So werden in der Unfallchirurgie operative Eingriffe an Weichteilen und am gesamten Skelettsystem routinemäßig durchgeführt. Die Chirurgie der Bauchrogane mit Eingriffen bei Gewebebrüchen, bei Geschwürs- oder Geschwulsterkrankungen des Magens und der Gallenwege sowie an allen Abschnitten des Darms bildet den Schwerpunkt der allgemeinen Chirurgie. Die Chirurgie des Nervensystems beschäftigt sich vorwiegend mit operativen Eingriffen an den peripheren Nerven, die durch Unfälle über oder unter Tage beschädigt worden waren. Eine Besonderheit sind Anfang der 1930er Jahre chirurgische Eingriffe an den Harnund Geschlechtsorganen: Die Urologie befindet sich noch in ihren Anfängen, bis zur selbstständigen Abteilung ist es noch ein langer Weg. Im Knappschaftskrankenhaus Bottrop wird jedoch von Anfang an der wachsenden Bedeutung dieser jungen Fachrichtung Rechnung getragen, indem nicht nur in der Person von Prof. Seeliger ein auf diesem Gebiet bereits erfahrener Arzt eingestellt wird. Auch gut ein Drittel der Betten der Chirurgischen Abteilung wird Patienten mit urologischen Erkrankungen zugestanden. Mit Kriegsausbruch werden nach und nach besonders die auf operativen Gebieten tätigen Ärzte zum Wehrdienst einberufen. Auch Prof. Seeliger wird schon früh zur Sanitätstruppe des Heeres eingezogen. Er fällt als einer der ersten Angestellten des KK Bottrop 1941 an der Ostfront während eines Einsatzes als Chirurg. Mit Seeligers Einberufung übernimmt Dr. Johannes Reetz, Chefarzt der Nervenabteilung seit 1933, die Leitung des Krankenhauses. Neben der immer schwieriger werdenden Patientenversorgung obliegt ihm 1941 auch die Einrichtung von splittersicheren NotOperationsräumen und Entgiftungsräumen im Knappschaftskrankenhaus. Innerhalb eines halben Jahres wird sie mit finanzieller Unterstützung der Stadt Bottrop im Untergeschoss des Patientenflügels fertig gestellt. Gleich am 1. Januar 1946 übernimmt mit Dozent Dr. med. habil. Carl Blumensaat ein neuer Chefarzt die Leitung der Chirurgisch-urologischen Abteilung. Er wird gleichzeitig zum neuen Krankenhausdirektor ernannt. Habilitiert für die Fächer Chirurgie, Urologie und Chirurgische Röntgenologie ist Blumensaat nun die treibende Kraft für den inneren und äußeren Wandel im Knappschaftskrankenhaus Bottrop. Die Bettenzahl, die zu Beginn des Krieges bei 406 gelegen hat, erweist sich nach dem Krieg als zu gering. Das wird durch das Patientenaufnahmebuch von 1946 bestätigt. 5.723 Patienten – so viel wie nie zuvor – werden im gesamten Jahr aufgenommen. Beinahe 50 Prozent der Patienten kommen jetzt aus Bottrop. Am 22. November 1954 wird nicht nur der vollkommen umgestaltete Ostflügel mit seinen drei neuen Abteilungen vertrauensärztliche Untersuchungsstelle, Gynäkologie / Geburtshilfe und Innere Medizin sowie zu Patientenzimmern ausgebautem Dachgeschoss feierlich eröffnet. Prof. Dr. Blumensaat kann den zahlreichen Ehrengästen außerdem einen nach neuestem Stand der mediziischen Wissenschaft umgebauten Operationstrakt präsentieren. Drei aseptische Arbeitsplätze sind nun vorhanden, eine neuartige Operationslampe integriert eine Kamera, die während der Operation 20 Aufnahmen schnell hintereinander machen kann. Das Glasdach ist so verändert, dass die nun geforderte Verdunkelung für neue Operationsverfahren hergestellt werden kann. Durch neue Narkoseverfahren können jetzt große, vier bis fünf Stunden dauernde Operationen am Skelettsystem, im Bauch- und Brustraum vorgenommen werden. Mit der Einführung der Intubationsnarkose sind nun auch chirurgische Thoraxeingriffe möglich. Nicht nur im Pflegebereich setzen mit Beginn der 60er Jahre grundlegende Veränderungen ein. Unter dem Stichwort „Strukturwandel im Krankenhauswesen“ werden Spezialisierungen in den Fachabteilungen in den folgenden Jahren unausweichlich. Bereits 1960 ist die durchschnittliche Verweildauer in den Krankenhäusern allgemein um fas 40 % auf 17,1 Tage zurückgegangen, in den Akutkrankenhäusern um ein Drittel auf 13,1 Tage. Als Grund dafür werden bessere soziale Wohnverhältnisse genannt. Der rasante medizinische Fortschritt stellt Ärzte und Personal vor immer größere Möglichkeiten und Ansprüche. Bei zunehmendem Patientendurchgang erweist sich insbesondere die Chirurgisch-Urologische Abteilung mit ihren über 300 Betten jetzt als viel zu groß. Auf Antrag von Prof. Blumensaat wird als erste Abteilung des Hauses die Urologische Abteilung von der Chirurgischen abgetrennt und 1962 – nach umfangreichen Bau- und Modernisierungsmaßnahmen als eigenständige Fachabteilung der Leitung von Dr. Elmar Menzel unterstellt, der sie in den kommenden Jahren zu einem Zentrum der Behandlungen von Erkrankungen der Nieren und Harnwege ausbaut. Der permanent zunehmende Operationsbetrieb in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre sowie der medizinische Fortschritt im Bereich der Anästhesiologie führen auch hier zur Abspaltung aus der Chirurgischen Abteilung. Am 1. November 1965 wird Dr. Marjan Urh zum Chefarzt der nun selbstständigen Abteilung für Anästhesiologie und Intensivpflege berufen. Zur Überwachung der frisch operierten Patienten wird eine so genannte Wachstation geschaffen, die der Inneren Abteilung angegliedert ist. Noch im selben Jahr erfolgt ein Chefarztwechsel in der Chirurgischen Abteilung. Nach der Pensionierung am 31. Oktober 1965 von Prof. Blumensaat wird Dr. Günther Mußgnug als Nachfolger bestellt. Dessen besonderes Interesse gilt der Gefäß- und Sympaticus-Chirurgie, die begonnen unter Blumensaat – jetzt an Umfang und Bedeutung erheblich zunimmt. Bereits 1965 macht am KK Bottrop der Oberarzt und Gefäßspezialist Dr. Josè Antonio Alemany mit dem „Bottroper Bypass“ Furore. Er rettet das Bein eines Patienten vor der Amputation. Nach 20 Jahre später sind die Gefäße des behandelten Patienten durchlässig. Die Verselbstständigung des Departements zu einer eigenständigen Fachabteilung für Gefäßchirurgie unter der Leitung von Dr. Alemany im Jahr 1972 ist nur konsequent. Gleichzeitig können Bundesknappschaft und KK Bottrop sich damit das Prädikat „erste selbstständige Gefäßchirurgische Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus in der Bundesrepublik Deutschland“ auf die Fahnen schreiben. Ende 1980 beginnen die Bauarbeiten zum Neun-Millionen-Projekt, finanziert allein durch die Bundesknappschaft, da man auf Landesmittel noch fünf Jahre hätte warten müssen. In drei Jahren Bauzeit entstehen eine Notaufnahme mit Räumen für Polytraumen und Reanimation, eine Liegendanfahrt, eine neue chirurgische Ambulanz verbunden mit einem OP-Saal für ambulante Eingriffe, neue Ambulanzen für Neurologie und Urologie sowie eine neue interdisziplinäre Operationsabteilung mit drei aseptischen Operationsräumen. Von dem neuen Untersuchungs- und Behandlungstrakt profitieren vor allem die neuen Chefärzte in den Abteilungen Chirurgie, Urologie und Neurologie, die in einem Generationswechsel von 1984 bis 1986 an Knappschaftskrankenhaus Bottrop gerufen werden. So löst zunächst am 30. September 1984 Dr. Rüdiger Bohnsack als Chefarzt der Chirurgie Dr. Günter Mußgnug ab. Unter seiner Ägide erfährt die Bauchund Darmchirurgie eine Erweiterung: Durch operative Eingriffe werden jetzt Teile der Bauchspeicheldrüse, Leber und Oesophagus (Speiseröhre) entfernt, aber auch das vollständige Organ. Auch im Thoraxbereich nehmen operative Eingriffe zu. Hier hilft die verbesserte endoskopische Diagnostik. Die onkologische Chirurgie bildet zu dieser Zeit am KK Bottrop ebenfalls einen Schwerpunkt, Dank der gut aufgestellten Strahlenabteilung. Im Februar 1986 übernimmt Dr. Helmut Birzele von Dr. Menzel den Chefarztsessel der Urologie. Eine große Anzahl niedergelassener Urologen führt mittlerweile kleinere Eingriffe, insbesondere endovesikale-endoskopische Eingriffe in ihren Praxen ambulant aus. Daneben gehen dem KK Bottrop Patienten verloren, die nun universitäre Zentren aufsuchen, in denen die neue extrakorporale StoßwellenLithotrypsie (ESWL) zur unblutigen Nierensteinzertrümmerung durch Stoßwellen angeboten wird. Als Folge wird die Bettenzahl in der Urologischen Abteilung auf 40 zurückgefahren. Im Mai 1986 erfolgt ein weiterer Chefarztwechsel: Dr. Reiner Kornblum löst jetzt Dr. Althoff als Leiter der Neurologischen Abteilung ab. In den folgenden Jahren wird er den organ-neurologischen Schwerpunkt am KK Bottrop konsequent zu einem Spitzenplatz in der Region ausbauen. Ein vorerst letzter Wechsel erfolgt im Juni 1986 an der Spitze der Inneren Abteilung. Der neue Chefarzt Dr. Traugott Schilling wird zugleich auch zum neuen Ärztlichen Direktor ernannt. Die Abteilung verfügt jetzt über 106 Betten und hat damit die Chirurgie als größte Betten führende Abteilung endgültig abgelöst. Darin zeigt sich der Trend zu ambulanten Operationen und kürzeren Liegezeiten auf der einen Seite und immer schwerer erkrankten und älteren Patienten als Folge der demographischen Entwicklung auf der anderen Seite. Als Dr. Klaus Peitgen am 1. Januar 2005 die Nachfolge von Dr. Bohnsack als Chefarzt der Chirurgischen Klinik antritt stößt er nach eigenen Worten auf „ein sehr reges, innovatives Team und einen sehr offenen Geist am KK Bottrop mit dem Willen, sich ständig selbst zu erneuern“. Diese Einstellung teilt der Spezialist für Viszeral- (Weichteilchirurgie) und Minimal Invasive Chirurgie (Schlüssellochchirurgie) unbedingt. Er beginnt sofort mit der Neuordnung und logistischen Aufrüstung seiner Abteilung um eben jene Spezialinstrumente für die Minimal Invasive Chirurgie, daruner auch Kinderinstrumente, die nur zwei Millimeter dick sind. Die fachliche Verantwortung in der Unfall-Chirurgie übergibt er an den leitenden Oberarzt Dr. Jörg Sensfuß, der gleichzeitig mit Peitgen ans KK Bottrop wechselt. Zwei Ärzte haben nun ständig gleichzeitig Dienst in der Ambulanz, um dem großen Patientenstrom von bis zu 180 Menschen pro Tag gerecht zu werden. Unter einer stringenten Operationsplanung steigen die Operationszahlen der Chirurgischen Klinik innerhalb eines Jahres um elf Prozent. Bilanz bis Anfang 2006: 300 Patienten und Operationen mehr als im Vorjahr, 2.700 Patienten werden behandelt und 2.400 Operationen durchgeführt, zwei zusätzliche Ärzte angestellt. Die Liegezeiten sind im Schnitt um einen Tag auf 6,5 Tage gesunken. 90 Prozent der Patienten werden erst am Operationstag aufgenommen. Das Behandlungsspektrum deckt jetzt die gesamte endokrine, gastroenterologische, onkologische und koloproktologische Chirurgie ab. Minimal invasiv werden Eingriffe an allen inneren Bauchorganen wie Magen, Leber, Bauchspeicheldrüse, Milz,Dünn- und Dickdarm, Speiseröhre, Nebennieren und Leisten sowie an der Schilddrüse durchgeführt. Minimal invasiv – das heißt: Der Operateur führt feinste Kameras und Spezialinstrumente in den Körper des Patienten ein. Das Geschehen im Inneren des Patienten verfolgt er auf Bildschirmen. Die Heilung erfolgt um ein Vielfaches schneller und schmerzärmer als bei klassischen Operationen bei gleichzeitig gesteigerter Präzision, wovon Patient und Kassen gleichermaßen profitieren. Der Ausbau der Klinik zu einem Minimal Invasiven Referenz-Zentrum ist bereits begonnen worden. Gastärzte aus dem In- und Ausland kommen regelmäßig nach Bottrop, um sich über die neuesten Trends und die aktuellen Arbeitsweisen in der Minimal Invasiven Chirurgie zu informieren, regelmäßig werden Workshops veranstaltet. Für die Zukunft stellt Peitgen sich auch die Etablierung einer differenzierten Adipositas-Chirurgie und weiterer neuer Verfahren vor. Die Klinik wird seit 2005 von Dr. med. Klaus Peitgen geleitet, der Bereich Unfallchirurgie unterliegt der Verantwortung von Dr. med. Jörg Sensfuß. Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie behandelt jährlich ca. 2.700 Patienten in einer 67- Betten-Abteilung. Im Jahr werden zurzeit 2.400 operative Eingriffe in modern ausgestatteten Operationssälen stationär durchgeführt. Krankenschwestern und Pfleger sind für die Belange chirurgischer Krankheitsbilder speziell geschult. Moderne Konzepte werden mit Hilfe klinischer Pfade interdisziplinär konsequent umgesetzt. Mit der Viszeralchirurgie und der Traumatologie hat die Chirurgische Klinik zwei Arbeitsgebiete. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Minimal Invasive Chirurgie mit national und international anerkannter Expertise, vor allem im Bereich der kolorektalen Chirurgie und der Magenchirurgie. Alle prinzipiell möglichen Verfahren werden minimal invasiv angeboten. Ambulante Eingriffe werden in der Tagesklinik betreut. Onkologische und gastroenterologische Patienten werden in Kooperation mit der Klinik für Innere Medizin behandelt; es besteht eine regelmäßige Tumorkonferenz. Dem Patienten steht weiterhin eine große krankengymnastische Abteilung mit physikalischer Therapie zur Verfügung. Der Einzugsbereich der Klinik umfasst neben Bottrop und Kirchhellen auch die angrenzenden Bezirke der Städte Essen, Gelsenkirchen, Oberhausen, Dorsten und Gladbeck. Chefärzte 1931 – 2006 Chirurgie (Urologie) 1931 - 1941 1946 - 1965 1965 – 1984 1984 – 2004 seit 2005 Prof. Dr. Paul Seeliger Dr. Heinrich Hinderfeld Prof. Dr. Carl Blumensaat Dr. Günter Mußgnug Dr. Rüdiger Bohnsack Dr. Klaus Peitgen