 37-58.
3
Siehe bspw. Clemens Menze, Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, Hannover
1975.
4
Vgl. Ash, Bachelor of What, Master of Whom?, bes. S. 246.
1
Entwicklungen im Ausland stark beeinflusst, und zwar beides in einer sehr vorteilhaften
Weise.5
Um dies aber klar einzusehen, muß man m.E. gewisse unauffällige Seiten seines
Modells mit in Betracht ziehen, die von ihm selbst eher unterbetont oder sogar
verschwiegen worden sind – teilweise aus politisch-diplomatischen Gründen,
insbesondere dem Bedürfnis, die zur Durchsetzung des Modells unabdingbare Gunst des
Königs und seiner Minister in einer damals außergewöhnlich schwierigen politischen
Lage zu sichern, nämlich der Niederlage und Besetzung Preußens ab 1806 durch
Napoleon und die Franzosen nebst Territoriumsverlusten und Kürzung der Armee. Nur
wenn man diese weniger offensichtlichen Seiten seines Modells mit erwägt, kann man
dessen Attraktivität und Einfluss in ihrem wahren Ausmaß erkennen. Das Modell stellt
sich dann als in der Tat äußerst attraktiv heraus. Und sein Einfluss entpuppt sich als so
stark, dass man sogar eine Art “genealogische” Zurückführung zentraler Aspekte der
modernen Universität auf Humboldts Prinzipien (und teilweise auch auf seine
Charakterzüge) unternehmen könnte, die – in der etwas gespenstischen Weise, die für
Genealogien charakteristisch ist – die betreffenden Aspekte als Nachhalle von seinen
Prinzipien (und Charakterzügen) erscheinen ließe.
Ich möchte demgemäß in diesem Vortrag einige Kernprinzipien von Humboldts
Modell, einschließlich weniger offensichtlicher, identifizieren, um sowohl die
Attraktivität als auch den Einfluss des Modells klarer an den Tag zu legen. (Ich werde
aber dabei dessen Einfluss in Deutschland und im Ausland nicht im Detail zu verfolgen
versuchen.6)
5
Die einzige Einschränkung dieses Urteils, die ich hier gleich am Anfange verzeichnen
möchte, ist die folgende: Humboldts Leistung in diesem Bereich wurde durch die
Vorarbeit mehrerer wichtiger Vorgänger und Zeitgenossen vorbereitet und unterstützt,
besonders Kants, Fichtes, Schellings und vor allem Schleiermachers. Ich werde im
folgenden dieser “Konstellation” einige Rechnung zu tragen versuchen aber sie wird
nicht der Schwerpunkt dieses Artikels sein.
6
Was dessen Einfluss in Deutschland angeht, siehe u.a. Menze, Die Bildungsreform
Wilhelm von Humboldts. Was dessen Einfluss im Ausland angeht, haben u.a. die
folgenden Schriften schon Wichtiges geleistet: Edward Shils und John Roberts, Die
Übernahme europäischer Universitätsmodelle, in: Walter Rüegg (Hrsg.), Geschichte der
Universität in Europa, München 2004, Bd. 3, S. 145-96, hier S. 149-54, vgl. S. 24-6;
William Clark, Academic Charisma and the Origins of the Research University, Chicago
2
Individuelle Bildung
Fangen wir mit dem wohl auffallendsten und bekanntesten Ideal von Humboldts
Erziehungsreform im allgemeinen und seinem Modell der Universität im besonderen an:
individuelle Bildung.7
Humboldt entwickelte dieses Ideal schon in den frühen 90er Jahren des 18.
Jahrhunderts. Er konzipierte Bildung schon damals als im wesentlichen die freie,
eigentümliche, auf Sprache basierende Selbstentwicklung des menschlichen Individuums
in einheitlich-ausgewogenen theoretischen, praktischen und ästhetischen Hinsichten, als
etwas im Grunde genommen Natürliches aber erst über Kultur und Erziehung
Verwirklichtes und als den höchsten Zweck des Menschen, der Erziehung und des
Staates insgesamt.
Er drückt dieses Ideal von Bildung schon in seiner berühmten Frühschrift Ideen zu
einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (geschrieben
1791/2, veröffentlicht 1851) etwa folgendermaßen aus: “Der wahre Zweck des Menschen
. . . ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu
dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerläßliche Bedingung . . . Diese Kraft [der
Individuen] und diese mannigfaltige Verschiedenheit vereinen sich in der Originalität,
und das also, worauf die ganze Grösse des Menschen zuletzt beruht, wonach der einzelne
Mensch ewig ringen muss, und was der, welcher auf Menschen wirken will, nie aus den
Augen verlieren darf, ist Eigenthümlichkeit der Kraft und der Bildung . . . Ganz und gar .
. . hört es auf, heilsam zu sein, wenn der Mensch dem Bürger geopfert wird. Denn . . . so
verliert auch der Mensch dasjenige, welches er gerade durch die Vereinigung in einen
2006, bes. S. 461-4; John W. Boyer, “We are all islanders to begin with”: The University
of Chicago and the World in the Late Nineteenth and Twentieth Centuries = Occasional
Papers on Higher Education XVII, Chicago 2007.
7
Zwei in vielen Hinsichten entgegengesetzte Darstellungen von Humboldts
Erziehungsreform und Modell der Universität, die aber in der Betonung der zentralen
Rolle dieses Ideals übereinstimmen, sind Eduard Spranger, Wilhelm von Humboldt und
die Reform des Bildungswesens, Tübingen 1960, und Menze, Die Bildungsreform
Wilhelm von Humboldts.
3
Staat zu sichern bemüht war. Daher müßte, meiner Meinung zufolge, die freieste, so
wenig als möglich schon auf die bürgerlichen Verhältnisse gerichtete Bildung des
Menschen überall vorangehen. Der so gebildete Mensch müßte dann in den Staat treten
und die Verfassung des Staats sich gleichsam an ihm prüfen. Nur bei einem solchen
Kampfe würde ich wahre Verbesserung der Verfassung durch die Nation mit Gewißheit
hoffen.”8 Humboldt fing schon kurz nach dieser Schrift, im Jahre 1793 an, der Sprache
eine grundlegende Rolle in der Bildung zuzuschreiben, die hinfort immer stärker von ihm
betont wurde.9
In einer späteren Schrift, die Humboldt unmittelbar vor seiner Übernahme der Sektion
des Kultus und des öffentlichen Unterrichts verfasste, Geschichte des Verfalls und
Unterganges der griechischen Freistaaten (1807-8), bestätigt er dieses Ideal von
individueller Bildung.10 Und er vertieft es sogar in einigen erwähnenswerten Hinsichten:
Erstens bemerkt er, dass Bildung kein Sein sondern ein Trieb ist, und zwar nicht im Sinne
eines Strebens nach einem vorgegebenen Ziel, sondern im Sinne einer Sehnsucht nach
einem unbekannten Ziel.11 Zweitens impliziert er, dass der einzelne sich so bildet, wie ein
Künstler sein Kunstwerk.12 Drittens steigert er das Ideal individueller Bildung zum
höchsten Zweck nicht nur des Menschen, der Erziehung und des Staates, sondern gar des
Weltalls überhaupt: es ist “der letzte Zweck des Weltalls.”13
Humboldts 1809-10 entwickelte Erziehungsreform im allgemeinen und sein Modell
der Universität im besonderen zielen vor allem auf individuelle Bildung in gerade diesem
Sinne ab. Demgemäß schreibt er bezüglich der Universität in seiner Organisationsschrift
(1810), dass die höheren wissenschaftlichen Anstalten bestimmt sind, “die Wissenschaft
8
Wilhelm von Humboldts Werke [hinfort: HW], Albert Leitzmann (Hrsg.), Berlin
1903, 1:106-7, 143-4.
9
Siehe schon Über das Studium des Altertums, und des griechischen insbesondere
(1793), HW 1:264-6.
10
Siehe bes. HW 3:197-9, 203, 210.
11
HW 3:199, 205-7, 213, usw. Dementsprechend charakterisiert Humboldt ein Paar Jahre
später die an der Universität zu erlangende Wissenschaft als “SelbstActus” [sic] und
“Selbstthätigkeit” (Wilhelm von Humboldt, Werke in fünf Bänden [hinfort: W], Andreas
Flitner und Klaus Giel (Hrsg.), Stuttgart 1982, 4:191, 261). Man vergleiche seine spätere
Auffassung von Sprache als kein ergon sondern energeia.
12
HW 3:198.
13
HW 3:207.
4
im tiefsten und weitesten Sinne des Wortes zu bearbeiten, und als einen nicht absichtlich,
aber von selbst zweckmässig vorbereiteten Stoff der geistigen und sittlichen Bildung zu
seiner Benutzung hinzugeben.”14
Dieses Ideal kommt mir seinem Wesen nach äußerst attraktiv und wertvoll vor (auch
wenn bestimmte Züge davon kritisiert und revidiert zu werden verdienen; z.B. ist
individuelle Bildung wirklich “der letzte Zweck des Weltalls”?).
Dessen Attraktivität wird m.E. vor allem deshalb oft geleugnet oder übersehen, weil es
bei Humboldt den Eindruck einer Einseitigkeit erwecken kann, die andere wertvolle
Zwecke, z.B. moralisch-politische Zwecke und beruflich-utilitaristische Zwecke
ausschließt (als ob Humboldt schon wie vielleicht später Nietzsche individuelle
Übermenschen gänzlich auf Kosten solcher anderen Zwecke verfechten würde). Es
stimmt zwar, dass Humboldt manchmal von solchen weiteren Zwecken abzusehen
scheint, aber dies ist m.E. eher ein Versuch der üblichen exklusiven Betonung derselben
entgegenzuarbeiten als ein Versuch sie wirklich auszuschalten. Mit anderen Worten, es
stellt keine wirkliche Einseitigkeit, sondern vielmehr einen Versuch eine Einseitigkeit zu
bekämpfen dar. Dies scheint mir wenigstens Humboldts überlegte und beste Position zu
sein.
Das dem so ist, lässt sich aus mehreren Aspekten seines Modells der Universität in der
Organisationsschrift (1810) entnehmen. Man erwäge in diesem Bezug zuerst seinen
Anspruch in dem Text, dass der Staat “im Ganzen . . . von den Universitäten nichts
fordern [muß], was sich unmittelbar und geradezu auf ihn bezieht, sondern die innere
Ueberzeugung hegen, dass, wenn sie ihren Endzweck erreichen, sie auch seine Zwecke
und zwar von einem viel höheren Gesichtspunkte aus erfüllen.”15 Man könnte versucht
sein, dies bloß als eine Anspielung auf die Tatsache zu deuten, dass nicht nur die
14
W 4:255. Im Gegensatz zur deutschsprachigen Literatur (z.B. Spranger und Menze) hat
der stärkste Kritiker des angeblichen “Humboldt Mythos,” nämlich Ash in seinem schon
zitierten Artikel dieses humboldtsche Ideal gänzlich mißverstanden, indem er es in ein
einseitiges Ideal von reiner “Wissenschaft” verkehrt und dann aufgrund dieses
Mißverständnisses ein Ideal wie Humboldts eigentliches Ideal den amerikanischen
Universitäten als selbständige Leistung anrechnet (Ash, Bachelor of What, Master of
Whom?, S. 249-50).
15
W 4:260.
5
Universität sondern auch der Staat individuelle Bildung als seinen höchsten Zweck hat.16
Das ist zwar sicherlich ein wichtiger Teil von Humboldts Bedeutung, aber er denkt
augenscheinlich auch an mehr als nur das, denn er fährt unmittelbar nachher fort zu
schreiben, dass von diesem höheren Gesichtspunkt “sich viel mehr zusammenfassen lässt
und ganz andere Kräfte und Hebel angebracht werden können, als [der Staat] in
Bewegung zu setzen vermag.”17 Zweitens impliziert Humboldt insbesondere im
allerersten Satz der Organisationsschrift, dass die Universitäten und die dadurch
beförderte individuelle Bildung moralisch-politischen Zwecken dienen: solche
wissenschaftlichen Anstalten seien ein Gipfel, “in dem alles, was unmittelbar für die
moralische Cultur der Nation geschieht, zusammenkommt.”18 Drittens impliziert er, dass
sie auch beruflich-utilitaristischen Zwecken dienen, indem er technische Hochschulen als
Ergänzungen zur Universität unterstützt.19 Viertens identifiziert er auch solche
zusätzlichen Zwecke als die differentia der Universität im Vergleich zur Akademie: “Die
Universität . . . steht immer in engerer Beziehung auf das praktische Leben und die
Bedürfnisse des Staates [als die Akademie], da sie sich immer praktischen Geschäften für
ihn, der Leitung der Jugend, unterzieht.”20 Kurzum, Humboldt will zwar der Einseitigkeit
entgegenarbeiten, die individuelle Bildung moralisch-politischen und beruflichutilitaristischen Zwecken aufopfert, aber er vertritt nicht die entgegengesetzte
Einseitigkeit. Vielmehr will er mittels der Universität all diese Ideale bzw. Zwecke erfüllt
wissen.
Diese Position ist durchaus konsequent. Es wäre insbesondere ein Fehler dagegen
einzuwenden, dass eine Institution nur einen Selbstzweck haben kann. Die Tatsache, dass
eine Institution Selbstzweck x hat, schließt gar nicht aus, dass sie auch Selbstzwecke y
und z hat. Gute Institutionen dienen sogar wohl typischerweise jeweils mehreren
Selbstzwecken. Dies tut der Güte einer Institution insbesondere dann keinen Eintrag,
wenn die betreffenden Selbstzwecke, statt einander zu vereiteln, einander unter normalen
Umständen unterstützen (es ist wiederum durchaus konsequent zu sagen, dass eine
16
Vgl. Menze, Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, S. 322.
W 4:260.
18
W 4:255.
19
W 4:266.
20
W 4:263.
17
6
Institution etwas als Selbstzweck leistet, das nicht nur Selbstzweck sondern auch Mittel
zu weiteren Selbstzwecken der Institution ist).
Ein solches Modell war eigentlich im Gefolge Herders und Kants schon ziemlich
bekannt. Herder hatte z.B. in Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der
Menschheit (1774) geschrieben: “Aber kein Ding im ganzen Reiche Gottes kann ich mich
doch überreden! ist allein Mittel – alles Mittel und Zweck zugleich.”21 Und Kant hatte in
der Kritik der Urteilskraft (1790) Organismen als Systeme gedeutet, deren Teile einander
sowohl als Mittel als auch als Zwecke dienen. Dementsprechend vertrat Humboldt selber
ein solches Modell (in Bezug auf einzelne Menschen) unmittelbar vor seiner
Universitätsreform in Geschichte des Verfalls und Unterganges der griechischen
Freistaaten (1807-8), wo er behauptet und belobt, dass die Griechen “Achtung und
Freude an Ebenmass und Gleichgewicht, auch das Edelste und Erhabenste nur da
aufnehmen zu wollen, wo es mit einem Ganzen zusammenstimmt,” als “vorherrschenden
Zug” hatten und dass sie “auf das höchste Leben” drangen, “das nur aus der
Übereinstimmung quillt, die nichts ausschließt, und aus dem tiefen Gefühl der Natur, die
durchgängiger Organismus ist.”22 Denn Humboldt verficht hier das Ideal einer Vielfalt
von Selbstzwecken im Individuum, die, statt einander zu vereiteln, einander als Mittel
unterstützen (wie in Kants Modell des Organismus).
Dass Humboldt die Universität im Hinblick auf den Selbstzweck individueller
Bildung, moralisch-politische Selbstzwecke und beruflich-utilitaristische Selbstzwecke
ungefähr so versteht, lässt sich besonders klar anhand seiner Einstellung zum
Selbstzweck individueller Bildung und zum moralisch-politischen Selbstzweck der
Freiheit darstellen. Beide gehören als zentrale Bestandteile zu seinem Modell der
Universität. Aber wenn man seinen Begriff ihrer Beziehung zueinander in den Ideen
(1791/2) genau erforscht, findet man, dass, obwohl er vor allem die Tatsache betont, dass
individuelle Bildung Freiheit als ein (sowohl konstitutives als auch bloß kausales) Mittel
verlangt und erst dadurch ermöglicht wird (man erinnere sich an die oben zitierte Passage
21
Johann Gottfried Herder Werke, Bd. 4, Jürgen Brummack und Martin Bollacher
(Hrsg.), Frankfurt am Main 1994, S. 54.
22
HW 3:197-8.
7
von den Ideen),23 er auch das Umgekehrte behauptet: “Nun . . . erfordert die Möglichkeit
eines höheren Grades der Freiheit immer einen gleich hohen Grad der Bildung, und das
geringere Bedürfnis, gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln, eine
größere Stärke und einen mannigfaltigeren Reichtum der handelnden Individuen. Besitzt
daher das gegenwärtige Zeitalter einen Vorzug an dieser Bildung, dieser Stärke und
diesem Reichtum, so muß man ihm auch die Freiheit gewähren, auf welche derselbe mit
Recht Anspruch macht.”24 Im Rahmen der Universität ist demgemäß nicht nur Freiheit
eine unabdingbare Unterstützung individueller Bildung, sondern auch umgekehrt und die
Universität leistet beide auf eine solche wechselbedingte Weise für den Staat.
Humboldts Begriff dieser Leistung für den Staat ist wohl klar genug in Bezug auf
individuelle Bildung, aber er ist erheblich verschwommener in Bezug auf Freiheit, wo
Humboldt nur vage von einer “moralischen,” “sittlichen” oder “praktischen” Leistung für
den Staat zu schreiben neigt. Diese Seite seiner Position verdient deshalb etwas näher
exponiert zu werden.
Ich teile hier im Grunde genommen Ernst Müllers zwar knapp geäußerte aber m.E.
einsichtsvolle Meinung, dass Humboldts Universitätsreform im Geiste seiner Sympathie
mit den Idealen der französischen Revolution konzipiert worden ist, insbesondere mit
deren Liberalismus und Republikanismus.25 Man soll diesbezüglich in Erinnerung
behalten, dass Humboldts Universitätsreform erst als Bestandteil der weitaus breiteren
Stein-Hardenbergschen Reformen zustandekam, die im Gefolge der Niederlage von 1806
teilweise auf Anlaß der Franzosen und teilweise in Konkurrenz mit ihnen eine
Erneuerung Preußens nach französischem Muster anstrebten. Aber Humboldts
persönliche Überzeugungen waren auch seit langem im Einklang mit einem solchen
Projekt gewesen. Humboldt hatte Frankreich schon im schicksalshaften Jahre 1789
23
Vgl. auch später HW 3:203.
HW 1:101. Man vergleiche hier Herders These einer ähnlichen Wechselwirkung in
Vom Einfluß der Regierung auf die Wissenschaften, und der Wissenschaften auf die
Regierung (1780) (dessen Titel schon seine These einer solchen Wechselwirkung
andeutet). Es ist durchaus möglich, dass Humboldts betreffende Position durch Herders
beeinflusst worden ist.
25
Ernst Müller, Vom Nachteil des Nutzens der Universität. Über die äußeren
Bedingungen ihrer inneren Organisation, in: Humboldts Zukunft, S. 77-101, hier bes. S.
81-3, 94.
24
8
besucht und sofort eine Begeisterung für die Ideale der Revolution entwickelt (wie sein
Tagebuch aus dieser Zeit zeigt), die die schwierigen 90er Jahre unversehrt überstehen
würde.26 Demgemäß schreibt er 1792 in einem Brief an Brinkmann (unter strenger
Ablehnung der antirevoltionären Einstellung von Burke und Gentz): “Die Wahrheiten der
französischen Revolution bleiben ewig Wahrheiten, wenn auch 1200 Narren sie
entweihen.”27 Seine Begeisterung für den Liberalismus der französischen Revolution
schlägt sich in seinem radikalen Plädoyer für Liberalismus in den Ideen von 1791/2
nieder. Und seine Sympathie mit deren Republikanismus ist auch nicht zu unterschätzen.
Frederick Beiser hat z.B. als Beleg für Humboldts angebliche Präferenz für Monarchie
die folgende Passage aus einem Brief an Schiller von 1792 zitiert: “An sich scheinen mir
freie Konstitutionen und ihre Vorteile ganz und gar nicht so wichtig und wohltätig. Eine
gemäßigte Monarchie legt vielmehr der Ausbildung des einzelnen meist weniger
einengende Fesseln an.”28 Das klingt nach einem guten Beleg, bis man Humboldts
unmittelbar darauffolgenden, von Beiser unterschlagenen Satz hinzufügt, der den Spieß
umdreht und Republikanismus letzten Endes doch befürwortet: “Aber sie [d.h. freie
Konstitutionen] spannen die Kräfte zu einem so hohen Grade und erheben den ganzen
Menschen und wirken doch so im eigentlichsten Verstande das einzige wahre Gute.”29
Noch wichtiger für unser Thema, Humboldt drückt seine starke Sympathie mit dem
Liberalismus und Republikanismus noch unmittelbar vor seiner Universitätsreform in
Geschichte des Verfalls und Unterganges der griechischen Freistaaten (1807-8) aus.
Dort behauptet er z.B. den Vorzug der Griechen vor “uns” modernen Deutschen, der
seines Erachtens offensichtlich wird, “wenn wir unsere beschränkte, engherzige, durch
tausend Fesseln der Willkühr . . . gedrückte . . . Lage mit ihrer freien . . . Tätigkeit, . . .
unser dumpfes Hinbrüten in klösterlicher Einsamkeit, oder gedankenloses Umtreiben in
26
Siehe Frederick C. Beiser, Enlightenment, Revolution, and Romanticism, Cambridge
MA 1992, S. 114-21. Beiser unterschätzt aber m.E. Humboldts Sympathie mit dem
Republikanismus (siehe unten).
27
Wilhelm von Humboldts Briefe an Karl Gustav von Brinkmann = Bibliothek des
literarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 288, Albert Leitzmann (Hrsg.), Leipzig 1939, S. 41.
28
Beiser, Enlightenment, Revolution, and Romanticism, S. 131; vgl. 111.
29
Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt, Siegfried
Seidel (Hrsg.), Berlin 1962, 1:53. (Es stimmt aber, dass Humboldt Demokratismus eher
ablehnt. Siehe z.B. ibid., 1:205.)
9
lose verknüpfter Geselligkeit mit dem heiteren Frohsinn ihrer, durch jede heiligste Bande
befestigten Bürgergemeinschaft vergleichen.”30
Humboldt ist zwar recht unklar über diese Seite seines Universitätsmodells in den
Schriften von 1809-10, aber das lässt sich m.E. befriedigend aus seiner damaligen Rolle
als Vertreter und Berater des Königs erklären: explizit gemachte liberal-republikanische
Absichten wären nicht gerade von dem König und seinen Ministern bewillkommnet
worden, umsoweniger da solche Absichten ursprünglich aus dem Lager des Feindes
stammten, und hätten wohl Humboldts ganze Reform zum Scheitern verdammt.
Zur bescheidenen Bestätigung dieser Interpretation von Humboldts impliziten
Absichten in seinen Schriften, lässt sich hinzufügen, dass Schleiermachers kurz zuvor
veröffentlichte Schrift über die Universität im allgemeinen und die Gründung einer neuen
Universität in Berlin im besonderen, Gelegentliche Gedanken über die Universitäten in
deutschem Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende (1808), die
Humboldts eigene Schriften offensichtlich inspiriert hat und mit ihnen als weiteres
Gründungsdokument der Universität Berlin angesehen zu werden verdient, sowohl die
Freiheit als auch das gar demokratische Wesen der Universität stark vertreten hatte.31
Wenn diese Interpretation von Humboldts impliziten Absichten richtig ist, so kann
man wohl seinen Begriff der Leistung der Universität an Freiheit für den Staat etwa
folgendermaßen explizieren: Die Universität liefert nicht nur selbst ein musterhaftes
Beispiel von freiem, d.h. liberal-republikanischem Umgang, sondern sie entwickelt auch
über die individuelle Bildung, die sie befördert, die individuelle Urteilskraft und
30
HW 3:189. Es ist übrigens bemerkenswert, dass diese Schrift aus 1807-8 offensichtlich
zum großen Teil einen Versuch darstellt, Lektionen aus der Niederlage der Griechen
durch die Römer in der Antike für die Niederlage Preußens durch die Franzosen im Jahre
1806 zu entnehmen.
31
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken über die Universitäten
in deutschem Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende, Berlin 1808, bes.
S. 104-31. (Indem Schleiermacher nicht nur Republikanismus sondern sogar
Demokratismus vertritt, ist er noch ein Stück radikaler als Humboldt [vgl. meine vorletzte
Fußnote]. Schleiermachers stärkere Radikalität kommt auch in einigen weiteren Aspekten
seiner Schrift zum Vorschein.)
10
Selbständigkeit, die erst politischer Unterdrückung widerstehen und erfolgreiche
republikanische Politik ermöglichen können.32
Soweit über Humboldts implizite Einstellung zum Verhältnis zwischen dem
Selbstzweck individueller Bildung und moralisch-politischen Selbstzwecken. Ähnliches
gilt wohl für seine Einstellung zum Verhältnis zwischen dem Selbstzweck individueller
Bildung und beruflich-utilitaristischen Selbstzwecken. Auch hier will er beiden von der
Universität gedient wissen. Und auch hier ist eine solche Kombination durchaus
konsequent, besonders da die zwei Seiten einander nicht vereiteln, sondern unterstützen.
Humboldt selber betont in dieser Hinsicht die Unterstützung des BeruflichUtilitaristischen durch die von der Universität zu leistende individuelle Bildung (man
erinnere sich z.B. an seine vorhin zitierten Bemerkungen über die Wichtigkeit der
Universität für “das praktische Leben und die Bedürfnisse des Staates”). Und diese
Auffassung scheint durchaus sachlich überzeugend, indem z.B. individuelle Bildung die
für ein erfolgreiches Berufsleben erforderlichen Grundwissen, Neugierde,
Weitsichtigkeit, Flexibilität, Selbständigkeit, Originalität, Kontaktfähigkeit, usw.
befördert. Aber das Umgekehrte (d.h. die Unterstützung der individuellen Bildung durch
das von der Universität beförderte Beruflich-Utilitaristische) trifft wohl auch nach
Humboldts impliziter Auffassung zu, indem z.B. ein gewisser beruflich-utilitaristischer
Erfolg zur individuellen Bildung als ein konstitutiver Bestandteil beiträgt, das jenseits der
Universität angestrebte und geführte Berufsleben eine Wirtschaft gedeihen lässt, auf die
letztendlich die Universität und deren Beförderung von individueller Bildung angewiesen
sind, und die Berufe Individuen als Nachwuchs erhalten, die der Universität und ihrem
Bildungsideal freundlich gesinnt sind und sie auf praktische Weisen unterstützen. Und
auch diese Auffassung ist sachlich plausible.
Kurzum, Humboldts Verfechtung von individueller Bildung als Ziel der Universität ist
bei weitem nicht so einseitig, wie sie beim ersten Anblick erscheinen mag. Seine
32
Man vergleiche hier Moses Finleys These, dass ein beträchtliches Niveau an Erziehung
für erfolgreiche liberal-demokratische Regierung unabdingbar ist (Moses I. Finley,
Democracy Ancient and Modern, New Brunswick N.J. 1973). Die Vereinigten Staaten
haben übrigens neulich, besonders während der Jahre 2000-8 ein ziemlich schauderhaftes
Beispiel davon gegeben, wie schief liberal-demokratische Systeme gehen können, wenn
diese Bedingung nicht erfüllt ist: eine Erwählung von Idioten und Gaunern, die das Land
sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch fast zugrunde richteten.
11
Betonung von individueller Bildung als Ziel der Universität schließt deren Anstrebung
von anderen wichtigen Selbstzwecken, insbesondere moralisch-politischen und beruflichutilitaristischen nicht aus. Im Gegenteil, er will all diese Ziele von der Universität
befördert wissen und zwar auf eine gegenseitig unterstützende Weise, die auch sachlich
plausibel ist.33 Wenn man Humboldts Bildungsideal so kontextualisiert, ist es nicht
einseitig, sondern im Gegenteil vielseitig und sehr attraktiv.
Ich schlage hier schließlich auch vor, dass Humboldts Ideal von individueller Bildung
(bei allen Entstellungen und Mißbräuchen, denen es in der Praxis gelegentlich unterzogen
wird) noch heute eine zentrale Rolle in unserer Auffassung des Zwecks der Universität
spielt. Dies trifft nicht nur auf Deutschland zu, wo das Wort Bildung noch häufig in
Humboldts Sinne verwendet wird und eine solche Kontinuität offensichtlich macht,
sondern auch auf andere Länder, wie z.B. die Vereinigten Staaten, wo es durch
äquivalente Ausdrücke wie “individual self-development,” “individual self-realization”
usw. ersetzt wird.34 Man denke hier beispielsweise an das Doktorat, das erst ab 1809-10
in Berlin zu einem wichtigen Grad gedieh, mit den Werten geistiger Bildung und
insbesondere Originalität eng verbunden wurde und sich seitdem mit demselben
Charakter nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern verfestigt hat.35
Oder man denke an die (teilweise miteinander konkurrierenden) Bestrebungen heutiger
amerikanischer und anderer Universitäten, Studenten durch “course requirements” eine
gewisse Vielseitigkeit zu sichern aber auch möglichst viel Spielraum und Flexibilität in
der Gestaltung des eigenen Studiengangs zu erlauben. Auch Humboldts nüchterne
Kontextualisierung dieses Ideals, d.h. seine Mitbeachtung von moralisch-politischen und
beruflich-utilitaristischen Selbstzwecken prägt noch bis heute die moderne Universität.
33
Auch wenn er individuelle Bildung als den höchsten Zweck des Staates oder gar des
Weltalls beschreibt, muß das nicht bedeuten, dass sie deren einziger Selbstzweck ist. Es
bedeutet wohl vielmehr nur, dass sie deren wichtigster Selbstzweck ist, weil sie z.B. die
anderen Selbstzwecke als konstitutive Bestandteile mit einschliesst. (Es ist wiederum
nicht widersprüchlich eine Rangordnung unter Selbstzwecken zu behaupten.)
34
Vgl. Peter Watson, The German Genius, New York 2010, S. 741-2, der die Einführung
dieses Ideals in die Vereinigten Staaten durch deutsche émigrés und dessen Weiterleben
dort in solchen Ausdrücken behauptet.
35
Vgl. Clark, American Charisma, S. 3-4, 237, 432.
12
Die Freiheit der Universität vom Staat
Ein weiteres wesentliches Prinzip in Humboldts Modell der Universität ist das Prinzip der
Freiheit der Universität vom Staat, einschließlich ihrer finanziellen Unabhängigkeit vom
Staat. Diese Freiheit ist seines Erachtens nicht nur an und für sich wertvoll, sondern auch
eine notwendige Bedingung für die Entwicklung von individueller Bildung in ihrer
Vielfalt.
Humboldt hatte schon 1791/2 in den Ideen für ein solches Prinzip plädiert, und zwar in
Bezug auf das ganze Bildungswesen. Die Sekundärliteratur zu Humboldt hat manchmal
einen Widerspruch zwischen diesem frühen Prinzip und seiner späteren Gründung der
Universität Berlin gewittert.36 Aber es gibt in Wirklichkeit keinen Widerspruch:37 auch
der spätere Humboldt strebte eine vom Staat möglichst freie Universität an, besonders
indem er sie durch eine einmalige Verleihung von königlichen Domänen-Gütern
finanziell unabhängig vom Staat zu machen versuchte. Demgemäß schreibt er in der
Organisationsschrift (1810) im Hinblick auf die Freiheit der Universität vom Staat im
allgemeinen, dass der Staat “immer hinderlich ist, sobald er sich einmischt,” und dass der
Staat deshalb, wenn er vernünftig ist, “immer bescheidener eingreifen wird.”38 Und er
schreibt in dem Antrag (1809) in Bezug auf die Finanzen im besonderen, dass er bemüht
ist, “dass das gesamte Schul- und Erziehungswesen nicht mehr Ew. Königlichen Majestät
[d.h. des Königs] Cassen zur Last fallen, sondern sich durch eigenes Vermögen und
durch die Beyträge der Nation erhalte . . . Es würde deshalb am zweckmässigsten seyn,
wenn die neue Universität ihr jährliches Einkommen durch Verleihung von DomänenGütern erhielte,” wobei er hinzufügt, dass “diese Güter auf ewige Zeiten hinaus,
Eigentum der Universität . . . bleiben sollen.”39 Wie Humboldts Wortauswahl “zur Last”
36
S. zu diesem Thema David Sorkin, The Theory and Practice of Self-formation
(Bildung), 1791-1810, in: Journal of the History of Ideas, 44(1)/1983, S. 55-73.
37
Vgl. Friedrich Meinecke, Das Zeitalter der Deutschen Erhebung, Bielefeld und Leipzig
1906, S. 54; Menze, Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, S. 133-5.
38
W 4:257.
39
W 4:33-4. In demselben Geist versuchte der spätere Humboldt in seiner
Erziehungsreform auch die Elementarschulen und Gymnasien möglichst unabhängig vom
Staat zu machen, besonders hinsichtlich ihrer Finanzierung.
13
hier vielleicht besonders verrät, spricht er in dieser Passage als erfahrener Diplomat, der
seine Argumente im Hinblick auf die Empfindlichkeiten und Interessen seines
Adressaten, hier insbesondere des Königs, entwickelt. Und die weiteren Gründe, die er in
anderen Passagen anführt, z.B. die Befreiung des Erziehungswesens von finanziellen
Engpässen in unruhigen Zeiten und die besseren Chancen, dass eine Besatzungsmacht
eine vom Staat unabhängige als eine davon abhängige Institution respektieren wird,40
verfolgen dieselbe Diplomatie (was natürlich nicht bedeutet, dass diese Gründe verlogen
sind). Aber Humboldts eigener, taktvoll verschwiegener Hauptgrund bleibt hier sicherlich
derselbe wie früher: die Freiheit der Universität ist sowohl an und für sich wertvoll als
auch wichtig für die Gedeihung von individueller Bildung in ihrer Vielfalt.41
Dieses Prinzip der Freiheit der Universität vom Staat sowie auch seine Begründung
sind wenigstens ihrer allgemeinen Tendenz nach sehr attraktiv und wichtig. Man bemerke
insbesondere, dass die bestimmte Art und Weise, in der Humboldt die Universität
finanziell unabhängig vom Staat machen will, sie jedoch nicht nötigt, auf andere
freiheitsbedrohende Quellen angewiesen zu sein, wie z.B. die Industrie, Banken oder
reiche Individuen.
Humboldts Prinzip übt wohl noch bis heute einen beträchtlichen Einfluss auf die
Universität aus. Dessen späteres Schicksal ist zwar zum beträchtlichen Teil negativ
ausgefallen:42 in Deutschland ist es bald nach Humboldts Rücktritt sowohl in finanzieller
als auch in anderen Hinsichten gescheitert; es bleibt dort bis heute besonders auf
finanzieller Ebene unerfüllt; und dasselbe gilt auch teilweise für andere Länder wie
Großbritannien und sogar die U.S.A. Aber andererseits hat Deutschland bis heute ein
wichtiges Prinzip der “Lehrfreiheit” beibehalten; ein allgemeineres und vageres Prinzip
der Nichteinmischung des Staates in die Arbeit der Universitäten bleibt sowohl dort als
auch in den U.S.A. und teilweise in Großbritannien verhältnismäßig stark; und die beiden
letztgenannten Länder sind zudem Deutschland in Bezug auf die Freiheit der Universität
40
W 4:33.
Es gibt nur eine mögliche Ausnahme zu Humboldts späterer Beibehaltung des Prinzips
der Freiheit der Universität vom Staat: er macht den Staat zuständig für die Berufung von
Professoren (W 4:264-5). Aber dies war schon eine Selbstverständlichkeit des deutschen
Erziehungswesens seit mindestens dem 18. Jahrhundert und Humboldts Ideen hatten
diese Frage eher verschwiegen als anders beantwortet.
42
Vgl. Geschichte der Universität in Europa, 3:83-8, 96.
41
14
vom Staat insofern voraus, als die privaten Universitäten der U.S.A. und Oxbridge in
Großbritannien erhebliche finanzielle Unabhängigkeit besitzen und in beiden Ländern der
Staat nicht für die Berufung von Professoren zuständig ist.43 Diese überlebende moderne
Tendenz zu einem Prinzip der Freiheit der Universität vom Staat ist zwar zum Teil auf
die korporative Unabhängigkeit der mittelalterlichen Universitäten zurückzuführen,44
aber auch zum beträchtlichen Teil auf Humboldts Einfluss.45
Kosmopolitismus
Humboldts Erziehungsreform und seine Gründung der Universität Berlin 1809-10 fanden
wie eingangs erwähnt unter außerordentlich schwierigen und peinlichen politischen
Umständen statt, nämlich der Niederlage Preußens und der Besetzung großer Teile durch
Napoleon und die Franzosen nebst Territoriumsverlusten und Armeekürzung. Humboldts
Schriften zur Gründung der neuen Universität, die den König und seine Minister dafür
begeistern sollten, betonen demgemäß in einem patriotischen Geist den Einfluss und den
Stolz, die die Gründung einer Universität in der Hauptstadt Berlin dem Land im Ausland
erwerben wird. Humboldt schreibt beispielsweise, “Nur Universitäten können [dem
Land] Einfluss auch über die Gränzen hinaus zusichern”; er impliziert, dass sie “einen
bedeutenden Einfluss auf das Ausland gewinnen” sollen; und er strebt “eine glänzende,
auch Ausländer anziehende Universität” an.46
43
In letzterer Hinsicht sind die U.S.A. und Großbritannien sogar Humboldt selbst voraus,
der noch die Zuständigkeit des Staates für die Berufung von Professoren als
althergebrachtes deutsches Prinzip befürwortete.
44
Siehe Paletschek, The Invention of Humboldt and the Impact of National Socialism, S.
38.
45
Vgl. Geschichte der Universität in Europa, 3:26, 150. Man bemerke hier insbesondere,
dass die deutschen Universitäten des 18. Jahrhunderts keine korporative Unabhängigkeit
vom Staat hatten, sondern vielmehr vom jeweiligen Monarchen abhängig waren, so dass
Paletscheks alternative Erklärung einer tradierten korporativen Unabhängigkeit der
mittelalterlichen Universitäten (Paletschek, The Invention of Humboldt and the Impact of
National Socialism, S. 38) wenigstens auf deutsche Universitäten kaum zutrifft.
46
W 4:30-1.
15
Humboldts Vertretung dieser patriotischen Einstellung war sicherlich aufrichtig.47
Aber man soll hier nicht übersehen, dass seine vorhin zitierte Bezugnahme auf das
Ausland auch eine andere, implizite Seite hat. Denn Humboldt war zeitlebens ein
überzeugter Kosmopolit. Seine explizite Hervorkehrung in den Schriften von 1809-10 des
von der neuen Universität zu erwartenden nationalen Einflusses und Stolzes statt einer
kosmopolitischen Leistung der Universität stellt deshalb mit ziemlicher Sicherheit nur
eine oberflächliche, unter den damals bestenden Umständen nationaler Demütigung
diplomatisch ratsame Einseitigkeit dar (während patriotische Argumente unter solchen
Umständen dem König und seinen Ministern einleuchten und dementsprechend die
Gründung der neuen Universität voranbringen würden, wären kosmopolitische
Argumente für sie eher unerwünscht und abstoßend gewesen, besonders da
Kosmopolitismus bekanntlich von dem französischen Feind selbst vertreten wurde, und
sie hätten deswegen die Gründung der neuen Universität gefährdet). Eine
kosmopolitische Rolle der Universität gehört durchaus zum Subtext von Humboldts
Schriften.48
Ähnliches gilt übrigens auch für Humboldts Berliner Kollegen Schleiermacher, dessen
Gelegentliche Gedanken (1808) als ein weiteres Gründungsdokument der Universität
Berlin nebst Humboldts eigenen Schriften angesehen zu werden verdient und ähnlich
einseitig patriotisch klingt. Auch Schleiermacher war zeitlebens ein überzeugter
Kosmopolit und auch er meinte sein Modell der Universität implizit durchaus in diesem
Geist.
Diese implizite kosmopolitische Seite von Humboldts (und Schleiermachers) Modell
der Universität ist äußerst attraktiv. Dass Universitäten als kosmopolitische Zentren
fungieren sollen, stellt nicht nur ein wichtiges moralisch-politisches Prinzip dar, sondern
verspricht auch erhebliche wissenschaftliche Vorteile.
47
Man vergleiche z.B. seine kurz zuvor geäußerte positive Einstellung zum Patriotismus
im allgemeinen in Geschichte des Verfalls und Unterganges der griechischen Freistaaten
(1807-8). Man bemerke auch, dass unter den damals bestehenden Umständen nationaler
Demütigung ein defensiver Patriotismus auch für einen Kosmopolit wie Humboldt ganz
natürlich und angemessen war.
48
Contra Spranger, Wilhelm von Humboldt und die Reform des Bildungswesens, bes. S.
6, 68, 206, der Humboldts oberflächlichen Nationalismus allzu naiv und wörtlich
interpretiert.
16
Diese implizite kosmopolitische Seite von Humboldts Modell der Universität
konstituiert einen weiteren geschichtlichen Beitrag Humboldts zum heutigen Begriff der
Universität. Denn fast jede Universität arbeitet heutzutage in gerade diesem
kosmopolitischen Geist.49
Säkularismus
Eine Reihe von Philosophen hatten schon vor Humboldts Schriften aus den Jahren 180910 das Ideal einer Universität aufgestellt, die die anderen Fakultäten (Jura, Medizin und
Theologie) der philosophischen Fakultät im allgemeinen und der Philosophie als Fach im
besonderen subordinieren und eine Einheit von Wissen unter der Philosophie anstreben
würde. Insbesondere hatten Kant, Fichte, Schelling und Schleiermacher schon Varianten
dieses Ideals entwickelt. Humboldt schließt sich im wesentlichen diesem Ideal an, mit der
einzigen, eher bescheidenen Abweichung, dass er nebst der Philosophie auch der Kunst
eine führende Rolle zuschreibt.50
Das Ziel einer Vereinheitlichung von allem Wissen unter der Philosophie (und Kunst)
ist zwar heutzutage aufgegeben worden und schwerlich mehr vertretbar – teilweise
wegen der zunehmenden Spezialisierung der Fächer (besonders der Naturwissenschaften,
die mit Alexander von Humboldts Rückkehr aus Paris nach Berlin im Jahre 1827 einen
steilen Aufstieg antraten), teilweise wegen des Verfalls der damals weitverbreiteten
Annahme, dass sich die Philosophie einer einheitlichen und endgültigen Form nähere.
Aber eine andere Seite dieses Ideals ist heutzutage immer noch in Kraft und durchaus
sachlich vertretbar und soll nicht übersehen werden, nämlich die Herabsetzung der
Siehe z.B. Boyer, “We are all islanders to begin with,” bes. S. 54-5, 124 ff. für eine
aufschlußreiche Darstellung sowohl der Einführung dieses kosmopolitischen Ideals an
der University of Chicago um 1900 durch deren stark deutschorientierten damaligen
Präsidenten William Rainey Harper als auch der Aufrechterhaltung desselben Ideals an
der Universität unter seinen Nachfolgern.
50
W 4:114-15, 258-9.
49
17
Theologie, die seit dem Mittelalter die Rolle der führenden Fakultät an den Universitäten
gespielt hatte, zugunsten eines Säkularismus.51
Eine Säkularisation und insbesondere eine Entmächtigung der katholischen Kirche
gehörten zu den Hauptbestandteilen der Stein-Hardenbergschen Reformen insgesamt.
Aber Humboldt war auch hier schon vorher in vollem Einklang mit diesem neuen
Zeitgeist. Denn er war seit langem skeptisch über die Religion im allgemeinen und das
Christentum im besonderen.52 Und er hatte auch seit den frühen 90er Jahren eine scharfe
Trennung zwischen Staat und Religion verfochten. Seine Anstrebung einer säkularen
Universität 1809-10 war durchaus im Geiste dieser Skepsis und Trennung gemeint. Aus
leicht verständlichen diplomatischen Gründen, trug er dieses Ziel des Säkularismus und
dessen Gründe in seinen damaligen Schriften nicht zur Schau. Aber sie bilden trotzdem
einen wesentlichen Bestandteil des darin entworfenen Universitätsmodells. (Es ist ein
kleiner aber köstlicher Ausdruck dieser Einstellung, dass er damals die für die Universität
Berlin vorgesehene Verleihung von königlichen Domänen-Gütern auf Kosten der
katholischen Kirche unternehmen wollte, die dem König einen entsprechenden
Schadenersatz opfern sollte.53)
Humboldts Prinzip des Säkularismus der Universität und dessen Gründe sind sehr
attraktiv und wichtig. Es wäre u.a. kaum übertrieben zu sagen, dass sie eine Überwindung
der Religion und Aberglauben zugunsten der Einsichten und Werte der Aufklärung nicht
nur an der Universität selber, sondern auch in einem ganzen Land darstellen.
Dieses Prinzip war auch sehr einflussreich. Bis 1800 waren die meisten Universitäten
religiöse Anstalten. Sie wurden aber im Laufe des 19. Jahrhunderts vorwiegend säkular,54
so dass bis heute dieser Säkularismus fast zu einer Selbstverständlichkeit der modernen
Universität geworden ist (mit verhältnismäßig geringen Ausnahmen, z.B. die
51
Dies kann z.T. als eine Fortführung und Verstärkung einer Säkularisation angesehen
werden, die schon im 18. Jahrhundert in Göttingen durch Münchhausen eingeführt wurde
(vgl. Watson, The German Genius, S. 51-2).
52
Diese Einstellung schloss zwar bei ihm eine gewisse Neigung zu einem vagen
Heidentum nicht aus.
53
W 4:118, vgl. 120. Ein funktionales Äquivalent der Herabsetzung der Theologie
zugunsten der Philosophie und Kunst auf universitärer Ebene war Humboldts
gleichzeitige Herabsetzung der Religion und des Pfarrers zugunsten der klassischen
Philologie und des Philologen auf gymnasialer Ebene.
54
Vgl. Geschichte der Universität in Europa, 3:20.
18
katholischen und manche protestantische Universitäten). Dieser moderne Säkularismus
ist wohl zum beträchtlichen Teil auf Humboldts Einfluss zurückzuführen.
Die Ausblendung von Standesunterschieden
Humboldts Reform des Bildungswesens im allgemeinen und sein Modell der Universität
im besonderen sind auch deswegen bemerkenswert, weil sie ein einheitliches
Bildungswesen für alle Stände vorsehen.
Dies war wiederum im Geiste der Stein-Hardenbergschen Reformen, die den Abbau
von starken, verderblichen Standesunterschieden anstrebten (nicht nur z.B. im
Bildungswesen sondern auch im Landrecht und beim Militär). Aber Humboldt war auch
hier als treuer Erbe der Ideale der französischen Revolution und deren antiken Muster
schon vorher demselben Ziel gewogen. Demgemäß belobt er noch kurz vor seiner
Universitätsreform in Geschichte des Verfalls und Unterganges der griechischen
Freistaaten (1807-8) die griechische “Liebe zur Unabhängigkeit,” denn sie “ebnete, bis
zur Vernichtung, die Ungleichheiten der Stände.”55
Humboldt vertritt zwar in dieser Hinsicht vielmehr den Abbau von strukturellen
Hindernissen an einem egalitären Erziehungssystem – insbesondere den Abbau von der
tradierten standesgebundenen Verzweigung des Erziehungssystems zugunsten eines
einheitlichen, gradlinigen Systems, das allen Ständen ein Minimum an gemeinsamer
Erziehung sichert und im Prinzip alle Erziehungsebenen, einschließlich der Universitäten,
allen Ständen eröffnet – als irgendeine positive finanzielle Ermöglichung der Teilnahme
von ärmeren Schülern und Studenten an Gymnasien und Universitäten. Aber auch das
war damals ein wichtiger Fortschritt. Und Humboldt wurde von dem weiteren,
positiveren Schritt wohl nicht durch Gleichgültigkeit über die Chancen der Armen
abgehalten, sondern vielmehr teilweise durch die Kenntnis, dass ärmere Schüler und
Studenten in Deutschland schon bis zu einem gewissen Grad aus öffentlichen Mitteln
finanziell unterstützt wurden (letztere insbesondere seit der Reformation durch
55
HW 3:200.
19
protestantische convictoria und pedagogica),56 und teilweise durch seinen Wunsch, den
Staat zugunsten der Freiheit des Bildungswesens möglichst aus der Finanzierung der
Erziehung herauszuhalten.57 Schleiermachers Position in Gelegentliche Gedanken (1808)
war etwas radikaler, indem er sich nicht nur für den ersten,58 sondern auch für den
zweiten Schritt einsetzte.59
Dieses von Humboldt und Schleiermacher vertretene Prinzip einer Ausblendung von
Standesunterschieden ist sehr anziehend und wichtig. Es empfiehlt sich natürlich vor
allem aus moralisch-politischen Gründen sozialer Gerechtigkeit. Aber man soll nicht
übersehen, dass auch wirtschaftliche und utilitaristische Gründe stark dafür sprechen, da
ohne dieses Prinzip eine Menge kostbares Talent in einem Land verlorengeht, statt
fruchtbar gemacht zu werden.
Dieses Prinzip ist heutzutage sowohl in Deutschland als auch in den anderen
Industrieländern fast zu einer Selbstverständlichkeit der Universität geworden (auch
wenn es manchmal zu einem bloßen Lippenbekenntnis zu verkümmern droht, wie zurzeit
in England). Es ist mindestens fraglich, ob diese Selbstverständlichkeit ohne Humboldts
und Schleiermachers Vertretung des Prinzips zustandegekommen wäre.
Eine unendliche Suche nach neuem Wissen
Humboldts Modell der Universität schließt auch das Ideal einer unendlichen Suche nach
neuem Wissen ein. Dieses Ideal hängt für ihn sehr nahe mit dem Ideal individueller
Bildung zusammen. Aber es wäre wohl ein Fehler sie als seines Erachtens schlichtweg
identisch zu deuten. Man soll sie vielmehr wiederum als für ihn zwei Ideale betrachten,
die einander wechselseitig (teilweise als konstitutive und teilweise als bloß kausale
Mittel) unterstützen – wie bei den Beziehungen zwischen dem Selbstzweck individueller
56
Vgl. Clark, Academic Charisma, S. 148-50.
Vgl. Humboldts Verpönung in den Ideen von staatlicher Hilfe für die Armen auch im
Notfall wegen der voraussichtlichen freiheitsbeeinträchtigenden Folgen solcher Hilfe.
58
Gelegentliche Gedanken, S. 164-5.
59
Ibid., S. 157 ff.
57
20
Bildung, moralisch-politischen Selbstzwecken und beruflich-utilitaristischen
Selbstzwecken.60
Dass eine Universität irgendwie nach Wissen streben soll, wird wohl kaum
überraschen. Aber Humboldts Ideal ist erheblich spezifischer und weniger
selbstverständlich (sie gehörte z.B. nicht zum Selbstbild der Universität im Mittelalter):
dass die Universität zu einer unendlichen Suche nach neuem Wissen verpflichtet ist.
Demgemäß schreibt er: “Es ist eine Eigentümlichkeit der höheren wissenschaftlichen
Anstalten, dass sie die Wissenschaft immer als ein noch nicht ganz aufgelöstes Problem
behandeln und daher immer im Forschen bleiben”; “Alles beruht darauf, das Prinzip zu
erhalten, die Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz
Aufzufindendes zu betrachten, und unablässig sie als solche zu suchen.”61
Dieses Ideal basiert auf Humboldts philosophischer Einstellung und sogar z.T. auf
seinem Charakter. Auf philosophischer Ebene entstammt es teilweise seinem Prinzip,
dass Bildung kein Sein sondern ein Trieb ist62 und teilweise einem prominenten Prinzip
in der Philosophie von Lessing, Kant, Fichte, den Romantikern und Humboldt selbst,
wonach vollendetes Wissen zwar unerreichbar, aber die unendliche Suche danach und
Annäherung daran trotzdem sehr wertvoll ist (Lessings berühmte Behauptung, dass wenn
er wählen dürfte, ob er die Wahrheit erreiche oder bloß danach suche, er letzteres
vorziehen würde, ist ein frühes und emphatisches Beispiel dieses Prinzips). Auf
persönlicher Ebene enstammt das Ideal nicht nur Humboldts Annahme dieser
philosophischen Prinzipien, sondern auch einem entsprechenden Charakterzug, der sich
z.B. in seiner späteren unendlichen Erforschung unzähliger Sprachen verrät.
Diese ganze Seite von Humboldts Modell der Universität ist sachlich sehr attraktiv
(wie die obige Liste ihrer philosophischen Unterstützer vielleicht schon nahelegt). Sie
stellt insbesondere einen anziehenden Mittelweg zwischen Skepsis und Dogmatismus
dar, der sich auch immer wieder in der Praxis der Universitäten bewährt hat.
60
Ähnliches gilt übrigens wohl auch für Humboldts Begriff der Beziehungen zwischen
dem Ideal einer unendlichen Suche nach neuem Wissen einerseits und diesen weiteren
Selbstzwecken andererseits: auch diese unterstützen einander jeweils wechselseitig als
(teilweise konstitutive und teilweise bloß kausale) Mittel.
61
W 4:256-7; vgl. 170-1 und HW 3:213.
62
Vgl. zu diesem Thema O. Vossler, Humboldts Idee der Universität, in: Historische
Zeitschrift, 178/1954, S. 251-68, hier bes. S. 263.
21
Diese Seite von Humboldts Modell ist auch sehr einflussreich gewesen. Die moderne
Universität verkörpert das Prinzip, dass die Universität zu einer unendlichen Suche nach
neuem Wissen verpflichtet ist, auf eine sehr auffallende Weise. Dieses Prinzip wird sogar
heute fast als eine Selbstverständlichkeit der Universität betrachtet, obwohl es eigentlich
nichts weniger als selbstverständlich oder immer dagewesen ist (wie vorhin erwähnt,
gehörte es z.B. nicht zum Selbstbild der Universität im Mittelalter). Dieses Prinzip ist
wohl letzten Endes vor allem auf den Einfluss Humboldts und seiner Zeitgenossen
zurückzuführen.
Die wesentliche Rolle der Sprache, insbesondere der mündlichen
Sowohl Schleiermacher als auch Humboldt bestehen auf einer fundamentalen Rolle der
Sprache in der Erziehung im allgemeinen und in der universitären Erziehung im
besonderen. Insbesondere bei Humboldt ist dies ein roter Faden, der sich durch seine
ganze pädagogische Theorie hindurchzieht – er unterstützte z.B. schon Pestalozzis
Betonung der Rolle der Sprache in der Elementarschule im Jahre 1804, noch bevor er
dessen Elementarschulpädagogik im allgemeinen akzeptierte, er machte die klassische
Philologie in ihrer Beschäftigung mit der Sprache als solcher zur zentralen Disziplin des
Gymnasiums, und er setzt dementsprechend eine grundlegende Rolle der Sprache auch in
seinem Modell der Universität voraus.
Noch auffallender bestehen sowohl Schleiermacher als auch Humboldt auf dem
Vorrang der mündlichen Sprache vor der schriftlichen in der (universitären) Erziehung.63
(Sie unterscheiden sich aber insofern, als Schleiermacher für die Universität dem
Vortrag, Humboldt hingegen dem Gespräch den Vorzug gibt.)
Diese Betonung der Sprache im allgemeinen und der mündlichen Sprache im
besonderen basiert auf Schleiermachers und Humboldts zum großen Teil gemeinsamer
Philosophie der Sprache, die eine wesentliche Abhängigkeit des Denkens von der
63
Diese Bevorzugung der mündlichen Sprache widerspricht teilweise der Meinung von
William Clark, dass die deutsche Universität des 19. Jahrhunderts einen Übergang von
der mündlichen Sprache zur Schrift aufweist (siehe Clark, Academic Charisma, S. 29-30,
91-2, 297-8, 333).
22
Sprache (oder sogar deren Identität) behauptet und der mündlichen Sprache einen nicht
nur chronologischen sondern auch expressiven Vorrang vor der Schriftsprache
zuschreibt.64
Schleiermachers und Humboldts auf ihrer Philosophie der Sprache basierendes Prinzip,
dass die Sprache im allgemeinen und die mündliche Sprache im besonderen
grundlegende Mittel der universitären Erziehung sind, ist wohl im großen und ganzen
richtig (obwohl ihre Betonung der mündlichen Sprache vor der schriftlichen vielleicht
etwas übertrieben ist; auch die Schriftsprache hat ihre Vorteile).
Dieses Prinzip ist auch sehr einflussreich gewesen. Es übte schon in den Jahren
unmittelbar nach der Gründung der Universität Berlin einen starken Einfluss auf die
Gestaltung der universitären Erziehung aus. Es ist z.B. bemerkenswert, wie viele der
wichtigsten Leistungen der damaligen Forschung in der Form von mündlichen Vorträgen
(statt Bücher oder Vorlesungen im strengen Sinne) zustandekamen. Man denke
beispielsweise an Schleiermachers und Hegels berühmte Vorträge an der Universität
Berlin aus dieser Zeit.65
Beträchtliche Spuren eines solchen Prinzips lassen sich auch noch heute an unseren
Universitäten identifizieren. Die grundlegende Rolle der Sprache im allgemeinen ist
natürlich dort weitgehend anerkannt. Aber auch die Idee eines Vorrangs der mündlichen
Sprache vor der schriftlichen kommt noch öfters zum Vorschein. Man bedenke z.B.
sowohl die zentrale Rolle des Vortrags an fast allen heutigen Universitäten als auch die
Rolle des Gesprächs im Seminar, im Workshop, in der Lesegruppe, im “common core”
an den Universitäten Chicago und Columbia und in dem “tutorial” an den Universitäten
64
Siehe zu diesen Prinzipien Michael N. Forster, After Herder: Philosophy of Language
in the German Tradition, Oxford 2010, und German Philosophy of Language: From
Schlegel to Hegel and Beyond, Oxford 2011. Dementsprechend begründet Humboldt z.B.
in einem Brief an seine Frau aus dem Jahre 1809 seine Betonung des Sprachunterrichts in
der Erziehung seines eigenen Sohnes durch die Bemerkung: “Das ganze Feld der
Gedanken, alles was den Menschen zunächst und zuerst angeht, selbst das, worauf
Schönheit und Kunst beruht, kommt nur in die Seele durch das Studium der Sprache, aus
der Quelle aller Gedanken und Empfindungen” (Wilhelm und Caroline von Humboldt in
ihren Briefen, Anna von Sydow (Hrsg.), Berlin 1909, 3:260).
65
Hegel teilte übrigens Schleiermachers und Humboldts Voraussetzungen der
Abhängigkeit des Denkens von der Sprache und des Vorrangs der mündlichen vor der
schriftlichen Sprache (siehe Forster, German Philosophy of Language: From Schlegel to
Hegel and Beyond, Kap. 5).
23
Oxford und Cambridge. Diese heutigen Spuren eines solchen Prinzips lassen sich wohl
zum erheblichen Teil auf Schleiermachers und Humboldts Einfluss zurückführen.
“Einsamkeit und Freiheit”
Ein bekannteres humboldtsches Prinzip, das besonders in der Organisationsschrift (1810)
vorkommt, ist das Prinzip von “Einsamkeit und Freiheit.”66
Dieses Prinzip hängt sehr nahe mit seinem Ideal von individueller bzw. eigentümlicher
Bildung zusammen.67 Es basiert nämlich auf der Einsicht, dass eigentümliche
Einstellungen und Einsichten nur mittels einer Sphäre der Freiheit des Individuums von
sozialem Druck erzielt werden können. Es hängt übrigens auch sehr nahe mit einem
persönlichen Charakterzug Humboldts zusammen: einem Hang zur Einsamkeit, den er
selber in seinem Bruchstück einer Selbstbiographie (1816) thematisiert68 und der in
seiner Zurückziehung in den 20er und 30er Jahren auf Schloß Tegel und einsame
Sprachforschung seinen Höhepunkt erreichte.
Dieses Prinzip ist wichtig und wohlbegründet. Denn es gibt wohl kaum ein
verderblicheres Hindernis an der Entwicklung von geistiger Individualität als einen
übertriebenen Zwang zur Geselligkeit und Konformität.
Dieses Prinzip bildet heute einen wesentlichen Bestandteil von allen erfolgreichen
Universitäten. Es gerät zwar manchmal unter Druck, wenn z.B. ein bestimmtes Seminar
bzw. Institut die soziale Seite der Forschung übertreibt oder (um ein gravierenderes
Beispiel zu erwähnen) die britischen Regierungen der letzten 20 oder mehr Jahre
versuchen, Universitätsprofessoren wie unartige Schuljungen zu überwachen und
kontrollieren (durch das sogennante “Research Assessment Exercise”). Aber wie
66
W 4:255, vgl. 191.
Vgl. HW 3:207.
68
W 5:5-6: er sei ein “durchaus innerlicher Mensch,” dessen “ganzes Streben” nur
dahingehe, “die Welt in ihren mannigfaltigsten Gestalten in seine Einsamkeit zu
verwandeln”; “Ich habe . . . von jeher einen Abscheu davor gehabt, mich in die Welt zu
mischen, und einen Trieb, frei von ihr, als ihr Beschauer, und Prüfer, zu stehen, und habe
natürlich gefühlt, dass nur die unbedingteste Selbstbeherrschung mir den Punkt ausser der
Welt schaffen könnte, dessen ich bedurfte.”
67
24
Humboldt schon erkannt hat, lehrt die Erfahrung, dass solches Verhalten mit innovativer
Forschung unverträglich ist und sie erstickt.69 Und diese Einsicht gehört zum
Selbstverständnis von fast allen heutigen Universitäten. Dies ist wohl nochmals ein
Prinzip, das die moderne Universität zum großen Teil Humboldt verdankt.
Die freie gesellige Zusammenarbeit von Professoren und Studenten
“Einsamkeit” ist aber nur eine Seite von Humboldts Ideal des Lebens an der Universität;
eine freie gesellige Zusammenarbeit von Professoren und Studenten ist ihm gleich
wichtig. Demgemäß schränkt er in der Organisationsschrift (1810) das Prinzip von
“Einsamkeit und Freiheit” sofort folgendermaßen ein: “Da aber das geistige Wirken in
der Menschheit nur als Zusammenwirken gedeiht, und zwar nicht bloss, damit Einer
ersetze, was dem Anderen mangelt, sondern damit die gelingende Thätigkeit des Einen
den Anderen begeistere und Allen die allgemeine, ursprüngliche, in den Einzelnen nur
einzeln oder abgeleitet hervorstrahlende Kraft sichtbar werde, so muss die innere
Organisation dieser Anstalten [d.h. der Universitäten] ein ununterbrochenes, sich immer
selbst wieder belebendes aber ungezwungenes und absichtsloses Zusammenwirken
hervorbringen und unterhalten.”70
Diese Seite von Humboldts Ideal steht in naher Verbindung mit einem bestimmten
Gedankengang Schleiermachers über die Rolle des Gesprächs.71 (Im Gegensatz zu
Was das britische “Research Assessment Exercise” angeht, sei mir hier eine Anekdote
erlaubt, die ich kürzlich von einer zuverlässigen Quelle zu hören bekam: Ein
weltberühmter britischer Literaturwissenschaftler (dessen Namen ich nicht verraten will),
der an einer epochemachenden dreibändigen Biographie eines wichtigen Autors seit
vielen Jahren gearbeitet und schon zwei Bände davon veröffentlicht hatte, wurde kürzlich
von seinem Vorsitzenden förmlich zur Rede gestellt, weil er während der von dem
“Research Assessment Exercise” vorgeschriebenen Periode die von demselben
vorgeschriebene Anzahl und Art von Veröffentlichungen nicht geleistet hatte. Es soll
jetzt zweifelhaft sein, ob er den dritten, kulminierenden Band seines Werkes
fertigschreiben wird.
70
W 4:255-6, vgl. 191.
71
Vgl. die detaillierte und aufschlußreiche Behandlung dieses Themas in Jürgen
Fohrmann, Der Intellektuelle, die Zirkulation, die Wissenschaft und die
69
25
Humboldt hat Schleiermacher aber selbst seinen Gedankengang wegen seiner vorhin
erwähnten Präferenz für den Vortrag vor dem Gespräch als universitäre Unterrichtsform
nicht direkt auf die Universität angewandt.) Wie das obige Zitat zeigt, betrachtet
Humboldt eine freie gesellige Zusammenarbeit von Professoren und Studenten, in der sie
nicht nur Gemeinsames sondern auch und zwar besonders ihre geistige Individualität
einander vorstellen und dadurch einander Ermunterung und Hilfe zu deren
Weiterentwicklung geben, als einen unerläßlichen Bestandteil der Universität, ohne
welchen deren Hauptziel einer Entfaltung von individueller Bildung nicht erreicht werden
könnte. Diese Idee basiert auf einem Gedankengang, den Schleiermacher in seinem
Versuch einer Theorie des geselligen Betragens (1799) dargestellt hatte, wonach eine Art
freies intellektuelles Gespräch, in dem Gesprächspartner einander nicht nur Gemeinsames
sondern auch und zwar besonders ihre Individualität zeigen, eine wesentliche Rolle in der
Entwicklung von individueller Bildung spielen kann und soll (Schleiermachers Theorie
wurde offensichtlich zum großen Teil durch seine positive Erfahrung der Berliner Salons
inspiriert – eine positive Erfahrung, die auch Humboldt zuteil wurde). Schleiermachers
Schrift kann sogar als eine detailliertere Darstellung des Kerns von Humboldts Idee
angesehen werden.
Humboldt schränkt diese Idee aber im Geiste seines Liberalismus insofern ein, als er
auch auf der Gültigkeit einer Vielfalt von Umgangsformen an der Universität besteht.
Diese schließen nicht nur die vorhin erwähnte Umgangsform sondern auch andere, davon
abweichende Umgangsformen mit ein – z.B., um zwei einander diametral
entgegengesetzte Abweichungen zu erwähnen, einerseits rein einsame Forschung und
andererseits Professoren, die eine Gruppe von Jüngern unterhalten.72
Humboldts Idee einer Entwicklung von individueller Bildung mittels eines nicht nur
Gemeinsames sondern auch Individuelles darstellenden Gesprächs (als einer unter
anderen legitimen Umgangsformen) ist sehr anziehend. Sie bewährt sich z.B. immer
wieder an meiner eigenen Universität, der University of Chicago durch die
Selbstentwicklung von Studenten und Doktoranden über solche Gespräche in dem
Monumentalisierung, in: Jürgen Fohrmann (Hrsg.), Gelehrte Kommunikation, Wien,
Köln, Weimar 2005, S. 325-479, hier S. 336-42.
72
W 4:256, 262.
26
“common core,” Seminaren, Workshops und Lesegruppen. Ihre Flexibilität spielt auch
eine wichtige Rolle, indem sie z.B. weniger extravertierte Studenten und Doktoranden
vor Ausgrenzung schützt.
Obwohl die von Schleiermacher vertretene Bevorzugung des Vortrags vor dem
Gespräch für die Universität sich zum großen Teil schon zu dessen und Humboldts
Lebzeiten durchgesetzt hat (teilweise aus rein praktischen Gründen, nämlich weil es zu
viele Studenten gab, um Gespräche als das Hauptlehrmittel zu benutzen) und dies den
Einfluss von Humboldts Idee in der Praxis eingeschränkt hat, spielen solche sowohl
Gemeinsames als auch Individuelles darstellenden Gespräche und ähnliche
Lehrtätigkeiten – wie z.B. das “common core,” Seminare, Workshops und Lesegruppen –
doch noch bis heute eine wichtige Rolle an den Universitäten. Dass dem so ist, lässt sich
wohl wenigstens teilweise auf Humboldts Einfluss zurückführen. Man bemerke z.B. in
diesem Bezug, dass das Seminar als Lehrmethode, obwohl es schon im 18. Jahrhundert in
Deutschland entstand, wohl erst später die spezifischere Form eines Individualität
darstellenden Gesprächs angenommen hat73 und dass es dann im späten 19. Jahrhundert
aus Deutschland in die Vereinigten Staaten eingeführt wurde.74
Die Verbindung von Forschung und Lehre
Eines der bekanntesten Prinzipien von Humboldts Modell der Universität besagt, dass
Forschung und Lehre in derselben Anstalt und von denselben Individuen betrieben
werden sollen. (Humboldt hat zwar rein forschende Anstalten wie die Akademie zu
Berlin nicht abgelehnt, aber er hat deren Rolle erheblich eingeschränkt und abhängiger
von der Universität gemacht.75)
Humboldt hatte mehrere Gründe für dieses Prinzip einer Verbindung von Forschung
und Lehre. Sicherlich glaubte er, dass eine solche Einrichtung Studenten besser lehren
und zur eigenen Forschung vorbereiten und begeistern würde. Aber interessanterweise
73
Vgl. Clark, Academic Charisma, S. 175-9, 422.
Vgl. ibid., S. 181; Geschichte der Universität in Europa, 3:151-2.
75
W 4:261-6.
74
27
betonte er noch stärker das Umgekehrte: dass die Forschung des Lehrers von dessen
Lehrtätigkeit profitieren würde.76 Diese Einsicht basiert zum erheblichen Teil auf der
bloßen Erfahrung, dass dem so ist, dass das Lehren den Lehrer zu neuen Ideen stimuliert
und ihm zu klarerer Entwicklung seiner Ideen verhilft. Aber sie basiert implizit auch auf
Prinzipien, die aus Humboldts Philosophie der Sprache stammen: insbesondere, auf dem
vorhin erwähnten Prinzip, dass Sprache im allgemeinen und mündliche Sprache im
besonderen eine grundlegende Rolle für das Denken spielen nebst einem weiteren
humboldtschen Prinzip, dass Sprache von Hause aus eine gesellschaftliche Leistung ist.77
Dieses Prinzip einer Verbindung von Forschung und Lehre ist sehr attraktiv. Es hat
sich immer wieder in der Praxis als günstig sowohl für Lehre als auch für Forschung
bewährt. Es bleibt noch heute ein Kernprinzip der modernen Universität. Es ist zum
großen Teil auf Humboldt zurückzuführen.78
Schlußbemerkung
Zum Schluß: Ich habe in dieser Skizze von Humboldts Modell der Universität zu zeigen
versucht, dass besonders wenn man manche weniger offensichtliche und leicht zu
übersehende Seiten des Modells mit in Betracht zieht, es sich als sehr attraktiv und als
heute noch sehr einflussreich herausstellt. Was dessen Einfluss betrifft, hoffe ich u.a.
meine eingangs erwähnte These plausibilisiert zu haben, dass man sogar eine Art
Genealogie der modernen Universität entwickeln könnte, die deren Geist und
76
W 4:256, 262.
Für einige weitere Details zu diesen Prinzipien siehe Forster, German Philosophy of
Language: From Schlegel to Hegel and Beyond. Schleiermacher verfolgt einen ähnlichen
Gedankengang in Gelegentliche Gedanken: es kann “nur ein leerer Schein sein, als ob
irgend ein wissenschaftlicher Mensch abgeschlossen für sich in einsamen Arbeiten und
Unternehmungen lebe. Vielmehr ist das erste Gesetz jedes auf Erkenntniß gerichteten
Bestrebens, Mittheilung; und in der Unmöglichkeit wissenschaftlich irgend etwas auch
nur für sich allein ohne Sprache hervorzubringen, hat die Natur selbst dieses Gesetz ganz
deutlich ausgesprochen” (S. 3).
78
Zur Übertragung dieses Prinzips von Deutschland auf Großbritannien und die
Vereinigten Staaten im späten 19. Jahrhundert, siehe Geschichte der Universität in
Europa, 3:24-6, 150-1.
77
28
Wirklichkeit zum großen Teil auf Humboldts Modell zurückführen würde – und zwar
eine positive, d.h. rechtfertigende Genealogie.
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