Krebs und Einsamkeit - Wien

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Krebs und Einsamkeit
Einleitung:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Moser,
Ich möchte mich bei Frau Moser sehr herzlich für die Einladung zu dieser besonders
engagierten und sehr interessanten Veranstaltung bedanken.
Das Thema Einsamkeit ist ein bisher stark vernachlässigtes Thema und wurde in der
Öffentlichkeit viel zu wenig besprochen.
Das mag auf der einen Seite daran liegen, dass Themen wie Erfolg, Leistungskraft, Schönheit,
Jugend und Glück attraktiver zu sein scheinen und auf der anderen Seite hat es bisher auch
sicher an einer Persönlichkeit gefehlt, die so engagiert wie Frau Moser hinter diesem Thema
steht und mit enormen persönlichen Aufwand sich hierfür einsetzt.
Krebs und Einsamkeit sind zwei Tabuthemen.
Ich leite seit 10 Jahren das Beratungszentrum der Wiener Krebshilfe und habe pro Jahr mit ca.
800 Patienten und Angehörigen persönlich Kontakt in Form von Beratungsgesprächen.
Krebs und Einsamkeit ist ein sehr wichtiges Thema und ich möchte in meinem Referat
zunächst:
a. die Situation von Krebspatienten und deren Angehörigen beleuchten,
b. den Zusammenhang Krebs und Einsamkeit skizzieren
c. Krebs und Depression – die häufig die Folge von Einsamkeit ist - besprechen
d. mögliche Wege aus der Einsamkeit aufzeigen
A.
Allgemeines
Die Diagnose Krebs erschüttert - wie kaum eine andere Erkrankung - Patienten und
deren Umfeld.
Der Begriff Krebs löst nach wie vor Assoziationen wie Tod, Schmerz, Siechtum.. aus.
Krebspatienten werden durch die Diagnose Krebs oft von einer Minute zur nächsten in eine
völlig neue Situation „geworfen“ und der gewohnte Alltagsablauf verändert sich
gezwungenermaßen.
Der Patient muss Aufgaben abgeben oder umverteilen und ist auf Unterstützung und Hilfe
des Umfelds angewiesen.
Das Umfeld wiederum muss sich ebenfalls an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Die Erkrankung hat Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche:
- Familie
- Beruf
- Soziales Leben
Eine Reihe von Verlusterlebnisse prägen diese schwere Zeit:
 Verlust der Sicherheit in die eigene körperliche und seelische Integrität
 Verlust von Wohlbefinden – Operation, Nebenwirkung der Behandlung


Möglicherweise Verlust eines Organs/Körperteils
Möglicherweise: Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust von Partnern, Verlust
freundschaftlicher Beziehungen
Eine Krebserkrankung trifft immer das gesamte Umfeld – nicht nur der Patient ist
betroffen, sondern auch sein gesamtes Umfeld.
Die Wiener Krebshilfe bietet sowohl Patienten, als auch Angehörigen Unterstützung in
Form von Beratungsgesprächen an.
B Krebs und Einsamkeit – diese beiden Themen sind nach wie vor tabuisiert in unserer
Gesellschaft, in der es fast ausschließlich um Schönheit, Heiterkeit, Leistung und Glück
geht

Einsamkeit kann Patienten entweder in einzelnen Phasen der Erkrankung
(prädiagnostische Phase, Diagnose, Behandlung, Nachsorge, Rezidiv,
Terminalstadium) oder auch während des gesamten Krankheitsverlaufes begleiten.
Interessant ist, dass Patienten vor allem in der Nachsorge unsere Beratungsstelle
aufsuchen – und nicht wie vielleicht erwartet - unmittelbar nach der Diagnose oder zu
Beginn der Behandlung.
Warum ist das so? Es scheint so, dass nach der Diagnose der Körper und die Seele in
einer Art Ausnahmezustand sind. Rückt die Anstrengung in den Hintergrund, kommt
alles, was bisher verdrängt und weggesteckt wurde ans Tageslicht und es geht den
Patienten oft schlechter als zu Beginn. Auch der Wiedereinstieg in den Beruf und in
das normale Leben macht Angst und unsicher. Hier fühlen sich viele Patienten sehr
alleine gelassen und einsam. Vor allem weil nun das Umfeld große Erwartungen hat:
jetzt ist doch wieder alles gut, jetzt geht’s los = gr. Druck!! Sprachlosigkeit,
Einsamkeit!!

Einsamkeit kann beim Patienten, aber auch bei allen anderen Familienmitgliedern
auftreten.
Angehörige Partner wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen und werden mit
ihren eigenen Gedanken und Gefühlen einsam
Angehörige Kinder/Jugendliche ziehen sich häufig zurück von den erkrankten Eltern
und fühlen sich einsam

Einsamkeit entsteht häufig durch Sprachlosigkeit
a- Zwischen dem Patient und seinen Behandlern


Angst von Seiten der Patienten Fragen zu stellen, Angst die Wahrheit zu erfahren
Angst der Behandler vor der Erkrankung, Angst davor die Wahrheit zu sagen
b- Zwischen Patienten und Angehörigen/Freunden


Angst der Patienten die Angehörigen zu sehr zu belasten
Schonhaltung des Umfelds
c- Zwischen Patienten und Berufskollegen


Angst ,den Arbeitsplatz zu verlieren, Angst vor Verminderung der
Leistungsfähigkeit, Rückzug
Angst der Kollegen das Thema anzusprechen, Rückzug
Wege aus der Sprachlosigkeit:
Daher ist es so wichtig, dass Patienten mit ihrer Umgebung sprechen, sagen was
sie brauchen, was sie belastet, was ihnen zuviel oder zuwenig ist, auf welchen
Gebieten sie Hilfe annehmen wollen und wo nicht.
Kommunizieren Sie mit der Umgebung!
Wenn das nicht gelingt, gibt es profesionelle Beratung – Einzel- oder Familiengespräche
bei der WKH
Weiterer Aspekt:
Einsamkeit vor allem bei Patienten, die älter sind, alleine leben,
Mehrfachbehinderungen haben und das Haus nicht verlassen können= bedürftigste
Patientengruppe…
-
Projekt psychologische Hilfe daheim
(nähere Informationen: www.krebshilfe-wien.at)
Einsamkeit häufig bei Kindern/Jugendlichen von an Krebs erkrankten Eltern
-
Projekt:Mama/Papa hat Krebs
( nähere Informationen: www.krebshilfe-wien.at)
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Einsamkeit kann zu verschiedenen Krankheitsbildern führen:
z.B. Depression /chronische Angst
- Depression:
- Viele Krebspatienten leiden unter einer Depression – als Reaktion auf die Erkrankung,
das ist eine reaktive Depression.
-
Die Depression ist sehr gut behandelbar, wenn sie rechtzeitig und richtig erkannt wird
Medikamentöse Behandlung in Kombination mit einer
psychologisch/psychotherapeutischen Behandlung ist die optimale Therapie
Depression ist ein Tabu, Krebs und Einsamkeit sind Tabus
Sogenannte „gute Ratschläge“ helfen nicht weiter:






Reiss dich zusammen
Der herr x hat das auch geschafft
Ziegelstein könnte mir auch auf den Kopf fallen
Der Krebs ist Vergangenheit
Positiv denken
……..
Das sind Phrasen und Floskeln
Die einfache Frage:
Wie geht es dir?
kann ich etwas für dich tun?
ist sinnvoller und ehrlicher
C Wege aus der Einsamkeit für Patienten/Angehörigr
Reden, reden, reden, Kommunikationssperre brechen

Gespräche mit den Behandlern
- Es ist wichtig für Patienten, soweit als möglich im Dialog mit dem Arzt
mitzuentscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Das stärkt das Selbstwertgefühl
und unterstützt die Compliance

Gespräche mit Familie/Freunde/Verwandten
Wie geht es mir wirklich?
Was brauche ich?
Was mag ich nicht

Austausch mit Betroffenen – Selbsthilfegruppen, moderierte Selbsthilfegruppen
z.B. bietet die WKH eine Gruppe für Frauen an – moderierte SHG

Gruppenangebot z.B. der Wiener Krebshilfe nutzen, Entspannung, Fitgymnastik,
Malen

Professionelle Hilfe aufsuchen in einer Beratungsstelle

Lebensqualität wieder erhöhen
Lebensqualität ist immer nur ganz individuell beschreib- und messbar:
Was dem einen gut tut und die LQ erhöht, schadet dem anderen
Neueste Forschungsergebnisse: Patienten bewerten die Bedeutung ihrer
Familie und ihres sozialen Umfeldes höher als den aktuellen
Gesundheitszustand, daher: Angehörige noch viel intensiver betreuen
ANGEHÖRIGE/FREUNDE spielen eine ganz große Rolle
Zusammenfassung:

Nicht jeder Krebspatient braucht psychologische /psychotherapeutische Hilfe
und nicht jeder im gleichen Umfang.
Es ist allerdings oft hilfreich bei der Bewältung der Erkrankung – d.h.
Anpassung der Person an die neue Situation – mit einer neutralen Person von
außen zu arbeiten

Krebserkrankte Menschen sind hinsichtlich seelischer Schwierigkeiten und
Bedürfnisse sehr inhomogen

Es gilt zunächst einmal den aktuellen Zustand zu beleuchten, bevor sofort ins
Handeln gegangen wird

In der Betreuung gilt es, emphatisch(einfühlsam), wertschätzend und nondirektiv mit Patienten und Angehörigen umzugehen

Es gilt Wege aus der Einsamkeit und der Sprachlosigkeit zu finden
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