Blut-Hirn-Schranke

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Felix Joachimski, [email protected]
Neuroanatomie-Seminar 28.5.1998
Blut-Hirn-Schranke
Das extrazelluläre Milieu des Gehirns ist vom Blutplasma durch eine restriktive Epithel-Barriere abgetrennt, die durch
einen kombinierten Filtrations-, Sekretions- und Resorptionsprozeß die Homöostase der Nervenzellumgebung
genauestens kontrolliert. Hierfür weist das zerebrale Kapillarendothel besonders dichte tight junctions (Blut-HirnSchranke) und zahlreiche besondere Stoffwechselaktivitäten auf. Da die zerebrale extrazelluläre Flüssigkeit (EZF) über
die Ependymzellen in direktem Austausch mit dem Liquor steht, müssen die Plexus choroidei an der Grenze zwischen
Blut und Liquor eine ähnliche Aufgabe (Blut-Liquor-Schranke) übernehmen.
Die kontrollierte Isolierung des Nervengewebes vom Blut und damit vom restlichen Körper ist eine wohlkonservierte
Erfindung der zerebralen Kapillarendothelien frühester Wirbeltiere. Obwohl Paul Ehrlich schon 1885 festgestellt hatte, daß
das Gehirn zumindest für ins Blut injizierte Farbstoffe nicht zugänglich ist, konnte erst in den sechziger Jahren diesen
Jahrhunderts bewiesen werden, daß die von Ehrlich entdeckte Blut-Hirn-Schranke durch das zerebrale Kapillarendothel
aufgebaut wird. Der Begriff der Blut-Hirn-Schranke wird sowohl als Oberbegriff für alle Epithelbarrieren zwischen
Blut(plasma) und Nervengewebe (Blut-ZNS-Schranke, Blut-Liquor-Schranke, Blut-Retina-Schranke, Blut-NervenSchranke) als auch zur Bezeichnung der Grenze zwischen Kapillargefäßen und zerebraler EZF verwendet.
Histologie
Die eigentliche Blut-Hirn-Schranke (BBB) zwischen
Kapillarendothel und zentralnervösem Extrazellularraum
wird gebildet von den durch enge tight junctions
verbundenen Endothelzellen, den umgebenden Perizyten
und der gemeinsamen kontinuierlichen Basalmembran
(Abbildung 1). Obwohl 99% der Kapillaroberfläche von
Astrozytenausläufern besetzt ist, tragen diese wegen der
immer noch erheblichen Abstände zwischen den Zellen
nichts zur BBB bei. Allerdings ist die Anwesenheit von
Astrozyten für die Induktion der charakteristischen
Strukturelemente und Enzyme der Endothelzellen
erforderlich, zu denen die tight junctions, verschiedene
Transporter und Kanäle, sowie einige Stoffwechselenzyme
gehören.
Physiologie
Allgemeine Eigenschaften. Im Gegensatz zu den teilweise
fenestrierten Kapillarendothelien in der Körperperipherie,
die – wenn überhaupt – dann leaky tight junctions mit
geringem hydraulischem und elektrischem Widerstand (510 /cm2) aufweisen, sind die tight junctions der
Hirngefäße sehr dicht und haben damit einen hohen
elektrischen (2000 /cm2) wie hydraulischen Widerstand.
Die für die Körperperipherie typischen parazellulären und
vesikulären Transportmechanismen finden sich kaum.
Die zahlreichen, teils energieaufwendigen Transporte
erreichen i.a. keine Substanzkonzentrationen über dem
Plasmalevel. Neurotransmitter werden aus dem Gehirn
exportiert während Vorstufen (z.B. Tryptophan, Cholin)
aufgenommen werden.
Diffusion durch die BBB. Lipophile Substanzen
diffundieren frei (nur perfusionslimitiert) über die BBB.
Auf diese Weise gelangen O2, CO2, aber auch NH3 und
volatile Anästhetika wie N2O in das Gehirn. Die
Diffusionsfähigkeit von Plasmasubstanzen hängt allgemein
ab von
 der Fettlöslichkeit (Abbildung 2): für hydrophile
Substanzen und Elektrolyte ist die BBB praktisch
dicht;
Abbildung 1 – Morpholgie der BBB
 ggf. vom Dissoziationsgrad (z.B. NH4+  NH3 + H+) und
 der Plasmaproteinbindung. So übertritt Bilirubin erst dann die BBB, wenn seine Plasmakonzentration die
Bindungskapazität von Albumin überschreitet.
Im Falle der stark Plasmaprotein-gebundenen, lipophilen
Steroidhormone interagiert das Kapillarendothel der Hirngefäße mit
dem Trägerprotein und führt zu einer Freisetzung und damit raschen
Permeation über die BBB.
Carrier-vermittelter Transport (Abbildung 3). Glucose
erreicht die zerebrale EZF mithilfe des unspezifischen,
Insulin-unabhängigen Hexose-Transporters GLUT-1, der
sowohl auf der luminalen wie auf der abluminalen
Membran zu finden ist. Er hat eine Km im Bereich der
doppelten Plasmaglucose-Konzentration und eine Vmax,
die für den dreifachen Bedarf ausreicht.
 Kurzkettige
Monocarboxylate
(L-Lactat,
Ketonkörper) werden mit niedriger Kapazität
tranportiert. Im Fastenzustand wird durch Induktion
und Aktivierung dieses Carriers die Aufnahme von
Ketonkörpern gesteigert. Deren Verbrennung ist im
Gehirn transportlimitiert.
 Aminosäuren: Ein unspezifischer Transporter für
Abbildung 2 – Abhängigkeit der BBB-Passage von der Lipidlöslichkeit
lange neutrale Aminosäuren (L-Typ) wird durch
Phenyl überlastet, so daß die Aufnahme von
Tryptophan und Tyrosin blockiert wird. Ein weiterer Carrier existiert für den Import basischer Aminosäuren. Kleine
Aminosäuren (GABA, Glycin, Prolin, Alanin) werden über ein A-System, saure Aminosäuren (Glutamat, Aspartat)
Abbildung 3 – Transportprozesse an der BBB
Abbildung 4 – Transportprozesse am PC
über einen eigenen Transporter über die abluminale Endothelmembran aus dem Gehirn geschleust.
Receptor- und Plasmaprotein-vermittelter Transport. Zahlreiche Peptidrezeptoren führen zur Endo- und Transzytose.
Beispielsweise werden Insulin (Rolle im Gehirn unklar) und Eisen/Transferrin-Komplexe durch Rezeptor-vermittelte
Endozytose aufgenommen
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(Sekundär) aktiver Transport und Ionenkanäle. Der aktive Natrium-Transport über die abluminale Na +/K+-ATPase
erlaubt Na+-Symporte (z.B. Glycin). An der Blut-Liquor-Schranke wird durch den Natriumtransport ein hoher
osmotischem Wasserfluß zur Liquorproduktion angetrieben. Für den Ionentransport siehe Abbildung 3.
Parazellulärer Transport. Nur eine sehr geringe Anzahl besonders kleiner Poren in den tight junctions ermöglicht einen
wahrscheinlich allerdings regulierten parazellulären Ionen- und Wasserfluß.
Metabolische Schranke. Durch endotheliale Enzyme wie -Glutamyl-Transpeptidase, alkalische Phosphatase,
Butyrylcholinesterase,
aromatische
L-Aminosäure-Decarboxylase,
Monoaminoxidase,
Adenylatcyclase
und
Guanylatzyklase werden aufgenommene und zerebrogene Substanzen modifiziert und abgebaut.
Eine besondere Rolle kommt dem P-Glykoprotein (auch P-170) zu, welches unter ATP-Aufwand Steroidhormone, natürliche Toxine und Medikamente
transportiert, aber auch als Chloridkanal fungiert. Es findet sich auch in Nieren, Colon, Placenta, Nebennieren und an der Blut-Hoden-Schranke. Das
zugrundeliegende MDR-1 (multi drug resistance) wird in bestimmten Tumorzellen zur Abwehr verschiedener Cytostatika exprimiert.
Pathophysiologie
Eine Beeinträchtigung der BBB durch Erhöhung vor allem
der parazellulären Permeabilität geht meist mit schweren
Hirnfunktionsstörungen einher. Umgekehrt zieht aber auch
jede schwere ZNS-Erkrankung die BBB in Mitleidenschaft.
 Mögliche Substanzen, die die BBB herabsetzen, sind:
Arachidonsäure und ihre Metaboliten, Eicosanoide und
freie Sauerstoffradikale,
Histamin, Bradykinin,
Serotonin, Cytokine, PAF und Complementfaktoren.
 Hirnödem. Volumenzunahme durch Schwellung
einzelner Hirnanteile führt zur Verminderung des
Liquorraumes, der Durchblutung und schließlich zum
Hirndruck.
Vasogen: Erhöhtes zerebrales EZV durch Permeabilitätsanstieg der
Kapillarendothelien (Abbildung 5). Tritt oft auch in Randbezirken von
Ischämien auf.
Cytotoxisch-hypoxisch: Durch Anschwellung von Neuronen, Glia und
Endothelzellen. Bei Ischämie bzw. Hypoxämie führt der
Sauerstoffmangel zum Ausfall der Na+/K+-ATPase und damit der Volumenregulation.
Abbildung 5
Cytotoxisch-osmotisch: Gegenüber Osmolaritätsschwankungen des Plasmas ist die BBB weitgehend wehrlos. Hyposmolares Plasma
(Wasserintoxikation, Hyponatriämie) führt zur Endothelschwellung mit nachfolgender Beeinträchtigung der BBB und damit Na+- und
Wassereinstrom. Hyperosmolare Zustände (Diabetes-Entgleisung) führen zur Exsikkose der Endothelzellen, zum Ausschwemmen der zerebralen
EZF und schließlich zur Schrumpfung der Hirnzellen.
Interstitiell: Anstieg des Wasser und Na+-Gehalts im periventrikulären Gewebe durch transependymale Reabsorption von Liquor z.B. bei
Abflußstörungen.
 Multiple Sklerose und andere Immun- und Entzündungsprozesse führen zu einer vermehrten Einwanderung von
Abwehrzellen durch Schwächung der Interzellularverbindungen im Kapillarendothel. Nach Schlaganfall scheinen die
vermehrt auftretenden Neutrophilen und Monozyten eine Quelle neurotoxischer Substanzen zu sein.
 Definitionsgemäß versagt bei der hypertensiven Krise die vasogene konstriktorische Gegenregulation in den
Arteriolen. Folglich steigt auch die hydraulische Belastung der Kapillarendothelien; eine Öffnung der tight junctions
ist die Folge. Obwohl diese Veränderungen reversibel sind, kann das entstehende (vasogene) Hirnödem erhebliche
Komplikationen verursachen. Diesem Mechanismus schreibt man auch die schädigende Wirkung von Epilepsien an
der BBB zu, weil Konvulsionen notorisch von teils erheblichen Blutdruckanstiegen begleitet werden.
 Weil den Kapillarendothelien in Hirntumoren die astrozytären Projektionen fehlen und weil Hirntumoren mitunter
BBB-schwächende Substanzen sezernieren, sind ihre Gefäße häufig leaky. Dies macht sie einer Chemotherapie
prinzipiell zugänglich und führt zu kontrastreichen NMR-Bildern.
 Der HIV erreicht das Gehirn über einwandernde, infizierte Makrophagen.
 Entgegen häufig angetroffenen Meinungen [6] ist die BBB schon bei Geburt voll funktionsfähig [7]. Der Kernikterus
ist Folge einer massiven unkonjugierten Hyperbilirubinämie, die beim Neugeborenen früher als beim Erwachsenen die
Plasmaprotein-Bindungskapazität überschreitet. Freies Bilirubin ist jedoch auch beim Erwachsenen BBB-gängig [5].
 Für die Infiltration von Erregern der bakteriellen Meningitis werden verschiedene Mechanismen diskutiert: (1)
Bindung an Membranproteine der Endothelzellen (2) Übertritt in Makrophagen (3) Überspülen der BBB bei massiver
Bakteriämie. Die folgende Infektion des Gehirns verläuft meist brisant, da zunächst nur wenige Abwehrzellen und
Antikörper vorhanden sind. Die Symptome einer bakteriellen Meningitis sind dann allerdings Anzeichen einer
massiven Abwehrreaktion mit Herabsetzung der BBB und folgendem cytotoxischem Hirnödem. Immerhin wird auf
diese Weise die Antibiotikatherapie auch mit nicht BBB-gängigen Substanzen ermöglicht.
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Pharmakologie
Zur Einschleusung von Chemotherapeutika, Antibiotika (deren Wirkung trotz krankheitsbedingter – im Falle von Tumoren
lokaler – Permeabilitätssteigerung durch die BBB immer noch herabgesetzt wird) und Antikonvulsiva in das BBBbewehrte Gehirn greift man zu folgenden Taktiken.
 Lipophile Modifikation zur Verbesserung der BBB-Penetranz: Hydrophile Gruppen müssen lipophil getarnt werden.
 Intrathecale Applikation.
 Vorspritzen einer hyperosmolaren Lösung (Mannitol) in die A. carotis zur reversiblen Öffnung der BBB.
 Bei der Parkinson-Therapie kann das im Striatum mangelnde Dopamin nicht direkt appliziert werden, weil es die BBB
nicht passiert. Der Vorgänger L-DOPA kann allerdings über Carrier eingeschleust werden und in sehr hohen Dosen
dann auch die metabolische Schranke der aromatischen Aminosäure-Decarboxylase überwinden.
Blut-Liquor-Schranke
Die Blut-Liquor-Schranke in den Plexus choroidei (PC) besteht aus einer einschichtigen Epithellage (Lamina epithelialis),
auf der außen (innen?, je nachdem) eine gefäßführende Bindegewebsschicht aus einschichtig kubischem Epithel (Tela
choroidea, Derivat der weichen Hirnhaut) zu liegen kommt. Prinzipiell ähneln sich Aufbau und Funktion von PC und BBB
(Abbildungen 3 und 4). Allerdings wird der filtrierte Plasmaanteil durch aktive NaCl-Resorption mit nachfolgendem
Wassereinstrom in den Liquorraum ergänzt. Der zugrundeliegende Mechanismus und demnach auch die Morphologie
ähneln denjenigen anderer isotone Flüssigkeit resorbierender Epithelien (Gallenblase, Nierentubulus). Darüberhinaus
werden Nährstoffe (Nucleoside, Vitamine, etc.) durch aktiven Transport in den Liquor übernommen und
Stoffwechselprodukte an das Blut abgegeben (bidirektionaler Transport).
Liquor-Hirn-Schranke
Die Grenze zwischen Liquorräumen und Nervengewebe wird durch eine einschichtige Ependymzellschicht gebildet.
Ependymzellen weisen eine große Ähnlichkeit mit Nierentubuluszellen auf, obwohl sie zur Familie der Gliazellen gehören.
Elektronenmikroskopisch finden sich 35-60 Kinozilien, gap junctions und Zonulae adhaerentes, aber keine tight junctions.
So ist die Diffusion kleiner gelöster Stoffe durch die Liquor-Hirn-Schranke unbehindert.
Liquorkontaktneurone entsenden Fortsätze durch die Ependymschicht, sind meist aminerg und wurden in der Area postrema und im Zentralkanal
gefunden. Die Fortsätze sind kolbenförmig erweitert mit terminalen Mitochondrienansammlungen oder radiär in den Liquor gerichteten Stereozilien. Man
stuft sie als Chemo- bzw. Mechanorezeptoren (Gravitations-, Vibrations-, Strömungsreize) ein.
Liquor
Die
Liquorräume
(Hirnventrikel
und
Subarachnoidealraum) umfassen etwa 150 ml, deren
Inhalt durch Liquorproduktion in den PC (80%) und
kleinen Pia-Gefäßen (20%, insgesamt 0,3-0,4 ml/min)
und Abfluß über die Granulationes arachnoideales
(schubartiger, unidirektionaler „bulk flow“) am Tag
etwa viermal umgewälzt wird.
Der
Liquor
hat
neben
mechanischen
Schutzaufgaben und seiner Funktion als Lymphersatz
vor allem die Homöostase des externen Hirnmilieus zu
gewährleisten, weil er ja im ständigen Austausch mit
der zerebralen EZF steht.
Plasma
mmol/l
mmol/
kg H2O
Na+
K+
Ca2+
Mg2+
ClPhosphat
Lactat
HCO3Protein [g/l]
143,0
4,0
2,5
0,8
105,0
0,9
1,0
26
70
153,7
4,3
2,7
0,8
112,9
1,0
1,1
28
0
PlasmaUltrafiltrat
mmol/kg H2O
Liquor
mmol/kg H2O
137,0
3,8
2,4
0,7
109,0
0,9
1,0
33
0
149,0
3,0
1,0
1,0
128,0
0,6
1,3
26
0,2
 Die extraneuronale Kaliumkonzentration wird über
Tabelle – Konzentrationen im Plasma, Ultrafiltrat und Liquor
weite Schwankungsbereiche des Plasmakaliums
konstant gehalten. Hierzu wird Kalium von Astrozyten über K+-Kanäle und von den Zellen der BBB und der PC aktiv
(Na+/K+-ATPase in der abluminalen Zellmembran) resorbiert.
 Auch die Konzentrationen von Ca2+, Mg2+, Bikarbonat und Glucose werden durch teilweise aktive Transporte
unterhalb der Plasmakonzentration gehalten.
 Durch genaue Kontrolle der Bicarbonatsekretion wird der pH des Liquors von metabolisch bedingten Entgleisungen
des Plasma-pHs verschont.
Respiratorische Störungen teilen sich wegen der hohen CO2-Permeabilität der BBB schneller an das Gehirn mit als metabolische, bei denen die
respiratorische Kompensation via CO2 sogar eine paradoxe pH-Entwicklung im Gehirn zur Folge haben kann.
 Die hohen Konzentrationen der Plasma-Aminosäuren mit Neurotransmitterwirkung (z.B. Glutamat 30-70 mol/l,
Glycin 215 mol/l, Alanin) werden durch sekundär-aktiven Na+-Symport aus der EZF und spezifische Kontrolle des
Aminosäure-Imports von der CSF ferngehalten.
 Insbesondere in der frühen Entwicklungsphase ist die Kontrolle der Level von Wachstumsfaktoren entscheidend.
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 Der bidirektionale Transport an den PC und der ständige Liquorabfluß gewährleisten eine kontinuierliche Entsorgung
von Schadstoffen.
Liquordiagnostik. Gesamtprotein (insbesondere Albumin), Glucose, Lactat, IgG. Es wird jeweils der auf das Plasma bezogene Relativwert angegeben
(L/P: Albumin 1,8-7,4 · 10-3; IgG-Quotient = 0,5-3,5 · 10-3, Glucose 0,6-0,9). Bei der Labordiagnostik von Liquorproben muß man bei konkomitanter
Beeinträchtigung der BBB den Wert um den BBB-leak korrigieren, um einer lokalen Anhäufung – z.B. von IgG – auf die Schliche zu kommen.
 Milchiger Liquor findet sich bei hohem Protein- oder Leukozytengehalt
 Blutiger oder gelber (Xanthochromie, meist durch Albumin-gebundenes Bilirubin) Liquor tritt nach intrazerebraler oder SA-Blutung auf oder bei
einem Proteingehalt > 150 mg%.
 Im Liquorausstrich gilt ein WBC > 3/mm3 als pathologisch, bei Meningitis werden Werte bis zu 3000/mm3 erreicht.
 Ein Proteingehalt > 500 mg% ist typisch für Liquorabflußstörungen (Hydrozephalus, Tumor).
 Bei multipler Sklerose sind die -Globuline deutlich erhöht.
 Bei bakteriellen Infektionen ist der Liquor-Glucose-Gehalt oft deutlich erniedrigt.
Zirkumventrikuläre Organe
Als zirkumventrikuläre Organe faßt man die unten aufgezählten
Wandareale des Ventrikelsystems zusammen, die allesamt unpaar in der
Medianebene liegen oder wenigstens aus dieser Position bilateral
ausgewachsen sind (Abbildung ). Histologisch unterscheiden sie sich
von anderen Hirnregionen durch ein Epithel aus gestreckten Tanyzyten
und eine reiche Versorgung mit fenestrierten Blutgefäßen ohne BBB, so
daß das perivaskuläre Gewebe im Austausch von Protein-freiem Wasser
– also auch von Hormonen und Oligopeptiden – mit dem Blutplasma
steht („neurohämale Regionen“). Für die Abgrenzung des lokalen
Plasma-nahen Milieus von der CSF weist die Tanyzytenschicht dichte
tight junctions im Stile der regulären BBB auf. Tanyzyten stehen den
Astrozyten nahe. Sie tragen meist nur eine Kinozilie und entsenden
häufig einen Fortsatz in Blutgefäße.
 Plexus chorioidei
 Infundibulum/Eminentia mediana: Hier werden verschiedene
Substanzen u.a. zur Steuerung des HVL sezerniert.
 Neurohypophyse
Abbildung 6 – Zirkumventrikuläre Organe
 Organum vasculosum laminae terminalis: Es reagiert auf im Blut
1 – Organum subfornicale
4 – Area postrema
und Liquor zirkulierende Substanzen wie Angiotensin II und
2 – Organum subcommissurale
5 – Neurhypophysis
3 – Corpus pineale
6 – OVLT
eventuell Interleukin-1 (Temperatur-Regulation). Es dürfte
zahlreiche Kontrollfunktionen ausüben, insbesondere im
Elektrolyt- und Wasserhaushalt.
 Organum subfornicale: 1 mm3; unter dem Fornix auf Höhe des Foramen interventrikulare. Hat besonders viel Kontakt
zu zirkulierendem Liquor und Zufluß aus drei Hirnarterien. Das Kapillarbett ist mit dem des PC verbunden. Es enthält
zahlreiche Liquorkontaktneuronen, die wahrscheinlich auf Angiotensin II und osmotische Belastungen reagieren.
Vermutlich ist es an der Regulation des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes, insbesondere der Durstenwicklung, sowie
des Blutdrucks beteiligt.
 Corpus pineale: Hängt zwischen Commissura habenularum und Commissura posterior an der Hinterwand des III.
Ventrikels, die Einbuchtung zwischen den Colliculi superiores überragend. Pinealozyten sind modifizierte
Rezeptorzellen, die Indole und Peptide wie Melatonin und Vasopressin synthetisieren. Die Zirbeldrüse zeigt indirekte
Reaktionen auf Licht reize, die sie über über längere Neuronenketten von der Retina erhält, wobei sie nicht nur auf
Hell-Dunkel-Phasen (Melatonin-Produktion nur nachts), sondern auch auf kürzere und längere Rhythmen anspricht.
 Organum subcommissurale: An der Unterseite der Commissura posterior am Übergang des III. Ventrikels in den
Aquäductus sylvii. Ist nur in der Embryonalperiode besonders ausgebildet. Vermutlich an der Regulation des
Elektrolyt- und Wasserhaushaltes, sowie an der Ausschüttung von Gonadotropin beteiligt.
 Area postrema – vermittelt über Kontakte zum Nucleus solitarius offenbar zentralchemosensible Brechreflexe.
Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
Benninghoff, A – Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen, Bd. 2, 15. Auflage. Hrsg. D. Drenckhahn, W. Zenker.
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Crone, C – The Blood-Brain Barrier as a Tight Epithelium: Where is Information Lacking? In: The Neuronal Microenvironment, Ann NY Acad
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Isselbacher, KJ, E Braunwald et al. – Harrison’s Principles of Internal Medicine, 14. Auflage. McGraw-Hill 1997.
Löffler G und PE Petrides – Biochemie und Pathobiochemie, 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 1997.
Suckling, AJ, MG Rumsby and MWB Bradbury (eds.) – The Blood-Brain Barrier in Health and Disease. Ellis Horwood, Chicester 1986.
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