und Regionalanästhesie

Werbung
Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Medizinische Fakultät Mannheim der
Ruprecht-Karls-UniversitätHeidelberg
Scriptum
Anästhesie
2009
Vs. 2.0 vom 20. 3. 2009
Teil II Regionalanästhesie
Wie bereits zu Anfang von Teil I des Skriptums betont, haben derzeit nur etwa 5,7 % aller
berufstätigen Ärztinnen und Ärzte mit oder ohne Fachbezeichnungen als Fachgebiet den Facharzt
für Anästhesie inne. Deshalb sollen in diesem Skriptum auch nicht die besonderen Heldentaten der
Anästhesisten im Stechen und Punktieren bei Regionalanästhesien hervorgehoben werden.
Stattdessen legen wir den Schwerpunkt darauf, was für alle Fächer wichtig ist, und wollen Sie
vorwiegend darüber informieren, was Sie beim praktischen Umgang mit Lokalanästhetika beachten
sollten und welche Vor- , Nachteile, Indikationen und Kontraindikationen bei
Regionalanästhesieverfahren in Frage kommen, auch wenn Sie zukünftig in anderen Fachgebieten
als der Anästhesie tätig sein werden, aber dennoch die Vorteile der Regionalanästhesie für Ihre
zukünftigen Patienten nutzen wollen. Trotz dieser Einschränkung wollen wir Sie dennoch zum
Abschluß in Kürze informieren, welche gängigen Regionalanästhesieformen zum Vorteil vieler
Patienten hier am Klinikum Mannheim durchgeführt werden.
2.1. Pharmakologie
Der Molekülaufbau der Lokalanästhetika besteht aus zwei Teilen, einem tertiären Amin und einem
aromatischen System, die über eine Ester- oder eine Amidbrücke verbunden sind. Ester werden in
den Pharmakologiekursen gelehrt, aber in der Praxis werden sie kaum noch verwendet, da sie
Allergien auslösen können. Bei ihrem Abbau durch die Plasmacholinesterase entsteht unter
anderem Paraaminobenzoesäure, welche allergen wirken kann. Amide selbst lösen dagegen kaum
Allergien aus. Allerdings findet die der Paraaminobenzoesäure ähnliche und ebenfalls mit dem
Potenzial zur Allergenität behaftete Substanz Methylparabene häufig Verwendung als
Konservierungsmittel in Fläschchen zur Mehrfachentnahme von Lokalanästhetika. Solche
Fläschchen werden häufig in chirurgischen Ambulanzen verwendet wo viele Wundversorgungen
anstehen, so auch hier im Haus in der chirurgischen Aufnahme.
Allerdings: Auch mit Methylparabene sind allergische Reaktionen wohl sehr selten. Eine Umfrage
unter den Unfallchirurgen in unserem Haus, die häufig Wundversorgungen unter Lokalanästhesie
durchführen, hat ergeben, daß keiner sich an eine allergische Reaktion auf ein Lokalanästhetikum
erinnern kann. Wenn es dennoch zu einer allergischen Reaktion kommt ist die klassische Therapie
von Allergien nötig, bis hin zur Therapie des anaphylaktischen Schocks.
- 1-
Fallbeispiel:
Älterer Patient, vorgesehen Achillessehnennaht. Spinalanästhesie mit 3,5 ml Bupivacain 0,5% isobar als Injektion in
den Spinalkanal. Die Wirkung setzt regelrecht ein, die untere Körperhälfte und damit das zu operierende Bein ist
betäubt. Kurz nach dem Umdrehen des Patienten auf den Bauch wird der Patient unruhig, es kommt zu einem
Blutdruckabfall, schließlich ist der Blutdruck nicht mehr meßbar, der Patient bewußtlos, atmet aber weiter spontan.
Der Patient wird wieder auf den Rücken gedreht, eine Allgemeinanästhesie(Narkose) eingeleitet, intubiert und der
Kreislauf durch Gabe eines vasokonstringierenden Medikaments - Noradrenalin - und Gabe von Volumen in Form
eines kolloidalen Volumenersatzmittels stabilisiert, sodass der Blutdruck wieder messbar wird. Der Patient wird
anschließend beatmet und in Narkose mit der Diagnose anaphylaktischer Schock mit der Differentialdiagnose totale
Spinalanästhesie auf die Intensivtherapiestation verlegt. Nachdem sich der Kreislauf dort ohne weitere
Katecholamingabe stabilisiert hat, kann die Narkose ohne weitere Probleme ausgeleitet werden. Eine genauere
Anamnese nach diesem Ereignis ergibt, dass sich bei diesem Patienten ein ähnlicher Vorfall bereits vor einigen
Jahren nach der Anlage einer Periduralanästhesie mit Bupivacain im Diakonissenkrankenhaus in Mannheim ereignet
hat, was eine allergische Reaktion nahelegt.
Da zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht klar war, ob es sich um eine Allergie handelte, wurde nur
eine symptomatische, aber wichtige Therapie durchgeführt:
Die Gabe von Katecholaminen(Noradrenalin - ArterenolTM, aber auch Adrenalin - SuprareninTM
wäre adäquat gewesen) und Volumen.
Die zusätzliche Therapie bei Allergie hätte bestanden in der weiteren Gabe von
Corticoiden, z. B. Methylprednisolon - UrbasonTM 1g(allerdings erst verzögert wirksam - circa 30
min, aber eventuell Schlimmeres verhindernd) und Antihistaminika, z. B. H1-Antihistaminika:
Dimetinden(FenistilTM 8mg(2 Ampullen) oder Clemastin(TavegilTM) 4 mg(2 Ampullen) und H2Antihistaminika: Cimetidin(Cimetidin-CTTM) 400 mg(2 Ampullen).
Damit will ich das Thema Lokalanästhetika mit Esterverbindung und allergische Reaktionen auf
Lokalanästhetika verlassen und komme zum
2.1.1 Wirkungsmechanismus der Lokalanästhetika
Lokalanästhetika durchdringen in
ihrer lipophilen Form(Base) die
Membran der Nervenfaser und
hemmen dann den schnellen
Natriumeinstrom am Natriumkanal.
Das heißt, je mehr Base vorliegt,
desto mehr Lokalanästhetikum kann
in die Nervenfaser eindringen und
desto besser ist die Wirkung(vgl.
Nachfolgendes Bild 1. Normales
Milieu):
In saurem Gewebemilieu, vgl Bild 2.
Saures Milieu, z. B. bei einer
Entzündung liegt das
Lokalanästhetikum durch Bindung
von H+ vermehrt in geladener Form
als Kation vor und kann schlechter in
die Nervenfaser eindringen. Deshalb
wirken Lokalanästhetika schlecht,
wenn man sie in entzündetes Gewebe
injiziert.
- 2-
Es empfiehlt sich dann, eine Leitungsanästhesie der Nerven, die das entzündete Gebiet versorgen,
außerhalb des Entzündungsgebiets(z. B. Blockade des Plexus axillaris bei Versorgung einer
Handphlegmone) vorzunehmen.
Gelegentlich wird auch durch Zusatz von Bikarbonat die Konzentration der basischen Form des
Lokalanästhetikums erhöht, sodass ein schnellerer Wirkungseintritt erfolgt.
2.1.2. Toxizität der Lokalanästhetika
Es gibt zwei Formen der Toxizität:
Systemisch bei zu hohen Konzentrationen im Plasma. Und:
Lokale Neurotoxizität bei zu hohen Konzentrationen direkt am Neuron.
2.1.2.1. Systemische Toxizität
Ursachen:
Überdosierung, schnelle Resorption in gut durchblutetem Gewebe und vor allem versehentliche
intravenöse Injektion.
Bei toxischen Konzentrationen im Blut können folgende Symptomatiken auftreten:
Zentralnervöse Toxizität
Im Vergleich zur kardialen Toxizität treten hier die ersten toxischen Erscheinungen schon bei
niedrigeren Plasmaspiegeln auf und sind in der Regel gut zu therapieren. Dieses Auftreten bei
niedrigeren Plasmaspiegeln hat den Vorteil, dass es ein Warnhinweis auf eine drohende, weit
weniger gut zu therapierende kardiale Toxizität sein kann.
Es handelt sich dabei um eine zentralnervöse Symptomatik: Hemmende kortikale Zentren sind
betäubt, untergeordnete erregende Zentren nicht mehr, sodaß es zu Krampfanfällen kommt. Als
Vorzeichen werden beschrieben: Periorale Taubheit, metallischer Geschmack, verwaschene
Sprache, Schwindel, Schläfrigkeit, Sehstörungen, Nystagmus, Unruhe, Muskelzittern. Die Therapie
ist wie bei der schweren Allergie die Einleitung einer Narkose.
Fallbeispiel:
Eine Frau mittleren Alters kommt zu einer ambulanten Handoperation. Vorgesehen ist eine axilläre
Plexsusanästhesie. Bei der Injektion von 30 ml Mepivacain 1% und 20 ml Bupivacain 0,5 % kommt es trotz
wiederholter Aspirationversuche mit der Injektionsspritze nach Injektion von circa 30 ml ohne irgendwelche
Vorzeichen zu generalisierten Krampfanfällen. Als erstes erfolgt Sauerstoffgabe. Da die Krampfanfälle nicht
sistieren, wird eine Narkose eingeleitet und die Patientin über eine Larynxmaske beatmet. Die Operation wird
durchgeführt, dauert etwa 30 min. Anschließend kann die Narkose ohne Probleme ausgeleitet werden, die Patientin
wacht auf, ist symptomfrei, wird über das Krampfereignis aufgeklärt und kann wie geplant, noch am Nachmittag
entlassen werden.
Kardiale Toxizität
Viel gefährlicher ist die Blockierung der myokardialen Erregungsüberleitung bei noch höheren
Plasmaspiegeln der Lokalanästhetika. Hier kommt es zur Hemmung der Erregungssüberleitung im
Herzen und nach vorübergehenden tachykarden Arrhythmien(Hemmung dämpfender Zentren) kann
es dabei bis zur Asystolie kommen. Die Therapie(kardiopulmonale Reanimation) ist schwierig bis
unmöglich, da hier eine protrahierte Reanimation notwendig ist, denn die meisten Lokalanästhetika
binden sehr lange an das kardiale Reizleitungssystem. Einzig Lidocain diffundiert sehr schnell
wieder ab und wurde daher bis vor kurzem im Rahmen einer antiarrhytmischen Therapie zur
- 3-
Membranstabilisierung des kardialen Reizleitungssystems bei ventrikulärer Tachykardie häufig
eingesetzt.
Wie kann man solche Komplikationen vermeiden?
Folgende Handlungsweisen sind möglich:
Verfahrenswechsel mit Verwendung einer geringeren Menge an Lokalanästhetikum
Statt Periduralanästhesie Spinalanästhesie, d. h. Injektion von 3 ml Bupivacain 0,5% in den
Spinalkanal anstatt Injektion von 30 ml Bupivacain 0,5% in den Periduralraum.
Hemmung des Abtransports des Lokalanästhetikums vom Injektionsort durch Vasokonstriktion,
z. B. durch Beimischung von Adrenalin.
Bei Mehrfachblockaden
– wenn an zwei verschiedenen Stellen injiziert werden muss um die gewünschte Anästhesie zu
erzielen(z. B. Blockade des N. Femoralis und des N. Ischiadicus zur Anästhesie des Beins)
zeitversetzte Blockade. Die Plasmaspitzenspiegel des Lokalanästhetikums der einzelnen Injektionen
sind dann auch zeitversetzt.
- 4-
Einhalten von Maximaldosierungen für Lokalanästhetika laut Roter Liste
Aber: Diese ursprünglichen Grenzwerte leiten sich vorwiegend aus Einzelfällen und Tierversuchen
her. Heute werden eher an die individuelle Situation angepasste Dosierungen empfohlen. Zur
Illlustration deswegen die Empfehlungen des hiesigen, aber auch überregional anerkannten
Regionalanästhetika-Papstes, HC Niesel(St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus,
Ludwigshafen):
Empfohlene Grenzdosierungen für Lokalanästhetika mit bzw. ohne Adrenalinzusatz für
verschiedene Technikgruppen A-E
Sämtliche Angaben beziehen sich auf normale körperliche Verhältnisse und sind individuell
zu variieren.
Prilocain Mepivacain
A Subkutan(niedrige, sich
langsam entwickelnde
Blutspiegel
Erwachsene ohne/mit
600 mg
Adrenalin (in mg)
Kinder ohne/mit Adrenalin 8,5 mg
(in mg/kgKG)
B Injektion in stark
Erwachsene (in mg)
durchblutete Regionen, z. B.
Hals, Gesicht,
Kinder (in mg/kgKG)
Beckenboden(relativ hohe
Blutspiegel)
Bupivacain
400/500 mg
150 mg
6 mg/7,5 mg
2 mg
300 mg
200 mg
75 mg
4,5 mg
3 mg
1 mg
C Einzelinjektion, z. B.
Erwachsene ohne/mit
600 mg
Plexus(erhöhtes Risiko
Adrenalin (in mg)
einer intravasalen Injektion) Kinder ohne/mit Adrenalin 8,5 mg
(in mg/kgKG)
400 mg/500 mg 150 mg
6 mg/7,5 mg
2 mg
D Protrahierte
Injektion(Kathetertechnik,
fraktionierte Injektion)
Erwachsene mg)
Kinder mg/kgKG)
700 mg*) 500 mg**)
10 mg
7,5 mg
150 mg
2 mg
E Injektion in stark
vasoaktiver
Region(rückenmarksnah,
epidural, subarachnoidal,
Symatikus)
Erwachsene mg)
1 – 25 ml
(10250mg)
k.A.
1 – 25 ml
(5175mg)
k.A.
Kinder
1 – 25 ml
(10250mg)
k.A.
Verfahren C und E sind durch akute Verläufe gekennzeichnet und erfordern besonderes
Monitoring
Keine Verwendung von Prilocain bei Kindern unter 3 Monaten(Methämoglobinbildung)
*) häufige und kurzzeitige Repetition kann zur Kumulation führen
**) Keine Repetition nach dieser Dosis
- 5-
Vermeidung einer versehentlichen intravasalen Injektion(wohl am wichtigsten)
Alle subtilen Überlegungen über Plasmaspitzenwerte nützen aber nichts, wenn das
Lokalanästhetikum irrtümlich direkt intravenös gespritzt wird und damit alle möglichen
Resorptionsmechanismen umgeht. Deshalb sollte bei jeder Injektion einer größeren Menge
eines Lokalanästhetikums vor und während der Injektion wiederholt versucht werden, mit
der Spritze auf Blutrückfluss zu aspirieren und es sollte dabei sehr langsam gespritzt werden.
2.1.2.2. Neurotoxizität
Hohe Konzentrationen von Lokalanästhetikum am Axon oder intraneurale Injektion können zur
Schädigung des Axons und der Schwannschen Zellen, zur Störung des periaxonalen Milieus und
der nervalen Blutversorgung führen.
Da solche Schädigungen öfters bei einer kontinuierliche Spinalanästhesie mit einem in den
Spinalkanal gelegten Katheter beobachtet worden ist, wird diese Form der kontinuierlichen
Regionalanästhesie selten angewandt. Zusätzlich besteht bei längerer Anwendung
Infektionsgefahr(Meningitis).
Neurotoxizität kann auch bei peripheren Regionalanästhesieverfahren auftreten. Hier gibt es
Methoden um das Lokalanästhetikum nahe am Nerv, aber nicht zu nahe zu spritzen(vgl. später).
Dann gibt es noch die Allergenität, aber die haben wir schon besprochen.
2.2. Angewendete Verfahren der Lokal- und
Regionalanästhesie:
Vielfach angewendet von
Nichtanästhesisten
\
/
/
/
\
\
\/
Anästhesisten
Oberflächenanästhesie
Lokalanästhesie
Periphere Regionalanästhesie
Rückenmarksnahe Regionalanästhesie
/\
/
/
/
\
\
\
Oberflächen- und Lokalanästhesie sind relativ einfach durchzuführen und werden deshalb vielfach
von Nichtanästhesisten angewendet. Anästhesien unterhalb der Linie im obigen Diagramm
benötigen vielfach mehr Übung und Ausbildung. Außerdem sind die systemischen Auswirkungen,
auf die man vorbereitet sein muss zum Teil größer. Deshalb werden sie vorwiegend von
Anästhesisten durchgeführt.
Oberflächenanästhesie der Schleimhäute:
Aufsprühen eines Sprays(z. B. Bronchoskopie, Lidocain 4% - Spray) oder Aufbringen eines Gels(z.
B. Zystoskopie der Blase) mit Lokalanästhetikum auf Schleimhäute.
Oberflächenanästhesie der Haut:
Aufbringen einer Salbe auf die Haut, die Prilocain und Lidocain enthält und Abdecken mit einem
Pflaster(„EMLA-Pflaster“) zur Lokalanästhesie bei kleineren Punktionen und zum Legen von
intravenösen Kanülen(vor allem bei Kindern. Einwirkdauer nach Möglichkeit 45 – 60 min. Das
Pflaster sollte 10 min vor Gefäßpunktion entfernt werden, da die Lokalanästhetika eine leichte
- 6-
vasokonstringierende Wirkung haben.
Dieses Verfahren hat sich vor allem bei Kindern nicht nur in der Kinderanästhesie bewährt und
sollte bei allen Punktionen, Injektionen und Legen von Verweilkathetern bei wachen Kindern
angewendet werden.
Lokalanästhesie:
Injektion eines Lokalanästhetikums unmittelbar ins Operationsgebiet und damit Betäubung
sensibler Nervenendigungen(z. B. bei Wundversorgungen, Mepivacain, Prilocain 1%).
Periphere Regionalanästhesie:
Unterbrechen der Reizleitung in peripheren Nerven durch perineurale Injektion eines
Lokalanästhetikums außerhalb des Operationsgebiets(z. B. Oberstsche Leitungsanästhesie bei
Operationen an Fingern und Zehen(Mepivacain, Prilocain 1%: Eine Injektion von wenigen ml
Lokalanästhetikum palmar einmal links vom Knochen des Fingergrundglieds und einmal rechts bis
in die Tiefe).
Rückenmarksnahe Anästhesien:
Injektion von Lokalanästhetikum in den Spinalkanal(Spinalanästhesie) oder den
Periduralraum(Periduralanästhesie) zur ausgiebigen Blockierung der vom Rückenmark
ausgehenden Nerven(bei größeren Operationen oder zur Schmerztherapie im Bereich der unteren
Körperhälfte(Bupivacain 0,25 - 0,5%, Ropivacain 0,2 – 1%).
2.3. Wozu Regionalanästhesie? - Vor- und Nachteile
Vorteile
Geringerer Eingriff in die Homoiostase des Körpers bei peripheren Regionalanästhesien.
Periphere Regionalanästhesie sind besonders geeignet bei Hochrisikopatienten um systemische
Auswirkungen von Narkosen zu vermeiden(z, B. generelle Sympatikusblockade mit
Blutdruckabfall).
Keine Nebenwirkungen der Narkose(Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen, postoperative Schmerzen,
Kein technischer Ersatz für Körperfunktionen nötig(z. B. Beatmung).
Besonders geeignet bei bestimmten Vorerkrankungen.
Nachteile
Technisch schwieriger
Kenntnis verschiedener Einzeltechniken notwendig, je nach Ort der Anästhesie.
Zeitaufwendig.
Wachheit während OP -> Abhilfe: Sedierung, z. B. mit Midazolam(DormicumTM) oder Propofol.
Methodenspezifische Misserfolgsrate.
- 7-
2.4. Indikationen für die Regionalanästhesie
Hochrisikopatienten -> Heroische Regionalanästhesie
Fallbeispiel
Über 80jährige Patientin zur Vorfußamputation bei drohender Allgemeininfektion(Sepsis), wenn diese Amputation
nicht durchgeführt wird. Die Patientin leidet unter einer extremen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, die
bewirkt, dass der Blutdruck nicht mehr mit noninvasiven Verfahren gemessen werden kann(Messung systolisch
maximal 60 mmHg und weniger), was die Überwachung unter Narkose extrem erschweren würde.
Abhilfe: Nervenblockade des Unterschenkels mittels Poplietalblocks – siehe weiter unten - .
Wenn andere Zugangswege für die Anästhesie schwierig oder unmöglich sind: Vorhersehbare
Intubations- und Beatmungsprobleme, periphere Regionalanästhesie bei Rheumapatienten, bei
denen durch Verknöcherung der gesamten Wirbelsäule in Hals und Rücken sowohl die Intubation
schlecht oder gar nicht möglich, als auch die Punktion des Spinalkanals oder des Periduralraums für
eine rückenmarksnahe Applikation von Lokalanästhetikum nicht möglich ist.
Wenn Wachheit intra- oder perioperativ wünschenswert ist:
Keine Unterbrechung der normalen Nahrungsaufnahme bei Diabetes mellitus.
Überwachung der neurologischen Funktion während bestimmter Operationen, z. B. bei Operationen
an der Arteria Carotis, bei denen diese zeitweilig abgeklemmt wird.
Wenn die Lungenfunktion möglichst wenig tangiert werden soll(z. B. bei Patienten mit
Lungenkrankheiten.
Anästhesie bei nicht nüchternen und sonstigen aspirationsgefährdeten Patienten(u. a. Sectio
caesarea).
Wenn für die postoperative Schmerztherapie die Darmmotilität nicht durch Opiate beeinträchtigt
werden soll(z. B. bei Darmoperationen zusätzlich zur Allgemeinanästhesie).
Krankheiten, bei denen die Gabe von Medikamente die für eine Allgemeinanästhesie verwendet
werden, nicht erwünscht ist oder schädigend wirken kann(z. B. Leber- und Nierenerkrankungen,
Myasthenie[keine Muskelrelaxantien], Porphyrie).
Bei Sectio caesarea: Mit rückenmarksnaher Regionalanästhesie geringere Mortalität und Teilnahme
am Geburtserlebnis.
2.5. Kontraindikationen für die Regionalanästhesie
Periphere Regionalanästhesie
Ablehnung des Patienten
Hautinfektion im Injektionsgebiet
Allergie gegen Lokalanästhetika
Bedingt: Neurologische Erkrankungen im zu anästhesierenden Gebiet(mehr aus medikolegalen
Gründen. Empfohlen: Genaue vorherige Dokumentation der neurologischen Ausfälle, z. B. durch
neurologisches Konsil).
Bei Gerinnungsstörungen oder Antikoagulation dann, wenn bei dem speziellen Verfahren die
Gefahr der versehentlichen Punktion von Gefäßen besteht, die nicht von außen komprimiert
werden können.
- 8-
Zusätzlich bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie(SPA, PDA)
Gerinnungsstörungen,(Quick < 50 - 70, PTT > 40 sec, Thrombozytenzahl < 50 000)
Antikoagulation(Azetylsalizylsäure, ASSTM, Dicumarol, MarcumarTM).
-> Gefahr des Entstehens periduraler Hämatome, die das Rückenmark komprimieren können.
Sepsis, Bakteriämie
-> Vermehrter Blutdruckabfall durch Sympatikolyse, Gefahr der Verschleppung von Bakterien in
den Spinalkanal mit Meningitis(Hirnhautentzündung) als Folge.
Hypovolämie, Schock
-> Zusätzlicher Blutdruckabfall durch Sympatikolyse.
Manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen
-> Blutdruckabfall durch Sympatikolyse, die nicht kardial kompensiert werden kann,
Beeinträchtigung der Koronarversorgung durch den Blutdruckabfall.
Erhöhter Hirndruck
-> Durch Liquorverlust auf dem Spinalkanal Abfall des Drucks im Spinalkanal und
Einklemmungsgefahr des Hirnstamms.
2.6. Systemische Auswirkungen der rückenmarksnahen
Regionalanästhesie
Herzkreislaufsystem: Sympatikusblockade
Venöses Pooling, Blutdruckabfall, Bradykardie, relative Hypovolämie, in Folge des
Blutdruckabfalls Übelkeit als Frühsymptomatik und Warnzeichen(z. B. bei Sectio caesarea).
Je mehr Segmente geblockt sind, desto größer ist die Kreislaufwirkung.
Klinisches Beispiel:
Ein urologischer Patient mit einer Spinalanästhesie wird nach Ende einer transurethralen Resektion der Prostata mit
durchschnittlichem Blutverlust aus der Steinschnittlage vom OP-Tisch aus flach ins Bett gelegt. Dannach wird der
Patient blaß, ihm wird schlecht und er kollabiert. Der getastete Puls beträgt 40/min und der palpatorisch gemessene
Blutdruck systolisch 70 mmHg. Durch das Flachlegen der Beine ist es zu einem Einstrom von Blut in die Beinvenen
und zur Manifestation einer relativen Hypovolämie gekommen. Die Therapie besteht in der Gabe eines
Vasoconstringens(z. B. Akrinor) und Volumen.
Darm:
Impulsleitung über Nervus vagus nicht geblockt. Der Darm kann dann hyperperistaltisch, und
kontrahiert sein, eventuell besteht Eingeweideschmerz(selten). Es kommt öfters zu Übelkeit und
Erbrechen(aber anatomisch erstaunlich nicht immer) bei Eröffnung und Schließen des Peritoneums,
da dieses vom N. vagus inerviert wird(z. B. bei der Sectio caesarea).
Harnblase:
Parasympatische Bereiche S 2-4 geblockt
Blasenentleerungsstörung: Bei Rückläufigkeit einer rückenmarksnahen Regionalanästhesie kann
der Blasensphinkter noch blockiert sein, nicht mehr aber die Harnblase. Bei voller Harnblase haben
die Patienten Schmerzen, können aber nicht spontan Wasser lassen. Besonders im Aufwachraum
sollte man an so etwas denken, wenn Patienten im Unterbauch Schmerzen haben und unruhig sind.
Abhilfe: Einmalkatheterisierung der Harnblase.
- 9-
Thromboembolien:
Signifikant geringer als unter Allgemeinanästhesie(besserer Blutfluss durch Weitstellung der
Gefässe), allerdings kann dies bei Allgemeinanästhesien durch Thromboseprophylaxe mittels
Injektion von Low-Dose-Heparin kompensiert werden.
2.7. Komplikationen der Regionalanästhesie
2.7.1. Periphere Regionalanästhesie
Parästhesien: Leichtere Nervenschäden
2.7.2. Rückenmarksnahe Regionalanästhesie
Häufigere Komplikationen
Schmerzen bei Knochenkontakt
Parästhesien
Unmöglichkeit der Anlage, da mit der Nadel die knöcherne Barriere nicht überwunden werden
kann.
Rückenschmerzen(aber: genauso häufig wie nach Allgemeinanästhesie: 25%)
Seltene Komplikationen
Kopfschmerzen nach Spinalanästhesie(meistens nach Sectio caesarea, Altersgipfel bei circa 20
Jahren, weniger mit zunehmendem Alter).
Im Stehen und Gehen Verschlechterung der Kopfschmerzen, im Liegen besser. Therapie durch
Analgetika, wenn nicht erfolgreich, was äußerst selten ist, Bloodpatch(Steriles Entnehmen von Blut
und Einspritzen in den Periduralraum an der vorigen Injektionsstelle).
Sehr seltene Komplikationen
Hohe oder totale Spinalanästhesie.
Hohe Periduralanästhesie.
Hoch oder total bedeutet hier, dass cranialwärts zu viele Segmente blockiert sind.
Folgen:
Ausfälle der Atemmuskulatur bis hin zur beidseitigen Phrenicusparese(Zwerchfell fällt dann auch
aus), wenn die Blockade sich bis C3-5 erstreckt.
Schock durch extreme Sympatikolyse, dadurch Bewusstlosigkeit, Blockierung der Atmung.
Therapie: Narkose, Intubation und Beatmung bis hin zu Maßnahmen der kardiopulmonalen
Reanimation.
Äußerst seltene Komplikationen
Hämatom im Rückenmarksbereich mit neurologischen Ausfällen durch Kompression des
Rückenmarks
Infektion, Meningitis
Schwere Nervenschäden bis hin zur Querschnittslähmung.
Die Patienten fürchten natürlich schwere Komplikationen, auch wenn sie sehr selten sind und
- 10 -
wollen oft das Risiko wissen. Da man aber bei seltenen Komplikationen eine sehr große Menge an
Eingriffen benötigt um zu statistisch relevanten Aussagen zu kommen, kann diese Frage nur sehr
schwer beantwortet werden. Die größte neuere Studie dazu wurde 1997 mit Daten aus dem Jahr
1994 publiziert. Hier war in Frankreich landesweit das Vorkommen schwerer Komplikationen bei
über 100 000 Regionalanästhesien(40 000 SPA, 30 000 PDA, 20 000 peripheren und 10 000
intravenösen Regionalanästhesien – letztere spielen heute keine große Rolle mehr und werden
deshalb in diesem Skript auch nicht abgehandelt) mit dem folgenden Ergebnis erhoben worden: Das
Risiko eines bleibenden schweren Nervenschadens(bestehend länger als 3 Monate) davonzutragen
betrug 5: 100 000, das einer Querschnittslähmung bei rückenmarksnahen Regionalverfahren betrug
1: 70 000(dabei wurde diskutiert, ob der eine beobachtete Fall möglicherweise durch intraoperative
Ischämie des Rückenmarks als Folge einer Hypotension und nicht durch das Anästhesieverfahren
zu Stande gekommen sein könnte). Das Risiko als Folge der Regionalanästhesie zu
versterben(durch Herz- Kreislaufstillstand) betrug 7: 100 000. Warnzeichen war bei diesen
Stillständen in allen Fällen eine Bradykardie. Zusätzlich fanden sich perioperative Risikofaktoren
wie schwere Begleiterkrankungen, Alter und spezielle Eingriffe(Totalendoprothese der Hüfte).
2.8. Technik der Regionalanästhesie und ausgewählte
Prozeduren
Im Folgenden sollen einige einzelne Verfahren vorgestellt werden. Da die technische Durchführung
jedoch praktische Übung erfordert und die Anzahl der Möglichkeiten periphere
Regionalanästhesien durchzuführen immens ist, soll die Technik hier nur soweit es zum
Verständnis nötig ist dargestellt werden und auch nur Verfahren besprochen werden, die hier in
Mannheim häufiger durchgeführt werden. Wert gelegt werden soll aber auf die Bedeutung dieser
Verfahren für den gesamten Therapieverlauf.
Genauere Informationen über die zu blockierenden Nerven finden Sie auch, falls es Sie interessiert,
in Moodle, Vorklinik, Marecum, Modul Klinische Anatomie – Anästhesie.
2.8.1. Periphere Regionalanästhesie
Blockaden ohne besondere Hilfsmittel zum Aufsuchen der Injektionsstelle
Wundinstillation: Die einfachste, oft vergessene Form der Regionalanästhesie ist die Instillation
einer Operationswunde mit einem lang wirkenden Lokalanästhetikum(Bupivacain, Ropivacain)
kurz vor Wundverschluss. Es sollte dann 1 min abgewartet und anschließend die Wunde zugenäht
werden.
Oberstsche Regionalanästhesie: Injektion von wenigen ml eines Lokalanästhetikums(Mepivacain,
Prilocain 1%) medial und lateral in ein Finger- oder Zehengrundglied von dorsal aus zur
Durchführung von Operationen an Fingern und Zehen(Wundversorgung, Abszeßspaltung). Wird in
der Regel vom Operateur selbst ausgeführt.
Peniswurzelblock: Injektion weniger ml eines Lokalanästhetikums(Mepivacain, Prilocain 1%) links
und rechts der Mitte der Peniswurzel(in der Mitte Gefahr der Gefäßverletzung) für Operationen am
Penis(z. B. Zirkumzision). Wird in der Regel vom Operateur selbst ausgeführt.
Fußblock: Injektion von wenigen ml eines Lokalanästhetikums(Mepivacain, Prilocain 1%) links
und rechts von A. dorsalis pedis und A. tibialis im Knöchelbereich; zusätzlich Anlegen eines
subkutanen Ringwalls oberhalb des Knöchelbereichs(gestaffelt, nicht zirkulär, das heißt, die eine
- 11 -
Hälfte ist höher als die andere) für Operationen an der Fußsohle und an den Zehen. Da die vielen
Einstiche, die benötigt sind schmerzhaft sind, wird statt des Fußblocks mittlerweile vielfach der
Poplietalblock(distale Tibialisblockade) verwendet.
Blockaden, bei denen besondere Hilfsmittel zum Aufsuchen verwendet werden.
Bei den folgenden Blockaden werden spezielle Hilfsmittel zum Aufsuchen des Injektionsorts
verwendet, da mit diesen die Erfolgsquote der Verfahren erheblich gesteigert werden kann. In der
Regel handelt es sich dabei um Nervenstimulatoren, mit denen der zu blockierende Nerv mit einem
leichten elektrischen Strom rhythmisch gereizt werden kann. Die verwendeten Injektionsnadeln
sind dabei mit Ausnahme der Nadelspitze isoliert, sodass der Strom nur an der Spitze austreten
kann.
Ablauf:
Die Einstichstelle wird nach den für das jeweilige Verfahren bekannten anatomischen
Vorstellungen ausgewählt, eine Lokalanästhesie gesetzt und die Stimulationsnadel eingestochen.
Sodann wird unter kontinuierlicher rhythmischer Stimulation(z. B. mit 1 mA pro sec) die Nadel in
die nach anatomischem Wissen bekannte Richtung des zu blockierenden Nervs vorgeführt. Wenn
sie in dessen Nähe kommt, wird der Nerv stimuliert und die Antwort wird sichtbar in spezifischen
Muskelbewegungen(dabei muss dem Anästhesisten natürlich die Art der Muskelbewegung bekannt
sein, die vom gesuchten Nerv ausgelöst wird. Nicht jede Muskelzuckung während dieses
Suchvorgang geht vom gesuchten Nerv aus, sondern möglicherweise von anderen Nerven oder
durch direkte Stimulation der Muskulatur). Wenn die richtige Muskelzuckung andeutet, dass die
Nadel in die Nähe des gesuchten Nerven gelangt ist, wird versucht die Nadel dem Nerven noch
weiter zu nähern. Dazu wird die Nadel weiter minimal bewegt, während der Stimulationsstrom
reduziert wird. Ziel ist es eine Stimulation auch bei niedriger Stromstärke(z. B. 0,3 mA) zu erhalten,
was andeutet, dass die Nadel sehr nah am Nerven ist. Allerdings sollte die Nadel auch nicht zu nahe
am Nerven liegen(z. B. 0,1 mA), da dann die Gefahr einer Nervenschädigung mechanisch durch die
Nadelspitze oder später durch eine zu hohe Konzentration von Lokalanästhetikum direkt am Nerv
besteht. Wenn die gewünschte Position gefunden ist, wird das benötigte Volumen des
Lokalanästhetikums(z. B. je nach Verfahren 20 - 50 ml) langsam und unter häufigen
Aspirationsversuchen injiziert. Anschließend kann der Eintritt der Wirkung abgewartet werden(je
nach Substanz und Verfahren ca. 20 - 40 min mit großen interindividuellen Unterschieden). Falls
zur postoperativen Analgesie eine längere Wirkung vorgesehen ist, kann im Anschluss noch ein
dünner Katheter zur kontinuierlichen Infusion von Lokalanästhetikum durch die Injektionsnadel
eingeführt werden(spezielle Nadel nötig).
Als Alternative zur Nervenstimulation um den Injektionsort zu finden wird in letzter Zeit
zunehmend die sonographisch gesteuerte Punktion verwendet. Vorteil ist hierbei, dass man den Ort
der Nadelspitze sehen kann und dadurch auch in anästhesiertes Gebiet injiziert werden kann, ohne
dass die Gefahr besteht mit der Nadelspitze den Nerv zu verletzen. Mittels elektrischer Stimulation
ist es dagegen nicht mehr möglich, den Weg der Nadelspitze zu steuern, da durch die bestehende
Nervenblockade die Reizleitung im Nerv und damit die muskuläre Antwort unterdrückt ist.
Weiter scheint bei der sonographisch gesteuerten Nervenblockade die Anschlagszeit viel schneller
zu sein. Allerdings wird auch berichtet, dass die Lernkurve nur sehr flach ansteigt.
- 12 -
2.8.3. Periphere regionale Anästhesieverfahren im Einzelnen
Plexus brachialis
Axilläre Plexusblockade
N. Radialis, Medianus und Ulnaris umgeben in der Axilla die A. axillaris. Diese dient als
Leitstruktur(Palpation). Die Nerven des Plexus axillaris werden in der Axilla zwischen ihr und dem
M. coracobrachialis aufgesucht und 30 - 50 ml Lokalanästhetikum injiziert.
Diese Technik ist relativ risikoarm, ist wohl die häufigste periphere Regionalanästhesie, die von
Anästhesisten im Klinikum Mannheim durchgeführt wird und kann auch ohne Nervenstimulation
durchgeführt werden(dann aber geringere Erfolgsrate). Mit sorgfältiger Nervenstimulation und
gegebenenfalls lokalen Ergänzungen sind hier Operationen bis zum Ellenbogen möglich. Eine
Blutleere am Oberarm wird in der Regel toleriert.
Interskalenäre Plexusblockade
Auf Höhe der Incisura thyroidea wird am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus, nach anderen
Konzepten auch zwischen M. scalenus anterior und M. scalenus medius in Richtung der
Scalenuslücke punktiert und der Plexus brachialis aufgesucht. Injektion von ca. 30-40 ml
Lokalanästhetikum. Diese Blockade wird bei Operationen an der A. carotis(ermöglicht
neurologische Überwachung während der Operation am wachen Patienten) und zusätzlich zur
Narkose zur intra- und postoperativen Schmerztherapie bei Schultereingriffen eingesetzt.
Untere Extremität
Femoralisblockade
Leitstruktur ist die Arteria femoralis knapp unter dem Leistenband(IVAN - Innen Vene, Außen
Nerv). Der N. femoralis wird knapp lateral der Arterie aufgesucht. Injektion von 30-40 ml
Lokalanästhetikum. Auch diese Blockade kann mit geringerer Erfolgsquote ohne Nervenstimulator
durchgeführt werden. Sie kann benutzt werden zur Schmerztherapie beim Umlagern von Patienten
mit Schenkelhalsfrakturen(Nachteil: Latenzzeit bis zum Einsetzen der Blockade) und zur
postoperativen Schmerztherapie nach Knieoperationen(allerdings nicht vollständig: Die Kniekehle
wird nicht betäubt).
Poplietalblock(distale Ischiadicus-Blockade)
Mit der Falte der Kniekehle als Basis wird mit den Fingern beider Hände ein gleichseitiges Dreieck
mit der Spitze nach proximal gebildet. Die Einstichstelle ist leicht lateral der Spitze, die Nadel wird
in einem Winkel zur Haut von 30 - 45° nach kranial und leicht medial geschoben. Die Reizantwort
besteht in der Flexion des Fußes. Injektion von 30-40 ml Lokalanästhetikum. Zusätzlich wird
meistens noch der N. saphenus durch subcutane Injektion von 5 - 10 ml Lokalanästhetikum medial
der Tuberositas tibiae blockiert.
Diese Blockade wird vielfach für ambulante und stationäre Operationen am Fuß verwendet. Eine
etwaige Blutleere muss dann aber knapp über dem Knöchel angebracht werden.
- 13 -
2.8.4. Rückenmarksnahe Regionalanästhesie:
Spinalanästhesie
Bei der Spinalanästhesie wird der Spinalkanal meistens medial zwischen den Dornfortsätzen in
einer Höhe punktiert, in der kein Rückenmark mehr im Spinalkanal ist, sondern nur noch die Cauda
equina(L2/3, L3/4, L4/5). Die erfolgreiche Punktion wird durch den Rückfluss von Liquor aus der
Punktionskanüle angezeigt. Anschließend wird eine geringe Menge Lokalanästhetikums
injiziert(0,5 - 2 ml Mepivacain hyperbar oder 2 - 4 ml Bupivacain iso- oder hyperbar in
Abhängigkeit von abgezielter Ausdehnung und Wirkdauer).
Vollständiger Wirkungseintritt: Mepivacain: 5 min, Bupivacain: 15 min.
Die Ausdehnung der Wirkung hängt von Injektionsmenge, Größe des Patienten und bei hyperbarem
Lokalanästhetikum(hyperbar durch Zufügung von Glucose vor der Abfüllung in Ampullen) von der
Lagerung des Patienten ab. - Hyperbares Lokalanästhetikum sinkt im Spinalkanal nach unten ab.
Das kann man sich für Operationen im Analbereich zunutze machen, indem man die Patienten noch
5 – 10 Minuten nach Injektion sitzen läßt. Das Lokalanästhetikum sinkt dann nach unten und
betäubt nur die Sakralnerven, es entsteht eine sogenannter Sattelblock, das heißt, es wird nur der
Bereich betäubt, der mit dem Sattel in Kontakt ist, wenn man auf einem solchen sitzt. Vorteil:
Minimaler Eingriff in die Körperhomoiostase, die Patienten können nach OP-Ende gleich auf
Normalstation verlegt werden.
Mit hyperbarem Lokalanästhetikum kann auch die Ausbreitung einer Spinalanästhesie in den ersten
Minuten besser gesteuert werden. Ist die Ausbreitung zu niedrig, kann der Patient kopftief gelagert
werden, sodass sich das schwere Lokalanästhetikum im Rückenmarkskanal noch nach oben
ausbreitet, ist sie schon zu hoch, kann der Patient kopfhoch gelagert werden um die Ausbreitung
nach oben zu stoppen. Beim Gebrauch von hyperbarem Lokalanästhetikum muss allerdings mit
einer kürzeren Wirkungsdauer gerechnet werden.
Für eine längere Wirkung kann auch bei der Spinalanästhesie ein Katheter zur kontinuierlichen
Applikation von Lokalanästhetikum in den Spinalkanal eingebracht werden. Da aber die
Infektionsgefahr groß ist und ein kontinuierlicher Kontakt des Lokalanästhetikums mit den
Nervenwurzeln mit der Gefahr der Nervenschädigung verbunden ist, wird dieses Verfahren selten
angewendet.
Wenn eine länger dauernde Analgesie im rückenmarksnahen Bereich gewünscht wird, führt man
deshalb eher eine
Periduralanästhesie(PDA)
durch. Bei ihr wird ein Plastikkatheter in den mit lockerem Gewebe ausgefüllten Periduralraum
eingebracht. In diesem lockeren Gewebe verteilt sich das über den Katheter injizierte
Lokalanästhetikum gut und betäubt die es durchziehenden Spinalnerven. Allerdings benötigt man
gößere Volumina an Lokalanästhetikum wie bei der Spinalanästhesie(beim Erwachsenen ca. 15 –
30 ml im Lumbalbereich, im Thorakalbereich weniger), sodaß eine mögliche systemische Toxizität
bedacht werden muss.
Im Gegensatz zur Spinalanästhesie kann die Periduralanästhesie überall im Verlauf der Wirbelsäule
erfolgen: Lumbal, thorakal, cervical. Allerdings ist bei thorakaler und cervicaler Periduralanästhesie
die Gefahr der Schädigung des Rückenmarks bei zu tiefer Punktion gegeben, sodass bei der
Punktion entsprechend sorgfältig vorgegangen werden muss.
- 14 -
Einsatzgebiete:
Lumbale PDA(Punktionsort L2/3-L4/5)
Analgesie zur Geburtserleichterung
Postoperative Schmerztherapie bei Eingriffen an der unteren Körperhälfte(heute vielfach ersetzt
durch periphere Regionalverfahren, vgl. oben).
Thorakale PDA(Punktionsort Th 7/8 abwärts)
Postoperative Schmerztherapie bei größeren abdominalen und thorakalen Eingriffen.
In diesem Rahmen kommt sie vor allem bei der „Fasttrackchirurgie“ zum Zuge: Durch
multimodales Vorgehen(Verkürzung der präoperativen Nüchternheitsphase, laparoskopische
Operation, postoperative Schmerztherapie mittels PDA, postoperative Frühmobilisation und frühe
Aufnahme der oralen Ernährung) wird bei Darmoperationen eine geringere postoperative
Morbidität, frühere Mobilisierbarkeit und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt erzielt.
Cervicale PDA
Eigentlich nur in der Schmerztherapie(Schmerzambulanz) angewendet.
Durchführung der PDA
Widerstandsverlustmethode:
Man macht sich zunutze, dass die interspinalen Ligamente sehr zäh sind, der Periduralraum
dagegen lockeres Gewebe enthält. Wenn man mit einer mit Kochsalzlösung gefüllten Spritze auf
der die Injektionsnadel sitzt mit der Nadel auf den Spinalkanal zugeht, lässt sich im Bereich der
interspinalen Ligamente nur sehr wenig und nur mit großem Druck injizieren. Erreicht die Spitze
der Nadel den Periduralraum, wird die Injektion auf einmal sehr leicht, bei kontinuierlichem Druck
beim Vorführen der Nadel kommt es zum „Widerstandsverlust“. Anschließend kann durch die
Nadel der Periduralkatheter eingeführt werden.
Methode des hängenden Tropfens:
Man macht sich zunutze, dass, vorzugsweise im Sitzen und vorzugsweise im thorakalen Bereich im
Periduralraum ein negativer Druck vorherrscht. Ein Tropfen Kochsalzlösung wird an den Konus der
Punktionsnadel angehängt und bleibt durch die Oberflächenspannung dort auch hängen. Wenn die
Spitze der Nadel den Periduralraum erreicht, wird dieser Tropfen durch den negativen Druck
eingesaugt.
Caudalanästhesie
Bei Kindern ist es technisch sehr einfach, durch den Hiatus sacralis(in der Mitte des
Beckenknochens, unmittelbar proximal des Os cocczygeums) den Periduralraum zu punktieren und
in diesen ein Lokalanästhetikum(Ropivacain 0,2%) zu injizieren. In der Kinderanästhesie wird
dieses Verfahren bei fast allen Kindern bis zu 20-25 kg KG zur postoperativen Schmerztherapie
durchgeführt, die grob gesagt unterhalb des Bauchnabels operiert werden, soweit es nicht ein
besseres Regionalverfahren(z. B. Peniswurzelblock) gibt.
Da das Verfahren relativ sicher ist, kann es in Narkose durchgeführt werden. Der Hiatus sacralis
kann getastet werden, indem man eine Fingerkuppe in ihn legt. Man fühlt dann caudal den Beginn
des Steißbeins und lateral zwei knöcherne Cornua. Die Injektionsnadel wird im Winkel von 45° zur
- 15 -
Haut eingeführt, beim Erreichen des Periduralraums verspürt man meistens einen leichten
Widerstandsverlust, etwa so, wenn Sie ein Papier durchstechen. Die Nadel wird nach unten gekippt,
noch 1-2 mm vorgeschoben, ein Aspirationsversuch und anschließend eine Probeinjektion mit
Kochsalzlösung durchgeführt. Wenn die Probeinjektion gut möglich ist, wird das
Lokalanästhetikum injiziert(je nach Operationsgebiet 0,5 – 1,5 ml/kg KG; je cranialer das OPGebiet, desto eher ist die Menge durch mögliche Toxizität begrenzt).
- 16 -
Herunterladen