HÄMOSTASEOLOGIE FÜR MTA-SCHÜLER HAND-OUT ZU DEN UNTERRICHTSEINHEITEN 13.10.2008 20.10.2008 27.10.2008 03.11.2008 Dr. med. Hannelore Haubelt Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH Themenübersicht 1. Physiologie des primären Hämostasesystems 2. Labormethoden zur Erfassung primärer Hämostasestörungen 1 1. Physiologie der Thrombozyten Bildung, Lebensdauer, Morphologie: Die Thrombozyten sind mit 3,6 0,7 µm die kleinsten zellulären Elemente des Blutes; ihre Dicke beträgt ca. 0,9 0,3 µm. Sie haben ein mittleres Volumen (MTV) von 7,1 4,9 fl und wiegen ca. 10 pg. Da sie keine Kerne besitzen, werden sie auch gerne - insbesondere im englischsprachigen Raum - als Blutplättchen (platelets) bezeichnet. Blutplättchen stammen aus dem Knochenmark. Die Vorläuferzellen sind die Megakaryozyten (polyploid), von denen sich die Plättchen von zytoplasmatischen Ausläufern abschnüren. Sie können noch teilweise aneinanderhängend in die Blutbahn gelangen, werden aber in den Kapillaren von Lunge und Milz endgültig getrennt. In der Embryonalperiode gibt es noch eine sog. physiologische extramedulläre Blutbildung in Milz und Leber. Normalerweise befindet sich ca. 1/3 der sich der Speicherpool auf mehr als 50% erhöhen und damit eine Thrombozytopenie verursachen. Andererseits können Plättchen durch verschiedene Stimuli (Adrenalin; körperliche Aktivität; maschinelle Apherese) aus der Milz in die Zirkulation freigesetzt werden und zu einem vorübergehenden Thrombozytenanstieg führen. Die mittlere Lebensdauer der Plättchen beträgt 10 Tage, ihre Halbwertszeit ca. 70 Std. Die "alten Plättchen" werden durch Makrophagen im RES von Milz und Leber entfernt. Wie diese das Alter erkennen, ist noch nicht sicher geklärt. Radioaktivität, (%) Thrombozytenüber-lebenszeit nach Ref.1 100 80 60 40 20 0 0 2 4 6 8 10 Tage Plättchen in der Milz (Speicher), der Rest in der Blutbahn. Bei Splenomegalie kann Nicht aktivierte Plättchen zirkulieren als Scheibchen, (diskoide Form), die durch bestimmte Syntheseprodukte (Prostacyclin (=PGI2), NO (=EDRF)) und Oberflächeneigenschaften der Endothelzellen am Haften an der Gefäßwand gehindert werden, selbst wenn sie durch andere größere Zellen dagegen gedrückt werden. Die Scheibchenform der Thrombozyten wird durch ihr Cytoskelett (SMC) stabilisiert; es besteht aus einem marginalen Mikrotubuli-Bündel (MT), das ringförmig direkt unterhalb der Zellmembran verläuft und einem Spectrin/Actin-Filament-Netzwerk, das seinerseits von einem Protein (ABP-280), das den VWF-Rezeptor (GP Ib-V-IX) der Plättchenmembran an die Actin-Filamente bindet, durchzogen ist. Im aktivierten Zustand werden diese Verbindungen z.T. gelöst und das Plättchen nimmt Kugelgestalt an und bildet Pseudopodien aus (Echinosphärozyten Gestaltwandel oder "shape change" im Aggregometer) Das Cytoskelett nimmt einen breiten Saum direkt unter der Plättchenmembran ein und hält die Organellen (-Granula, dense bodies, Lysosomen, Peroxisomen, (siehe nebenstehende Abbildung und schematische Darstellungen unten)) davon ab, mit der Zellmembran zu verschmelzen und ihre Inhaltsstoffe freizusetzen. Die -Granula enthalten unterschiedliche Stoffe, die nach ihrer Freisetzung im Gerinnungssystem (Faktor V, Fibrinogen, VWF), in der Vermittlung von Kontakten zu anderen Zellen (GP IIb/IIIa, Fibronektin, p-Selectin, Thrombospondin), aber auch in der unspezifischen Abwehr (ß-Lysin) und Narbenbildung (Gewebewachstum durch PDGF etc) eine Rolle spielen. Die dense bodies ("dichte Körperchen" (DB) genannt, weil sie im Elektronenmikroskop dichter aussehen als die anderen Organellen, insbesondere die Granula) enthalten überwiegend Stoffe, die eine zusätzliche Aktivierung der Thrombozyten herbeiführen können (ADP, Serotonin). Lysosomen enthalten Enzyme, die Abbauvorgänge katalysieren wie Saure Phosphatasen, Aryl-Sulfatase, ß-Glucuronidase, ß-Galactosidase 2 und Kathepsin. In den Peroxisomen findet sich die Katalase als das Enzym, das den Abbau von H2O2 bewirkt. Übersicht s. Tabelle 1. Außer den Zellorganellen gibt es im Plättchen noch das sog. open canicular system (OCS), ein Membransystem, das Mündungen auf der Zellmembran hat, über die es nach der Aktivierung von Plättchen zur Freisetzung der Inhaltsstoffe der -Granula bzw. dense bodies kommen kann, wenn diese im Rahmen der Sekretionsreaktion mit dem OCS verschmelzen. Über das OCS können Rezeptoren (besonders GP IIb/IIIa) recycled und mobilisiert werden. Beim Gestaltwandel der Plättchen sowie im Rahmen der Ausbreitungsreaktion und der Ausbildung von Pseudopodien dient es als Membranreservoir. Außerdem enthalten die Plättchen noch ein weiteres schlauchartiges Membransystem, welches das Zellinnere durchzieht und der Speicherung sowie Freisetzung von Ca++, der SteroidSynthese und der Prostaglandin- und ThromboxanSynthese dient. Dieses sog. dense tubular system (DTS) entspricht dem glatten endoplasmatischen Retikulum der kernhaltigen Zellen (Mitgift aus den Megakaryozyten). Die Mitochondrien (M) der Plättchen stellen die Energie bereit wie in anderen Zellen; freie Glykogenpartikel (GLY) liegen im Cytoplasma. Funktion: Die Plättchen haben die Aufgabe bei einer Gefäßverletzung den ersten Verschluß (primärer Blutplättchenpfropf) zu bilden. Man unterscheidet hier grob zwei Phasen: die Adhäsion und die Aggregation. Unter Adhäsion versteht man die Anheftung der Plättchen an eine Oberfläche - in der Regel die mit Adhäsivproteinen überzogene verletzte Gefäßwand. Aggregation dagegen bedeutet eine Verbindung der Blutplättchen untereinander. Betrachtet man die Plättchenpfropfbildung etwas genauer, kann man folgende Schritte unterscheiden: Adhäsion Aktivierung Ausbreitung Sekretion Aggregation prokoagulatorische Aktivität Die Vorgänge, die eine Interaktion des Plättchens mit seiner Umgebung (subendotheliale Matrixproteine, andere Plättchen, Plasmaproteine) beinhalten, sind Rezeptor-vermittelt. Adhäsion: Die Adhäsion von Plättchen an die verletzte Gefäßwand wird über den GP Ib-V-IX-Komplex vermittelt, der immobilisierten VWF (A1-Domäne) erkennt. Löslicher VWF wird nicht von dem Glykoprotein Ib-V-IX Rezeptor erkannt, so dass es normalerweise im strömenden Blut nicht zur Bindung des VWF an Plättchen und zur Aktivierung der Plättchen über den Rezeptorkomplex GP Ib-V-IX kommt. Nach einem Endothelschaden mit Exposition von subendothelialen Strukturen werden die Plättchen aber auch bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten durch die Erkennung des immobilisierten VWF abgebremst und adhärieren. Der VWF ist über seine Bindungsdomänen für Kollagen und Heparin, in der subendothelialen Matrix verankert. 3 Aktivierung: Die Bindung des GP Ib an den VWF bewirkt eine Signaltransduktion ins Plättcheninnere mit Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) und Erhöhung der cytoplasmatischen Ca++Konzentration Dadurch kommt es zur Aktivierung des thrombozytären Glykoprotein IIb/IIIaRezeptors, der dann in der C1-Domäne des VWFs die Aminosäuresequenz Arg-Gly-Asp (RGD), erkennt und bindet. Außerdem kommt es zur Änderung der Zusammensetzung der Plasmamembran mit Aktivierung des Phospholipid-Metabolismus und Thromboxan A2Synthese. Über eine Reorganisation im Zytoskelett wird die Ausbreitung des Thrombozyten eingeleitet. Die Aktivierung des Plättchens bewirkt außerdem eine Veränderung in der Liganden-Bindungsfunktion anderer Adhäsionsrezeptoren. Dadurch wird die Adhäsion des Plättchens über Interaktionen von GP Ia/IIa (=21) mit Kollagen, GP Ic/IIa (=51) mit Fibronektin und dem Lamininrezeptor 61 mit seinem Liganden stabilisiert. Das sezernierte Thromboxan A2 aktiviert seinen Rezeptor, was zu einer Konformationsänderung des Glykoprotein IIb/IIIa führt. Dieses Glykoprotein ist der wichtigste Aggregationsrezeptor, der im wesentlichen Fibrinogen bindet, aber auch andere Proteine, die die RGD-Sequenz aufweisen, wie z.B. den VWF, Fibronektin, Vitronektin und Thrombospondin. GP IIb/IIIa erkennt im nicht-aktivierten Zustand nur immobilisiertes Fibrinogen, erst nach ‘‘outside-ininduzierter‘‘ Konformationsänderung entwickelt sich die volle Rezeptoraktivität, die Voraussetzung für eine intakte Aggregation ist. Thromboxan A2 bewirkt zusätzlich eine Vasokonstriktion, was zu einer Verlangsamung des Blutstroms führt. Ausbreitung: Alle die Rezeptor-Linganden-Interaktionen (der Adhäsionsrezeptoren) führen letztlich über eine Erhöhung der cytoplasmatischen Ca++ -Konzentration zur Umorganisation des Zytoskeletts mit Auflösung des marginalen Mikrotubulibündels und Bildung von Aktinfilamenten, die an Myosin binden. Die Ausstülpung (Evagination) des surface connected system führt zur Vermehrung des verfügbaren Membranmaterials und ermöglicht die Pseudopodienbildung. Dadurch werden auch zusätzliche Rezeptormoleküle externalisiert. Es bildet sich ein stabiler Thrombozytenlayer auf dem endothelialen Defekt aus. Sekretion Die zunehmende Ca++-Mobilisierung aus dem dense tubular system führt dann zur Freisetzungsreaktion. Dabei werden die Inhaltsstoffe der -Granula und dense bodies sezerniert. Dieser Vorgang aktiviert einerseits weitere Rezeptoren wie den ADP-Rezeptor oder den Serotoninrezeptor, andererseits werden Substanzen (wie PF-4, PAI-1) sezerniert, die antikoagulatorische Stoffe (Heparin, Plasminogenaktivator) hemmen und andere, die die sekundäre Hämostase direkt fördern (wie Faktor V, Faktor XI, HMW-Kininogen) und zur Thrombinbildung beitragen, das seinerseits zu den stärksten Plättchenagonisten gehört. Aggregation: Die verschiedenen Agonisten bewirken durch Bindung an ihre Rezeptoren eine intrazelluläre Signaltransduktion, die über second messenger zu einer Konformationsänderung von GP IIb/IIIa führt. GP IIb/IIIa-Rezeptoren auf verschiedenen Plättchen binden Fibrinogen und erlauben dadurch eine Brückenbildung, die zur Aggregation führt. Durch die Anbindung aggregierter Thrombozyten an die an das Subendothel adhärierten und ausgebreiteten Plättchen kommt es zur Bildung eines stabilen primären Plättchenprofes, der Leukozyten einfangen kann und durch die Aktion der enthaltenen kontraktilen Proteine später schrumpft, so daß es nicht zur Verlegung, sondern nur zur Abdichtung des verletzten Gefäßes kommt. prokoagulatorische Aktivität Im Rahmen der Aktivierungsvorgänge werden Membranteile als Vesikeln (Mikropartikel, Mikrovesikel) abgeschnürt, die in der Membran Phospholipide (sog. PF 3) als prokoagulatorische Aktivität für die sekundäre Hämostase zur Verfügung stellen. Bindungsstellen für aktivierten Faktor V, Faktor VIII und FX wurden ebenfalls auf diesen Mikropartikeln nachgewiesen. Dadurch wird die Fibrinbildung sowohl beschleunigt als auch lokalisiert. 4 2. Labormethoden zur Erfassung von primären Hämostasestörungen Globaltest: Blutungszeit nach Mielke (=template bleeding time) PFA-100 (in vitro platelet function analyzer) Thrombozytenzahl, -morphologie, Elektronenmikroskopie Aggregometrie (turbidimetrisches Verfahren nach Born) Durchflusszytometrie ATP-Bestimmung während der Aggregation Bestimmung von -Granula-Inhaltsstoffen (PF-4, -TG, TSP) Bestimmung von Plättchen-spezifischen Eicosanoid-Metaboliten Der Globaltest der primären Hämostase ist die Blutungszeit. Es sind zahlreiche Modifikationen des Testes im Laufe der Jahre beschrieben worden; einigermaßen reproduzierbare Ergebnisse sind bei der Anwendung der von Mielke beschriebenen Modifikation der Blutungszeit nach Ivy zu erwarten (=Template bleeding time): Nach Anlegen einer Blutdruckmanschette mit einem Manschettendruck von 40 mm Hg wird lateral auf der Volarseite des Unterarmes (ca. 5 cm unterhalb der Ellenbeuge) eine definierte Schnittverletzung gesetzt (z.B. Surgicutt: 5mm lang, 1mm tief). Mit einer Stoppuhr wird die Zeit bis zum Sistieren der Blutung gemessen, wobei alle 30 Sekunden das austretende Blut mit einem Filterpapier abgesaugt wird, ohne die Wunde zu berühren. Bei Plättchenzahlen unterhalb von 100.000/µl verlängert sich die Blutungszeit nahezu linear. Eine Ausnahme bilden die Autoimmunthrombozytopenien, bei denen das MTV deutlich erhöht ist; hier ist die Blutungszeit - entsprechend der Klinik - kürzer als für die Thrombozytenzahl zu erwarten. Thrombopathien ITP Mod. nach Ref. 10 Erfasst werden auch alle anderen Störungen der primären Hämostase wie: Vasopathien Thrombozytenfunktionsdefekte bei Thrombozytopathien Von-Willebrand-Syndrom Medikamenteneffekte von Thrombozytenfunktionshemmern 5 Werte oberhalb von 8 Minuten sind pathologisch. Im Bereich von 5-8 Minuten gibt es Labor bedingte Unterschiede; Ergebnisse unterhalb von 5 Minuten sind unkritisch. Als präoperativer Screeningtest ist die Blutungszeit der Anamnese eindeutig unterlegen; als Globaltest bei V.a. primäre Hämostasestörung hat sie jedoch durchaus ihren Stellenwert. ‘‘In-Vitro-Blutungszeit‘‘, PFA-100 (=Platelet function analyzer, Dade Diagnostika GmbH) Das Gerät untersucht die Bildung des primären hämostatischen Thrombus aus Citratantikoaguliertem Vollblut. Die verletzte Gefäßwand wird simuliert durch eine mit Kollagen (2 µg Typ I Kollagen aus Pferdesehnen) und ADP (50µg Adenosin-5‘-Diphosphat) oder Kollagen und Adrenalin (10 µg Adrenalin Bitartrat) beschichtete Nitrozellulosefiltrationsmembran, in die eine Öffnung von ca. 0,45 µm gestanzt wurde. Die Membran sitzt am Ende einer Stahlkapillare, durch die die Probe aus einem Reservoir über einen konstanten Unterdruck angesaugt wird. Gemessen wird die Verschlusszeit. Vor Beginn der Untersuchung wird die Membran mit isotonischer Starterlösung benetzt, um das getrocknete Adrenalin bzw. ADP in Lösung zu bringen. Die vom Hersteller derzeit angegebenen Referenzbereiche der Verschlusszeiten liegen bei: OT/EPI: 85-165 s OT/ADP: 71-118 s Referenzbereiche aus anderen Literaturstellen belegen, dass es unbedingt erforderlich ist, einen eigenen Referenzbereich zu erstellen (Ref. 7-9). Wir haben nach Untersuchung von 60 gesunden Blutspendern (30 Frauen + 30 Männer) unseren Referenzbereich auf die folgenden Werte festgelegt: OT/EPI: 90-193 s OT/ADP: 71-118 s ASS-Einnahme soll spezifisch durch die EPI - Messzelle erfasst werden. Die Verschlusszeit der ADP-Messzelle soll normal bleiben, was aber nur in ca. 80% der Fälle zutrifft. Es kommen sowohl normale Werte für beide Teste bei ASS-Einnahme vor als auch pathologische Resultate für beide Teste. Wichtig ist: Blutentnahme in 3,8% (=0,129 mmol/l) gepufferte Citratlösung Nur eine Sorte Blutentnahmesystem benutzen: Monovetten oder Vacutainer (OT mit Vacutainer-Blut länger) Probenlagerung bei RT (30-240 Minuten) Nie zwei Messzellen gleichzeitig mit Blut beschicken (wegen HintereinanderMessung steht die eine Probe zu lange, Hämatokrit - Effekte) Neugeborene haben kürzere OT, Kleinkinder längere als Erwachsene Aggregometrie (turbidimetrisches Verfahren nach Born) Dieses Verfahren arbeitet mit Plättchen-reichem-Plasma (PRP), das durch langsame Zentrifugation (110-150 g, 10 Minuten) aus Citratblut gewonnen wird. Die Plättchenzahl kann auf 200.000-250.000/µl eingestellt werden oder auch nicht. Es wurde beobachtet, dass die erzielten Aggregationsergebnisse bei Einstellen der Plättchenzahl mit Plättchen-armem Plasma (PPP) schlechter ausfallen, als wenn das PRP des Patienten mit der nach Zentrifugation erhaltenen Thrombozytenzahl verwendet wird. Je nach Gerätetyp werden 450500 µl PRP im Aggregometer in einer Küvette in den Strahlengang gebracht (600 nm) und die Lichtdurchlässigkeit (Transmission) auf 0% eingestellt. Als 100% Transmission Referenz dient das Plättchen-arme Plasma (PPP) des gleichen Patienten. Gemessen wird die Zunahme der Transmission nach Zugabe von verschiedenen Aggregation-auslösenden Substanzen wie ADP, Kollagen, Adrenalin, Thrombin (oder TRAP = Thrombin receptor 6 activating peptide), Arachidonsäure, Ristocetin. Unter dem Einfluss der Agonisten tritt eine Aggregation ein, die zur Abnahme der Partikelzahl und dadurch zur Zunahme der Lichtdurchlässigkeit der Probe in Richtung auf das PPP führt. Beurteilt wird das Ausmaß der maximalen Aggregation sowie die maximale Aggregation pro Minute (Anstiegssteilheit) Mit verschiedenen Agonisten werden z.T. spezifisch unterschiedliche Kurvenverläufe aufgezeichnet. Durchflusszytometrie Mit durchflusszytometrischen Verfahren können die verschiedenen Rezeptoren an der Plättchenoberfläche mit fluoreszenz-markierten Antikörpern als Antigene bestimmt werden. Ein Mangel kann auf diese Weise entdeckt oder ausgeschlossen werden. Citratblut wird 1:10 mit PBS verdünnt und danach mit dem jeweiligen markierten Antikörper inkubiert. Im Durchflusszytometer werden die Plättchen durch eine hydrodynamische Fokussierung einzeln in den Laserstrahlengang gebracht. Streulicht (vorwärts und seitwärts) und Fluoreszenzintensität können so erfasst werden. Autofluoreszenz und unspezifische Antikörperbindung soll durch eine Negativkontrolle erfasst werden. Meist wird dazu ein Maus-Antikörper, der nicht gegen ein spezifisches Plättchenantigen gerichtet ist benutzt. Inzwischen sind eine Fülle von Antikörpern sowohl gegen Plättchen-spezifische als auch gegen Epitope, die auch auf anderen Zellen nachweisbar sind, kommerziell erhältlich. Die Namensgebung der Epitope erfolgt hier nach der CD-Klassifikation, so dass für das gleiche Antigen mehrere Namen aus den verschiedenen Nomenklatursystemen in Benutzung sind je nach Labor: Blutbank, Gerinnungslabor oder Durchflusszytometrie. (s. Tabelle 2) Beispiel: Wenn die Blutbank eine HPA-2-Bestimmung durchführt, spricht das Gerinnungslabor vom gleichen Antigen, nämlich dem wichtigsten initialen Adhäsionsrezeptor, als GP Ib des GP IbV-IX-Komplexes, dessen Mangel sich in der Durchflusszytometrie als Fehlen des CD 42b äußert. 7 Liste der Abkürzungen: ABP-280 BltZ BSS CBA CM DDAVP DTS EC ECGF EDRF EGF EPI GZ G+T HLA HPA ITP KG LAMP-1 LIA MTV NO = EDRF OCS OT PAF PAI-1 PDGF PFA-100 PF-4 PGI2 PPP PRP RIPA RCOF RES SCS SMC SMF TGF- TRAP TSP -TG VWE VWF VWS Actin binding protein 280 Blutungszeit Bernard-Soulier-Syndrom Collagen binding activity Zellmembran (3-Schichtige unit membrane) 1-Des-Amino-8-D-Argininvasopressin dense tubular system exterior coat (äußere Hülle) Endothelial cell growth factor endothelium derived relaxing factor Epidermal growth factor Epinephrine = Adrenalin Golgi zone α-Granula mit Tubuli (ähnlich den Mikrotubuli (MT)) Human Leucocyte Antigen Human platelet antigen Idiopathische thrombopenische Purpura Körpergewicht Lysosome-associated-membrane protein-1 Latex Immuno Assay MIttleres Thrombozytenvolumen Stickstoffmonoxid open canalicular system (=SCS) Occlusion time = Verschlusszeit Platelet activating factor Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 Platelet derived growth factor Platelet function analyzer-100 Plättchenfaktor 4 Prostaglandin I2, =Prostacyclin Platelet poor plasma = Plättchen-armes Plasma Plättchen-reiches Plasma Ristocetin-induzierte Plättchenaggregation Ristocetin Kofaktor Retikulo-endotheliales System surface connected system (=OCS) submembraneous cytoskeleton specialized membrane filaments Transforming growth factor Thrombin receptor activating peptide Thrombospondin -Thromboglobulin Von-Willebrand-Erkrankung Von-Willebrand-Faktor Von-Willebrand-Syndrom 8 Literatur: 1. Wessels P, Heyns AD, Pieters H et al. An improved method for the quantification of the in vitro kinetics of a representative population of 111indium-labeled human platelets. Eur J Nucl Med 1985; 10: 522-527. 2. Thompson CB, Love DG, Quinn PG et al. Platelet size does not correlate with platelet age. Blood 1983; 62: 487-494. 3. Harker LA and Slichter, SJ. The bleeding time as a screening test for evaluation of platelet function. NEJM 1972; 287: 155-159. 4. Loscalzo J and Schafer AI (eds.) Thrombosis and Hemorrhage 2nd edition 1998, Williams &Wilkins 5. Gawaz M Das Blutplättchen Georg Thieme Verlag 1999 6. Kundu SK, Heilmann EJ, Reynaldo Sio MS et al. Description of an in vitro platelet function analyzer – PFA-100. Semin Thromb Hemost 1995; 21, Suppl. 2: 106-112. 7. Mammen EF, Alshameeri RS and Comp PC Preliminary data from a field trial of the PFA-100 System. Semin Thromb Hemost 1995; 21, Suppl. 2: 113-121. 8. Fressinaud E et al. High sensitivity of the platelet function analyzer (PFA-100) for the screening of patients with von Willebrand disease: a study of twenty-six cases. Haemophilia 1996; 2, (Supplement 1):96 (Abstract) 9. Hezard N et al. Use of the PFA-100 to assess platelet function in patients undergoing PTCA during and after Infusion of c7E3 Fab in the presence of other antiplatelet agents. Thromb Haemost 2000; 83:540-544. 10. Harker LA and Slichter, SJ. The bleeding time as a screening test for evaluation of platelet function. NEJM 1972; 287: 155-159. 11. Mielke CJ Measurement of the bleeding time. Thromb Haemost 1984; 52:210-211. 12. Michelson Alan D. (editor) Platelets, Lippincott Williams & Wilkins 2006. Kapitel 3: White, JG Morphology and ultrastructure of platelets pp41 – 69. 9 Schematische Darstellung der subzellulären Plättchenstrukturen auf S. 3 dieses Skripts in Übersicht BSS: Klinik, Labor, Therapie Bernard-Soulier-Syndrom (=Megathrombozytäre Thrombozytopenie) Erstbeschreibung 1948 durch J. Bernard / J. P. Soulier Erbgang: autosomal rezessiv Prävalenz: 1:1.000.000 Blutungstyp: Schleimhautblutungen Purpura Menorrhagien Labor: Blutungszeit Thrombozytopenie, Riesenthrombozyten Verminderung des GP Ib-V-IX-Komplexes Ristocetin-induzierte Plättchenaggregation: vermindert oder aufgehoben Therapie: leichte Blutungen: DDAVP; 0,4 µg/kg KG Antifibrinolytika lokal schwere Blutungen: Thrombozytenhochkonzentrate, HLA-kompatibel Cave: Immunisierung 10 Übersicht Thrombasthenie Glanzmann: Klinik, Labor, Therapie Erstbeschreibung 1918 durch E. Glanzmann Erbgang: autosomal rezessiv Prävalenz: extrem selten, Konsanguinität? Blutungstyp: Schleimhautblutungen Petechien Menorrhagien Labor: Blutungszeit: Verminderung (oder Fehlen) des GP IIb/IIIa-Komplexes Plättchenaggregation: vermindert oder aufgehoben (RIPA normal) Therapie: Thrombozytenhochkonzentrate, HLA-kompatibel Cave: Immunisierung Antifibrinolytika lokal 11 Dichte Granula -Granula Lysosomen ADP ATP Ca2+ Serotonin Guaninnukleotide Pyrophosphat Membranproteine P-Selektin Granulophysin (=CD 63) LAMP-2 Gerinnunsfaktoren und –inhibitoren HMWK, Faktor XI, Faktor V, Fibrinogen Plasminogen, PAI-1 Protein S 1-Antitrypsin 2-Makroglobulin 2-Antiplasmin C1-Esterase-Inhibitor Plättchenfaktor 4 Adhäsionsproteine Fibrinogen, von-Willebrand-Faktor Fibronektin, Vitronektin, Thrombospondin Wachstumsfaktoren Platelet derived growth factor (PDGF) Transforming growth factor (TGF-) Epidermal growth factor (EGF) Endothelial cell growth factor (ECGF) Membranproteine P-Selektin, GP IIb/IIIa, GMP-33 (GP Ib-V-IX) Andere Mg2+, -Lysin, -Thromboglobulin Albumin Aryl-Sulfatase -Galactosidase -Glucuronidase Kathepsin N-Acetyl-Glucosaminosidase Membranproteine CD 63 LAMP-1 LAMP-2 Tabelle 1: Inhaltsstoffe der Plättchengranula 12 Tabelle 2: Thrombozytenspezifische Antigene Übersicht der Nomenklatursysteme Gen(ort) HPA-1 HPA-2 HPA-3 HPA-4 HPA-5 Allele/ Antigene HPA-1a HPA-1b HPA-2a HPA-2b HPA-3a HPA-3b HPA-4a HPA-4b HPA-5a HPA-5b Polymorphismus Häufigkeit Leu/Pro 33 97,6 % 26,8 % 99,4 % 14,3 % 87,7 % 60,3 % 99,9 % 1,7 % 99,2 % 20,6 % Thr/Met 145 Ile/Ser 843 Arg/Gln 143 Lys/Glu 505 Elektroph. Bezeichn. GP IIIa Integrin CD-Klass. 3 CD61 GP Ib Non-Integrin CD42b GP IIb IIb CD41 GP IIIa 3 GP Ia 2 nur bei Japanern CD49b Häufigkeiten nach P.L. Mollison/ C.P Engelfriet/ M. Contreras: Blood Transfusion in Clinical Medicine, 9. Aufl. Blackwell Scientific Publications, Oxford 1993; Seite 615/616. 13