Vorlesung 6: Triebtheorien

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Der Trieb - Metamorphosen eines psychoanalytischen Konzepts
 Vorlesung 6: 07.05.2009
Gliederung der Vorlesung in 5 Abschnitte
 Wiederholungszwang:
Leitfrage der letzten beiden Stunden: Ist es notwendig, Todestriebe einzuführen?
Frage zu Freuds Lebzeiten und noch danach: Kann man nicht mit einer einzigen Triebart auch
auskommen?
Freud:
Theorie der Todestriebe ist voller Widersprüche nicht im Einzelnen zu besprechen
Herleitung der Todestriebe anhand von Bezug zum Wiederholungszwang.
Bedeutung des Wiederholungszwangs nicht sehr sicher:
 Keine Notwendigkeit der Todestriebe
Jenseits des Lustprinzips: Spulenspiel des Kindes als Lustgewinn durch aktive Bemächtigung
einer normalerweise passiv ausliefernden Situation. Herrschaft über das Verschwinden und
Wiederkommen der Mutter.
 Notwendigkeit der Todestriebe
Schicksalhafte Verläufe: ewige Wiederkehr dergleichen unglücklichen Situation, Frau mit immer
wieder kranken und sterbenden Männer
Otto Fenichel:
Erklärung des Wiederholungszwangs ohne Rückgriff auf eine neue Triebart.
Widerholungszwang kommt bei verschiedenen Zwangserkrankungen vor
steht oft in Verbindung mit der Reaktionsbildung des
Ungeschehenmachens
Reaktionsbildung: Abwehrmechanismus im Bereich des analen Partialtriebes
Schwierig zu erkennen, da sich eben zuerst das Gegenteil zeigt
Ablehnung <--> extreme Freundlichkeit
Ungeschehenmachen: mittels einer Wiederholung soll eine vollzogene Handlung ungeschehen
gemacht werden, da diese unerträglich ist. Daher wird dieselbe Handlung mit veränderter
Absicht durchgeführt, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Notwendigkeit der Wiederholung ,
weil der abgewehrte Trieb dazu tendiert, in der Wiederholung mit aufzutauchen, was dazu
führt, dass die Widerholung erneut etwas unpassendes, schmutziges hat, was ausgelöscht
werden soll, durch eine erneute Wiederholung.  Wiederholungszwang
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 Psychiatrie und Gewalt:
Darstellung der gegenwärtigen psychiatrischen Versorgung:
Dezember 2007: Zeitungsartikel zu den skandalösen Zuständen auf der Baumgartnerhöhe:
 extreme Versorgungsmängel
 Behandlungsmängel
 Netzbetten (psychiatrisches Intensivbett: Fixiermittel)
weitere Varianten: Fixierung an Händen und Füßen, medikamentöse Fixierung
 Forderung: Abschaffung der Netzbetten--> anderweitige Fixierung
o NL: Gummizellen, keine pharmakologische Beruhigung
o Ö: med. Fixierung im nachweisbaren Ausnahmezustand (zur Vermeidung
größeren Leides)
Unfreiwillige Aufnahmen in die Psychiatrie:
o soziales Umfeld als wichtiger Einfluss: Überforderung mit Verhaltensweisen,
Unruhezuständen, Erregungen, niemand will mit der heftigen Erregung zu tun haben
Skifahrer
(Selbst- und Fremdgefährdung, )
ABER Einweisung ins Krankenhaus
nur, wenn er sich was bricht!

erregter Patient
.
(Selbst- und Fremdgefährdung)
Einweisung, NUR aufgrund der Gefahr,
ohne, dass etwas passiert sein muss!
Zwangseinweisung: Drohung, Eindruck, man kommt an den Menschen nicht mehr heran-->
Vorstellung beim Amtsarzt--> Entscheidung, ob Selbst- und/oder Fremdgefährdung vorliegt-->
Einweisung in die bezirksentspechende Psychiatrische Abteilung des Regionalkrankenhauses,
wenn noch keine Bindung ans AKH besteht.
Michel Foucault:
Beschreibung in Wahnsinn und Gesellschaft als Reflex/Automatismus, der nur wenige
Jahrhunderte alt ist.
Bis zum 18. Jhd. wurden psychisch Kranke nicht in Anstalten behandelt und der Wahnsinn galt
auch nicht als Krankheit, sondern als Irrtum!
Irrtum, sich selbst für einen König zu halten (Größenwahn des Paranoikers/Paraphrenikers)
Irrtum, einen Körper aus Glas zu haben
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Weiterexistieren des ungefährlichen Wahnsinns in der Mitte der Welt
Mittel zur Besserung: Natur  Spaziergänge, Reisen, Ruhen
Theater  Vorspielen von Komödien zur Widerspiegelung des
WahnsinnigenHeilung (siehe Theater im Steinhof)
2 wesentliche Probleme im Kontext der Psychiatrie:
1. Problem der Macht, das in der Psychiatrie bestehen bleibt
2. Problem der Frage des Ortes:
zu Freuds Zeiten bis heute gibt es 2 unterschiedliche Orte:
 Versorgungsinstitution der Psychiatrie (Baumgartnerhöhe, Abteilungen in diversen
Allgemeinspitälern)
 Akademische Psychiatrie der Universitätsklinik AKH
Schwierigkeit des Umgangs mit Erregung im psychiatrischen Rahmen zeigt die vielfältige
Namensgebung der Versorgungsinstitutionen.
z.B. Otto Wagner-Spital/Otto Wagner-Spital Baumgartnerhöhe/Baumgartnerhöhe/Steinhof
/Limoniberg/Spiegelgrund
Abbild einer Machfrage: hocherregte Patienten kommen nicht ins AKH sondern in
Regionalabteilungen, bezirksentsprechend zugeordnet
Zuordnung der hohen Erregung zu dem einen bestimmten Krankenhaus zeigt , als wie
unzumutbar diese Erregung empfunden wird
Psychiatriereform: Antistigmatisierungskampagnen nicht alle psychisch Kranken hinter die
Mauern eines einzigen Krankenhauses/Asyls, wie es in dem vergangenen Jhd. noch war.
Verteilung auf Allgemeinkrankenhäuser wird als ein wesentlicher Fortschritt angesehen
große Anstalten werden aufgelöst
Probleme mit psychischen Erregungen müssen angepasst werden, in ein Verständnis von
Krankheit, dass man in einem Allgemeinkrankenhaus unterbringtBehauptung der psychischen
Erkrankungen gegen somatische Krankheitsbilder
In Wien ist die Psychiatrie ein Stiefkind von med. Ressourcen bezüglich der Ausstattung
aufgrund Geschichte des Spiegelgrundes: Kindtötungen im Naziregime
All diese Momente sind dabei, wenn erregte Menschen, auf dem Rücken liegend und fixiert, auf
ein ausgebildetes Personal in der Psychiatrie treffen.
Psychiatrie:
 Bewusstsein für die Konfrontation mit med./psycho.-soz./gesellschaftlichen Problemen
 wenig Bewusstsein für historische Strategien/Entwicklungen, die zu Umgangsformen mit
solchen Erregungen geführt haben
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 Macht in der Psychiatrie:
Michel Foucault: 1973/1974 Vorlesung am College de France über die Macht der Psychiatrie.
 Macht-Destruktions-Aggression gehören psychoanalytisch über einen analen Komplex
zusammen
Einschließung des Wahnsinns haben erst im 18. Jhd. begonnen, als der Wahnsinn nicht mehr als
Irrtum, sondern als Störung des Handels, Wollens, Fühlens im Verhältnis zum Normalen,
unbeeinträchtigten, definiert wird.
Gleichzeitig wird der Arzt zum Spezialisten der Diagnose und Klassifikation der Zustände.
 Machtposition, die durch Auftreten der Hysterie und der folgenden Psychoanalyse ausgebaut
wird.
Foucault:
"der Arzt ist kompetent, er kennt die Krankheiten und die Kranken und er verfügt über ein
wissenschaftliches Wissen, derselben Art, wie der Chemiker oder der Biologe. Diese Kompetenz
bemächtigt ihn zu seinen Eingriffen und Entscheidungen. Die Macht, die das Asyl dem Arzt
verleiht, muss sich daher rechtfertigen und sich zugleich als unantastbare Übermacht geben,
indem sie Phänomene produziert, die sich in die med. Wissenschaft integrieren lassen."
"Damit die Ärzte zuständig sein können, muss eine organische Genese der Erkrankung
gesichert sein."
Somatisches Paradigma schien vollkommen, als die Hysterikerinnen Charcots
epilepsieartige Symptome zeigten.
Foucault: Psychoanalyse leistete so den entscheidenden Beitrag dazu, dass siech die
Psychiatrie als so med. versteht. Therapeutischer Zugang brachte so den
pharmazeutischen Zugang hervor.
       
Erfolg von Charcot und Freund durch Hypnose schien die Position des Arztes sicherer zu
machen  Symptome hielten aber nicht, was sie versprachen, da sie eben nicht somatischen
Paradigmen folgen: Krampfanfälle nicht zuordbar, weil das Hysterische eben kein somatisches
Korrelat hat. Hysterikerin unterhöhlt daher die Macht des Arztes.
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Foucault sieht zwei antipsychiatrische Bewegungen, die auf diese Irritationen reagieren
(Pasteurisierung der Psychiatrie)
1. Entpsychiatrisierung:
 Theatralik wird zu verschwinden gebracht, indem eine strenge Ordnung zwischen Diagnose
und Therapie hergestellt wird
 Psychiatrie wird so zu einem stummen Ort, wo sich der Wahnsinn nur noch zu Beginn in der
Erregung so manifestieren kann
 sobald diagnostiziert wird, gibt es therapeutische Flussdiagramme, um die Erregungen zum
Verschwinden zu bringen.
 Therapien, psychopharmakologische Behandlungen, psychochirurgische Eingriffe
2. Entpsychiatrisierung:
 Psychoanalyse: arbeitet mit Außerkraftsetzung des Anstaltsraums durch 4-Augengespräch,
freier Vertrag zw. Arzt und Patient, besondere Art der Redefreiheit (Redefreiheit als Strategie
zur Vergrößerung ärztlicher Macht)
"Macht, die in keine Rückkoppelungsschleife verwickelt werden kann, weil sie sich in völliges
Schweigen und Unsichtbarkeit zurückzieht."
Von alle dem in der Diskussion um die Versorgungsmängel keine Rede.
 Aggression und Destruktion:
Meine Aggressions- und Destruktionstriebe dasselbe?
Ob Aggression schon immer auch Destruktion meint?
Kennzeichnung des Anfangs von Aggression durch Assoziation mit Bewegung/Aktivität
Winnicott: Aggressivität als etwas, was von Anfang an da ist, aber der Aktivität dient und nicht
der Destruktion, Bestandteil eines primitiven Zuwendungsimpulses
Libido ≠ Liebe
Tanatos ≠ Hass, Aggression
Freud: Triebmischung und Triebentmischung (schon 1909) (1933 Mischungen/Legierungen
seien sehr unterschiedliche)
4-Phasen Konzept der Aggression (nach Nagera):
1. Selbsterhaltungstriebe  Sexualtriebe Aggressivität (sadistische Komponente des
sexuellen)
2. auch die Selbsterhaltungstriebe haben aggressive Momente, aus der Notwendigkeit sich
der äußeren Realität zu bemächtigen
3. Triebe und Triebschicksale Wegrüchen der Aggression von der libidinösen Seite auf die
der Selbsterhaltung
4. Jenseits des Lustprinzips  Sexual und Selbsterhaltungstriebe sind libidinöse Triebe
Aggression ist auf der Seite der Todestriebe, aber es kommt keine Triebart allein vor, sie
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sind immer gemischt
zu dieser Zeit gerade:
Freuds 2. Topik: Ich/Es/Überich
(1. Topik: Bewusst/Unbewusst/Vorbewusst)
 kindliche Aggression, die sich gegen die Eltern richtet, und aus liebe zu ihnen nicht
ausgedrückt werden kann, wird in das Überich aufgenommen. Eltern werden als Instanzen im
Überich verinnerlicht und die Strenge des Überichs hat dann nichts mehr mit der Strenge der
Eltern zu tun, sondern mit der Stärke der Aggression gegen die Eltern. Im Rahmen der für
Introjektion und Identifikation erforderlichen Prozessen kommt es zu einer Triebentmischung:
Trennung von Lebens- und Todestrieben, lassen sich dann die destruktiven Strebungen gegen
die Eltern direkt in die Strenge des Überichs übertragen.
Sabina Spielrein (1912): Was ist mit anderen Triebarten, die zu Ekel, Angst, negativen Gefühlen
führen? Destruktion als Ursache des Werdens
Gross: Ekel in Verbindung mit dem sexuellen wegen der Benachbarung mit Exkrementen
Freud: Verdrängung der pos. Momente, weshalb die negativen Überhang nähmen
Jung: zeigt nach Spielrein am deutlichsten die Gefahr erotischer Betätigung: "selbst Fruchtbar zu
sein, bedeutet Selbstzerstörung, denn mit dem Entstehen der folgenden Generation hat die
vorausgehende ihren Höhepunkt überschritten"
Spielrein überträgt Jungs allgemeine Überlegungen in den Kontext von Geschlechtsverkehr und
Zeugung: im Rahmen solcher Erfahrungen auftretenden Gefühle seien nicht mit Gross zu
begründen, sondern seien Gefühle, welche der destruktiven Komponente des Sexualinstinkts
entsprechen. Sie parallelisiert Mütterlichkeit und Unbewusstes, bekräftigt Zusammenhang von
Selbsterhaltungstrieb und Sexualtrieb, schließt sich seiner Annahme eines Lust/Unlustprinzips
an, fragt aber ach weiteren Trieben.
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 Patientin, Frau, Theoretikerin:
Ronald Britten: ließt Sabina Spielreins Geschichte (Jung) mit der Psychoanalyse als eine
Parallele zur Geschichte von Anna O. (von Pappenheim) (Breuer):
 bei beiden: große Nähe zwischen Arzt und Patientin, Patientin als mutige
Mitarbeiterin, Phantasie, mit dem Therapeuten ein Kind zu bekommen
es stecke in Spielreins Texten zu viel Leidenschaft, sie schreibe keine Arbeit über eine
erotische Übertragung, sondern aus einer erotischen Übertragung heraus. Sie habe dazu
geneigt, alles zu erotisieren. Sie sei in hysterischen Phantasien verfangen, schreibe daraus in
einer Weise über die Erfüllung ödipaler Wünsche, die es so nicht geben könne. Wo sie Phasen
und Bestandteile einer normalen Entwicklung beschreiben will, sieht er eine hysterische
Symptomatik, die sich in ihren Beschreibungen des Todestriebes als eines erotisierten Triebs
und in ihrer Annahme einer Identifizierung im Rahmen von Übereinstimmungsprozessen zeigt.
Theresa de Lauretis: Spielrein versuche zunächst zwischen Freud und Jung zu vermitteln und
kam damit in einen ödipalen Konflikt zwischen dem älteren Lehrer und dem jüngeren
Schüler:
 Freud las ihren Text als Manifestation von Jungs Ansichten und gestand Spielrein dabei
wenig eigene Ideen zu.
 Jung veröffentlichte ihre Arbeit in einer Ausgabe des Jahrbuchs für psychoanalytische
und psychopathologische Forschungen, die schwer verkäuflich war.
Bahnbrechende Rolle Spielreins: Matrix von Freuds Todestriebhypothese. Frage nach anderen
Trieben, die sich mit Selbstschädigung und Schmerz verbinden und den Forderungen der
Ichpsyche widerstehen, bewegt Freud.
Vorstellung der Kreation/der Hervorbringung wird später fruchtbar: ökonomische Theorie:
creative destruktion, andauernder Prozess, wo neue Technologien alte
verdrängenDestruktion als Ursache des Werdens
 siehe auch: Kronenbergs Film: Existenz: Destruktive Tendenzen als Ausdruck eines Triebs, der
den Tod anstrebt, eine negative, unmoderne Kraft.
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