Material I

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Alkohol und Krebs
Bereits
bei
einem
mäßigen Alkoholkonsum steigt das
Krebserkrankungsrisiko für bestimmte Krebsarten. Hierbei
ist von Bedeutung, daß die Menge und nicht die Art des
Alkohols entscheidend ist. Aufgrund seiner zellschädigenden
Wirkung kommt es besonders im Bereich der oberen Luftwege
und des Verdauungstraktes aber auch im Bereich der Prostata
und der weiblichen Brust zu einem vermehrten Krebsrisiko.
Dies führt dazu, daß alkoholabhängige Patienten, vor allem
im höheren Lebensalter, vermehrt an Krebs erkranken und
auch
an
Krebs
sterben.
Besonders
Mitarbeiter
aus
Soziotherapeutischen
Einrichtungen
sind
zunehmend mit
dieser Problematik konfrontiert, da sie diese Patienten
über lange Jahre begleiten und somit ihre Patienten
häufiger in ein Lebensalter kommen, bei dem sich von der
Krankheitsgeschichte her ein Krebsleiden entwickelt hat.
Ziel des Seminars ist es daher, grundsätzliches Wissen über
die Entstehung von Krebs, insbesondere aber auch im
Zusammenhang mit Alkoholkonsum zu vermitteln.
Um verstehen zu können, wie Krebs entsteht, sei darauf
hingewiesen,
daß
ständig
im
Körper
Zellteilungen
stattfinden, um das vorhandene Gewebe zu erneuern, da sich
bis auf Nerven- und Muskelzellen alle Gewebe in einem
ständigen Umbruch (Absterben und Neubildung) befinden. Man
kann davon ausgehen, daß der Körper viele Milliarden bis
Billionen Zellen pro Tag neu bildet.
Bei jeder Zellteilung ist es erforderlich, daß aus der sich
teilenden Zelle zwei völlig identische Tochterzellen
werden. Dazu muß auch die gesamte genetische Information
verdoppelt werden, ohne daß dabei Fehler passieren dürfen.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Aufgabe, die gesamte
Bibel abzuschreiben ohne dabei ein Wort falsch zu
schreiben. Wenn man sich dann noch vorstellt, daß es bei
der Zellteilung nicht nur um die Information einer Bibel,
sondern ganzer Bibliotheken geht, ist es einleuchtend, daß
dieses System störanfällig sein kann.
Es kommt immer wieder vor, daß Fehler bei der Verdopplung
von Zellen entstehen, und so auch spontan Krebszellen
gebildet werden. In der Regel repariert der Körper solche
Pannen über sein Immunsystem.
Das System der Verdopplung der genetischen Information und
Zellteilung wird während des Seminars verdeutlicht.
Auf
dieses
System
können viele Faktoren schädigend
eingreifen. So z. B. genetische Faktoren, Umwelteinflüsse,
aber auch die Ernährung sowie bestimmte Genußmittel, vor
allen Dingen Alkohol und Nikotin.
Werden Zellen durch krebserzeugende Substanzen geschädigt,
kommt es zu Fehlern im Erbgut, der sogenannten DNA. Die
Zellen entarten, d. h. sie sind in ihrem Aufbau und ihrer
Funktion nicht mehr identisch mit dem Muttergewebe. In der
Regel kommt es dann auch zu einer ungesteuerten Zellteilung
und
damit
zu
einem ungesteuerten Wachstum (Tumor).
Zusätzlich
können
sich
diese entarteten Zellen vom
Krebstumor
lösen
und
an
anderen
Stellen
neue
Tochtergeschwülste entwickeln sogenannte Metastasen.
Wichtige Ursachen bei der Krebserstehung können genetische
Ursachen, also anlagebedingte Ursachen sein. So leiden z.
B. Töchter, deren Mütter an Brustkrebs erkrankt sind,
häufiger selbst auch an Brustkrebs als Frauen anderer
Populationen.
Die
krebserzeugende
Wirkung
geht
von
bestimmten
Strahlen,
wie
radioaktive
Strahlen,
Röntgenstrahlen aber auch UV-Strahlen aus, weswegen man
ausgedehnte Sonnenbäder verantwortlich für die Entstehung
von Hautkrebs macht. Bestimmte Umweltgifte, wie z. B.
Schwermetalle
aber
auch
organische
Verbindungen
wie
Nitroverbindungen, spielen ebenso eine wichtige Rolle. Bei
den Nahrungs- und Genußmitteln sind es vor allen Dingen
Nikotin,
Alkohol,
Nitrosamine,
Benzpyren
und
andere
organische Verbindungen. Aber auch Medikamente, sogar
harmlose Abführmittel können die Krebsentstehung auslösen.
Alkohol und seine Abbauprodukte schränken die Funktionen
der Zellen ein (z. B. im Rausch). Alkohol kann aber auch
Zellen abtöten (z. B. hirnorganischer Abbau). Alkohol
schädigt
das
Erbgut
(krebserzeugende
Wirkung,
Embryopathie). Alkohol schädigt aber auch das Immunsystem,
was nicht nur zur vermehrten Infektanfälligkeit, sondern
auch zur Schädigung des Reparatursystems des Körpers führt.
Man kann sich unschwer vorstellen, daß vor allem die
Organsysteme besonders anfällig für die Entstehung von
Krebsleiden im Zusammenhang mit Alkohol sind, die direkt
mit dem Alkohol oder seiner Abbauprodukte in Verbindung
kommen, so z. B. der Mundbereich, der Rachen, die oberen
Luftwege, die Speiseröhre, der Magen- Darmtrakt, die
Bauchspeicheldrüse, die Leber aber auch die Prostata und
die weibliche Brust. So finden sich z. B. bei regelmäßigem
Alkoholkonsum (und hier sind nicht Abhängige gemeint,
sondern ein regelmäßiger Alkoholkonsum von etwa mehr als 15
g Reinalkohol/Tag und etwa 30 g Reinalkohol/Tag beim Mann)
folgende Krebsleiden häufiger:
im Bereich der Mundhöhle und der Speiseröhre findet man
ein etwa 18 bis 30 mal höheres Risiko, in Kombination
mit Nikotin zusätzlich deutlich höher
im Bereich der oberen Luftwege ein etwa 4,7fach größeres
Risiko
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse kommen 2,5mal so
häufig vor, ebenso häufiger Erkrankungen des Darmes
im
Bereich
der
Leber
finden
sich
gehäufte
Leberzellkarzinome auf dem Boden der alkoholischen
Leberzirrhose (Häufigkeitszahlen schwanken)
im Bereich der Prostata findet man ein 4,5mal so großes
Risiko und
im Bereich der weiblichen Brust ein 41 % höheres Risiko
an diesen Karzinomen zu erkranken.
Das größte Problem im Bereich der Krebstherapie ist die
Früherkennung. Diese wird häufig vom Betroffenen nicht
durchgeführt, hat aber auch in sich ihre Grenzen. So kann
man z. B. einen Tumor erst erkennen, wenn er z. B. so groß
ist, daß er Symptome macht (verdrängendes Wachstum,
Blutungen), tastbar ist (Brust), sichtbar ist (Haut) oder
zumindest so groß ist, daß er falls er nicht direkt gesehen
oder gefühlt werden kann, sich im bildgebenden Verfahren
(Computer-Tomogramm, Kernspintomographie) darstellt.
Dies bedeutet aber, das Tumore mindestens einige Millimeter
oder gar Zentimeter groß sein müssen, um überhaupt
diagnostizierbar zu sein. Unterstellt man, daß Tumore für
eine solche Größe dann aber mindestens 10 hoch 8 Zellen (d.
h. 100 Millionen Zellen) haben müssen und unterstellt man,
daß z. B. manche Tumore eine Zellverdopplungsrate von etwa
2 Monaten haben, so kann man leicht nachrechnen, daß viele
Tumore schon Jahre alt sind, selbst wenn man sie sehr früh
erkennt. Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt dies: hat ein
Tumor eine Verdopplungsrate von ca. 2 Monaten, so h. d.,
daß man nach 2 Monaten 2, nach 4 Monaten 4, nach 6 Monaten
8, nach 8 Monaten 16, nach 10 Monaten 32, nach 12 Monaten
64 usw. Zellen hat. Oder anders ausgedrückt, nach fast 30
Verdopplungszeiten, die Mindestzahl zum Nachweis erreicht
wird. 30 Verdopplungszeiten wären entsprechend 5 Jahre. Da
manche Tumore langsamer wachsen und aus viel mehr Zellen
bestehen, können dies auch einige Jahre mehr sein. In
dieser Zeit besteht natürlich auch das Risiko, daß sich
Zellen vom Tumor gelöst haben und bereits an anderen
stellen des Körpers Tochtergeschwülste gebildet haben
(Metastasen). Dies Rechenbeispiel zeigt aber auch, daß wenn
ein Tumor einmal besteht, er scheinbar immer schneller und
immer rascher wächst, denn logischerweise werden auch 100
Millionen Zellen nach 2 Monaten 200 Millionen, nach 4
Monaten 400 Millionen und nach 6 Monaten 800 Millionen
Zellen. D. h. innerhalb von 6 Monaten wäre der Tumor 8mal
so groß.
Von daher ist und bleibt die Früherkennung und die
frühzeitige Behandlung das Wichtigste in der Tumortherapie.
Die beste Möglichkeit, einen Tumor zu behandeln, ist ihn
chirurgisch zu entfernen, was natürlich nicht immer
gelingen kann. Dies hängt von der Art des Gewebes
(unmöglich bei Leukämie etc.), der Ausdehnung und der
Operabilität ab.
Es gibt aber auch Möglichkeiten, Tumoren in ihrem Wachstum
zu hemmen bzw. damit zu abzutöten, in dem man radikal auf
ihre Zellteilung einwirkt. Dies kann geschehen durch
bestimmte Strahlung (Strahlentherapie) oder durch chemische
Stoffe – sogenannte Zytostatika). Alle diese Methoden
wirken hemmend auf die Zellteilung. Da sich aber nicht alle
Tumorzellen immer im gleichen Stadium der Zellteilung
befinden, d. h. sich nicht synchron ständig teilen, sondern
zu verschiedenen Zeitpunkten, müssen solche Behandlungen im
Rahmen eines zeitlichen Zyklus immer wieder wiederholt
werden und kontrolliert werden. Man kann sich unschwer
vorstellen, daß die meisten diese Therapien natürlich nicht
nur das Tumorgewebe schädigen, sondern grundsätzlich alle
Systeme des Körpers, die von der Zellteilung abhängen, dies
führt dementsprechend zu Nebenwirkungen des blutbildenden
Systems (Blutarmut), zu Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen
(Magenschleimhaut) und anderen gravierenden Nebenwirkungen.
Die neuere Tumortherapie versucht dies auch hormonell bzw.
durch den gezielten Einsatz von Antikörpern.
Es ist andererseits aber auch leicht nachvollziehbar, daß
eine Krebstherapie unterschiedlich hohe Erfolgsquoten ab.
Dies hängt von der Größe des Tumors, von der Art des
Tumors, von der Tatsache, ob er metastasiert hat, von der
Operabilität zum Zeitpunkt der Erkennung und vielen anderen
Faktoren ab.
So kann z. B. heute die kindliche Leukämie zu ca. 80 %
geheilt (!) werden. Andere Tumore sind heute noch nur
unbefriedigend zu behandeln (Bauchspeicheldrüse, Niere).
Gerade im Bereich der Soziotherapie sieht man sich immer
häufiger mit älteren Abhängigen konfrontiert, die ein
Krebsleiden (höheres Krankheitsrisiko) entwickeln und an
diesem
versterben.
Um
so
wichtiger
ist
es
daher,
grundsätzliches
über
Krebsentstehung
und
Behandlungsmöglichkeiten zu wissen. Ebenso unerläßlich ist
es aber, die Mitarbeiter dieser Einrichtung zu stützen, die
sehr häufig in zunehmendem Umfang Sterbebegleitung leisten
müssen.
Ich hoffe, daß es mir gelungen ist, zumindest das
Grundwissen über diese zunehmende Problematik im Bereich
der Soziotherapie aber auch in der Suchtbehandlung generell
zu vermitteln.
Dr. Hubert Buschmann
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