IV Die Psychiatrische Klinik

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Intuitive Psychotherapie in der Psychiatrie
Ein Trainingskurs
Die intuitive prismatische Kommunikationsform ist eine sinnliche und Phantasie
orientierte Wahrnehmungs- und Gesprächsmethode, mit der sich rational und
emotional dominierte Kommunikationsformen erweitern lassen.
Körperbezogene sowie musische Gestalt- Gestaltungs- Tanz- und Musik
Therapien haben uns gezeigt, wie die in Krankheitskomplexen
eingeschlossenen gesunden Möglichkeiten
sich entfalten lassen.
Intuitiv prismatisches kommunizieren ermöglicht bildsprachlich diese sinnlichen
und Phantasie getragenen Wahrnehmungs- und Handlungsspielräume
zu erweitern.
Worte und Sätze
besitzen Flügel, wenn wir ihren Tönen lauschen, ihre metaphorische Vielfalt
verstehen und wenn wir die in Geschichte und Geschichten
enthaltene Fülle des Erlebens öffnen.
Die Öffnung sinnlicher Erlebensräume mobilisiert schöpferische Vorstellungen
und Gestaltungskräfte. In Supervisions und Beratungsgesprächen lassen
sich hiermit burn-out-Symptome und Teamkonflikte verringern.
In therapeutischen Gesprächen lassen sich Gefühls- und Beziehungsblockaden
besonders bei psychotischen und psychosomatischen sowie bei
gewalttraumatisierten Patienten verringern.
Nach der Vorstellung praktischer Beispiele aus dem Kliniksalltag sowie aus
therapeutischen und Beratungsfeldern wird im Kurs erarbeitet, wie
sinnliche und phantasiegetragene Gesprächsformen sich
entfalten lassen und wie rationale Suchbewegungen
und in Beziehungsblockaden gebundene
Emotionen transformiert werden.
Erfahrungsgewinn:
Emotionale Entlastung
sinnliche Beziehungsfähigkeit
Gesprächsoffenheit und Neugier
partnerschaftliche Gesprächskompetenz
Frustrationstoleranz, Phantasiefähigkeit, Innovationsfreude
Intuitive Psychotherapie in der Psychiatrie
Der Psychiater erlebt die Vielfalt psychischer Dekompensationen und damit den Reichtum an
Eruptionen, Rückzügen und Verweigerungen in den Leidenszuständen seiner Patienten, in
denen die Brüche und Widersprüche individueller und gesellschaftlicher Erwartungen und
Zwänge wie in einem Zerrspiegel sichtbar werden.
Der heutige Psychiater gewinnt dank dieser Einsicht die Fähigkeit rationale und strukturelle
Selbstverständlichkeiten zu transzendieren und in Frage zu stellen. In der übrigen Medizin
erlebt er sich als Reformer. Und doch fehlt ihm ein vergleichbares Selbstverständnis wie es
von Psychotherapieschulen vermittelt werden möchte.
Liegt es an seiner noch nicht überwundenen historischen Rolle, Aufbewahrungsspezialist für
gefährdete und gefährliche Außenseiter zu sein, oder liegt es daran, dass die Fülle und Komplexität der Krankheitsbilder sich nicht in eine umfassende Theorie und Behandlungsstrategie
integrieren lassen? Vor allem psychotische Erkrankungen trotzen weitgehend allen Erklärungsversuchen, obwohl eine Vielzahl von zum Teil heroischen Psychoanalysen, von systemischen, Verhaltenstherapeutischen, Gestalt- und Gestaltungstherapeutischen Techniken
sowie von pharmakologischen und Gemeinde-psychiatrischen Behandlungs- und Betreuungsversuchen positive Ergebnisse zeigen.
Für Ärzte und für das Krankenpflegepersonal gibt es seit Jahren eine Vielzahl unterschiedlicher psychotherapeutisch relevanter Zusatzausbildungen. Die Gruppe der Gestaltungs- TanzMusik- Theater- und Kunsttherapeuten gewann in den Kliniken personell und inhaltlich zunehmend an Bedeutung. Durch den 1999 eingeführten Facharzt für Psychiatrie
Psychotherapie müssen jetzt auch in der Ausbildung zum Psychiater spezielle psychotherapeutische Kenntnisse vermittelt werden. Es ist zu hoffen, dass die Psychiatrie mit ihren in
der Praxis erprobten Therapiekonzepten ein offenes Experimentierfeld bleibt.
In dieser sich öffnenden humanen und sozialen Psychiatrie liessen sich die in der Sterbeszene
und in der Dialyse gewonnenen Erfahrungen mit intuitiver Kommunikation erneut erproben
und variieren. Die sinnliche und phantasiegetragene Gesprächsorientierung, bei gleichzeitiger
Anregung und Erprobung erwachsener Identitäts- und Rollenfindungsprozesse im soziokulturellen Raum einer Klinik, ermöglichte ein Behandlungsklima, in dem Patienten und
Mitarbeiter partnerschaftlichen Umgang miteinander lernen können. Mitarbeiter unterschiedlicher Berufe, vor allem die der besonders belasteten Krankenpflegegruppe, gewinnen
hierüber Qualifikationen, die es ihnen ermöglicht, die sozialen Rollen ihrer Patienten zu bestätigen und dabei gleichzeitig in sinnlich-metaphorisch getragenen Begegnungsfeldern sich
den Ängsten und Konflikten, sowie den zum Teil chaotisch-psychotischen Konvoluten ihrer
Patienten beziehungsübergreifend zu nähern, ohne davon angesteckt zu werden und sich zu
überfordern und verstärkt Schutz- und Abwehrhaltungen gegen Patienten in sich aufbauen zu
müssen. Hilfreich sind hierbei Mitentscheidungs-Gesprächsrunden mit Patienten, Hausbesuche und Kontakte zu Selbsthilfesystemen, auf der anderen Seite sinnlich-metaphorische Trainingsgruppen und Erprobungen dieser Arbeitsmethode mit Patienten in Einzelgesprächen
und in prismatischen und Phantasiegruppen. Burn-out-Symptome sowie Teamkonflikte lassen
sich hiermit deutlich verringern.
Patienten gewinnen im Rahmen einer prismatisch orientierten Gesprächskultur einer Klinik
die Möglichkeit, ihre inneren Verließe aufzuschließen und fixierte Beziehungskonflikte, kör-
perliche Verspannungen, seelische Lähmungen, Wahnvorstellungen und Ängste anzureichern mit Bildern und Geschichten, um sinnlich und stimmungsbezogen neue Erlebens- Lösungs- und Kontaktmöglichkeiten zu erproben. Psychotische Patienten zeigen sich hierbei
besonders dankbar, da sie mit dieser Orientierung ihren Therapeuten auf einer ihnen vertrauten Ebene partnerschaftlich begegnen können, wo weder abwertende Einordnungen in eine
Krankheitsgruppe noch einseitig kausal-genetische Ursachenfindung erneut verängstigen.
Ich werde unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten prismatischer Kommunikation aus
psychiatrischen Kliniken vorstellen. Hierbei wird sich die Schilderung prismatischer Behandlungsversuche überwiegend auf psychotische Patienten beschränken. Ein Teil der nachfolgenden Beispiele sind meinem Buch „Innovative Wege in der Psychiatrie“ (1997) entnommen.
Am Beginn meiner psychiatrischen Ausbildung war ich fasziniert von der Wahnwelt einiger
meiner Patienten. Ich erlebte psychotische Erkrankungsformen, in denen eine eigenartig verzauberte, märchenhafte Welt aufleuchtete. Mit Hilfe von neugierigen „Wie-Fragen“ konnte
ich einen neuen Zugang zu einigen dieser schwer gestörten Patienten gewinnen und damit
erste Schritte auf einer narrativen Kommunikationsebene erproben, die ich später in Gesprächen mit Sterbenden, Krebskranken und gewalttraumatisierten Patienten einsetzen lernte.
Ein psychotischer Patient versuchte mir seine veränderte Welt vorzustellen. Seine
Schilderung hörte sich an wie ein spannendes Erlebnis. Ich war fasziniert von seinen
Worten und wollte seine Welt näher kennen lernen. Ich war damals am Beginn meiner
psychiatrischen Ausbildung und noch nicht auf diagnostischer Ursachensuche. Ich bat
ihn, mir die erlebten Veränderungen genauer zu schildern. Er antwortete: „Ja, vor allem
die Straßen, die haben sich total verändert.“ Auf meine Frage nach dem „wie“, begann
er zögernd, aber noch immer enthusiastisch, auszumalen, wie die gelben Farben der ersten Stockwerke sich in ein Grün der zweiten und schließlich in ein tiefes Blau der
oberen Stockwerken verwandelt hätten. Meine Fragen nach dem „wie, welche Tönung?“ irritierten ihn nicht. Sie veränderten jedoch seinen Sprachfluß. Er schien nachdenklicher. Er begann dann jeweils erneut seine Worte spannungsvoll aufzuladen. „Und
- übrigens - die Häuser stehen da ganz schräg! Sie neigen sich einander zu!“ Meine
Frage nach dem Grad der Verbiegung schien ihn nicht zu verunsichern. Wir versuchten
mit Hilfe der Hände uns auf etwa 30 Grad zu einigen. Als ich dann jedoch fragte, ob die
Gardinen auch schräg hängen würden und ob nicht die Gefahr bestände, daß die Blumenkästen herunter fallen, beendete der Patient das Gespräch mit der wohlwollenden
Bemerkung: “Sie sind aber komisch, Herr Doktor.“ Von der für ihn zuständigen Sozialarbeiterin erfuhr ich später, daß sie den Patienten für den Umzug in eine Wohngemeinschaft zu motivieren gesucht habe. Er sei erstaunlicherweise dafür jetzt offener geworden.
Ich fragte mich damals, ob eine psychotisch verzauberte Welt durch die detaillierte Beschreibung ihre magische Aufladung verlieren oder zu mindestens verringern kann, ohne daß die
emotionalen Quellen dieses veränderten Erlebens verstanden und aufgearbeitet werden müssen.
Es bedurfte jedoch noch mehrere Jahre, in denen ich Ursachen orientiert mich bemühte, zu
analysieren und deutend zu verstehen suchte, um schließlich zu meinen anfänglichen WieFragen zurückzufinden. Der Integrationsprozess der zahlreichen rationalen und tiefenpsychologischen Warum-Fragen unterschiedlicher psychotherapeutischen Schulmeinungen mit den
Wie-Fragen meiner heutigen prismatischen Orientierung war ein holpriger, zum Teil faszinierend farbiger, zum Teil schwieriger Weg, der in seiner Zielrichtung weiterhin offen ist. Auf
diesem Weg gab es wichtige Kreuzungspunkte, an denen ich lernte, neue Sichtweisen und
veränderte Schrittfolgen zu erproben. Der Vater der deutschen Psychosomatik, Thure von
Uexküll, wurde auf diesem Weg für mich ein wichtiger Berater. Er half mir dabei vor allem,
die Bedeutung und das Zusammenspiel von Stimmungen und Phantasien zur Bewegung und
Lösung von Krankheitssymptomen zu verstehen.
Eine akute Psychose
Das folgende Beispiel soll zeigen, daß auch in Situationen, in denen ein Patient noch nicht in
der Lage zu sein scheint, ein geordnetes Gespräch zu führen und seinen augenblicklichen
Zustand zu schildern, der Therapeut sinnlich und Phantasie orientiert die Gesprächsblockade
aufzulösen vermag.
Ein 24jähriger Wohnheimpatient kommt erneut in einem akut psychotischen Zustand
mit angstvoll-autistischer Abwehr zur Aufnahme. Der Therapeut kann im Erstkontakt
den starren Blick des Patienten nur schwer aushalten. Ein Gespräch ist nicht möglich.
Der Therapeut versucht sich sinnlich auf seinen Patienten einzustellen. Er fühlt sich
dabei unsicher, wie schwimmend oder schwebend, ohne Halt. Es ist ihm dabei, als ob
irgend etwas wie wild in ihm hin und her jage. Relativ rasch entsteht in ihm das Bild eines Scheibenwischers, der wie wild gegen die Regenmassen auf der Frontscheibe seines
Autos ankämpft. Der Therapeut öffnet dieses Bild sofort in ein Halt gebendes Gesprächsangebot an den Patienten und sagt: "Also, eigenartig, ich habe das Gefühl, wir
zwei sitzen gemeinsam in einem Auto. Es regnet in Strömen. Die Scheibenwischer rasen wie wild über die Scheiben. Das Auto steht jedoch sicher. Wir sind an die Seite gefahren. Aber die aufblitzenden Lichter des Gegenverkehrs wirken weiterhin beängstigend." Hiernach entkrampft sich der Blick und die Haltung des Patienten und er fragt
überraschend für den Therapeuten: „woher wissen Sie, daß ich zu Haus eine Autosammlung habe?“ Er beginnt dann stockend zu erzählen, daß er viele kleine Autos und
Autobilder im Wohnheim in seinem Zimmer habe. Eigentlich habe er jedoch Angst um
sein Kaninchen, das er im Garten halte. Er wolle doch gern im Zoo oder im Zirkus Tierwärter werden, am liebsten für Löwen. Die Stimmung wird jetzt wärmend vertrauensvoll. Zusammenfassend läßt sich sagen: das Gespräch wurde über das sinnlich resonant
sich einfühlende Erleben des Therapeuten und über seinen darüber sich einstellendem
Phantasieeinfall möglich.
Die Erprobung sinnlich intuitiver Einfühlung bei schizophrenen Patienten wurde zu einem
wichtigen Beleg für die Anwendungsbreite prismatischer Kommunikation, vor allem mit
Blick auf die in der Psychiatrie vorherrschende Meinung über den Reizschutz für psychotische Patienten. Hierunter wird verstanden, daß psychotische Patienten vor allem in den akuten
Phasen ihrer Erkrankung, in hohem Maße irritierbar und reizbar sind. Tatsächlich sind sie in
diesem Zustand häufig nicht in der Lage, geringste Anforderungen vor allem emotional getragene Beziehungsangebote adäquat zu verarbeiten..
Mit Hilfe prismatischer Gesprächsangebote lassen sich psychotische Patienten jedoch in ihren
eigenen Verarbeitungsfeldern ansprechen, ohne daß sie ihren krankhaften Rückzug verstärken
müssen. Den Grund sehe ich vor allem darin, daß in der sinnlich und phantasiegetragenen
Beziehungsform kausal suchende Fragen und Erklärungen, Ich-zentrierte Deutungen sowie
emotionale Beziehungsdefizite nicht thematisiert werden. Der prismatische Dialog zwischen
Patient und Therapeut entspricht dabei einem partnerschaftlichen Austausch von sprachlich
vermittelten Stimmungsbildern, die chaotische Impulse und wahnhafte Verarbeitungsformen
in sich aufnehmen, um sie im kulturellen Raum, ego-dezentriert nach Piaget (1983, 1986), zu
transformieren und damit den Patient zu befreien. Therapeuten, die sich sinnlich-imaginativ
auf das Erleben eines Patienten einstellen, gewinnen auf diesem Weg Zugang zu Persönlichkeitsanteilen, zu denen der Patient auf Grund seiner augenblicklichen inneren Chaotik keinen
Zugang findet. Benedetti (1975, 1983) suchte diese Phänomene in dem Begriff der „Gegenidentifikation“ einzufangen
Wenn wir davon ausgehen, daß psychotische Verarbeitungsweisen den Versuch darstellen,
eingeströmtes chaotisches Außenmaterial zu binden, so entspricht die prismatische Transformation dem Versuch dieses Material zu externalisieren und es außerhalb der gefährdeten IchGrenzen, im kulturellen Raum, einer Bearbeitung zuzuführen und darüber Ich-Grenzen zu
stabilisieren.
Entdämonisierung psychotischen Erlebens
Die nachfolgende Gesprächsvignette zeigt, wie mit Hilfe gestalttherapeutischer und sinnlichimaginativer Methoden ein erneuter akut psychotischer Schub aufgefangen und anschließend
vom Patienten aufgearbeitet werden konnte.
Eine 52jährige Lehrerin, seit 4 Jahren wegen psychotischer Schübe pensioniert, ruft
mich verzweifelt an. Sie müsse wohl wieder in die Klinik. Das Chaos würde erneut in
ihr toben. Es drohe sie zu zerreißen. Sie müße unbedingt mit mir sprechen. Ich akzeptiere und sage ihr, obwohl es bereits spät abends ist, sie möge sofort kommen. Ich hatte
die Patientin längere Zeit nicht gesehen und freute mich auf das Wiedersehen. Die Patientin sitzt angstvoll gespannt vor mir und berichtet, daß sie Massagen von einer ehemaligen psychiatrischen Krankenschwester bekommen habe. Die sei wohl etwas spirituell
ausgerichtet. Die Schwester habe ihr gesagt, daß sie bei ihr am Steißbein enorme Verspannungen fühlen würde und daß hier ihre Lebenskräfte gebündelt seien müßten. Die
Massage in diesem Bereich habe dann tatsächlich enorme Kräfte in ihr freigesetzt. Beglückende Gefühle seien in ihr aufgestiegen. Sie habe sich wie schwebend erlebt. Zu
Hause jedoch seien dann enorme Ängste in ihr wach geworden. Es sei so, als würden
Schlangen durch ihren Körper kriechen. Und auch hier bei mir fühle sie diese Schlangen. Eine Schlange sei aus ihrem After herausgekommen und krieche auf ihrer Wirbelsäule nach oben.
Ich fühle mich bei dieser Schilderung erstaunlich entspannt, locker und neugierig wie
beim Erzählen eines Märchens. Das gibt mir die Gewißheit, dass die Psychotik diesmal
nicht so gefährdend ist. Ich bitte die Patientin detailliert die Schlange zu beschreiben
und zu sagen wie weit sie inzwischen an ihr hoch gekrochen sei. Sie schildert mir dann
im Einzelnen, daß die Schlange bis zu den Schulterbättern gekommen sei. Sie sei
schlank und grün. Sie beschreibt mir dann auf Nachfrage welch ein grün sowie die
Form und die Konsistenz der Schuppen. Ich befrage sie nach der Größe des Kopfes und
die Farbe der Augen. „Ja, und die schwarzen Augen, welch einen Ausdruck haben sie?“
Die Patientin antwortet erstaunt: „Eigenartig, die schauen mich hilflos und erstaunt an.“
Ich schildere daraufhin der Patientin welch eine Vorstellung sie inzwischen in mir ausgelöst hat. Ich würde mich damit beschäftigen, ob Schlangen furzen könnten, ja, wirklich, ob sie furzen könnten. Ich würde mich dabei fragen, wie Ausscheidungen von
Schlangen aussehen, dick oder dünn, hell oder dunkel? Können Schlangen überhaupt
furzen? Wir sehen uns beide erstaunt an. „Was soll das, furzende Schlangen?“ Diese
Frage scheint die Patientin jedoch zu entspannen. Sie lehnt sich in ihrem Sessel zurück
und sagt nach einer längeren Pause: „Mein Gott, wenn man alle Mächtigen auf der Toilette sehen könnte und die Schlangen kriechend auf der Erde sich entleeren, dann verlören die ihre unheimlichen Kräfte.“
Zwei Tage später berichtet die Patientin, daß sie wieder o.k. sei. Eigenartig, meine furzende Schlange sei wohl diesmal ihre Rettung gewesen. Sie kann dabei befreit auflachen. Sie möchte einige Probleme, die dadurch in ihr wach geworden seien besprechen.
Wir suchen dann gemeinsam die verzwickte Wunsch-Angst-Beziehung zu ihrem ehemaligen Schuldirektor, vor Ausbruch ihrer Psychose, zu verstehen und damit verbunden, ihre Unfähigkeit Gefühle zu orten. Sie habe das damals alles nicht auf einen Nenner bringen können: ihre Wünsche nach Akzeptanz, die beschämende Ablehnung, ihr
pädagogisches Engagement und ihre Außenseiterrolle. War also die Psychose Ausdruck
eines nicht lösbaren Loyalitätskonfliktes? In den nächsten Stunden lassen sich dann ihr
symbiotisches Verschmelzungsbedürfnis und ihre Gefährdung durch spirituelle Versenkungsübungen ansprechen und hierbei die Schlange als ein magisch aufgeladenes Heil,
Glück und Verderben bringendes Machtsymbol entsymbolisieren.
Eine prismatische Supervisionsgruppe psychiatrischer Krankenpflege.
Die Gruppe der Krankenschwestern und Pfleger haben generell den dichtesten Bezug zum
Patienten und damit den am stärksten belasteten Arbeitsalltag in der Psychiatrie. Regelmäßige
Supervisionsangebote sollten deshalb verpflichtend für psychiatrische Kliniken sein, nicht nur
um die burn-out-Rate niedriger zu halten sondern auch, um die Offenheit dieser Mitarbeitergruppe für ihre Patienten zu erhalten bzw. immer wieder herzustellen. Interessant fand ich in
den prismatischen Supervisionsgruppen mit Pflegekräften ausgeprägte körperlich sich einfühlende Resonanzfähigkeit. Hierfür ein Beispiel:
Eine 54-jährige Patientin ist seit vier Wochen in unserer klinischen Behandlung. Sie leidet seit mehr als zwanzig Jahren an einer ausgeprägten Aphonie. Die Patientin löst bei
der sie betreuenden Schwester sehr bald Ekel und Abwehrgefühle aus. Über den Bericht
der Schwester in der Gruppe konnten eine Reihe differenter Stimmungsphasen durchlebt werden. Es beginnt mit körperlichen Mißempfindungen im Mundbereich, Speichelfluß und Sprachstörungen bei zwei Gruppenmitgliedern, anschließend aggressive und
distanzierte Erlebnisbilder. Schließlich über eine lustvoll-lärmende Stimmung wird eine
tragend-traurige Stimmungsphase erreicht und bildsprachlich gestaltet.
Als Ergebnis der prismatischen Balintgruppensitzung kann die Bezugsschwester sich
der Patientin bereits am nächsten Tag ohne Ekel und Abwehr nähern. Und jetzt passiert
etwas höchst Ungewöhnliches. Die Patientin spricht seit zwanzig Jahren erstmals - für
alle Anwesenden überraschend - mit einer tiefen männlichen Stimme. Sie ist freudig
erschreckt über ihre plötzlich wiedergewonnene Stimme und zeigt im Wechsel Stimmungen von Spannungen, Freude und Trauer, welche die Schwester an die Supervision
vom Vortage erinnert. Die Aphonie setzt zwar am Abend wieder ein. Aber es kann jetzt
ein schrittweise stabilisierender Abbau des aphonischen Sprechens erfolgen.
Diese "wundersamen Heilungen", die ich mit den Ergebnissen der flash-Technik Balint´s
(1975) vergleiche und als "mittelbare Psychotherapie", als "Therapie des Patienten am Therapeuten" beschrieben habe, treten nicht allzu häufig auf. Aber vielleicht ist das solange als
segensreich zu bezeichnen, wie Praxis und Theorie prismatischer Kommunikation noch unzureichend verstanden und damit deren Ergebnisse als parapsychologische Phänomene mißverstanden werden könnten.
Ein Teamgespräch
Ärgerlich verspannt diskutieren Mitarbeiter über einen chronischen schizophrenen
"Drehtür-Patienten". Thema: Wie und wann können wir diesen Patienten endlich entlassen. Zu welcher Arbeit können wir den endlich motivieren. Der hinzu kommende Oberarzt vernimmt diese frustrane Diskussion schon zum x-ten Mal und mobilisiert in sich
seine sinnlich-imaginative Einstellung. Er sagt: Was macht dieser zum x-ten Male thematisierte Patient mit uns? Wie erlebe ich das hier? Ich kriege eigenartige Bauchschmerzen und erlebe mich dabei innerlich wie ausgeleert, wie ausgehöhlt, dabei auf
dem Topf sitzend, ohne noch etwas herauszubringen. Ich sehe dabei durch das Herzchen in der Toilettentür. Eine alte Scheune mit verrosteten Maschinen und ein verfallenes Bauernhaus. Nur die Toilette ist noch intakt. Aber es ist kalt. Die Stationsschwester
fragt: „Brauchen Sie da etwas Papier?“ Sie löst damit ein erlösendes Lachen aus. Die
anschließende Diskussion fokussiert jetzt auf die zwanghafte Struktur des Patienten, die
ihn erneut vor einem psychotischen Schub schützt und sucht für diesen "einsamen Kakker" eine beschützte Wohnmöglichkeit. Dieser Bericht sollte zeigen, wie zum Teil unspektakulär prismatische Einfälle ablaufen können und wie hiermit blockierende Abwehrhaltungen gelockert werden können.
Prismatische Patientenvorstellungen
In der Regel wird ein neu aufgenommener Patient in einem Kurzinterview mit einem Arzt,
einer Krankenschwester oder einem Pfleger im Stationsteam vorgestellt. Während dieses Gesprächs sind alle Teammitglieder gehalten, möglichst ihre kognitive Diagnostikhaltung und
Urteilsfindung zurückzustellen, um sich dadurch ihrer sinnlichen Resonanzfähigkeit bewußt
zu werden und bildsprachlich einen Ausdruck für die vom Patienten ausgehende, in ihnen
induzierte Gestimmtheit zu suchen.
An Hand der differierenden Erlebnisse und Einfälle der einzelnen Teammitglieder während
des Interviews entsteht ein breites Spektrum potentieller Beziehungsmöglichkeiten eines
vorgestellten Patienten. Das Feld diagnostischer Überlegungen wird hierüber erweitert. Vor
allem bei Psychotikern, bei Patienten mit reduzierter Gefühlsbreite sowie Patienten, die mit
Hilfe eines massiven Übertragungsdruckes eine ganze Station rasch in eine Gegenübertragungsposition, sprich Ablehnungshaltung, bringen können, haben wir die prismatische Patientenvorstellung schätzen gelernt. Größere Kontaktbreite und Handlungsfreiheit zum Patienten, frühzeitiges Antizipieren von möglichen Übertragungs- und Teamkonflikten, eine Zunahme von Geduld, Empathie und Distanzierungsfähigkeit, sowie eine Reduzierung des therapeutischen Aktivismus und insgesamt Gewinn an therapeutischer Kompetenz lassen sich so
erzielen. Notwendige diagnostische und therapeutische Überlegungen erfolgen erst am Schluß
des prismatischen Sammlungsprozesses.
Prismatische Balint Gruppen
Kliniksinterne prismatische Balintgruppen waren von Beginn an wichtigster Sensibilisierungs und Trainingsort für die sinnlich-imaginative Qualifizierung der Mitarbeiter in der Klinik in Duisburg-Rheinhausen. In diesen Gruppensitzungen, die in 14-tägigem Abstand regelmäßig allen Mitarbeitern angeboten wurden, ließen sich defokussierend Übertragungs- und
Gegenübertragungsprobleme transformierend auflösen. Sinnliche Offenheit und resonante
Mitschwingungsfähigkeit zum Patienten lassen sich hierüber erhalten und klinifizierende
Funktionsrollen-Haltungen mildern. Ich möchte am Beispiel einer kliniksinternen prismatischen Balintgruppe zeigen, wie institutionelle Konfliktfelder gruppendynamisch erlebbar
werden, wie ihre emotionale Aufladung durch einen Patienten erfolgt und wie im Rahmen
einer prismatischen Gesprächsorientierung Teamkonfliktspannungen transformiert und reduziert werden können.
Die arme Jüdin
Eine Oberärztin schildert vor Beginn der Balint Gruppenstunde einen Konsiliarfall aus
unserer Geriatrischen Abteilung. Eine mäßig verwirrte, aber ärgerlich gespannt protestierende ungefähr 80-jährige jüdische Patientin, die Verfolgung und KZ-Zeit hinter
sich hat, würde ein ganzes Stationsteam terrorisieren. Entmündigung oder stationäre
Übernahme in die Psychiatrie stände an. Der Balintgruppenleiter fühlt sich in diesem
Vorgespräch in seiner klinischen Leiterrolle angesprochen. Er reagiert unerwartet
barsch auf das seines Erachtens unzureichende Engagement für diese "arme verfolgte
Jüdin". Über Solidarisierungen und Frontenbildung baut sich in der Gruppe ein gruppendynamisches Konfliktfeld auf, das von den Teilnehmern zum Teil lustvoll als institutioneller Rollenkonflikt erlebt wird. Das unliebsame Patientenproblem sucht sich
gruppendynamisch ein Ventil.
Nachdem die Patientin jedoch als prismatisches Balintgruppenthema akzeptiert wird
und in gewohnter Weise in der Gruppe patientenzentriert die vorherrschenden gruppendynamischen Emotionen transformiert worden sind, verändert sich das Klima in der
Gruppe zunehmend. Über aggressive, mörderisch-sadistisch-lustvolle Fantasiebilder,
die in der Gruppe breiten Raum einnehmen, gelingt es, in einer nächsten Stimmungsphase traurig und angstvoll getöntes Erleben zuzulassen, um schließlich in einem dritten
Schritt, harmonisierendes und quasireligiös getönte Gestimmtheiten und Phantasien zu
entwickeln. Am Ende des Gruppenprozesses ließ sich verstehen, daß die ärgerlich-vorwurfsvolle Anfangsspannung der Gruppe das Klima der geriatrischen Station im Hinblick auf die vorgestellte Patientin widerspiegelte. Nach der Umschaltung auf das
Selbsterleben und auf die Phantasien der einzelnen Gruppenmitglieder ließen sich die
hinter dem aggressiven Agieren verborgenen Erlebniszonen der Patientin sichtbar machen und verstehen.
Eine intuitive Übertragungslösung
Eine leitende, engagiert mütterliche Oberschwester aus der Chirurgie kümmerte sich intensiv
um einen AIDS-kranken Mitarbeiter, den sie auch in seiner Wohnung bis zum Tod betreute.
Nach Tod und Beerdigung des Patienten leidet sie, in diesem Ausmaß für sie ungewohnt, für
mehrere Monate unter hilflosem Schluchzen bei geringsten emotionalen Berührungen. Die
Oberschwester kommt Hilfe suchend zu mir.
Nach der Darstellung ihres Problems phantasiert sie ein blau gesprenkeltes Bild, das
wie von einem Schleier überzogen wirkt, in dem jedoch keine Strukturen sichtbar werden. ich phantasiere eine herrliche Bergstraße an der Adria. Als in mir das Bild eines
Maulesels wach wird, der den Kopf traurig gesenkt hat und an dessen Halfter ein Mann
über einem Abgrund hängt, erreicht mich erstmals die Trauer der Schwester. Das Bild
wird komplettiert durch eine Luxuskarosse, die den Berg herunterkommt mit einer vollbusigen strahlenden Schönheit am Steuer. Die Bilder werden von mir weder kommentiert noch gedeutet. Bereits zwei Tage später erzählt die Schwester, ihre hilflos machenden Weinattacken seien wie weg gezaubert, eigenartig. Das sei schon eine verrückte
Methode. Sie zeigt hiernach erstmals Interesse für die in der Psychiatrie laufenden
prismatischen Aktivitäten.
Intuitiv orientierte Therapiegruppen
Stationsrunden mit sinnlich narrativer Kommunikation beginnen in der Regel mit einem Kurzinterview eines Patienten. Die in den übrigen Patienten und Mitarbeitern wach werdenden
Empfindungen werden dann in Phantasieeinfällen verbalisiert. Diese Phantasien werden nicht
gedeutet, sondern lediglich im Teamnachgespräch auf diagnostische Dimensionen abgeklopft.
Dieses Gruppenverfahren zeigt sich für gehemmte Patienten als besonders wertvoll. Vor allem schwerst depressive und sich phantasiearm erlebende Patienten können mit dieser Methode therapeutisch erreicht werden. Schizophrene Patienten gewinnen über diese Methode
entängstigende Verbalisierungsmöglichkeiten, mit denen sie freiflottierende Ängste und
Phantasien gestalten können, ohne diese, Ich-zentriert, an familiäre Gefühlsmustern binden zu
müssen. Diese patientenzentrierten Gruppenverfahren werden getragen von der Vorstellung,
daß Patienten, ebenso wie Mitarbeiter in intuitiv orientierten Therapie und Supervisionsgruppen, ihr Erleben reversibel und instrumentell in Abhängigkeit von einer jeweiligen
Gruppenstimmung bewerten lernen, darüber mehr Beweglichkeit gewinnen und hiermit aus
ihren symptomfixierten Einbahnstraßen herausfinden. In diesen Stimmungsprozessen können
Beziehungs- und Gruppendynamik weitgehend zurücktreten und damit vor allem für psychotischen Patienten spielerisch entängstigende Kommunikationsmöglichkeiten sich eröffnen.
Eine Morgenrunde
Im Rahmen intuitiv orientierter prismatischer Gruppengespräche gelingt es, emotionsbedingte
Blockaden zu unterlaufen und Befindlichkeitsgefühle resonant im Gruppenprozeß
wachzurufen. Praktisch sieht das so aus, daß zum Beispiel nach einem Kurzinterview mit
einem Gruppenmitglied oder nach einer Problemschilderung durch einen Patienten, die
übrigen Gruppenmitglieder ihrer jeweiligen Befindlichkeit und Gestimmtheit bildsprachlich
Ausdruck zu geben suchen. Emotionsträchtige Äußerungen werden entsprechend transformiert oder - falls noch nicht möglich - prozessiert. Als Beispiel mag der Anfang einer entsprechenden Gruppe auf einer psychiatrischen Station dienen:
Nach dem Kurzinterview mit einer suizidalen Patientin breitet sich in der Gruppe eine
angstvoll dunkle Stimmung aus. Nach dem ersten Bericht eines Gruppenmitgliedes über
quälende Bauchschmerzen und einen völlig vernebelten Kopf - er fühle sich wie in morastigen Dämpfen - schildert ein zweiter angstvoll, eine kalte Enge in einer tiefen Höhle.
Ein dritter sieht bedrohliche Wolkenfetzen über sich und durch sich hindurchjagen. Jetzt
steht ein akut psychotischer Patient auf und schreit den Gruppenleiter an, was das hier
für ein schreckliches Durcheinander sei, von Behandlung könne nicht die Rede sein. Alles rede durcheinander, er wolle hier raus. Der Gruppenleiter nimmt die aggressiven
Äußerungen und die bedrohliche Haltung des Patienten positiv auf. Er wiederholt die
Phantasien der einzelnen Gruppenmitglieder und gibt dem Patienten zu verstehen, daß
auch seine lautstarken Äußerungen Teil des Gruppenprozesses sind.
Über diese intuitiv prismatische Prozesseinstellung läßt sich die aggressive Haltung eines
Patienten als Teil des Gruppenprozesses verstehen, ohne daß beziehungsbezogen hierauf
eingegangen werden muß und ohne daß Schuldzuschreibung, Aggressionsabwehr oder
Beruhigungsmuster den Entfaltungsprozeß blockieren. Der akut psychotische Patient und die
übrigen Patienten erleben die Intervention als entlastend und als einen Weg, blockierende
emotionale Beziehungsmuster und dabei vor allem aggressive Haltungen und Äußerungen zu
prozessieren und hierüber eigenes Erleben und seine Versprachlichung als individuelle
Leistung in einem Gruppenprozess zu verstehen. Darüber gelingt es schrittweise,
individualisierte Pathologie als von Gruppenprozessen getragen zu verstehen. Verblüfft ließ
sich hierbei registrieren, daß psychotische Patienten eher bereit und in der Lage sind ihr
Erleben und ihre Einfälle als ausgelöst und getragen vom Gruppenprozess zu bewerten als
neurotische Patienten, die stärker egozentriert, die eigenen Phantasien als symbolischen
Ausdruck ihrer jeweils eigenen Problematik zu verstehen suchen.
Intuitiv getragene Einzelgespräche
Nachdem ich überwiegend Beispiele prismatischer Gruppenprozesse in der Klinik beschrieben habe, sollte ich noch aufzeigen, wie vielfältig und hilfreich die Lösungsfunktion intuitiver
Einzelgespräche ist. Hierbei kann der Austausch lösungsorientierter Phantasien zwischen
Therapeut und Patient etwa gleichwertig sein, er kann auf der Ebene sinnlicher Resonanz von
beiden, vom Patienten, oder vom Therapeuten ausgehen:
Vom Patienten ausgehende Lösungsphantasien
Ein 23jähriger Patient kommt nach 2 schweren Verkehrsunfällen mit Angstzuständen
vor allem beim Überqueren von Brücken. Die ausgeprägte Mutterbindung und die Ablehnung des Vaters füllen die ersten Behandlungstunden. Nachdem das Gespräch sich
intuitiv entfaltet, entwickelt der Patient angstvoll Phantasien von einem alles verschlingendem Wald. Die Bäume hätten Augen, die ihn verfolgten und Arme, die nach ihn
greifen würden. Gleichzeitig assoziiert er die magisch aufgeladene Schutzfunktionen
des Waldes. Frühe, angstbesetzte Erinnerungen werden wach. Er sei mit der Nabelschnur um den Hals geboren worden und 6jährig beinahe in einem Sumpf umgekommen. In der nächsten Stunden schildert er eine Phantasie wie er lustvoll mit einem großen Truck durch die australische Buschlandschaft brettert. Die Brückenphobien verringern sich daraufhin deutlich.
Vom Therapeuten ausgehende Lösungsphantasien.
Das Gespräch mit der Ehefrau eines paranoiden Patienten kommt nur zögernd in Gang.
Erst als der Therapeut seine im Gespräch sich einstellenden Phantasien einbringt, vermag die Ehefrau des von mir betreuten Patienten sich zu öffnen. Ich spreche meine
Müdigkeit an und schildere, dass ich mich wie warm umschlungen fühle. Da seien viele
weiche Arme. Tentakeln oder auch angenehme Krakenarme würden mich umschlingen
und irgendwo hinziehen. Ich würde dabei auf einem Felsvorsprung eine kräftige Frau
mit strammen Waden sehen. Diese sei bekleidet mit Fellen, wie aus germanischer Vorzeit.
Hier nach gelingt es ihr, das „Beziehungsgezerre“ mit ihrem Ehemann anzusprechen.
Sie kann sich - für mich völlig überraschend - dem Gedanken nähern, sich als Hexe zu
sehen, die ihren Mann lähmt und psychotisierend festhält, während in mir Gedanken an
eine Urvagina wach werden, in welcher die Abgründe des Unbewußten sichtbar werden. Mit der Überlegung, dass sie mythologisches Material wachgerufen habe und dass
sie damit ihre Schuldgefühle zurücknehmen könne verabschieden wir uns vertrauensvoll.
Eine Ultrakurztherapie
Eine 78 jährige Patientin wird mir von einem praktischen Arzt überwiesen mit der Frage
nach einer Zwangseinweisung. Die Patientin sei angstvoll unruhig und habe nach dem
Tod ihres Mannes zahlreiche Wahnvorstellungen entwickelt. Die Patientin erscheint bei
mir erstaunlich lebendig. Dabei schildert sie vorwurfsvoll ihre Verfolgungsängste. Nach
dem Tod ihres Mannes vor 6 Wochen habe sich die Welt für sie verändert. Sie sei in ihrer 47jährigen Ehe mit ihrem Mann wie „zusammengeschweißt“ gewesen. Jetzt würde
sie täglich bedroht. Das Telefon würde überwacht. Wenn sie Taxi bestellen würde,
käme es nicht. Nachts würde man sie mehrfach aufwecken. Sie sei sicher, dass man sie
umbringen wolle. Ihr Mann habe in der Firma eine bedeutende Stellung gehabt, so dass
sie eine sehr hohe Rente beziehe. Das sei jetzt wohl zuviel für die Firma. Außerdem besitze sie eine herrliche große Villa, die man ihr abnehmen wolle. Sie schildert schließlich, dass auch ihre 47 jährige geschiedene Tochter mit ihren zwei Kindern mit gierigem
Blick ihr Haus bereits auskundschaften würden.
Im Gespräch wird deutlich, dass die Patientin bisher nur unzureichend Trauerarbeit leisten konnte. Ich schildere ihr schließlich, eine Phantasie, die sie in mir ausgelöst habe.
Ich sähe ein Kanu im Tropenwald in einem träge dahin fließendem breiten Fluß. In dem
Kanu säße ein Mann, der mit dem Kopf gegen einen überhängenden Ast gedrückt worden sei. Er bewege sich nicht mehr. Er sei da wie eingeklemmt. Ob er tot sei oder nur
ohnmächtig könne ich nicht sagen. Die Arme hingen schlaff herunter. Ich berichte ihr
anschließend noch von Erlebnissen aus meiner Tätigkeit als Buscharzt in Nigeria. Daraufhin lösen sich bei der Patientin Tränen und wehmütig beglückende Schilderungen
von Urlaubserinnerungen mit ihrem Mann.
Drei Tage später ruft mich die Patientin an und schildert, dass sie von den unsinnigen
Verfolgungsängsten völlig befreit sei. Sie hätte zu Hause meine Phantasie noch mal hin
und her bewegt. Sie könne endlich wieder durchschlafen und habe keine Ängste mehr.
Sie danke mir sehr und würde mich gern zu einer Fahrradtour entlang des Rheins einladen.
Gemeinsames Phantasieren
Ein sozial engagierter Seelsorger kommt in meine Klinikssprechstunde mit einem ausgeprägten „Kanzel Schwindel Syndrom". In der 12ten Behandlungsstunde zur Weihnachtszeit, in der wir gemeinsam über den zum Teil entwürdigenden Verkaufsrummel
sprechen, schildert der Seelsorger resignativ eine Phantasie, mit der er sich in einem
Adventskranz sitzend erlebt, der im Brackwasser, umgeben von leeren Coladosen und
anderen Abfällen, gegen eine Kaimauer gespült wird. Eine Kerze würde jedoch noch
brennen.
Ich gerate in eine eher weihevoll getragene Stimmung. Ich erlebe dabei einen herrlichen
Bergsee, umgeben von Tannen und einem alles überragenden schneebedeckten Berggipfel. Ein alter weißhaariger Mann schreitet zu einem Ruderboot. Er steigt ein und rudert gravitätisch in den See hinein. Langsam hebt sich das Boot und schwebt gen Himmel.
Der Patient schildert darauf hin wehmütig, dass er sich manchmal so fühle, dass er das
aber nicht zulassen könne. Die Ambivalenz von göttlicher Weite und „Sozialmüll“
leuchten auf. Hierüber gelingt es seine unterschiedlichen Wünsche nebeneinander zu
stellen und seine Rolle auf der Kanzel in ihrer Vermittlerfunktion zwischen Gott, Kirche und Gläubigen zu akzeptieren und diese abzugrenzen von seinen ebenfalls positiven
sozialpolitischen Aktivitäten. Es sind jedoch noch 25 weitere prismatisch und intuitiv
angereicherte Behandlungsstunden notwendig, um die Schwindelproblematik abzubauen und ihm eine berufliche Neuorientierung zu ermöglichen.
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