Die Beziehungsgestaltung 1. Mögliche Beziehungskonstellationen in der therapeutischen Haltung „Alter Ego“ Beim einfühlenden Verstehen geht es darum, sich selbst zurückzunehmen und für den Klienten ein so genanntes „Alter Ego“ zu sein. Der Therapeut nimmt die Welt aus dem Bezugsrahmen des Klienten heraus wahr, versetzt sich ganz in den Klienten hinein. Er bemüht sich um eine Identifikation mit dem Klienten, aber immer im Bewusstsein des „als ob“. Dialogbeziehung Das Therapiemerkmal „Echtheit“ erfordert, dass die Therapeuten als reale Person da ist, damit es zu einer wirklichen Beziehung kommen kann. Er stellt sich damit dem Klienten als Dialogpartner gegenüber, hält sich nicht raus, sondern bringt sich persönlich ein. Beobachterbeziehung In diesem Fall betrachtet der Therapeut als Experte die Therapie. Das heißt zum einen, dass er sein Hintergrundwissen in Bezug auf Diagnostik und Störungsbild abrufen kann, und zum anderen, dass er seine Interaktion und sein Verhalten reflektierend betrachtet. Die Beobachterbeziehung ist typisch für die Supervision. Laut Finke ist sie aber auch im laufendem Therapieprozess und für eine wissenschaftliche Herangehensweise unabdingbar. Rogers stand dieser Expertenposition sehr skeptisch gegenüber. Diese drei Beziehungskonzepte schließen sich in der Praxis nicht gegenseitig aus. Sie stehen in einem Ergänzungsverhältnis zueinander. Sie kommen bei unterschiedlichen Klienten und unterschiedlichen Therapiesituationen in unterschiedlicher Gewichtung zum Einsatz. Die Beziehungsgestaltung 2. Echtheit/Kongruenz/Authentizität: Verändern durch Begegnung Therapeutische Interventionen (nach Finke): Selbsteinbringen (sich öffnen) Das Selbsteinbringen muss immer zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung erfolgen. Erst wenn der Jugendliche das Merkmal „Unbedingte Wertschätzung“ wahrnehmen kann, kann die Therapeutin sich mit dieser Intervention einbringen ohne dass dies als Ablehnung oder Kritik an der Person aufgefasst wird. Jugendliche sind auf der Suche nach ihrer Identität und ihrem Identitätserleben, das so häufig Schwankungen unterworfen ist. Die klaren und authentischen Stellungnahmen der Therapeutin sind für Klienten mit gestörtem Identitätserben und diffusem Selbstkonzept eine wichtige Strukturhilfe. Die starken Stimmungsschwankungen machen es zumindest bei einem Teil der Klienten erforderlich über E-Mail oder SMS erreichbar zu sein. Entscheidend ist, dass die Jugendlichen in dem Moment, in dem sie es brauchen, einen Adressaten für ihre Äußerungen haben. Beziehungsklären Eine zentrale Frage ist, welche Beziehungserwartungen und Beziehungsbedürfnisse werden vom Jugendlichen an denTherapeuten herangetragen? Indem er aufgreift, was er vom Erleben des Jugendlichen wahrnimmt, hilft sie ihm im selbstexplorativen Prozess diese internalisierten Beziehungsschemata wahrzunehmen und einer Bearbeitung auf Gültigkeit zugänglich zu machen. Die verinnerlichten Beziehungsmuster sind dem Jugendlichen in der Regel nicht bewusst zugänglich, d. h. sie sind nicht vollständig symbolisiert. Deswegen ist es beim Beziehungsklären sehr wichtig, behutsam und geduldig vorzugehen. Es muss der Therapeutin klar sein, dass der Jugendliche viel Zeit für neue Beziehungserfahrungen braucht, immer wieder skeptisch sein wird, ob sie nicht doch sauer/enttäuscht/wütend auf ihn ist. Ihre ganze Art als kongruente und authentische Person wird immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, da es nicht einfach ist, diese verfestigten Beziehungsschemata zu korrigieren. Die Beziehungsklärung ist für den Jugendlichen die Chance, verfestigte Wahrnehmungsstrukturen und Beziehungsschablonen aufzubrechen und im Hier und Jetzt der therapeutischen Sitzung zu lernen, wie ein anderer in der Beziehung zu ihm als Mensch denkt und fühlt. Fragen stellen In der Arbeit mit Jugendlichen stellt die Therapeutin deutlich mehr Fragen. Das Fragen bezieht sich dabei auf ein Interesse bekunden, ein „besser verstehen wollen“, nicht auf ein Ausfragen. Eine spezielle Frageform ist die Frage im Konjunktiv, die den Blick erweitert und innere Suchprozesse auslöst, wenn der Jugendliche gerade in einem Tunnelblick gefangen ist. Bei Skalierungsfragen (VT und lösungsorientierte Ansätze) wird der Jugendliche gebeten sein Befinden z. B, im Verlauf einer Woche auf einer Skala von 0 bis 10 einzuschätzen (0=Null, 10=ideal). Diese Skalierung hilft dem Jugendlichen, genauer wahrzunehmen, auch kleine Fortschritte zu sehen und damit weg vom „schwarz-weiß Denken“ zu kommen. Jeder noch so kleine Minischritt zählt. Konfrontieren Auch hier gilt, dass der Zeitpunkt und die Dosierung richtig gewählt sein müssen. Sonst fühlt sich der Jugendliche gekränkt, zurückgewiesen oder noch schlimmer, er hat das Gefühl, die Therapeutin zeigt ihr wahres Gesicht und will auch nur am Jugendlichen herummäkeln. In der Anfangsphase sollten Fragen , die eine offene positive Neugierde ausdrücken und Interesse der Therapeutin zeigen, deutlich Vorrang vor dem Konfrontieren haben. Die Therapeutin konfrontiert den Jugendlichen mit Widersprüchen zwischen Selbstbild und Fremdbild, zwischen Wunsch und Realität und zwischen unterschiedlichen Bestrebungen. Das Konfrontieren gibt einen wichtigen Anstoß zur ggf. notwendigen Selbstveränderung. Impulse setzen Barkhau betont, dass Jugendliche immer auch „Ratsuchende“ sind, die neben Empathie und emotionaler Unterstützung auch Rat und praktische Unterstützung suchen. Je einfacher strukturiert ein Jugendlicher ist, desto handlungsorientierter und auf konkrete Verhaltensänderung ausgerichtet ist die Therapie/Beratung. Je differenzierter und reflektierter der Jugendliche ist, desto eher kann verbal und an der zugrunde liegenden Persönlichkeitsstruktur gearbeitet werden. Je mehr ein Jugendlicher noch in pubertären Wirren verstrickt ist, desto schwieriger ist es für die Therapeutin, eine emotionale Distanz herzustellen und sich selbst von außen betrachten zu können. Die Therapeutin bringt sich mit Ideen und Vorschlägen ein. Entscheidend ist, dem Jugendlichen nichts überzustülpen. Es muss immer wieder nachgespürt werden, wie diese oder jene Idee für den Jugendlichen ist, ob sie mit seinem Erleben im Einklang ist. Nur dann wird der Jugendliche sie umsetzen können. Zum „Impulse setzen“ gehört auch das Mobilisieren von Ressourcen, die der Jugendliche mitbringt. Die Beziehungsgestaltung 3. Bedingungsfreies Akzeptieren: Verändern durch Anerkennen Therapeutische Interventionstechniken: Anerkennen Ermutigen Solidarisieren 4. Einfühlendes Verstehen: Verändern durch Verstehen Stufen des Verstehens nach Finke anhand eines Beispiels: Ein 14-jähriger Jugendlicher, der in der Vorgeschichte immer wieder Opfer von Mobbing-Attacken in der Schule war, erzählt: „Denen habe ich es mal so richtig gezeigt. Die trauen sich nicht mehr, mich anzumachen“. Mögliche Antworten des Therapeuten: - „Denen hast Du es richtig gegeben“ einfühlendes Wiederholen (Spiegeln) - „Du lässt es nicht mehr zu, dass dir jemand auf die Füße tritt“ selbstkonzeptbezogenes Verstehen - „Da bist Du so richtig wütend geworden und das haben die zu spüren bekommen“ organismusbezogenes Verstehen - „Du lässt dir jetzt nichts mehr gefallen, als kleiner Junge bist Du oft genug verprügelt worden“ Verdeutlichen des lebensgeschichtlichen Kontexts.