Blue Globe Spezial: Wer hat Angst vor TH!NK? Eveline Steinberger: Laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers sind die Auswirkungen der Elektromobilität durchwegs positiv. Ein unschlagbares Argument für Elektrofahrzeuge ist, dass 95 % der eingesetzten Energie sofort in Antriebsenergie umgesetzt werden. Dazu kommen noch massive CO2 Einsparungen. So gesehen verwundert es, dass bei der heurigen Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt zum Thema E-Mobilität zwar viele Ankündigungen zu sehen waren, aber Praxisbeispiele fehlten. Dabei gibt es dafür zahlreiche Beispiele im internationalen Bereich, wie in Israel oder Dänemark, aber auch in Österreich. Der Klima- und Energiefonds unterstützt zum Beispiel die das Elektromobilitäts-Projekt VLOTTE: Seit April 2009 sind in Vorarlberg 40 E-Autos, nämlich TH!NKs unterwegs. Alle fahren mit grünem Strom. Die VLOTTE ist sicher ein wegweisendes Projekt. Es ist ein Faktum, dass E-Mobilität kommen wird. Bleibt nur die Frage nach dem Zeitpunkt. Ich glaube, es wird schnell gehen. Peter Engert: Die Salzburg AG hat sich ebenfalls in einem Feldversuch der Elektromobilität gewidmet und Stromtankstellen oder Fahrzeuge zum Ausborgen zur Verfügung gestellt. Salzburg will das Österreichweit ausweiten. Wir haben ein Konzept entwickelt, das innerhalb eines Tages umgesetzt werden kann. Wir wollen die Idee der Elektromobilität unter die Menschen bringen, auch wenn sie noch nicht ausgereift ist. Helmut Brandstätter: Wird die Elektromobilität auch eine Veränderung des Verkehrskonzept insgesamt bewirken? Peter Engert: Bestimmt. Denn vor allem im urbanen Bereich haben wir da ein philosophisches Thema. Wir müssen weg vom fahrbaren Wohnzimmer mit Wunderbaum und Zierkissen. Helmut Brandstätter: Wann wird die Automobilbranche in den Markt einsteigen? Arnaud de Kertanguy: Renault wird 2012 mit vier Elektroautos auf den Markt gehen. Wir fangen mit Israel an. Wichtig ist, dass dann der Preis für ein E-Auto nicht höher sein, als für einen Benziner. Die Reichweite aller vier Modelle wird bei 160 km liegen. Versorgung mit Strom ist natürlich sehr wichtig. Renault sucht in Österreich noch Versorgungspartner. Außerdem brauchen wir Förderungen. In Österreich ist es noch zu wenig. Frankreich hat bereits eine Superprämie von 5000 € pro Elektroauto und die französischen Behörden bekamen 50 000 E-Autos. Helmut Brandstätter: Wie schaut es aus mit Elektroautos für CarSharing? Alfred Stadler: Wir betreiben seit 1997 CarSharing und waren dabei von Anfang an umweltfreundlich orientiert.. CarSharing mit E-Mobilität ist für die Zukunft sicher eine interessante Variante. Bei uns gäbe es auch Lademöglichkeiten bei allen CarSharing-Plätzen. Die Autohersteller haben zur Zeit einen Wettlauf um die E-Autos. Sehr viel wird von den Förderungen durch die Österreichische Regierung abhängen. Holland, England und China fördern massiv. Ohne Förderung wird es schwer werden. Die Frage „Wer hat Angst um TH!NK“ sollte eher lauten „Wer hat Angst um den TH!NK..“ Wir würden uns freuen, wenn TH!NK erfolgreich wäre. Aber noch sind Elektroautos teurer als Benziner. Helmut Brandstätter: Wie wird sich die Elektromobilität auf die Stromversorgung auswirken? Christian Kern: Der Effekt des Verbrauchszuwachs wird überschätzt. Das wird unsere Branche nicht dramatisch ändern. Allein mit Wasserkraft könnten wir 11 Millionen E-Autos betreiben. Spannender ist die Logistik-Frage. Zu klären ist, wie bringt man Energieeffizienzmodelle an den Mann. Hier liegt die große Chance der E-Mobilität. Denn durch sie wird Klimaschutz erfahrbar. Es ergibt sich auch die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle, denn eine Dauersubventionspolitik wird nicht durchführbar sein. In Zukunft wird man Mobilität ganz anders denken müssen. Auto wird vielleicht so etwas wie ein IPhone auf Rädern sein. Für die Automobilbranche ist die Elektromobilität sowieso ein Rettungsanker. Für die E-Wirtschaft schaut das anders aus. Es ist entscheidend dass es Fördermodelle gibt. Dazu braucht es auch einen politischen Rahmen ähnlich wie in Frankreich. Helmut Brandstätter: Wie sieht die Zukunft der Elektromobilität aus? Stefan Schleicher: Hier bietet sich ein Vergleich mit dem Mobilfunk an. Was ist da nicht alles passiert? Vor 25 Jahre war der Ist-Zustand 0.1. Sowie heute bei der Elektromobilität. Der Ersatz alter Technologien durch neue passiert in schrittweiser Weiterentwicklung. Stichwort Plug In. Batterie ist viel zu schade, um keine Zusatzfunktionen zu erfüllen. Stehzeiten sollten Ladezeiten werden. Die neuen elektrischen Speicher werden wir dringend brauchen, sobald wir mit erneuerbarer Energie in die Netze rein gehen. Die Nutzung wird entscheidend sein, nicht das reine Vorhandensein. Schauen sie nach London, dort wird das vorexerziert. London bietet finanzielle Anreize, Gratisparkplatz, Gratisstrom etc. Wir dürfen nicht mit aller Gewalt das konventionelle System aufrechterhalten. Helmut Brandstätter: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der Elektromobilität? Alfred Stadler: Die Verlierer werden jene sein, die bei dem Trend nicht mitmachen. Stefan Schleicher: Jeder der in der Vergangenheit in eine bestimmte Technologie investiert hat, ist darin gefangen. Deshalb müssen wir Anreize schaffen. Ein völlig falsches Signal war die Verschrottungsprämie, weil sie nicht an ökologische Standards gebunden war. Die Österreichische Technologiepolitik ist viel zu wenig fokussiert. Wir müssen die Begehrlichkeiten der konventionellen Fahrzeugherstellung abwehren und haben uns deshalb beim Klima- und Energiefonds eindeutig auf Elektromobilität fokussiert. Helmut Brandstätter: Was soll als nächstes passieren und wer soll es bezahlen? Christian Kern: Es muss in irgendeiner Form einen Ordnungsrahmen geben und ein klares Konzept geben. Peter Engert: Die Allgemeinheit. Der, der es benutzt, soll es bezahlen. 10 % der ursprünglichen Kosten werden viele umdenken lassen. Alfred Stadler: Wir müssen unsere Hersteller animieren, dass sie an diesen Konzepten arbeiten. Wir als Händler und Importeure müssen dafür sorgen, dass die Kunden After Sales gut betreut wird. Die Kooperation von Herstellern und Versorgern ist auch ein wichtiger Punkt. Arnaud de Kertanguy: Wenn wir Erfolg mit E-Autos wollen, darf der Kunde nicht bezahlen. Autohersteller müssen investieren und Regierungen sollen dabei helfen. Stefan Schleicher: Ich persönlich wünsche mir, dass wir nicht auf Investoren aus dem Ausland warten müssen und hätte mir gewünscht, dass Österreich ein Elektromobilitäts- Modellland wird. Wir haben ein schweres Problem mit der Technologie-Politik, die ist viel zu wenig fokussiert. Aber vielleicht entwickelt sich ja trotzdem aus all diesen Pflänzchen ein dichter Wald. Protokoll: Ute Fuith