Page 1 Subkultur Literatur Endruweit, Günter, 1998: Der Begriff der

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Subkultur
Literatur
vom konsensuellen Standpunkr der Hegemonialkul-
Endruweit, Günter, 1998: Der Begriff der Soziologie; in:
Ders.: Beiträge zur Soziologie, Bd. ll, Kiel, 14-34.
gebe einen solchen konsensuellen Standpunkt
Günter Endruueit
Subkultur
tur getroffen werden bzw. dass unterstellt wird,
es
(Lind-
ner 1981). Angelegt sind diese Überlegungen bereia
in der Anomiaheorie von Robert K. Merton, der davon ausging, dass abweichendes Wrhaben aus der Diskrepanz oberster kultureller \ferte und sozial nur beschränkt verftigbarer, institutioneller Mittel resultiert,
unterprivilegierte Gruppen bilden. Lange
Zeit wurde das Konzept der Subkulturen primär mit
Blick auf Eigenschaften enrwickeh, welche die fraglichen Gruppen selbst betrafen. Demgegenüber betonte Erving Goffrnan in seinen Studien zum Stigma,
dass abweichendes Verhalten und die daraus entstehenden Subkulturen wesentlich durch die soziale
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so dass sich
Mit dem Begriff Subkulturen (engl. subcultures)
werden Gesellungsgebilde bezeichnet, die durch relativ rgeschlossene, Interaktionskonrexte von Personen mit bestimmten, relativ exklusiven ,Qualitäten,
gekennzeichnet sind, in denen mittels spezifischer
Praktiken eine von der gesellschaftlichen Gesamt-
kultur abweichende, gemeinsame \Teltsicht und
Umweh, genauer: durch relevante Bezugsgruppm
kollektive Identität erzeugt und gesichert werden.
definiert werden.
Der Subkultur-Ansatz hat in der Folge dann vor
allem Anwendung bei der Analyse von Jugenddelinquenz und anderen Formen abweichenden Wrhahens
gefunden. Robert R. Bell (1961) prägte in seinem
Aufsatz ,The Adolescent Subculture, die Vorstellung
Disziplinäre Verortung und Entwicklung
des Begriffs Subkulturen
Der Begriff Subkultur wurde von dem amerikan!
schen Soziologen Milton M. Gordon Ende der
1 940er Jahre in einem Aufsatz über
'The Concept of
the Sub-Culture and Its Application, in die Fachdiskussion eingebracht. Gordon ging es seinerzeit darum, auf die Separierung ethnischer Gruppen in
US-amerikanischen Großsrädten aufmerlsam zu
machen. Mit Subkuluren bezeichnete er lJntergruppen der narionalen Kabur und bezog dabei
auch die zur damaligen Zeit vorherrschenden Vor-
als
einem einheitlichen Sozialgebilde, das
strukturfunktionalistischer Perspektive in das
Gesamtsystem'Gesellschaft, zu inregrieren gilt.
Auch wenn es Bell vornehmlich darum ging, die Lebensphase Jugend als ein Stadium der Tiansition zu
beschreiben, in dem sichergestellt werden muss, dass
es aus
der Anschluss an die Erwachsenenwelt gewährleistet
bleibt, weist er doch auch aufdie Eigenständigkeit
der jugendlichen Subkultur hin.
stellungen der amerikanischen Gesellschafi im Sinne
eines Schmelztiegels und einer pluralisdschen Gesellschaft in seine Argumentation mit ein. Der Be-
Diese Überlegungen wurden Anfang der 1970er
Jahre von Forschern aus dem Birminghamer rCentre
zug auf ethnische Gruppierungen (insbesondere ita-
griffen und weiter enrwickeh. Zentral und neu war an
den Subkultur-Analysen der Mitarbeiter des CCCS,
lienische und jüdische Immigranten)
-
die sich in
verschiedenerlei Hinsicht von der Gesamtgesellschaft unterscheiden, auch wenn sie bestimmten
Gesetzen und Regeln der Gesamtgesellschaft unter-
for Contemporary Cuhural
Studies<
(CCCS)
"rfg.-
des Subkultur-Ansarzes zu einer Prdzisierung der
Untersuchungseinheit führen und damit auch eine
soziale und kulturelle Faktoren verbindende Analyse
Subkulturen eigene Stile ausbilden und dass es
(zunächst) nicht um das Aufweisen von Delinquenz,
sondern um die Beschreibung von Lebensweisen
geht. Anders ausgedrückt: Es geht bei der Analyse
von Subkulturen nicht um eine Beschreibung im Verhdltnis zum Eigenen (im Sinne der Hegemonialkultur), sondern um die Beschreibung des Anderen im
in sich kohärenter rSysreme, ermöglichen.
Hinblick auf
liegen
- sollte die soziologische
Analyse im Rahmen
Zentrd,es Kennzeichen des Subkultur-Ansarzes isr
es also, dass er aufidentifizierbare ,Teile, einer Gesellschaft fokussiert, die sich in ihrer Lebensweise, in ihren Ansichten, Normen und, W'erten von der Gesamtgesellschaft unterscheiden. Offenkundig ist, dass die
>---
vonJugend
Überlegungen zur Andersartigkeit einer Subkultur
s22
dass
dessen eigene Normen,'Werte und Stile
(Sack 1971). Die >Mitglieder, von (jugendlichen)
Subkulturen erscheinen so als aktive Gestalter kulturellen und gesellschaftlichen rVandels, da sie den
,Spaß am \Tiderstand, durch Aneignung
und Um-
formung hegemonialkultureller Angebote zur Ausbildung eigener Stile kultivieren (\fillis 1979, 1991).
'il
Sukzession
Vor dem Hintergrund dieser Klärungwersuche
ist gleichwohl zu konstatieren, dass der Begriff Subkulturen nach wie vor häufig lediglich als Sammel-
begriff für Abweichungen bzw. Unterschiede (ohne
weitere Differenzierung der jeweils fokussierten Gesellungsgebilde) im Verhältnis zur Gesamtgesellschaft in Anschlag gebracht wird. Insofern verwundert es nicht, dass der BegriffSubkulturen anhaltend
umstritten ist und dass beständig die Konnotation
von Subversion sowie die im Kulturbegriffangelegte
Homologie und Geschlossenheit reklamiert werden
(Bennett/Kahn-Harris 2004, Jenla 2005).
Kennzeichen von Subkulturen und Abgrenzung
zu anderen Gesellungsgebilden
Gegenüber anderen, sozusagen,anrainenden, Geselwie beispielsweise Szenen, Milieus
lungsgebilden
oder Peer Groupsl Cliquen * zeichnen sich Subkultu-
-
ren vor allem durch sehnhohe, Ein- und Austrittsschwellen und durch rstarke, SanktiozsPotentiale
aus. Die Speziffka, Eigenständigkeit und Dynamik
von Subkulturen manifestieren sich aber auch darin,
dass es ausgesprochen schwierig ist, weitere, verbindliche Kriterien zur Bestimmung bzw. Abgrenzung aufruweisen. In jedem Falle gilt, dass die Bezüge, durch die Subkulturen Abweichung zum
Ausdruck bringen, lebensweltlich nicht nur periphere Bedeutung haben, sondern für die Gruppe
und den Gruppenzusammenhalt von zentraler Be-
deutung sind. Dies wird immer dann besonders
deutlich, wenn in empirischen Studien zu Subkulturen aufdie Bedeutung eines Ehrenkodex, die Ausbildung diverser Rituale oder den Gebrauch von Son-
wird (Tertilt 1996,
Hodkinson/Deicke 2007).
Die Unschärfe in der Verwendung des Begriffs
Subkulturen wird besonders am Beispiel der so bezeichneten,rechten Szene, deutlich, die den genannten Kriterien einer Subkultur entspricht. (Jugend)
Szenm unterscheiden sich von Subkulturen nämlich
wesentlich durch ihre Diffusität im Hinblick auf 1zklusion wd Exhlusion. Szenenwerden in der fachwissenschaftlichen Diskussion definiert als thematisch
fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die
bestimmte materiale und/oder mentde Formen der
kollektiven Selbststilisierung teilen. Auch von Mi'
dersprachen hingewiesen
- die auskollektiv auferlegten Lrbenslagen entstehen, ftir die dso vorgängige biographische Umstände
konstitutiv sind und von Peer Goupsl Cliqum mit
lieus
-
-
denen relativ informelle Zusammenschlüsse von zumeist lokalen Freundeskreisen bezeichnet werden sind Subkulturen analytisch abzugrenzen.
Literatur
Bell, Robert R., 1 961:The Adolescent Subculture; in: Educa-
tion Magazine, 1-3
-
Bennett, Andy; Kahn-Harris, Keith
(Hg.), 2004: After Subculture: Critical Studies in Contemporary Youth Culture, Hampshire/New York. - Gordon, Milton M., 1 947: The Concept of the Sub-Culture and lts Ap-
plication; in: Social Forces 26: 40-42. - Hodkinson, Paul;
Deicke, Wolfgang (Hg.), 2007: Youth Cultures: Scenes,
Subcultures and Tribes, New York. - Jenks, Chris, 2005:
Subculture. The Fragmentation of the Social, London
u. a. - Lindner, Rolf, 1 981 : Jugendkultur und Subkultur als
soziologische Konzepte; in: Brake, Mike (Hg.): Soziologie
der jugendlichen Subkulturen, Frankfurt a.M., 172-193. Sack, Fritz, 1971: Die ldee der Subkultur; in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 23, 261 -282 Tertilt, Hermann, 1996:Turkish Power Boys. Ethnographie
einer Jugendbande, Frankfurt a.M. - Willis, Paul,1979:
Spaß am Widerstand. Gegenkultur in der Arbeiterschule,
Frankfurt a. M. - Ders., 1 991: Jugend-Stile. Zur Asthetik der
gemeinsamen Kultur, Hamburg/Berlin.
Arne Niederbacher
Sukzession
Sukzession (engl. succession) ist ein Begriff aus der
sozialökologischen Theorie der Chicagoer Schule, der
einen Austausch der Bewohnerinnen und Bewohner
sowie die Veränderung der Nutzung eines urbanen
Gebietes beschreibt. Durch verschiedene Faktoren
(W'andel der Lebensstile, fehlende Erhaltungsmaßnahmen oder beginnende Investitionen) kommt es
zu einer a)'Wertsteigerung, b) \Wertminderung oder
c) einem \Tandel der Nutzung eines Sralrgebietes, in
dessen Verlauf sich die Zusammensetzung der Bewohnergruppe verändert. Fremde Beaö lhentngsgruppen ziehen zu (Invasion), verdrängen die dortAnsässigen und werden schließlich im Gebiet dominant.
Von der Chicago-Schule wurden diese Umstruktu-
rierungen als natürliche Prozesse der Stadtentwicklung verstanden und Anfang des 20. Jh.s mit empirischen Untersuchungen über die Stadt Chicago
untermauert (Häussermann/Siebel 2004).
Auch aktuelle empirische Studien untersuchen
die unterschiedlichen Arten der Sukzession:
Günter Endruweit, GiselaThommsdorff Nicole Burzan (HS.)
Wörterbuch
der Soziologie
3., völlig überarbeitete Auflage
204 tl
UVK Verlagsgesellschaft mbH . Konstanz
mit [fVl(/Lucius . München
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