nein zu dieser art der selektion menschlichen

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NEIN ZU DIESER ART DER SELEKTION MENSCHLICHEN LEBENS
Dr. Hansruedi Stadler, Ständerat des Kantons Uri / 02.04.2009
Gegenwärtig
läuft
das
Vernehmlassungsverfahren
zur
Revision
des
Fortpflanzungsmedizingesetzes. Der Bundesrat will das heute bestehende Verbot der
Präimplantationsdiagnostik bei schweren erblichen Belastungen auf Seiten der Eltern
aufheben. Da es sich bei der Präimplatationsdiagnostik um eine Methode der
vorgeburtlichen Selektion handelt, stellen sich für mich grundsätzliche ethische Fragen,
unabhängig davon, wieweit der Bundesrat das Verbot lockern will.
Um was geht es?
In den letzten 20 Jahren sind neue Methoden zur vorgeburtlichen Diagnostik entwickelt
worden. Diese Diagnosen setzen bereits vor dem Eintritt der Schwangerschaft an und
werden deshalb Präimplantationsdiagnostik (PID) genannt. Diese Methoden bedingen
immer eine künstliche Befruchtung. Gegenstand einer Präimplantationsdiagnostik sind
somit in der Regel entweder Eizellen oder künstlich befruchtete Embryonen vor der
Übertragung des Embryos in die Gebärmutter. Je nach dem Befund der Diagnostik werden
dann die Embryonen selektioniert und eliminiert oder in die Gebärmutter der Frau
übertragen. Eine genetische Diagnose an Samenzellen ist zwar möglich aber nicht
anwendbar, da diese Samenzelle dabei zerstört werden müsste.
Das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte
Fortpflanzung verbietet in Artikel 5 Abs. 3 die Präimplantationsdiagnostik. Eine Diagnose
während der Schwangerschaft nennt man Pränataldiagnostik. Diese ist heute erlaubt.
Argumentation der Befürworter
Die Befürworter einer Präimplantationsdiagnostik machen vor allem geltend, dass damit
genetische Krankheiten frühzeitig erkannt und selektioniert werden könnten. Dies legen sie
mit konkreten Einzelfällen dar, die natürlich auch mir nahe gehen. Ebenso sei es nicht
konsequent, die Pränataldiagnostik, d.h. die Diagnostik während der Schwangerschaft,
zuzulassen, aber die Präimplantationsdiagnostik zu verbieten. Vor einigen Jahren hat die
Nationale Ethikkommission mit einer Stellungnahme in die politische Diskussion
eingegriffen. Eine Mehrheit befürwortet die Präimplantationsdiagnostik. Eine Minderheit
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HRS
lehnt sie ab. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften ist heute für
eine Zulassung dieser Methode.
Für mich persönlich stehen jedoch die gleichen grundsätzlichen Fragen im Raum, die sich
bereits im Jahre 2001 gestellt haben.
Zum Umfeld der Diskussion
Die vor wenigen Jahren geführte Auseinandersetzung um die Stammzellenforschung hat
gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend vor ethisch anspruchvollen
Entscheiden stehen. Auch das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim
Menschen zeigt uns beispielhaft , dass die vollständige Entschlüsselung des menschlichen
Erbgutes in einer Kombination mit der Entwicklung von Gentests zu neuen Möglichkeiten
im Bereich der Diagnostik, Prävention und der Therapie von genetisch bedingten
Krankheiten führt. In diesem Zusammenhang stellen sich aber ganz heikle Fragen. Einige
Stichworte sind: der gläserne Mensch, die vorgeburtliche Selektion oder die Stigmatisierung
und Diskriminierung aufgrund des Erbgutes.
Es stellen sich für mich aber insbesondere auch folgende fundamentale Fragen von
ethischer, rechtlicher und politischer Relevanz: Von welchem Menschenbild gehen wir aus?
Wie gehen wir mit Krankheiten um? Wie gehen wir mit Behinderungen und dem uns allen
bevorstehenden Tod um?
Die gleichen Fragen stellen sich auch in Zusammenhang mit der Diskussion rund um die
PID. Natürlich sagt man, die Präimplantationsdiagnostik würde nur in engen Schranken
erlaubt sein. Ebenso brauche es eine sorgfältige Beratung und Begleitung. Wir könnten
dann bei der Gesetzesberatung auch noch diese engen Schranken setzen. Geht es aber hier
nicht um eine Grundsatzfrage? Müssen wir nicht in einem ethisch hoch sensiblen Bereich
eine klare Grenze ziehen? Man legt immer wieder mit konkreten Fällen, ja, vielleicht mit
prominenten Einzelfällen, dar, dass es doch richtig sei, dass diese oder jene schwere
genetische Krankheit vermieden werden könnte, wenn man den entsprechenden Embryo
vor einer Übertragung in die Gebärmutter ausscheiden und vernichten würde.
Ein Akt der Selektion
Es geht hier aber nicht einfach nur um Einzelfälle. Nein, wir würden eine Methode freigeben,
die
Tür
und
Tor
öffnet,
Präimplantationsdiagnostik
auch
nur
in
wenn
man
engen
nun
behauptet,
Schranken
zulassen.
man
wolle
die
Für
was
die
Präimplantationsdiagnostik bereits heute angewendet wird, kann in einem Bericht der
Ethikkommission nachgelesen werden. Die Präimplantationsdiagnostik wird bereits auch
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HRS
zur Geschlechterselektion angewendet. Basierend auf den Zahlen aus dem Jahre 2005 fallen
9 % aller Präimplantationsdiagnostik-Fälle in den Bereich der Geschlechterselektion, man
nennt dies beispielsweise „Family-Balancing“. Hier geht es darum in Familien ein
ausgeglichenes Verhältnis von Söhnen und Töchtern zu erreichen.
Die Präimplantationsdiagnostik ist ein Akt der Selektion und der Ausscheidung von
ungeeignet klassifizierten Embryonen. Es werden mehrere Embryonen „produziert“. Dann
wird einer ausgewählt und die anderen werden vernichtet.
Für mich ist auch nicht entscheidend, ob diese Diagnostik in einem anderen Land zugelassen
ist. Das Argument des Präimplantationsdianostik-Tourismus sticht nicht. Mit der gleichen
Argumentation müsste man ja das Klonen in der Schweiz zulassen. Wir haben für unser
Land unsere eigene Wertung und Verantwortung wahrzunehmen. Bei einer Öffnung in der
Frage der PID würde schon die nächste Forderung an uns herangetragen werden, nämlich
würde man von uns die Zulassung des therapeutischen Klonens fordern.
Grenzen setzen
In diesem allgemeinen Kontext muss es für mich irgendwo eine Grenze geben. Man wird
uns vorwerfen, dies sei doch eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Pränataldiagnostik.
Man wird uns an das Selbstbestimmungsrecht der Frau oder die mögliche Zellentnahme aus
Embryonen
zur
Stammzellenforschung
erinnern.
Mit
der
Zulassung
der
Präimplantationsdiagnostik geht es aber um viel mehr, es ist der erste entscheidende
Schritt in Richtung einer Selektion. Wollen wir das?
Zum Vorwurf der Ungleichbehandlung gegenüber der Pränataldiagnostik möchte ich hier
nur erwähnen: Es gibt einen qualitativen Unterschied zur Pränataldiagnostik. Bei der
Pränataldiagnostik muss sich die Schwangere entscheiden, eine bereits eingetretene
Schwangerschaft weiterzuführen oder abzubrechen. Im anderen Fall wird aus mehreren, für
die Zwecke der Selektion erzeugten Embryonen einer ausgesucht. Die anderen
„überflüssigen“ Embryonen sollen vernichtet werden. Bei der Pränataldiagnostik liegt ein
konkreter Interessenkonflikt zwischen dem Lebensrecht des Embryos oder des Fötus und
den Interessen der Frau vor, während bei der Präimplantationsdiagnostik kein solcher
Interessenkonflikt gegeben ist. Der praktische Entscheid ist somit qualitativ von einer
anderen Natur.
Ich bin gegen eine Zeugung von menschlichem Leben, das unter dem Vorbehalt steht, dass
der Embryo vor der Übertragung in die Gebärmutter der Frau noch eine Qualitätskontrolle im
Reagenzglas zu bestehen hat, und je nach dieser Kontrolle dann eliminiert wird. Das
erschreckt mich. In meinem Bekanntenkreis gibt es Menschen, welche bei einer solchen
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HRS
Selektion vermutlich durchgefallen wären. Ich betrachte sie trotzdem als wertvolle
Mitmenschen.
Druck auf Eltern
Für mich sprechen auch sozial-ethische Aspekte gegen die Präimplantationsdiagnostik. Was
sind denn „schwere Krankheiten“? Wer stellt dann eine Positiv- oder Negativ-Liste von
solchen Krankheiten oder Behinderungen auf? Bei der Präimplantationsdiagnostik haben
wir auch die Gefahr, dass alles, was technisch möglich ist, plötzlich auch sozial erwartet
wird. Der Druck auf die Eltern von Menschen mit Behinderungen würde noch mehr steigen.
Man würde fragen, weshalb sie diese mögliche Selektion nicht vorgenommen hätten. Die
Präimplantationsdiagnostik wäre damit auch ein Urteil gegenüber Menschen mit
Behinderungen.
Im Vorfeld der Debatte im Ständerat im Jahre 2005 haben wir viele Zuschriften - ablehnende
und befürwortende - erhalten. Für mich ist und war dabei eine Zuschrift ganz entscheidend,
nämlich jene von Insieme, d.h. der Schweizerischen Vereinigung der Elternvereine für
Menschen mit einer geistigen Behinderung. Diese Vereinigung vertritt rund 30'000
Menschen in der Schweiz. Sie schrieb uns: „ Wir sind überzeugt, dass das Verbot der
Präimplantationsdiagnostik die Grenzen am richtigen Ort setzt! Ohne dieses Verbot wird die
Hemmschwelle für die Selektion von behindertem Leben sinken.“
Glaubwürdigkeit der Politik
Es gibt schlussendlich noch einen dritten Grund, der gegen die Öffnung spricht. Im
Fortpflanzungsmedizingesetz haben wir mit Art. 5 Abs. 3 die Präimplantationsdiagnostik
verboten. Politikerinnen und Politiker haben sich damals an verschiedenen öffentlichen
Veranstaltungen für dieses Gesetz eingesetzt. Dabei haben wir bei den Diskussionen immer
wieder auf diese Schranke, d.h. auf das Verbot der Präimplantationsdiagnostik, hingewiesen.
An der Ausgangslage hat sich für mich bis heute nichts geändert. Ein Abrücken von der
bisherigen Argumentation hätte für uns auch etwas mit der Glaubwürdigkeit in der
politischen Auseinandersetzung und mit der Glaubwürdigkeit von uns Politikerinnen und
Politikern zu tun.
Die Nationale Ethikkommission kann uns schlussendlich als Menschen nicht die eigene
ethische Beurteilung abnehmen. Ein Entscheid einer Nationalen Ethikkommission ist auch
kein allgemein verbindlicher Glaubenssatz für unsere Bevölkerung. Wir haben alle unsere
eigenen ethischen Wertvorstellungen. Auch gibt es in der Nationalen Ethikkommission
Meinungen, die weiterhin für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik eintreten.
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HRS
Fazit: Aus ethischen, rechtlichen und politischen Überlegungen ist ein Verbot der PID für
mich auch heute noch richtig.
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HRS
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