Eckpunkte

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Körperliche Züchtigung verbieten
Eckpunkte

In derselben Art und Weise wie der Europarat systematisch für die Abschaffung der
Todesstrafe in Europa gekämpft hat, setzt er sich nun für ein europaweites Verbot
körperlicher Züchtigung ein.

Gewalt stellt immer eine grobe Verletzung der Menschenrechte dar. Wenn es nicht
richtig ist, einen Erwachsenen zu schlagen, ist es erst recht falsch, ein Kind zu
schlagen. Kinder genießen das gleiche Recht auf ihre Menschenwürde und körperliche
Unversehrtheit und deren Schutz durch das Gesetz.

Im Mai 2008 war körperliche Züchtigung in Bulgarien, Dänemark, Deutschland,
Finnland, Griechenland, Island, Kroatien, Lettland, den Niederlanden, Norwegen,
Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, der Ukraine, Ungarn und Zypern
unter allen Umständen gesetzlich verboten. Andere europäische Länder haben
körperliche Züchtigung in Schulen oder im Strafvollzug verboten, das Verbot jedoch
noch nicht vollständig ausgeweitert.

Der Europarat will die körperliche Züchtigung von Kindern in all seinen 47
Mitgliedsstaaten verboten und geächtet sehen, und von Regierungen betreute positive
Erziehungsprogramme etablieren, welche Eltern dazu ermutigen, als Familien ohne
Gewalt zu leben.
Übersicht
Der Europarat ist Europas oberster Hüter der Menschenrechte – inklusive der Rechte der
Kinder. In der Vergangenheit wurden wichtige Schritte zum Schutze der Kinder
unternommen. Darunter fallen die als Meilensteine anzusehenden Entscheidungen des
Menschenrechtsgerichtshofs, die körperliche Züchtigung von Kindern an Schulen, im
Strafvollzug und der Familie kritisieren, und die Verurteilung körperlicher Züchtigung durch
den Menschenrechtskommissar, das Ministerkomitee, die Parlamentarische Versammlung
und den Europäischen Ausschuss für Soziale Rechte.
Die aktuelle Kampagne des Europarates gegen körperliche Bestrafung ist Teil des
Programms „Ein Europa von Kindern für Kinder“, das auf die Verbreitung, Achtung und
Wahrung der Kinderrechte abzielt. Das Programm beruht auf vier Elementen – Schutz der
Kinder, Gewaltprävention, Strafverfolgung Krimineller und Partizipationsmöglichkeiten für
Kinder.
2006 blieb die Ächtung körperlicher Züchtigung kein regionales Anliegen mehr, sondern
wurde zum weltweiten Ziel erklärt. Die Studie des Generalsekretärs der Vereinten Nationen
über Gewalt gegen Kinder setzt das Jahr 2009 als Zieldatum zur Umsetzung eines
weltweiten Verbotes fest.
Fragen und Antworten
Was bedeutet körperliche Züchtigung genau?
Das UNO-Komitee für Kinderrechte definiert körperliche Züchtigung als jede Bestrafung, bei
welcher physische Gewalt mit dem Ziel ausgeübt wird, ein gewisses Ausmaß an Schmerz
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oder Unbehagen auszulösen, egal wie leicht oder schwer. Erwachsene haben eine
besondere Gabe dafür, beschönigende Beschreibungen wie „Klaps“ dafür zu finden, um sich
selbst nicht allzu unwohl dabei zu fühlen. In Wahrheit erfährt ein Kind all dies als Gewalt und
es würde sich um Körperverletzung handeln, wäre die Gewalt gegen einen Erwachsenen
gerichtet.
Warum sollten wir körperliche Züchtigung ächten?
Kinder sind menschliche Wesen und ihre Rechte sind durch internationals Recht geschützt,
unter anderem durch die Menschenrechtskonvention des Europarates. Ein
menschenrechtliches Grundprinzip ist das Recht, frei von der Bedrohung von Gewalt zu
leben. Wenn wir Kinder nicht vor Gewalt schützen, brechen wir dieses Grundprinzip. Es
bestehen jedoch viele andere gute Gründe, körperliche Gewalt und Züchtigung zu ächten:
1. Das Kind kann ernsthaften Schaden nehmen
2. Es lehrt Kinder, dass Gewalt ein akzeptables Mittel ist, Konflikte zu lösen.
3. Gewalt ist als Disziplinierungsmaßnahme uneffektiv und es gibt der Entwicklung des
Kindes zuträglichere Möglichkeiten, Kindern etwas beizubringen, sie zu korrigieren oder zu
disziplinieren.
4. Es fällt schwerer, Kinder vor Missbrauch zu schützen, wenn manche Arten von Gewalt
bereits legitimiert sind.
Doch was ist mit den Rechten der Eltern? Verletzt nicht ein Verbot die Rechte der
Familien oder die Religionsfreiheit?
Menschenrechte enden nicht vor unserer Haustür. Kinder haben dieselben Rechte wie
andere Familienmitglieder: Sie sollten daher ebenso wenig geschlagen werden dürfen, wie
ein Mann das Recht hat, seine Frau zu schlagen. Eltern, die vor dem Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof auf ihr Recht auf Prügel bestanden, haben ihre Fälle immer
verloren. Diese umfassen Vertreter von Glaubensgemeinschaften oder den Stiefvater eines
englischen Jungen, der vorgab, die an seinem Stiefsohn ausgeübte Gewalt sei eine
„angemessene Bestrafung“ gewesen.
Manche Menschen mögen religiöse Rechtfertigungen für körperliche Züchtigung anführen.
Allerdings müssen religiöse Praktiken oder Überzeugungen im Einklang mit der Würde und
physischen Unversehrtheit des anderen stehen. Religiöse Führungspersönlichkeiten sind
nun der Kampagne zum Verbot körperlicher Züchtigung beigetreten. Auf der „Weltkonferenz
der Religionen für den Frieden“ in Kyoto (Japan) stimmten 2006 mehr als 800 Vertreter
verschiedenster Religionen einer religiösen Verpflichtung zu, gegen Gewalt gegen Kinder zu
kämpfen und Regierungen dazu aufzufordern, alle Formen von Gewalt zu verbieten,
inklusive körperlicher Züchtigung.
Ist dieses Projekt nicht zu ehrgeizig? Können wir wirklich jedes Land überzeugen,
körperliche Züchtigung zu verbieten?
Der Kampf gegen körperliche Bestrafung ist lang und schwierig. Als erstes Land erließ Polen
im Jahr 1783 ein Verbot. Österreich, Belgien und Finnland folgten 1900 und Russland 1917.
Im Vereinigten Königreich, wo das generelle Verbot immer noch ein kontroverses Thema ist,
reicht die erste belegte Beschwerde in das Jahr 1669 zurück, als ein aufgeweckter Junge
eine Petition „im Interesse der Kinder seiner Nation“ vor dem Parlament einbrachte, um
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körperliche Züchtigung an den Schulen zu beenden. Es dauerte mehr als drei Jahrhunderte,
bevor sein Wunsch 1983 mit dem Education Act in Erfüllung gehen sollte.
Um ein Verbot zu erreichen, bedarf es einer Kombination aus Rechtsreformen und Bildung,
damit Gesellschaften der Akzeptanz von Gewalt den Rücken kehren und Familien neue,
positive Wege aufgezeigt bekommen, miteinander zu leben.
Ein solches Beispiel gibt Schweden, das erste Land der Welt, das 1979 explizit körperliche
Züchtigung verbot. Gleichzeitig etablierte es Bildungsmaßnahmen zur gewaltfreien
Kindererziehung.
Warum ist ein Verbot so schwierig?
Die meisten Erwachsenen wuchsen mit Eltern auf, die glaubten, physische Gewalt gehöre
zur Kontrolle und Disziplin der Kinder einfach dazu. Darum schlagen noch heute viele Eltern
ihre Kinder. Es ist schwierig für sie zu akzeptieren, dass sie etwas Falsches tun – obwohl es
logisch ist, dass ein starker, gesunder Erwachsener einem kleineren, schwächeren und
verletzbarerem Kind großen Schaden zufügen kann. Es bedarf noch einer Menge Arbeit, bis
Erwachsene die hässliche Wahrheit erkennen und einsehen, dass es andere Wege gibt mit
Frustration, Stress und Wut klarzukommen.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Der Europarat fordert jedes Land dazu auf, Gesetze gegen körperliche Züchtigung zu
erlassen und Hilfsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, damit Eltern die Beziehung zu ihren
Kindern besser wahrnehmen. Dies ist wichtig, damit sich gesunde Kinder zu gesunden
Erwachsenen entwickeln können. Unsere Hoffnung ist nicht nur, dass Regierungen ein
Verbot in Gesetzen erlassen, sondern dass sie auch Familien konkret unterstützen (etwa die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen), Anlaufstellen für Eltern entwickeln (zur
Beratung oder Weiterbildung), um das Bewusstsein zu schärfen, damit sich die Gesellschaft
definitiv von Gewalt abwendet. Gewalt gegen Kinder ist falsch und jeder Erwachsene muss
das akzeptieren.
Einstellungen, die sich ändern müssen
„Kinder brauchen Disziplin. Mir hat es auch nicht geschadet.”
Studien über mentale Gesundheit zeigen immer wieder die Beziehung zwischen Gewalt und
schlechter Gesundheit. Erwachsene, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden, verknüpfen
ihre Erfahrungen in einer tragischen Logik: ihre Wahrscheinlichkeit, ein glückliches und
erfülltes Leben zu genießen ist geringer, während sie gleichzeitig wahrscheinlicher auf
Gewalt zurückgreifen – den Weg, den sie zur Lösung von Problemen als Kind erfahren
haben. Mögen diese Auswirkungen auch nicht offensichtlich sein, ist es unmöglich zu
wissen, wie wir uns entwickelt hätten, wären wir keine Opfer von Gewalt geworden.
„Jeder ist gegen ein absolutes Verbot körperlicher Züchtigung. Man kann die
Gewohnheiten der Leute nicht ändern.”
Das Beispiel Schwedens beweist das Gegenteil. Als Schweden begann, über ein Verbot zu
sprechen, gab es großen Widerstand. Das Gesetz wurde 1979 erlassen.
Bewusstseinsschärfende Kampagnen und Erziehungskurse führten zu grundlegenden
Veränderungen. 1995 dachten nur noch sechs Prozent der Eltern, es sei akzeptabel, ein
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Kind zu schlagen.
„In Ordnung, die Fälle aus den Zeitungen sind schlimm, aber Gewalt kommt in
Familien selten vor. Die Familie ist ein sicherer Ort für Kinder.”
Fälle, die es in die Schlagzeilen schaffen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Studien zeigen,
dass die meiste Gewalt und Missbrauch zuhause stattfinden. Ein UNICEF Innocenti Bericht
zeigt, dass in industrialisierten Ländern jedes Jahr 3.500 Kinder unter 15 Jahren an den
Folgen von Körperverletzung und Vernachlässigung sterben.
„Wer mit der Rute spart, der verzieht das Kind!! Ich will nicht, dass meine Kinder als
verzogene Gören enden!”
Am besten zieht man sein Kind in einer gewaltfreien Umgebung auf, mit echter Disziplin auf
der Basis gegenseitigen Respekts und Toleranz. Kinder zu schlagen ist eigentlich eine
Lektion in schlechtem Benehmen – Kinder lernen von dem, was ihre Eltern tun, nicht von
dem, was sie sagen. Positivere Formen von Disziplin helfen den Kindern über andere und
die Konsequenzen ihrer Handlungen nachzudenken.
„Kinder sind stark und sie vergessen schnell.”
Interviews mit gerade einmal fünf Jahre alten Kindern aus verschiedenen Ländern zeigen
das Ausmaß des angerichteten Schadens. „Es schmerzt innerlich”, sagte ein Siebenjähriger.
Eine UNICEF-Umfrage unter Kindern ergab, dass diese die Möglichkeit haben wollen,
darüber zu sprechen, anstatt geschlagen oder angeschrien zu werden.
„Die meisten Eltern schlagen ihre Kinder nicht.”
Studien belegen, dass dort, wo körperliche Züchtigung noch legal ist, die meisten Eltern
daran glauben und sie auch benutzen. Eine Untersuchung in der Slowakischen Republik
ergab 2002, dass 98,6 Prozent der Eltern glauben, sie sollten Kinder schlagen und 42
Prozent fanden es in Ordnung, dazu ein Hilfsmittel zu benutzen.
„Gewalt ist nicht erfreulich aber auch kaum ein dringendes Problem. Es ist nicht so,
dass es der Wirtschaft schaden würde, oder?”
Gewalt kostet Geld. Sie verursacht Kosten für das Gesundheitswesen – zunächst um
misshandelte Glieder zu behandeln, später um älteren Kindern oder Erwachsenen, die als
Kinder missbraucht wurden, zu helfen, wenn sie sich Drogen und Alkohol hingeben, um ihren
Problemen zu entfliehen. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation über Prävention aus
dem Jahr 1999 beschreibt die menschlichen und finanziellen Konsequenzen von sexuellem
Kindesmissbrauch für die Gesellschaft als kostspielig: „Kosten für Prävention sind um ein
Vielfaches geringer als die Mischung aus Initial- und Langzeitkosten… für den Einzelnen, die
Familie und die ganze Gesellschaft.“
„Prügel können verletzen, Worte nicht. Wenn ich mein Kind nicht schlage, kann ich es
auch nicht verletzen, oder etwa doch?”
Bestrafungen, die nicht auf Gewalt zurückgreifen, können ebenso schädlich sein. Arbeiten
des Europarats haben gezeigt, dass psychische Gewalt – etwa bedrohen, lächerlich machen
oder verängstigen – ein ernsthaftes Gesundheitsproblem in Europa darstellt. Kinder sind
auch von der Gewalt zwischen Eltern betroffen. Die beste Lösung für Regierungen wäre es,
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den Eltern die notwendige Unterstützung zur Verfügung zu stellen, damit sie lernen und
verstehen, wie sie angebracht reagieren können.
„Eltern haben das Recht, ihre Kinder zu erziehen, wie sie es für richtig halten. Sie
sollten nur in extremen Fällen wie Kindesmissbrauch belangt werden.”
Menschenrechte machen nicht an unserer Haustüre halt. Kinder haben dieselben Rechte wie
andere Familienmitglieder: Sie sollten daher ebenso wenig geschlagen werden dürfen, wie ein
Mann das Recht hat, seine Frau zu schlagen. Kinder sind nicht das Eigentum ihrer Eltern
sondern selbst Menschen mit eigenen Rechten.
Kontakt
Cathie Burton, Teamleiterin, Kampagnen
Tel : +33 (0) 3 88 41 28 93
Fax:+33 (0)3 88 41 39 11
[email protected]
Stand: Mai 2008
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