Homepage-http://www.erziehungshilfe.org JAHRESBERICHT 2009 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Seite 01 2. Statistik Seite 03 3. Jubiläen Seite 11 4. Projekte im Jahr 2009 Seite 19 5. Öffentlichkeitsarbeit Seite 21 6. Kommentar zur frühen außerhäuslichen Betreuung Seite 27 7. Personalstand Seite 31 8. Standorte Seite 32 9. Danksagung Seite 34 einleitung 1. Einleitung Das Jahr 2009 stand für die Institute für Erziehungshilfe in mehrfacher Weise unter dem Titel: Geschichte, Kontinuität, Veränderung und Entwicklung. Die Feier zum 60 jährigen Bestehen der Institute für Erziehungshilfe, die 40 Jahresfeier des Institutes 5 sowie die 30 Jahresfeier des Institutes 21 waren wichtige Ereignisse, über die wir gerne berichten. An solchen Jubiläen lässt sich die kontinuierliche Entwicklung der Institute gut nachvollziehen, die mit ihren mittlerweile fünf Standorten einen wichtigen Beitrag für die psychotherapeutische Versorgung der Wiener Kinder einnehmen. 30 Jahre lang war das Institut 21 in der Patrizigasse 2, im Areal des Ausbildungszentrums für Sozialberufe, untergebracht. Die räumlichen und organisatorischen Veränderungen der Fachhochschulen für Sozialarbeit und der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik erforderten eine unerwartete Übersiedelung des Institutes 21. Kaum war jedoch die 30 Jahrfeier vorüber, mussten sich die Kolleginnen und Kollegen bereits ans Einpacken machen; im November 2009 übersiedelte das Institut schließlich in die von der MAG 11 neu adaptierten Räumlichkeiten in der Schlosshoferstrasse 4/7. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MAG 11 und MAG 34 dafür bedanken, dass das neue Institut so gut an die Bedürfnisse unserer Arbeit angepasst werden konnte. Im November 2009 ist schließlich das Buch zur Wissenschaftlichen Tagung 2008 mit dem Titel: „Kindheit und Migration – Das Unbewusste in der transkulturellen Begegnung“ im Verlag Der Apfel erschienen. Die Statistik 2009 zeigt eine gleichbleibend hohe Auslastung unserer Kapazitäten. Die Anzahl der durchgeführten Kinderpsychotherapien bleibt konstant. Trotz großer Nachfrage und Bedarf an Psychotherapieplätzen für Kinder und Jugendliche, trotz weiterhin unzumutbar langer Wartezeiten und trotz intensiver Bemühungen unsererseits ist es uns 2009 leider nicht gelungen, die finanziellen und die personellen Ressourcen der Institute zu erweitern. Insgesamt beobachten wir weiterhin eine deutliche Zunahme von Kindern und Familien mit komplexen psychischen und sozialen Mehrfachbelastungen. Die Spannungen in den Familien nehmen immer häufiger Dimensionen an, die auch an die Grenzen der Möglichkeiten unserer ambulanten Einrichtung stoßen. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Institute erfordert das eine große fachliche Kompetenz, sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf unter Umständen sehr schwierige Behandlungen einzustellen, und verlangt großes soziales Engagement. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 1 einleitung Dennoch möchte ich mich an dieser Stelle bei unseren Gesprächs- und Kooperationspartnern in der MAG 11 und der Wiener Gebietskrankenkasse, sowie der KFA und BVA für ihr Bemühen und die gute Zusammenarbeit bedanken; ebenso bei allen weiteren Personen und Institutionen, die 2009 unsere Arbeit unterstützt und ermöglicht haben. Wien, Mai 2010 2 Dr. Barbara Burian-Langegger Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 statistik 2. Statistik: Das Jahr 2009 in Zahlen Überblick über die letzten 3 Jahre Jahr 2007 2008 Neuanmeldungen/-vorstellungen telefonisch, persönlich und gesamt 1231 1187 Kontinuierliche Langzeitpsychotherapie mit Kindern u. Jugendlichen 257 281 Elternberatung 539 562 2009 1072 283 565 a) Neuvorstellungen Neuvorstellungen nach Bezirken in Prozenten 22. 19. Bezirke 16. 13. 10. 7. 4. 1. 0,00 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 12,00 14,00 16,00 Prozente Wie aus obiger Abbildung ersichtlich, liegt der 10. Bezirk mit 14 % an der Spitze (ein Plus von 4,2 % gegenüber 2008), gefolgt vom 21. Bezirk mit 12 % (einem Plus von 3,5 %). Die Zahlen sanken leicht in den Bezirken 22 und 14. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 3 statistik Altersverteilung und Geschlecht der Neuvorstellungen 70,0 61,5 Prozente 60,0 50,0 38,5 40,0 30,0 männlich weiblich 13,0 21,6 10,7 20,0 17,9 13,3 7,7 9,0 6,8 10,0 0,0 0-6 Jahre 6-10 Jahre 10-14 Jahre 14-18 Jahre Geschlecht Insgesamt sank der Anteil der Neuvorstellungen bei den Buben um 6 % auf 61,5 %, während er bei der Gruppe der Mädchen um 6 % auf 38,5 % gestiegen ist. Die Gruppen der 0–6jährigen und der 6–10jährigen Mädchen stiegen dabei am deutlichsten an (3,6 sowie 4,9 %). Zuweisungsform der Neuvorstellungen Internet ehem. Patienten 2% keine Angabe 0% Bekannte and. Beratungseinr. 6% 9% Zeitung/Medien 0% WGKK 0% von selbst nicht erfragt 0% med. Einrichtung 13% Internet 5% MAG ELF UdE 8% MAG ELF soz. Dienst 3% med. Einrichtung Schule/KG MAG ELF soz. Dienst MAG ELF UdE Zeitung/Medien and. Beratungseinr. Bekannte ehem. Patienten Schule/KG 17% von selbst 37% WGKK keine Angabe nicht erfragt Die Anzahl der Patienten, die „von selbst“ den Weg zu uns gefunden haben, stieg im Vergleich zu 2008 um markante 10 % an, wohingegen die Zuweisungen durch „andere Beratungseinrichtungen“ um 4,9 % sanken. Die Gruppe der Patienten, die von der MAG ELF „geschickt“ wurde, verzeichnet eine Zunahme von 4 %. Im Bereich „med. Einrichtung“ gab es ein Minus von ca. 3, die Zuweisungsform „Internet“ sank um 2 %. 4 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 statistik Erziehungsprobleme Vorstellungsgrund bei Neuvorstellungen Angst autoaggress. Verhalten Einkoten 16,9 Einnässen 5,3 0,6 0,4 aggr. Verhalten gg. andere Essstörungen 3,6 Familienkrise Vorstellungsgrund 7,9 1,2 Konzentrationsprobleme 10,1 körperl. Symptome 2,7 2,8 Lern-/Leistungsschwierigk. 8,0 Lügen/Stehlen/Fernbleiben 1,5 0,6 1,2 2,4 3,1 Misshandlung/-brauch motor. Unruhe/Stereotyp. Pubertätsprobleme 5,2 0,4 0,3 Schlafstörungen sonstige 2,2 Suchtverhalten 3,6 Suiziddr./suiz. Handlungen 10,7 Unglücklichsein 9,4 Verhaltensschw. KiGa 0 5 10 Prozente 15 20 Verhaltensschw. Schule Verhaltensschw. zu Hause Spitzenreiter bei den Vorstellungsgründen 2009 ist, ähnlich wie 2008, die Rubrik „Erziehungsprobleme“ mit 16,9 %, gefolgt von den „Verhaltensschwierigkeiten in der Schule“ und „Familienkrise“ mit ca. 10 %, sowie „Verhaltensschwierigkeiten zu Hause“ mit 9,4 %. Die neuen Kategorien „Konzentrationsprobleme“, „Pubertätsprobleme“, „Suchtverhalten“ und „Verhaltensschwierigkeiten im Kindergarten“ machen einen Gesamtanteil von 9,1 % aus. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 5 statistik Beziehungsform der Eltern bei Neuvorstellungen Prozente 60 50 leben zus./verheiratet 53,7 39,2 getrennt/geschieden 40 durch Tod getrennt 30 haben nie zus. gelebt 20 2,6 10 4,5 andere 0,0 0 Art der Beziehung Der Anteil der „getrennt/geschieden“ lebenden Eltern verzeichnet ein Plus von 9,2 % gegenüber dem Jahr 2008, wohingegen sich der Anteil an „verheirateten/zusammenlebenden“ Eltern um 10,2 % verringerte. Die Kategorien „durch Tod getrennt“, „haben nie zusammengelebt“ und „andere“ veränderten sich kaum. Erwartungen an das Institut keine Erwartung 1% Lernhilfe 0% Therapie Kind/ Beratung Eltern 29% Beratung/ Therapie Eltern 25% keine Angabe 0% nicht erfragt 0% Diagnostik 42% Beratung/ Therapie Kd u. Jgdl. 15% Eine führende Position bei den Erwartungen an das Institut nimmt 2009 die Kategorie „Diagnostik“ mit einem Plus von 12,9 % ein. An zweiter Stelle steht die Erwartung „Therapie Kind/Beratung Eltern“ mit 29 % (ähnlich wie 2008). Ein Minus von knappen 6 % gegenüber 2008 zeigen die Bereiche „Beratung/Therapie Eltern“ sowie „Beratung/Therapie Kinder und Jugendliche“. 6 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 statistik Neuvorstellungen: Kind lebt bei Adoptiveltern 40 35,4 34,6 andere Eltern 35 Großeltern Prozente 30 Heim 19,7 25 Internat 20 Mutter alleine 15 Mutter u. Partner 10 5 1,9 1,5 0,7 1,5 0,2 0,0 2,4 0,7 1,3 Pflegeeltern Vater alleine Vater u.Partnerin 0 Wohngemeinschaft Wie aus der Abb. 7 ersichtlich, leben die meisten Kinder bei den leiblichen Eltern, jedoch um 7,5 % weniger als das Jahr zuvor. 34,6 % der Kinder leben, ähnlich wie 2008, bei ihrer „Mutter alleine“ und 19,7 % bei „Mutter mit Partner“ (ein Plus von 5,5 %). Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 7 statistik b) Diagnose Diagnostiziert wird in den Instituten für Erziehungshilfe nach dem „Multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO“. MAS1 Diagnosen bei den Neuvorstellungen 44,5 45,0 40,0 35,0 männlich % 30,0 21,1 25,0 weiblich % 20,0 15,0 10,0 11,3 3,1 7,8 1,6 5,0 0,8 5,1 3,1 0,4 0,0 0,4 0,0 000.0 F3 F4 F5 F6 F9 Die Diagnosen der ersten Achse (MAS1) „klinisch-psychiatrisches Syndrom“ wurden zu Diagnosegruppen zusammengefasst. Die meisten Diagnosen gab es wiederum bei den Buben in der Gruppe F9, den sogenannten „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“, mit 44,5 % und damit einem Plus von 3 %. Auch bei den Mädchen ist auf dieser Achse ein Plus von knappen 3 % zu verzeichnen. Die Gruppe F4 („Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“) verringerte sich bei den Buben um 5 %. An dritter Stelle liegen die „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren“, die Gruppe F5 mit einem Plus bei den Mädchen von 2,4 % gegenüber 2008. Die sogenannten Nulldiagnosen („keine psychiatrische Störung“) sanken bei beiden Geschlechtern. Bei den Diagnosen „Affektive Störungen“ (F3) und bei den „Persönlichkeits- und Verhaltens-störungen“ (F6) gab es keine nennenswerten Veränderungen. 8 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 statistik c) laufende Therapien Elternarbeit Art der Elternarbeit 62,0 therapiebegleitend ohne Kinder/Jugendl. 19,0 Familientherapie 15,4 Eltern-/Müttergruppe 3,6 0 20 40 60 80 Prozente Leicht gestiegen ist der Anteil der „therapiebegleitenden“ Elternarbeit um 5,1 auf 62 %. Der Zuwachs in der Kategorie „Familientherapie“ (+ 14 %) und das Minus bei „Elternarbeit“ „ohne Kinder und Jugendliche“ (− 21,5 %) lässt sich durch eine Neudefinierung der beiden Gruppen erklären. Kinder-/Jugendlichentherapien 82,3 90 1x wöchtl. Prozente 80 2x wöchtl. 70 60 fraktioniert 50 40 30 20 Kindergruppe 8,1 2,5 2,9 4,2 Eltern-/Kleinkindtherap. 10 0 Art der Kindertherapie Im Vergleich zum Jahr 2008 gibt es keine maßgeblichen Veränderungen. Der Anteil der Kinder, die 1× wöchentlich zur Therapie kommen, ist leicht gesunken (− 3,1 %), der Anteil in der Kindergruppe ist um 2,9 % gestiegen. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 9 statistik Modus Therapieende 82,7 100 Prozente 80 47,5 60 35,1 17,3 40 11,4 20 5,9 0 Abschluss Eltern 47,5 Kinder 35,1 gesamt 82,7 11,4 5,9 17,3 Abbruch Die Veränderungen bei der Art und Weise, wie Therapien beendet wurden, zeigen nur minimale Abweichungen zum Jahr 2008. Unkostenbeitrag Stufe 2 1% Stufe 1 19% Stufe 3 0% Stufe 4 0% BVA 3% KFA 5% WGKK 72% Wie in den letzten Jahren insgesamt, ist der Anteil der Patienten, die über die WGKK verrechnet wurden, leicht angestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2008 gab es ein Plus von 2 %. Die Verrechnung über die Kassen BVA und KFA veränderte sich nur geringfügig, ebenso die Verrechnungsstufe 1 (kein Kostenbeitrag aufgrund des Familieneinkommens) und die Stufen 2–4 (geringfügiger Kostenbeitrag nach Einkommen gestaffelt). Statistikteil: Alexandra Wäger 10 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 jubiläen 3. Jubiläen 60 Jahre Institut für Erziehungshilfe „Spielräume – Entwicklungsräume“ Dr. Barbara Burian-Langegger Am 11. November 2009 fand im Wiener Rathaus die Festveranstaltung zum 60jährigen Bestehen der Institute für Erziehungshilfe statt. Unser Dank gilt Herrn Bürgermeister Dr. Michael Häupl und den Verantwortlichen im Wiener Jugendamt für die positive und wertschätzende Haltung gegenüber unserer Arbeit sowie für den festlichen Rahmen der Jubiläumsfeier. In seiner Begrüßungsansprache betonte Bürgermeister Michael Häupl die wichtigen Aufgaben im Bereich der Kinderund Jugendpsychotherapie und anerkennt die Arbeit der Institute für Erziehungshilfe. Auch er sieht die Notwendigkeit der steigenden Nachfrage und dem steigenden Bedarf in diesem Bereich nachzukommen und signalisiert sein Bemühen, ein 6. Institut zu verwirklichen. Belinda Mikosz, Leiterin des Psychologischen Dienstes bedankte sich in Vertretung des Abteilungsleiters der MAG 11 für die gute Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und den Instituten für Erziehungshilfe. Sie stellt das Recht des Kindes auf günstige Entwicklungsbedingungen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Um selbst Eltern unter schwierigen Bedingungen (z.B. Zwangskontext) für eine Veränderung ihres Verhaltens zu bewegen, bedarf es vertrauensbildender Maßnahmen aller professionellen Helfer, die sich um eine konstruktive Zusammenarbeit bemühen. Sie plädiert für eine integrative, interdisziplinäre und interinstitutionelle Behandlung für diese Familien. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 11 jubiläen Schließlich gab Hans Schanda, Vorstand des Trägervereins, in seinem Beitrag einen humorvollen Überblick über die Personen, Aktivitäten und Entwicklungen im Verein für Psychische Hygiene seit Bestehen der Institute. Den Festvortrag hielt Dieter Bürgin aus Basel zum Thema: „Zeit und Veränderung in der psychotherapeutischen Beziehungsentwicklung“. Nach der Pause folgten Kurzvorträge im Rahmen eines gemeinsamen Beitrags von Kolleginnen und Kollegen der Institute für Erziehungshilfe: „Kontinuität und Entwicklung – Von Visionärinnen, GründerInnen und BrückenbauerInnen.“ Sepp Schindler, einer der allerersten Mitarbeiter des Institutes für Erziehungshilfe, berichtete über das Institut als Modell in der damaligen Nachkriegszeit. Karin Lebersorger untersuchte in ihrem Beitrag die allerersten Akten aus dem Jahr 1949, Siegfried Tatschl bezog sich auf die 12 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 jubiläen Elternarbeit und Peter Zumer auf die Teamarbeit im Institut für Erziehungshilfe. Regina Schnallinger legte den Focus auf die Arbeit mit Familien mit Migrationshintergrund und Tina Zumer-Haslehner stellte zuletzt eine Kinderpsychotherapie anhand von Squiggles vor. Den Gesamtrahmen der Veranstaltung gestaltete Barbara Burian-Langegger gemeinsam mit Heidemarie Kramer, die die Fotoinstallationen durchführte. Musikalisch begleiteten Julia Drexler (Saxophon) und Andreas Fröschl (Klavier) die Veranstaltung. 60 Jahre Bestehen einer psychosozialen Einrichtung in Wien sind wirklich ein Grund zum Feiern! Und eine 60 Jahrfeier führt uns natürlich zu den Anfängen zurück... In das Jahr 1949, in die Jahre der Besatzung und in ein von Bomben zerstörtes Wien. In ein Wien der sozialen Not, zerstörter Familien, vaterloser Kinder und Jugendlicher und einer Eltern- und Großelterngeneration, die durch 2 Weltkriege und mehrere politische Umbrüche seit 1918 traumatisiert wurde. Jahre, in denen die sozialen Errungenschaften der Zwischenkriegszeit durch den Naziterror konsequent und endgültig zerstört worden sind. Nur wenige haben diesem Druck widerstanden. Anknüpfend an die Tradition psychoanalytischer und individualpsychologischer Einrichtungen der Zwischenkriegszeit und in Anlehnung an die „Case-Work Methode“ der Child Guidance Kliniken im Angloamerikanischem Raum wurde 1949 die erste Child Guidance Clinic im Wiener Karl Marx Hof eröffnet. Im Wiener Karl Marxhof, wo sogar die Kastanien rot blühen… Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 13 jubiläen Die Hilfsorganisation der „ Quäker “ stellte die finanziellen Mittel zur Verfügung. Das Wiener Jugendamt finanzierte die drei, zum damaligen Zeitpunkt am Institut tätigen Fürsorgerinnen. Gab es anfangs noch Unklarheiten, ob das Institut die kinderärztlich-heilpädagogischen Konzepte der Aspergerschen Schule verfolgen sollte, der erste Institutsleiter von 1949 bis 1951 war Dr. Franz Wurst – so setzten sich doch rasch die psychoanalytischen Konzepte durch. Mit Rosa Dworschak, Fürsorgerin und Psychoanalytikerin – sie gilt als die eigentliche Gründerin der Institute – und mit Knut Baumgärtel, Psychiater und Individualpsychologe, der ab 1951 die Institute leitete, entstand schließlich etwas ganz „Neues“. In der sog. „Case Work Methode“ ging es erstmals darum, das Kind und die Beziehung zu seinen Eltern wirklich zu verstehen. Neben der psychotherapeutischen Behandlung gab es am Institut damals schulische Förderung, einen Hort und immer wieder auch materielle Hilfe. So fanden wir in den ersten Akten ein Dankesschreiben für die Wolle, die eine Mutter zum Stricken erhalten hatte… Die besondere Arbeitsweise der Institute, die eingehende psychoanalytische Diagnostik und Behandlung von sozial benachteiligten Kindern, die begleitende Elternarbeit, Teamarbeit und Supervision – heute alles längst Standard in vielen Institutionen – war damals in Österreich einzigartig und diente vielen sozialpsychiatrischen und sozialtherapeutischen Einrichtungen als Modell. Ab 1951 wurde die Österreichische Gesellschaft für Psychische Hygiene Träger des Institutes für Erziehungshilfe; über die ersten Übereinkommen mit der Stadt Wien, die die Finanzierung der Institute übernahm, gibt es nur wenig schriftliche Aufzeichnungen. Die ersten Abkommen zwischen dem Jugendamt und dem Trägerverein sind undatiert! Allerdings ist immer wieder von „guten Kontakten“ zur Stadtverwaltung die Rede. Auf die anfängliche Pionier- und Aufbauphase folgte ab den 70er Jahren eine Erweiterung: 1969 wurde ein zweites Institut im 5. Wiener Gemeindebezirk und 1974 ein drittes Institut in der Stadt des Kindes gegründet. Mit Frau Dr. Ruth Naske, die von 1975 bis 1998 den Instituten als ärztliche Leiterin vorstand, wurde ein viertes Institut im 21. und 1982 das fünfte Institut im 10. Bezirk eröffnet. Trotz großer Nachfrage und steigendem Bedarf blieb es bisher dabei. Mit seinen 5 Standorten und mittlerweile mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben die Institute für Erziehungshilfe als Einrichtung der Wiener Jugendwohlfahrt in guter Zusammenarbeit mit anderen sozial-therapeutischen Einrichtungen mittlerweile einen festen Platz in der psychotherapeutischen Versorgung der Wiener Kinder. 14 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 jubiläen Die vergangenen 15 Jahre unserer Arbeit waren insbesonders durch das Psychotherapiegesetz, durch die neuen Verträge und eine stärkere Anbindung an das Wiener Jugendamt, und durch den Abschluss von Kassenverträgen mit der WGKK, der BVA und KFA bestimmt. Infolge der Schließung der Stadt des Kindes wurde ein Standort in den 11. Bezirk übersiedelt. Eine weitere Übersiedlung des Instituts innerhalb des 21. Bezirks erfolgte im November 2009. Obwohl diese Veränderungen mit schwierigen inhaltlichen und administrativen Implikationen gut integriert werden mussten, ist es uns doch gelungen, das Eigentliche, welches die Institute für Erziehungshilfe charakterisiert, nämlich die tiefenpsychologische Langzeitbehandlung von sozial benachteiligten Kindern weiterhin zu gewährleisten. Kinder und Familien, die die Institute heute aufsuchen, leiden unter enormen sozialen und psychischen Mehrfachbelastungen. Oft wird die kindliche Symptomatik von einer schwierigen Integrationsgeschichte begleitet. Die Hälfte der von uns betreuten Kinder und Familien hat einen Migrationshintergrund. Dass wir unsere Arbeit als einen wichtigen Beitrag zur Integration verstehen, zeigt die letzte Wissenschaftliche Tagung im Jahr 2008. Soeben ist der Tagungsband „Kindheit und Migration“ – das Unbewusste in der transkulturellen Begegnung – im Verlag Der Apfel erschienen. Unsere psychotherapeutische Tätigkeit steht daher heute – so wie in der Vergangenheit – im Spannungsfeld zwischen den individuellen Bedürfnissen, den Möglichkeiten der Institution und den gesellschaftlichen Anforderungen. Für die Kolleginnen und Kollegen an den Instituten setzt das eine hohe psychotherapeutische Professionalisierung voraus, sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf unter Umständen sehr schwierige Behandlungen einzustellen, und verlangt ein großes soziales Engagement. Die Balance zwischen dem intimen Bereich einer Psychotherapiestunde und den notwendigen Vernetzungen im Rahmen einer institutionellen und interinstitutionellen Psychotherapie ist immer wieder eine Herausforderung. Wir können zufrieden sein, Vieles wurde erreicht; gelingen konnte das nur in einer guten Kooperation mit dem Wiener Jugendamt und finanziell abgesichert durch eine Wiener Stadtregierung, die nach wie vor die Anliegen der sozial Schwachen vertritt, und die die psychosozialen Anliegen nicht gänzlich an einen privaten Sektor abgibt. Aber Vieles bleibt noch zu tun! Wien ist eine wohlhabende Stadt! Ansetzen müssen wir vor allem im präventiven Bereich. Der Gratiskindergarten ist ein wichtiger erster Schritt! Die psychotherapeutische Versorgung, insbesondere von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Wien ist aber immer noch wenig zufriedenstellend. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 15 jubiläen Kaum freie Kassenplätze in den psychotherapeutischen Praxen und Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz von über einem Jahr in Institutionen bedeuten für eine kindliche Entwicklung unter Umständen irreparable Versäumnisse. Diese Zustände sind nicht nur für die betroffenen Kinder und Familien unzumutbar. Auch wir PsychotherapeutInnen kommen unter enormen Druck, wenn wir einfach nicht mehr wissen, wo wir diese Kinder unterbringen können! Sigmund Freuds Worte behalten leider nach wie vor visionären Charakter. Er schreibt 1919 in „Wege der psychoanalytischen Therapie“: „Irgend einmal wird das Gewissen der Gesellschaft erwachen und sie mahnen, dass der Arme ein ebensolches Anrecht auf seelische Hilfeleistung hat wie bereits jetzt auf lebensrettende chirurgische (...) Diese Behandlungen werden unentgeltliche sein. Es mag lange dauern, bis der Staat diese Pflichten als dringende empfindet. Die gegenwärtigen Verhältnisse mögen den Termin noch länger hinausschieben, es ist wahrscheinlich, dass private Wohltätigkeit mit solchen Instituten den Anfang machen wird; aber irgendeinmal wird es dazu kommen müssen.“ (1919, S. 192/193) Aus unserer Sicht wird das Problem dieser Kinder zur Zeit zwischen den Ressorts und den Krankenkassen wie eine heiße Kartoffel hin- und hergeschoben... Was uns auf institutioneller Ebene im Rahmen einer „Plattform für ambulante Psychotherapie“ zu gelingen scheint, nämlich: uns gut zu vernetzen, Konkurrenz und Neid hintanzustellen um kreativ zusammenzuarbeiten – das würden wir uns auch auf politischer Ebene von den Verantwortlichen sehr wünschen. Geht es doch immer um dieselben Wiener Kinder. Egal, welches Magistrat oder welcher Versicherungsträger gerade für sie zuständig ist... 16 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 jubiläen 40 Jahre Institut 5 Dr. Christel Fritsche 40 Jahre ein „Ort für die Seele“ für Kinder, Jugendliche, Mütter, Väter, Eltern im 5. Bezirk, zunächst in der Siebenbrunnenfeldgasse und seit 1995 am Margaretengürtel/ Brandmayergasse, war ein freudiger Anlass für das Team V zu einer kleinen internen Feier einzuladen. Viele KollegInnen aus allen Instituten folgten unserer Einladung, besonders freuten wir uns, dass auch unsere ehemaligen Kolleginnen, die schon in Pension sind, Edith Lupac, Irmy Paulick, Emmy Pilny, Dr. Hilde Windsperger, unsere ehemaligen Legasthenie- und Sprachheillehrer, Herr Sauer und Herr Enenkel und unsere langjährige Leiterin, Dr. MarieLuise Kronberger und unser Leiter der letzten 3 Jahre, Dr. Thomas Elstner kamen. Dr. Barbara Burian-Langegger, unsere Leiterin aller Institute, rief uns in einem eindrucksvollen Vortrag wichtige Ereignisse des Jahres 1969, des Gründungsjahres unseres Instituts aus Wissenschaft, Politik, Geschichte, Musik und Kunst, Sport und Sozialem in Erinnerung. Dr. Heidemarie Kramer führte uns schließlich mit einer umfassenden Bilddokumentation über wichtige Ereignisse am Institut, aber auch unsere jährlichen Betriebsausflüge, den Skitag, unsere Marathonstaffel durch die letzten 40 Jahre des Instituts, was viele freudige Erinnerungen auslöste. Wir gedachten aber auch unserer so tragisch aus dem Leben geschiedenen jungen Kollegin, Mag.a Eva Eppel. Mit dem gemeinsam kreierten „Pickbild“, einer Tradition des Instituts V, fand die von vielen Erinnerungen getragene Feier ihren Ausklang. 30 Jahre Institut 21 Dr. Karin J. Lebersorger Am 7. Mai 2009 wurde das 30jährige Bestehen des Instituts XXI gefeiert. 1979 wurde es Dank des unermüdlichen Einsatzes von Dr. Ruth Naske eröffnet, die im Jubiläumsjahr leider nicht mehr bei uns war. Alle aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden zum gemeinsamen Sich-Freuen, Erinnern und In-Die-Zukunft-Blicken geladen. Im Rückblick spannt sich der Bogen zur Gründung des ersten Instituts für Erziehungshilfe im Karl Marx-Hof vor 60 Jahren. Finden sich in den ersten Akten von 1949 Geschichten der Kinder im zerbombten Nachkriegs-Wien, so berichten in den ersten Akten von 1979 die Eltern über ihre Kindheit in den Trümmern und in den Aufbaujahren. 30 Jahre später sind es vielfach Kinder, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, und Kinder aus Familien, in denen vieles in Trümmern liegt, und die vor den Zuweisungen im Zwangskontext nicht zu uns gefunden hätten. Es sind aber immer die gleichen psychischen Problemstellungen. Das Erinnern bezog sich auch auf schwere Zeiten der Krankheiten, Verluste und Abschiede von lieben Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir nicht nur anlässlich der Feier in Gedanken verbunden sind. Im Jänner 2009 erfuhren wir, dass das 30. Jahr auch das letzte im Ausbildungszentrum für Sozialberufe in der Patrizigasse werden sollte. Bedingt durch die Wiener KindergartenOffensive wird das Gebäude in Zukunft nur noch der kindergartenpädagogischen Ausbildung zur Verfügung stehen. In der 47. Kalenderwoche war es nach vielen Planungs- und Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 17 jubiläen Koordinationssitzungen mit der Gemeinde Wien so weit. Zwei Tage wurden alle Kräfte zum Einpacken gebündelt, am 18. November erfolgte der Umzug in die neuen, in unmittelbarer Nähe gelegenen Räumlichkeiten in der Schlosshoferstraße 4. Obwohl es noch vieler Korrekturen und Adaptationen bedurfte, nahmen wir nach weiteren vier Tagen bereits die Arbeit wieder voll auf. Jetzt gilt es, nicht nur für uns, sondern auch für die von uns betreuten Familien, mit den neuen, größeren, optisch ansprechenderen Räumen vertraut zu werden und darauf zu vertrauen, dass die für unsere sensible Arbeit notwendigen Ausbesserungen bald erfolgen werden. Vor allem für unsere Kinder, Jugendlichen und Eltern, die selbst oftmals unzählige unangekündigte Ab- und Umbrüche in ihrem Leben erfahren haben, war der Umzug nicht einfach. Trotzdem er lange und gut vorbereitet und die damit verbundenen Gefühle bearbeitet wurden, mussten wir uns zusätzlich zur eigenen Eingewöhnung mit Protest, Kränkung oder Verwirrung auseinandersetzen. Mein Dank gilt dem gesamten Team, durch dessen Einsatz die Feier und der Umzug so gut gelungen sind! Trotz der äußeren Veränderungen wird unsere Arbeit in der neuen Umgebung in bewährter Weise fortgesetzt und sich neuen Herausforderungen gestellt, gemäß dem auf Thomas Morus zurückgeführten Ausspruch: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers!“ 18 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 projekte 4. Projekte im Jahr 2009 Projekt Wissenschaftsgruppe Die Kolleginnen und Kollegen der mittlerweile fest etablierten teamübergreifenden Wissenschaftsgruppe der Institute für Erziehungshilfe waren 2009 mit folgenden Themenschwerpunkten beschäftigt: Nachbearbeitung der Migrationstagung sowie Reflexion ihrer Nachhaltigkeit auf die Arbeit der Institute und Publikation des Tagungsbandes „Kindheit und Migration – Das Unbewusste in der Transkulturellen Begegnung“, erschienen im Verlag Der Apfel. Vorbereitung der 60 Jahresfeier der Institute und des Beitrags „Kontinuität und Entwicklung – Von VisionärInnen, GründerInnen und BrückenbauerInnen“. Entwicklung gemeinsamer Standards in der Zusammenarbeit mit Kindern aus Wohngemeinschaften. Mitglieder der Wissenschaftsgruppe 2009 waren: Dr. Barbara Burian-Langegger, Dr. Heidemarie Kramer, Dr. Karin J. Lebersorger, MMag.a Regina Schnallinger, Mag. (FH) Siegfried Tatschl, Mag.a Tina Zumer-Haslehner, Dr. Peter Zumer Projekt Organisationsentwicklung Kontinuität und Entwicklung ist eine ständige Herausforderung an unsere Institution, die sowohl die Prozesse innerhalb und zwischen den einzelnen Teams, als auch die Beziehung zur Gesamtorganisation und zu den „ relevanten Umwelten“ reflektiert. In diesem Zusammenhang haben wir uns entschlossen eine begleitende Organisationsberatung durch Herrn R. Timel (IFF-Alpen-Adria Universität) heranzuziehen. Im Vordergrund der Erhebung standen das Organisationsbewusstsein der einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die Effizienz der bestehenden Organisationsabläufe. In mehreren Arbeitsschritten und an unterschiedlichen Orten (Team, Leitersitzung, Geschäftsführung) wurde eine Bestandsaufnahme durchgeführt, die zu weiteren Schritten in der Organisationsentwicklung angeregt hat. Unter anderem wurde eine weitere teamübergreifende Arbeitsgruppe installiert, die sog. „Querschnittsgruppe“, welche die Arbeitsabläufe an gewissen Schnittstellen wie: Anmeldung, Erstdiagnostik, Warteliste bis zu Kommunikation mit dem Jugendamt und den Wohngemeinschaften, untersucht und die mit der Erarbeitung von gemeinsamen Qualitätsstandards beauftragt wurde. Die Ergebnisse wurden in einem kontinuierlichen Austauschprozess sowohl mit den einzelnen Teams als auch mit der LeiterInnengruppe reflektiert und abgeglichen. Mitglieder der Querschnittsgruppe 2009 waren: Dr. Peter Zumer, Dr. Heidemarie Kramer, Alexandra Wäger, Lea Hof-Vachalek, Dr. Sylvia Schalkhammer, Hedda Pflagner, Christian Knaller Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 19 projekte Projekt Supervisionsgruppen für angestellte Pflegeeltern Auch 2009 wurden Supervision für angestellte Pflegeeltern an den Instituten durchgeführt und somit die bestehende Zusammenarbeit mit der MAG 11 und dem EFKÖ fortgesetzt. Insgesamt besuchten 131 Pflegeeltern die von den Instituten angebotenen 11 Supervisionsgruppen. Projekt Therapeutische Gefährten Trotz eingeschränkter finanziellen Ressourcen konnte die vierte Phase des Projekts der „Therapeutischen Gefährten“ mit Jänner 2010 erfolgreich abgeschlossen werden. Die 7 Pädagogikstudentinnen des Seminars von Frau Dr. Schaukal-Kappus, die 2 Jahre hindurch 7 Kinder betreuten, waren während der Dauer des Projekts in die Arbeit der jeweiligen Institute eingebunden und durch Supervision in ihrer Tätigkeit begleitet. Wissenschaftlich anerkannt ist, dass gerade in Familien mit hohen psychosozialen Risikobelastungen, der Anwesenheit einer stabilen Bezugsperson, die die Kinder auch außerhalb der Familie begleitet, eine wichtige präventive Funktion zukommt. Deshalb ist unsere Bestrebung nicht nur, dieses Projekt als Modell fortzusetzen, sondern möglichst rasch auch institutionell zu verankern. Vorerst sind wir jedoch für die weitere Fortsetzung dieses Projekts weiterhin auf Spenden dringend angewiesen! (Spendenkonto: Bank Austria, BLZ 12000, Kontonummer 00626147300) 20 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 öffentlichkeitsarbeit 5. Öffentlichkeitsarbeit im Jahr 2009 „Plattform“ Die VertreterInnen ambulanter psychotherapeutischer Einrichtungen in Wien stehen nach wie vor in einem regelmäßigen Kontakt und inhaltlichem Austausch. Ein Schwerpunkt der Plattformtreffen 2009 blieb weiterhin das Bemühen um die ausständige Wien- und Österreichweite statistische Erhebung eines Behandlungsbedarfs von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendlichenalter. Die Forderung nach einer kostenlosen psychotherapeutischen Behandlung für Kinder und Jugendliche ist ein ressortübergreifendes Thema, in welches auch die Versicherungsträger einbezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang wurden Schreiben an die zuständige Stadträtin Frau Sonja Wehsely und den zuständigen Stadtrat Christian Oxonitsch gerichtet. Mit Herrn Stadtrat Oxonitsch konnten in einem gemeinsamen persönlichen Gespräch unsere Anliegen und Vorschläge diskutiert werden. Als weiteren Schwerpunkt diskutierte die Plattform aktuelle Fragen der frühen außerhäuslichen Betreuung; Karin Lebersorger verfasste dazu eine Stellungnahme, siehe Punkt 6 Kommentar. Vernetzungsarbeit „Netzwerk für Perinatale Krisen (PPD-Netzwerk)“ Diese multiprofessionelle Gruppe (bestehend aus GynäkologInnen, PsychiaterInnen, PädiaterInnen, Hebammen, PsychotherapeutInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen) ist eine Plattform verschiedener Institutionen, wie Hebammenstützpunkt, Elternberatung, Kinderspitäler, Geburtskliniken, F.E.M. und anderer Beratungsstellen. Als Vertreterin der Institute nahm Frau Hof-Vachalek an den regelmäßig stattfindenden Netzwerktreffen teil. In den vernetzten Institutionen ist in manchen eine massive Beschneidung der Ressourcen erlebbar bzw. bei steigendem Bedarf derzeit keine Erweiterung der Ressourcen möglich. An den „Vernetzungstreffen der MA 10 als auch der Vernetzungstreffen des St. Anna Kinderspitals“ nahm Frau DSA J. Lamatsch als Vertreterin der Institute für Erziehungshilfe teil. Thematisch befassen sich diese beiden Gruppen mit der Bestandsaufnahme und der Koordinierung der Arbeit in den verschiedenen Einrichtungen bei immer knapper werdenden bestehenden Ressourcen. Wiener Netzwerk gegen sexuelle Gewalt an Mädchen, Buben und Jugendlichen Das „Wiener Netzwerk“ versteht sich als multiprofessionelle Plattform mit VertreterInnen von über 20 spezialisierten öffentlichen und privaten Einrichtungen. Es versteht sich als Multiplikator für ProfessionistInnen, als Gesprächsforum, ExpertInnenpool und gesellschaftliche Plattform. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 21 öffentlichkeitsarbeit Die „Child Guidance Clinic“ ist seit Jahren Mitglied; Vertreterin und Ansprechperson ist seit 2008 Mag.a Gundula Rammer (Institut 5). Neben dem fachlichen Austausch, der Diskussion aktueller Entwicklungen – das Netzwerk lädt kontinuierlich ExpertInnen zu verschiedenen Themen ein – fanden auch 2009 eine Fachtagung und eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Internetpornographie“ statt. Außerdem wurde die neue Website www.wienernetzwerk.at online gestellt. 22 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Institutsmitglieder 2009 Dr. Barbara Burian-Langegger „Kindheit und Migration – Das Unbewusste in der transkulturellen Begegnung“ (Hgb.), Verlag Der Apfel „60 Jahre Institut für Erziehungshilfe“, WLP News 4/2009 „Adoleszenz“ (Seminar). 40. Internationales Seminar für Psychotherapie. Bad Radkersburg, 23.-27. Sep. 2009 „Baustelle Adoleszenz“ (Vortrag). „Wenn der Bauch beim Essen denkt“ Tagung des VEÖ (Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs). Wien, 14.-15. Mai 2009 „Das Trauma in der KIP“ (Seminar). 32. Internationales Seminar für Katathym Imaginative Psychotherapie. Goldegg, 20.-23. Mai 2009 „Trauma“ (Fortbildungsseminar). Gesellschaft für Psychische Gesundheit, Tirol. Innsbruck, 20.-24. Nov. 2009 „Traumatologie des Kindes- und Jugendalters“ (Vortrag und Seminar). Eröffnung der Heilpädagogischen Station. Graz, 12. Sep. 2009 Leitung der Arbeitsgruppe Säuglings-, Kinder-und Jugendlichenpsychotherapie (ÖBVP) Leitung und Durchführung des Weiterbildungscurriculums für Säuglings- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (ÖGATAP) Sylvia Maria Böhm 1. österreichische SAFE-Gruppe in Waidhofen an der Ybbs gemeinsam mit Frau Mag. Johanna Knoll. SAFE (Sichere Ausbildung für Eltern): richtet sich an alle werdenden Eltern, Paare und Alleinerzieherinnen. Seit Sep. 2009 Dr. Sabine Götz Vorstellung der Arbeitsweise der Institute im Rahmen der Fortbildung in psychoanalytisch orientierter Psychotherapie in der Akademie der WPV. Okt. 2009 Mag.a Sylvia Heindl-Opitz Kommunikation – Konfliktbewältigung Rudolfstiftung. Sep. 2008–Jun. 2009 – Supervision – Kreativitätstraining (Lehrveranstaltung). Mag.a Geraldine Kaindl-Hönig Vorstellung der Arbeitsweise der Institute im Rahmen der klinikinternen Fortbildung am AKH – Abteilung für Kinder – und Jugendpsychiatrie. 5. Nov. 2009 Lea Hof-Vachalek Interview im Standard von Karin Pollak über Eltern-Kleinkind-Beziehungen mit Lea Hof-Vachalek und Katharina Kruppa (GAIMH). 26. Jän. 2009 Dr. Karin J. Lebersorger „Chancen und Grenzen des Jugendalters“. In: Leben, Lachen, Lernen. Menschen mit Down-Syndrom von heute. Heft 37, Apr. 2009, S. 11–13 „Brennen. Psychoanalytische Selbsterfahrung zum Spannungsbogen zwischen leidenschaftlichem Entflammen und der Gefahr des Burn Outs“. Seminar am FH-Studiengang Sozialarbeit, Campus Wien. Wintersemester 2009/10 „Entwicklung der Wahrnehmung; Wahrnehmungsstörungen“. Universitätslehrgang für Interdisziplinäre Mobile Frühförderung und Familienbegleitung. Wien, 13. Nov. 2009 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 23 öffentlichkeitsarbeit „Entwicklungspsychologie“. Vorlesung am FH-Studiengang Logopädie-Phoniatrie-Audiologie, Campus Wien. Wintersemester 2009/10 „Interdisziplinäre Fallarbeit“. Individualtraining am FH-Studiengang Sozialarbeit, Campus Wien. Sommersemester 2009 „Psychoanalytisch orientierte Gesprächsführung mit Kindern, Jugendlichen und Familien“. Seminar am FHStudiengang Sozialarbeit, Campus Wien. Wintersemester 2009/10 „Psychoanalytisch orientierte Sozialarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien“. Seminar am FHStudiengang Sozialarbeit, Campus Wien. Sommersemester 2009 „Rahmen. Psychoanalytische Selbsterfahrung zu inneren und äußeren Rahmenbedingungen, die für die eigene Psychohygiene förderlich sind“. Seminar am FH-Studiengang Sozialarbeit, Campus Wien. Sommersemester 2009 „Brennen: Vom Entflammen zum Burn Out“ (Vortrag). EFKÖ Wien. 15. Okt. 2009 „Die Bedeutung der Elternarbeit für die Etablierung des Arbeitsbündnisses“. Fortbildung für das ZEF Wien. 3. Jun. 2009 „Die ersten Lebensjahre als wichtige Basis für die Persönlichkeitsentwicklung“. Fortbildung für Kindergartenpädagoginnen des Landes NÖ. 2. und 16. Okt. 2009 „Elternarbeit III – Das Modell der Institute für Erziehungshilfe“ (Seminar). Wiener Kreis für Psychoanalyse. Wien, 14. Dez. 2009 „Erste Akten – 1945/1950“ (Vortrag). Festveranstaltung „Spielräume – Entwicklungsräume“ anlässlich 60 Jahre Institut für Erziehungshilfe. Wien, 11. Nov. 2009 „Erwachsen-Werden leichter gemacht! Herausforderungen, Voraussetzungen und Unterstützungen“, „Tu ich genug für mein Kind? Eltern zwischen Schuldgefühlen und Perfektionismus“ und „Versorgung von Menschen mit Down Syndrom an der DS Ambulanz Wien“ (Workshops). Down Syndrom Tagung Salzburg. 25.–27. Sep. 2009 „Essprobleme bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“. Elterngruppe moveat. Wien, 9. Dez. 2009 „Geschwisterbeziehungen zwischen Liebe, Konflikt und Rivalität“. Elternabend für den Kindergarten Oberrohrbach, 4. Mai 2009, und für EFKÖ Wien. 14. Sep. 2009 „Liebe, Partnerschaft und Sexualität“. Seminar für die Lebenshilfe Wien. 4. Mär. 2009 „Verstehendes Umgehen mit Eltern“. Fortbildung für die Kindergartenpädagoginnen des Landes NÖ. 18. Feb. 2009 „Verstehendes Umgehen mit Eltern“. Seminar für die Basalen Förderklassen, Wien. 8. Jul. 2009 „Wenn es klingelt, piepst und blitzt: Neue Medien in der psychoanalytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ (Vortrag). 26. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Krems, 26.–28. Feb. 2009 Mag.a Christine Pennauer „Persönlichkeitstheorie und Therapietheorie“ (Seminar). Fort- und Ausbildung: Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie ( IPS, APG), 20.–21. Jun. 2009 „Theorie des Spiels“, das Spiel in der Kindertherapie (Seminar). Aus- und Fortbildung für PsychotherapeutInnen im Rahmen des Instituts für Personenzentrierte Studien der APG, 24.–25. Okt. 2009 Mag.a Gisela Reimoser „Persönlichkeitsentwicklung in den ersten Lebensjahren“ Fortbildung für Kindergartenpädagoginnen des Landes OÖ, 10.10. und 24. Okt. 2009 . 24 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 öffentlichkeitsarbeit Dr. Elisabeth Scherz Projekt „Vernetzte Elternbildung im Burgenland“ (geförderte Seminarreihe vom BM für Wirtschaft, Familie und Jugend) „Die Entwicklungsphase der Kinder“ Neustift Lafnitzt, 3. Nov. 2009 „Streiten ist ok!“ Konflikte im Alltag, Bruckneudorf 17. Dez. 2009 Dr. Gabriela Schreder „Die Bedeutung der Differenz in der Erfahrung psychotherapeutischer Gegenseitigkeit“ (Vortrag). Internationales Symposium anlässlich der Verleihung des Carl Rogers Award 2009 der American Pschological Association (APA) an Peter F. Schmid. Wien, 9. Mai 2009 Mag. (FH) Siegfried Tatschl Lecture “Challenges for Child Guidance in a globalised world”. Easter Workshop, Bachelorstudiengang Soziale Arbeit. FH Campus Wien, 15. Apr. 2009 Gruppensupervision für die SozialarbeiterInnen am Otto-Wagner-Spital Lehrveranstaltung Supervision im Bachelorstudiengang Wien, WS 2009/10 „Logopädie-Phoniatrie-Audiologie,“ FH Campus Supervision für Haus der Zuversicht – Ambulatorium für Kinder und Jugendliche, Waidhofen an der Thaya Teamsupervision für Projekt Interkult (Lernbetreung und Bildungsberatung für Jugendliche mit Migrationsbzw. Fluchthintergrund) des Evangelischen Bildungswerk NÖ, St. Pölten Dr. Lisa Wustinger „Das Objekt der Begierde – Widersprüchliches zur Nutzung neuer Medien und Kommunikationsformen bei Kindern und Jugendlichen“. Wiener Psychoanalytische Akademie. 13. Nov. 2009 „Pubertäre Identitätsentwürfe“. Pöllau, 15. Mai 2009 „Schule und Gewalt” – Gespräche über Kinder. BOJE, 26. Mär. 2009 „Wo die wilden Kerle wohnen“. Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalytische Pädagogik: Gruppe zu Gewalt und Medie, 16. Mai 2009 Mag.a Tina Zumer-Haslehner „Das Squiggle – Donald W. Winnicott“ (Vortrag). Sigmund Freud Vorlesungen/WPV – Akademie. Jän. 2009 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 25 öffentlichkeitsarbeit Staffelmarathon 2009 Heuer starteten wiederum 2 mixed Staffeln der Institute: Zwei Teams für eine Sache: Child Guidance Zeit: 3:42:17, Rg 554 KRg 257 Institut für Erziehungshilfe 1 Zeit: 4:11:52, Rg 1523 (von 2211), KRg 881 26 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 kommentar 6. Kommentar zur frühen außerhäuslichen Betreuung Dr. Karin J. Lebersorger „Mütter, macht Karriere“ oder „zurück an den Herd“? Eine möglichst baldige Rückkehr von Müttern an ihren Arbeitsplatz nach der Geburt eines Kindes ist ein seit Jahren kontrovers diskutiertes Thema. Diese Forderung soll es Müttern ermöglichen, rasch wieder in einem spannenden Feld weiterzuarbeiten, Karrierechancen nicht zu gefährden, zum Familieneinkommen beizutragen und/oder keine Benachteiligung bezüglich des späteren Pensionsbezugs zu erfahren. Emanzipationsbestrebungen und beruflicher Verwirklichung gegenüber finden sich Erwartungen an Mütter, sich möglichst lange der Kinderbetreuung zu widmen. Jährliche Statistiken zeigen, dass auch der zunehmende Ruf nach Beteiligung der Väter kaum zu einer Aufteilung der Kinderbetreuung führt. Seit der Ankündigung, den Kindergeldbezug auf 80 % des Einkommens zu erhöhen und den jüngsten politischen Bestrebungen Kinderbetreuung kostenlos anzubieten ist der Diskurs wieder hoch aktuell. Die Kindergelderhöhung, die es Eltern erlauben würde, sich ohne massive finanzielle Einschränkungen um ihr Baby und Kleinkind zu kümmern, ist für nur ein Jahr lang vorgesehen. Eltern, die länger bei ihrem Kind bleiben wollen müssen weiterhin mit den wesentlich niedrigeren Sätzen ein Auskommen finden. Alleinerzieherinnen und ihre Kinder sind in allen Versionen zeitlich benachteiligt. Tatsache ist, dass die meisten Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich augenblicklich über zu wenig Plätze und Personal verfügen, um eine dem Alter des Kindes gemäße Betreuung anbieten zu können. Immer wieder wird beklagt, wie unruhig, unkonzentriert, passiv konsumierend Kinder heute seien, und welche Bedrohung destruktiv agierende Jugendliche, die über keine inneren Bremsen und sozialen Werte zu verfügen scheinen, darstellen. Im gesellschaftspolitischen Diskurs finden sich Lobbies für die Mütter, die Wirtschaftstreibenden, die Sozialpolitiker, aber kaum für die Kleinkinder und ihre altersgemäßen Bedürfnisse. Meines Erachtens kann die Auseinandersetzung nicht lauten, ob deren Frühbetreuung von den Müttern geleistet werden muss oder von Betreuungspersonen, sondern welchen Anforderungen und Standards sie zum Wohl der Kinder entsprechen sollte. Die frühe Kindheit trägt wesentlich zur regulativen Fähigkeit eines Menschen bei. Frühe Beziehungserfahrungen bestimmen, ob Spannungen ausgehalten werden können, es gelingt, sich selbst zu beruhigen und sich mit unerwünschten Gefühlen auseinander zu setzen und sie zu integrieren. Welche Bedürfnisse müssen also erfüllt sein, damit Kinder und ihre Eltern die wichtigen ersten Jahre zu einer sicheren Basis für ihr weiteres Leben werden lassen? Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 27 kommentar Warum sind die ersten drei Lebensjahre so bedeutsam? Neben gesicherten Lebensbedingungen und fördernden Angeboten ist die Entwicklung von Sicherheit im Erleben von Gefühlen ein wichtiges Ziel. Sie bildet die Basis auf der das Kleinkind zu einem stabilen Schulkind und einem Jugendlichen werden kann, den die Erschütterungen der pubertären Veränderungen nicht gänzlich aus der Bahn werfen. Die Bedeutung früher Lern- und Beziehungserfahrungen ist heute weitgehend anerkannt. Während aber fördernde Angebote nicht ausschließlich von den primären Bezugspersonen auszugehen brauchen, sind stabile, kontinuierliche Beziehungen ohne frühe Trennungserfahrungen zur Entwicklung eines grundlegenden Sicherheitsgefühls, des Urvertrauens, unerlässlich. Erlebt sich ein Kind von wenigen konstanten Personen in regelmäßigen Rhythmen gehalten, kann es langsam ein sicheres Gefühl bezüglich sich selbst und den anderen aufbauen. So wie es vor der Geburt körperlich mit seiner Mutter verbunden ist, strebt es nun danach, sich emotional an ein Gegenüber zu binden. Meistens sind Mutter und Vater diese Bezugs- oder Bindungspersonen. Ihre für die kindliche Gefühlsentwicklung so wichtige Position kann aber auch von anderen ausgefüllt werden. Elterliche Fürsorge und Zuwendung stellen für das Baby ein aufnehmendes, spiegelndes oder förderndes Gegenüber dar. Durch ihren Trost und durch sprachliche Zuwendung ermöglichen sie dem Baby auch, seine manchmal unerträglichen Gefühle, die durch körperliches Unbehagen oder Ängste, verlassen zu sein, hervorgerufen werden, zu ertragen und sich zu beruhigen. Die ersten Grundlagen zur Fähigkeit, unangenehme Gefühlszustände aushalten zu können und sich allmählich auch selber zu beruhigen werden bereits so früh im Leben gelegt. Damit ein Kleinkind das Gefühl verinnerlicht, dass Unwohlsein, Aufregung oder Angst wieder zum Verschwinden gebracht werden können, dass also alles wieder gut wird, es sichere andere gibt, auf die es sich verlassen kann, muss es über einen längeren Zeitraum unzählige beruhigende Beziehungserfahrungen sammeln. Wenn positive Erfahrungen überwiegen, können auch frustrierende Momente, die sich nicht verhindern lassen, ertragen werden. Je ungestörter diese ganz unspektakulären, dafür umso wichtigeren Erfahrungen gesammelt werden können, desto sicherer ist ein Kind gebunden, desto stabiler ist sein grundlegendes Gefühl des Vertrauens und desto rascher entwickelt es die Fähigkeit, sich auch selbst zu beruhigen. Erlebt sich ein Kind mit zwei bis drei primären Bezugspersonen in sicherer Beziehung und verläuft seine Entwicklung ohne schwere Einschnitte wie abrupte Trennungen oder Erkrankungen, dann ist es ihm meist zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat zunehmend möglich, sich zuerst kürzer, langsam immer länger von ihnen ohne übergroße Ängste zu trennen. Das Kleinkind verfügt in diesem Alter bereits über erste sprachliche Fähigkeiten. Bevor es über Sprache verfügt, erlebt es Trennungen unmittelbar, hat keine Möglichkeit, sich darauf einzustimmen. Sprache ermöglicht es nämlich, Veränderungen vorher anzukündigen und die damit verbundenen Gefühle zu benennen. Dies verhindert Unsicherheit, Angst oder Trauer jedoch nicht, hilft aber, sie besser aushalten, mit anderen teilen und in das eigene Erleben einfügen zu können. Je früher ein Baby einen Betreuungswechsel erlebt, über desto weniger mentale Fähigkeiten verfügt es, sich darauf einzustellen. 28 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 kommentar In dieser Zeit entstehen im Kind auch innere Bilder seiner Eltern. Diese können in der Erinnerung abgerufen werden, wenn sie nicht anwesend sind. Die Länge der Trennung, die das Kleinkind bewältigen kann, hängt davon ab, wie weit diese Entwicklung sowie die Entwicklung seiner Sprache gediehen sind. Es ist notwendig, die Zeiten der Trennung langsam zu steigern, damit das Kind selber Zeit hat, sich auf neue Situationen und neue Menschen einzustellen und neue Bindungen mit ihnen einzugehen. Was sollten Eltern beachten? Frühe Fremdbetreuung, sei es bei Tagesmüttern oder in Krippen, sollte möglichst kindgerecht gestaltet sein. Trennungserfahrungen, die mit Überforderung, Angst und Verlassenheitsgefühlen verbunden sind, können die Fähigkeit, sich ruhig und sicher zu fühlen und vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, beeinträchtigen. Betreuungspersonenwechsel stellen eine Unterbrechung der Beziehungskontinuität dar, wobei diese umso deutlicher erlebt wird, je jünger und somit unreifer das Kleinkind ist. Es erlebt eine Irritation, die oftmals körperlich oder durch Protest, Unruhe, Rückzug, Traurigkeit ausgedrückt wird. So ist es nicht verwunderlich, wenn das Kleinkind unmittelbar nach Beginn der außerhäuslichen Betreuung erkrankt. Es ist aber auch in der Lage, sich auf die neue Person mit ihrem neuen, anderen Beziehungsangebot einzustellen und sich an sie zu binden. Dieser Prozess erfordert Zeit und sollte ihm nicht allzu oft abverlangt werden. Die Bedeutung der neuen Betreuungsperson reicht weit über Pflege und Versorgung hinaus. Sie tritt in der Zeit, die sie mit dem Kind verbringt, an Elternstelle, um die Entwicklungsaufgaben in Bezug auf Bindung und Regulation der Gefühle zu ermöglichen. Sympathie und Vertrauen seitens der Eltern zu ihr tragen wesentlich zum Gelingen der neuen Beziehung ihres Kindes bei. Seitens der Eltern ist es ganz wesentlich, die Wichtigkeit der neuen Person für ihr Kind anzuerkennen und nicht in Rivalität zu treten. Oftmals wird die Bedeutung der neuen Beziehung nicht gesehen oder bagatellisiert. Dies kann mit dem Anspruch verbunden sein, sich eigentlich selbst um das Kind kümmern zu wollen aber die Zeit dafür nicht zu haben, und den damit verbundenen Schuldgefühlen. Es können aber auch Gefühle des Neides gegenüber der neuen Bezugsperson entstehen, die Schritte seiner Entwicklung mit dem Kleinkind teilt, an denen die Eltern nicht teilhaben können. Steht ein erneuter Wechsel bevor, sind Zeiten für die Vorbereitung, das Abschied nehmen und die damit verbundene Trauer notwendig. Bei der Wahl der Fremdbetreuung für Kinder unter drei Jahren spielen Gruppengröße und Beziehungskontinuität eine wesentliche Rolle. Eine Betreuungsperson kann den Bedürfnissen des Kleinkindes nur gerecht werden, wenn sie genügend Zeit und inneren Raum zur Verfügung hat. Alle Untersuchungen zeigen, dass ein Betreuungsschlüssel von einer Bezugsperson zu maximal drei Kleinkindern dies optimal gewährleisten kann. Wird ein Kind allein von einer Person betreut, ist es günstig, wenn die neue Beziehung möglichst lange andauern kann und nicht ständige Wechsel stattfinden, wie das oftmals bei Au pairs gegeben ist. Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 29 kommentar Was sollten Betreuungspersonen wissen? Kleinkinder brauchen individuell gestaltete Übergänge und genügend Zeit, um frühe Trennungssituationen zu bewältigen und sich auf neue Beziehungs- und Bindungsangebote einzulassen. Die Trennung fällt ihren Eltern oft ebenso schwer. Die neue Bezugsperson bekommt eine große Bedeutung für die Gefühlsentwicklung des Kindes. Sie ist nicht beliebig austauschbar. Besonders wenn Veränderungen anstehen ist es daher notwendig, das Kind und seine Eltern darauf vorzubereiten, sofern es möglich ist. Diese verantwortungsvolle Aufgabe ist den Betreuungspersonen selbst, aber auch den Eltern und der Gesellschaft oft nicht bewusst. Da in vielen Kinderkrippen der Betreuungsschlüssel weit über dem optimalen von 1 : 3 liegt, können die Bedürfnisse des Kleinkindes nach Zuwendung und Bindung eine Überforderung der Betreuerin darstellen. Es ist psychisch unmöglich, bei üblichen Schlüsseln von 1 : 8 allen Wünschen gerecht zu werden. Kinder, die sich laut äußern oder durch ihr Verhalten die Betreuerin an sich binden, erhalten meist mehr Aufmerksamkeit, als ruhige, zurückgezogene Kinder. Daher ist der stete Ruf nach Verkleinerung der Gruppengröße weiterhin unerlässlich. Welche gesellschaftspolitische Verantwortung liegt in der Kinderkrippe? Kostenlose öffentliche Frühbetreuung und hohe Standards sollten einander nicht ausschließen. Vor allem im Krippenbereich bedarf es deutlich mehr Personals, um einen kindgerechten Betreuungsschlüssel zu erreichen. Stete Überforderung birgt die Gefahr des Burn Outs in sich. Dies kann bei den Pädagoginnen zu krankheitsbedingten Ausfällen oder auch zum Wechsel in Gruppen mit älteren Kindern führen. Die Kleinkinder verlieren dadurch zeitweise oder für immer ihre Bezugsperson und müssen stets neue, manchmal kurze, Bindungen aufbauen. Sie können mit erhöhter Krankheitsanfälligkeit reagieren, die ihre Eltern wiederum vom Arbeitsplatz abzieht, aber auch mit körperlicher Unruhe, Gefühlsdurchbrüchen, Klammern oder Angst. In der Ausbildung der Pädagoginnen sollte der Bedeutung ihrer Beziehung zu den Kleinsten ein besonderer Stellenwert zukommen. Regelmäßige Fortbildung und Supervision leisten einen wichtigen Beitrag zu ihrer Psychohygiene. Sozialausgaben in diesem Bereich sind eine gewinnbringende Investition in die Zukunft der Kinder, somit der Gesellschaft! Weiterführende Literatur: Psyche Themenheft 2/2008: Außerfamiliäre Betreuung und frühkindliche Entwicklung. Psychoanalytische Perspektiven. 62. Jg., 2008. AKJP, Heft 142, XL. Jg., 2/2009: Frühe außerfamiliäre Betreuung Weblinks: http://www.psychoanalyse-aktuell.de/kinder/krippenausbau.html http://www.gaimh.org/publikationen/betreuung-in-krippen.html 30 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 personalstand 7. Personalstand der Institute für Erziehungshilfe (Stand 31.12.2009) Ärztliche Leitung und Geschäftsführung Dr. med. Barbara Burian-Langegger Verwaltung Irene Windhager InstitutsleiterInnen Dr. Christel Fritsche (Institut 5) Dr. Peter Zumer (Institut 10) Dr. Elisabeth Wustinger (Institut 11) Mag.a Geraldine Kaindl-Hönig (Institut 19) Dr. Karin J. Lebersorger (Institut 21) 29 PsychologInnen/PsychotherapeutInnen 1/38,0 Stunden pro Woche Dr. Heidemarie Kramer 1/33,5 Stunden pro Woche Mag.a Judith Giesinger 3/28,5 Stunden pro Woche Dr. Sabine Götz, Lea Hof-Vachalek, Annalies Zeijl-Witt 4/24,0 Stunden pro Woche Dipl. Psych. Annette Christ-Hohmann, Dr. Eva Fink-Angelides, Mag.a Gundula Rammer, MMag.a Regina Schnallinger 20/19,0 Stunden pro Woche Mag.a Tania Bednarcik, Gerhard Delpin MSc, Mag. Sandro Gattei, Mag.a Eva Illyes, Christian Knaller, Dr. Burgit Laviolette, Dr. Peter Lenhart, Mag.a Johanna Pelikan-Lex, Mag.a Christine Pennauer, Mag.a Gisela Reimoser, Dr. Sylvia Schalkhammer, Dr. Gabriela Schreder, Dr. Thomas Schuster, Dr. Alicja Smolen, Mag.a Andrea Tinhof, Dr. Gabriele Uhl-Schmid, Mag.a Regine Voitl-Mikschi, Ursula Voitleithner, Mag.a Elisabeth Wittich, Mag.a Tina ZumerHaslehner 13 SozialarbeiterInnen/PsychotherapeutInnen 2/38,0 Stunden pro Woche DSA Edith Endl, DSA Judith Lamatsch 1/33,5 Stunden pro Woche DSA Elfriede Zachemba 3/28,5 Stunden pro Woche DSA Sylvia Maria Böhm, DSA Manon Hansen, DSA Mag.a Sylvia Heindl-Opitz 4/24,0 Stunden pro Woche DSA Ursula Demonti, DSA Dr. Elisabeth Scherz, DSA Mag. (FH) Siegfried Tatschl, DSA Mag. Gerhard Wieser 3/19,0 Stunden pro Woche DSA Mag. Stefan Gemperle, DSA Alice Klein, DSA Hedda Pflagner (ATZ) 1 Sozialarbeiterinnen der MAG ELF wurden den Instituten zugeteilt: DSA Theresia Pfeffer 6 Sekretärinnen 5/38,0 Stunden Maria Fischer, Brigitte Pilny, Beate Schmidt-Varga, Alexandra Wäger, Eva Wurzenberger 1/15,0 Stunden Mag.a Christina Soustal 5 Reinigungskräfte 1/ 28,5 Stunden Theresia Schmelzer 4/24,0 Stunden Nedeljka Aleksic, Gerlinde Graf, Amra Mesalic, Amela Muhic Personalwechsel 2009 Abgänge: Dr. Thomas Elstner (31.07.2009), Dr. Heidemarie Kramer (31.12.2009) Cornelia Liebhart (14.03.2009; Babykarenz) Zugänge: Mag.a Christine Soustal (01.03.2009), Ursula Voitleithner (01.03.2009), Mag. Sandro Gattei (01.10.2009) Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 31 standorte 8. Standorte der Institute für Erziehungshilfe Ärztliche Leitung und Geschäftsführung: Dr. Barbara Burian-Langegger e-mail: [email protected] Administrative Leitung: Irene Windhager e-mail: [email protected] 1190 Wien, Heiligenstädterstraße 82/14 Institut 19 1190 Wien, Heiligenstädterstraße 82/14 Leiterin: Mag.a Geraldine Kaindl-Hönig Institut 5 1050 Wien, Margareten Gürtel 100-110/6/1 Leiter: Dr. Christel Fritsche Tel: 368 12 35 Fax: 368 12 35 e-mail: [email protected] Stellvertreterin: Dr. Sabine Götz Tel: 544 13 20 Fax: 544 13 20/30 e-mail: [email protected] Stellvertreter: Dr. Peter Lenhart Gesamtdokumentationsverantwortliche: Dr. Heidemarie Kramer Institut 10 1100 Wien, Sahulkastraße 5/35/1 Leiter: Dr. Peter Zumer Tel: 544 13 20 e-mail: [email protected] Tel: 616 16 74 Fax: 616 16 75 e-mail: [email protected] Stellvertreterin: DSA Alice Klein Institut 11 1110 Wien, Geystraße 2 Tel. 979 15 70 Fax: 979 22 34 e-mail: [email protected] Leiterin: Dr. Elisabeth Wustinger Institut 21 1210 Wien, Schloßhoferstr. 4/7/3. Stock Leiterin: Dr. Karin J. Lebersorger 32 Tel: 368 31 12 Stellvertreterin: Mag.a Christine Pennauer Tel: 271 63 28 Fax: 271 63 28/ 33 e-mail: [email protected] Stellvertreterin: DSA Elfriede Zachemba Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 standorte Regionale Aufteilung der Bezirke zum jeweiligen Institut Achtung Änderung ab 2010: Familien aus dem 20. Bezirk werden dann dem 11. Bezirk zugeteilt werden (s. Abbildung unten). Homepage der Institute: http://www.erziehungshilfe.org Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009 33 danksagung 9. Danksagung Wir danken allen Personen und Institutionen, die unsere Arbeit ermöglichen! Die Subvention durch die MAG ELF stellt die Basis unserer Existenz dar. Die Fortführung des Projekts der „Therapeutische Gefährten“ verdanken wir: Dkfm. Georg Stefan Folian Lions-Club Wien-Hofburg Jubiläumsveranstaltung „60 Jahre Institut für Erziehungshilfe“ Spielräume – Entwicklungsräume Für das Zustandekommen der Jubiläumsveranstaltung danken wir: Dr. Michael Häupl, Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, für die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten sowie Sponsoring des Cocktailempfanges und der MAG ELF für die finanzielle Unterstützung. 34 Institut für Erziehungshilfe: Jahresbericht 2009