Eltern+FAQ[1]

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Häufig gestellt Fragen von Eltern an Ergotherapeuten, die das SI-Konzept
anwenden
Die nachstehenden Fragen sind solche, die dem SI-Leitungsteam des DVE
zugesandt wurden. Sie haben keinen repräsentativen Charakter. Fragen von Eltern
können so verschieden sein, wie es ihr Kind es ist. Wir versuchen diese Fragen mit
der notwendigen Zurückhaltung zu beantworten, da es sich um individuelle Sorgen
handelt. Bei den nachstehenden Fragen handelt es sich aber um häufig an uns
herangetragene.
Haben auch Sie Fragen zum SI-Konzept, dann schreiben Sie uns: [email protected]
„Wenn Sie oder die Lehrerin sagen, dass mein Kind keine angemessene
Muskelspannung hat, hat mein Kind dann zu wenig Kraft?“
Um diese Frage wirklich genau zu beantworten, müsste man genauer wissen,
aufgrund welcher Beobachtungen die Therapeutin oder die Lehrerin diese Aussage
gemacht haben. Vermutlich meint die Lehrerin, dass das Kind Mühe hat, lange zu
sitzen oder aufrecht zu sitzen, möglicherweise sackt es beim Schreiben immer
schnell in sich zusammen und liegt fast auf dem Tisch. Dies hat nicht direkt etwas mit
Muskelkraft zu tun, da Kraft sich auf das willkürliche Hantieren bezieht, z.B. kann
man kraftvoll zudrücken, schwere Teile heben etc. Dagegen ist beim aufrechten
Sitzen oder Stehen und in vielen anderen alltäglichen Situationen eine dauernde
leichte Muskelanspannung notwendig, um die Körperstellung aufrecht zu erhalten. Ist
der Muskeltonus angemessen, kann das Kind also ausdauernd aufrecht sitzen und
wird kleine Haltungsänderungen mühelos, ohne es selbst zu bemerken, ausgleichen,
eben durch eine automatische Anspannung der Muskulatur. Vielleicht bezieht die
Lehrerin ihre Aussage auch auf die Aktivität Schreiben. Hier passiert das gleiche: Es
kann, muss aber nicht an mangelnder Kraft liegen, um z.B. den Bleistift bzw.
Füllfederhalter festzuhalten oder zu führen, wenn ihr Kind Schreibprobleme hat.
Neben der schon oben erwähnten Aufrechterhaltung der Muskelspannung muss
beim Vorgang des Schreibens der gesamte Arm, die Hand und die Finger in
unterschiedlicher, aber auch jeweils genau angepasster Muskelspannung gehalten
werden. Dieses fein abgestimmte Muskelspiel führt bei vielen Kindern zu frühzeitiger
Ermüdung bzw. Erschöpfung führen. Dies kann so aussehen, als hätten die Kinder
zu wenig Kraft.
„Warum fällt mein Kind nicht zuhause, sondern nur in Gruppen auf?“
Das kann sehr viele verschiedene Gründe haben und um diese Frage wirklich richtig
zu beantworten, müsste man die genauen Umstände des Kindes und seines
Umfeldes kennen. Grundsätzlich sind die Anforderungen an die Reizverarbeitung in
Gruppen viel höher, als im häuslichen Umfeld: Durch die verschiedenen Personen
entstehen diverse taktile, akustische, visuelle und gustatorische Berührungen, die auf
das Kind einströmen und die eine Auswahl von wichtigen und eine Unterdrückung
von unwichtigen Reizen/Informationen erfordern. Hat ein Kind bei dieser
Reizverarbeitung Probleme, ist sein Gehirn im wahrsten Sinne des Wortes
„beschäftigt“ und diese/seine Probleme werden zunächst häufig auf Verhaltensebene
sichtbar, denn das Kind befindet sich ja jetzt in einer Kommunikation mit anderen: Es
kann beispielsweise weniger gut zuhören, wird unruhig, reagiert aggressiv auf direkte
Anforderungen oder zieht sich zurück. Im häuslichen Umfeld sind einerseits in der
Regel weniger Reize zu verarbeiten, andererseits hat das Kind normalerweise selbst
mehr Einfluss auf die einströmenden Reize, indem es sich diesen entziehen kann,
z.B. durch Rückzug in sein Zimmer, und kann im erweiterten Sinn sein Verhalten
besser kontrollieren. Darüber hinaus gibt die gewohnte Umgebung immer auch
Sicherheit und hier können sich Routinen/Rituale bilden.
„Woher kommt das? Was habe ich falsch gemacht? Wie kann ich meinem Kind
helfen?“
Es ist nicht wirklich die Frage, ob falsch oder richtig. Wir gehen bei der Erziehung der
Kinder davon aus, dass jeder sein bestes gibt, was nicht immer leicht ist. Vielleicht ist
es eher die Frage, was Sie vom jetzigen Zeitpunkt an ändern können, um Ihr Kind mit
seinen Schwierigkeiten in Zukunft besser unterstützen zu können. Dazu muss sich
die Therapeutin selbstverständlich bei ihrer Befunderhebung ein genaues Bild der
Probleme machen, wozu auch gehört mit Ihnen gemeinsam zu ermitteln, bei welchen
Gelegenheiten es zu Schwierigkeiten kommt und wie gewichtig diese sind. Daraus
können dann von der Therapeutin und Ihnen gemeinsam konkrete Ziele für die
Behandlung sowie für Ihre häusliche Förderung gesteckt werden und die Therapeutin
kann Sie (fein) auf Ihr Kind abgestimmt beraten, was Sie genau tun können, um
Ihrem Kind zu helfen.
„Wieso sitzt mein Kind in der Therapie in einer Erbsenkiste? Wozu ist das
gut?“
Wir wissen natürlich nicht, warum gerade ihr Kind speziell auf diese Weise behandelt
wird, wollen aber darstellen, was der Sinn und Nutzen dieses natürlichen Mediums
ist: Eine Kiste ist ein überschaubarer und beherrschbarer Raum, weswegen sie sich
insbesondere bei der Behandlung jüngerer Kinder als „Raum“ anbietet. Ist dieser
Raum mit Erbsen gefüllt, so wird das Neugierverhalten des Kindes geweckt und kann
ein Kind entscheiden, ob es mit nur den Händen, oder vielleicht auch mit den Füßen
das Material erfühlt, oder durch das Hineinsetzen einen ganzkörperlichen
Fühleindruck haben möchte. Je mehr Körperteile eingesetzt werden, umso mehr wird
der Spüreindruck nicht mehr das oberflächliche Fühlen sein, sondern durch die
Schwere des Materials ein ganzkörperlicher Spüreindruck. Diese Art der
Sinnesauseinandersetzung hilft dem Kind diese taktilen und tiefensensiblen
Sinneseindrücke dosiert und angemessen gefiltert aufzunehmen. Für viele Kinder
reicht bereits diese einfache Materialauseinandersetzung, um sich zu beruhigen und
zu regulieren. Häufig verwendet die Therapeutin darüber hinaus noch Gegenstände
oder Spielsteine in der Erbsenkiste, die das Kind beispielsweise zwischen den
Erbsen heraussucht. Dabei wird die Filterung der Sinnesreize und damit auch
Konzentration und Aufmerksamkeitssteuerung noch stärker gefördert.
„Warum stößt mein Kind ständig irgendwo dagegen oder wirft Dinge um?“
Einige Kinder haben Probleme mit ihrem Körpereigenempfinden. Sie nehmen ihren
Körper und ihre Körpergrenzen nur ungenau (undifferenziert) wahr. Durch diese
Schwierigkeiten kann auch die Fähigkeit beeinträchtigt sein, die eigene Kraft
angemessen zu dosieren. Eine gezielte Bewegungssteuerung (z.B. ein Glas zu
ergreifen) steht in Abhängigkeit vom Seheindruck und von dem „Wissen“ der
Körperabmessungen, ähnlich einer Landkarte. Ist diese Landkarte sehr grob, dann
können gezielt koordinierte Bewegungen Probleme bereiten und die Kinder wirken im
Alltag ungeschickt und tollpatschig.
„Was hat das Gleichgewicht mit Schreiben zu tun“?
Schreibprobleme können bei Kindern selbstverständlich sehr viele und sehr
unterschiedliche Gründe haben. Eine der zahlreichen Voraussetzungen für
erfolgreiches Schreiben liegt in der Stabilisierung des Körpers bei der Sitzhaltung.
Das fordert für einen Menschen keine besondere Aufmerksamkeit, wenn er seinen
Körper gut spürt und sich die Körperspannung „automatisch“ anpasst, wenn die
beteiligten Muskeln Ermüdungssignale senden. Dann strafft sich diese Muskulatur
wieder und die Sitzhaltung bleibt stabil. Aus dieser, durch das Gleichgewicht
abgesicherten, Körperposition können die Kinder dann leichter und ohne z.B. sich
abstützen zu müssen, eine gute Stiftführung leisten.
„Warum hat mein Kind eine so geringe Muskelspannung, wo es sich doch so
viel bewegt? Was können wir zuhause tun?“
Ob wir entspannt im Sand liegen oder uns intensiv bewegen – stets verfügt unser
Gehirn über Informationen der Körpergrenzen und in welcher Position sich der
Körper befindet. In Bewegung liefern die Muskeln, die sich betätigen
selbstverständlich eine sehr viel größere Information. Um eine angemessene
Muskelspannung aufzubauen, muss der Körper die Signale aus dem
Gleichgewichtssystem, der Muskulatur und den Gelenken gut verwerten. Bei
zahlreichen Kindern reichen diese Signale „in der Ruhe“ nicht aus und gibt ihnen
deswegen den Impuls zu Bewegung, weil sie sich dadurch besser spüren.
Dieses Sich-besser-Spüren kann verbessert werden, indem man sich nicht mehr
bewegt, sondern intensiver, das bedeutet Aktivitäten mit mehr Kraftaufwand, das sind
Aktivitäten gegen Widerstand: Bei Ihnen zuhause kann Ihr Kind z.B. davon
profitieren, dass es schwere Gegenstände trägt, wie z.B. Sprudelkisten. Im
Bewegungsspiel mag ihr Kind dazu neigen „Fangen“ zu spielen (sich also viel zu
bewegen), wird aber zum Aufbau einer besseren Muskelspannung mehr davon
profitieren, wenn Sie „Seilziehen“ mit ihm spielen.
„Warum kann ich mit meinem Kind nicht kuscheln? Es ist wie ein Betonklotz.“
Bei dieser Problematik gibt es mit Sicherheit sehr viele und vielfältige Antworten und
einfachere und komplexere Erklärungen. Beim Kuscheln drücken wir mit unserem
Körper unsere Gefühle aus und naheliegend ist selbstverständlich, dass auf der
Gefühlsebene Probleme bestehen können. Wir drücken diese Gefühle beim
Kuscheln aber eben mit unserem Körper aus und auf dieser körperlichen Ebene
kann es durchaus auch Probleme geben. Es gibt Kinder, denen eine körperliche
Berührung, so sehr sie sich auch nach ihr sehnen mögen, unangenehm ist. Viele,
und für sie zu viele, taktile Signale „bombardieren“ ihr Gehirn, die sie in diesem
Moment nicht verarbeiten können. Viele Kinder flüchten aus einer Umarmung. Eine
der „kleineren“ Fluchten, nämlich eine Flucht ohne Wegrennen, ist es, wenn ein Kind
sich körperlich verspannt, das kann sich dann so anfühlen, als ob das Kind wie ein
Betonklotz ist. So zeigt es, dass es die Umarmung eigentlich möchte, sie aber nicht
gut erträgt.
Sie können Ihr Kind sicherlich gut unterstützen, wenn Sie es ermutigen selber den
„Kuschelanfang“ zu machen und wenn Sie Ihr Kind zunächst nur kurz und vielleicht
auch mit einem festeren Druck umarmen.
„Mein Kind kann sich alltägliche Abläufe nicht merken und macht immer
wieder die gleichen Fehler. Hat das etwas mit Intelligenz zu tun?“
Um sich alltägliche Abläufe zu merken, bedarf es zweifelsohne Intelligenz. Es bedarf
aber auch einer praktischen Handlungsfähigkeit, welche die abgerufene Handlung
auch buchstäblich „in die Tat“ umsetzt. Ob wir uns bekleiden, Schuhe binden, oder
die Spülmaschine ausräumen: Stets rufen wir Erinnerungen dieser Abläufe ab und
damit auch die räumliche und zeitliche Projektion, wie die einzelnen Schritte dieser
Handlung auszuführen sind. Diese Schritte werden vom Gehirn zwar gespeichert,
aber manche Kinder können sie nicht mit der erwarteten Sicherheit abrufen. Häufig
können uns diese gleichen Kinder sogar mit Worten genau beschreiben, was
eigentlich zu tun wäre, es selber aber nicht in die Tat umsetzen. Das kann einerseits
damit zusammenhängen, dass die Kinder Handlungen und Handlungsfolgen nicht
speichern können, kann aber auch schon auf einer einfacheren Ebene ein Problem
der Verarbeitung der beteiligten Körperabschnitte sein, der eine Störung der
Körperwahrnehmung zugrunde liegt.
„Warum wird in der SI-Therapie so viel gespielt?“
Spiel ist der Lernweg für Kinder. Ein Kind sucht sich im Spiel neue
Herausforderungen, für die es bereit ist, große Anstrengungen, Aufmerksamkeit und
Ausdauer aufzubringen. In der SI-Therapie wird dem Kind eine Situation mit
sensorisch reichhaltige Herausforderungen angeboten, in der es durch seine hohe
Spielmotivation genau die richtigen Angebote findet, um in seinem Spielfluss
Fortschritte in seinen Problembereichen zu machen.
„Mein Kind schläft so schlecht ein (dauert zwei Stunden). Woran kann das
liegen und was kann ich tun?“
Wenn Ihr Kind schlecht einschläft, kann das natürlich sehr viele Gründe haben:
Vielleicht hat es besonders viel erlebt und ist innerlich aufgewühlt, Vielleicht war der
Tagesablauf unstrukturiert, vielleicht ist es reizüberflutet durch z.B. viel
Fernsehschauen oder zu viel Bewegung. Wenn dies häufiger oder sogar regelmäßig
so ist, dann sollten Sie mit Ihrem Arzt über diese Problematik sprechen. Sie können
Ihrem Kind sicherlich gut helfen besser einzuschlafen, wenn Sie bei der Gestaltung
seines Tagesablaufes gewisse gleichbleibende Grundstrukturen einhalten und
insbesondere vor dem Zu-Bett-Gehen stets gleichbleibende Rituale einführen.
Vielleicht profitiert Ihr Kind auch davon, wenn es vor dem Zu-Bett-Gehen badet (oder
auch nur ein Fußbad nimmt) und Sie es fest abrubbeln. Vielleicht profitiert Ihr Kind
davon, dass Sie es in die Bettwäsche „pucken“. Sie selber können Ihr Kind durch Ihr
eigenes Verhalten beim Einschlafen helfen, indem Sie sich eher ruhig und langsam
bewegen und langsam und leise sprechen – auch das kann zu einem Ritual werden.
„Warum ist es problematisch, wenn meine dreijährige Tochter keine Pullis
`über den Kopf` anzieht oder nicht durch Tunnels kriechen möchte?“
Möglicherweise reagiert Ihr Kind übermäßig bei Berührungen des Kopfes oder bei
Veränderungen der Position des Kopfes, vielleicht kennen Sie auch weitere
Reaktionen Ihrer Tochter auf sensorische Reize, die Ihnen ungewöhnlich erscheinen.
Wenn ein Kind Überreaktionen auf Berührungen hat, so kann das erhebliche
Auswirkungen haben, wie z.B.: Beeinträchtigung beim Erlernen des selbstständigen
An- und Ausziehens oder Vermeidung von Aktivitäten, die mit Berührungen
einhergehen (z.B. Körperhygiene). Diese Beeinträchtigungen können bei den
täglichen Routinen wie Anziehen oder Waschen auch die Interaktion zwischen Ihnen
und Ihrem Kind beeinflussen. Auch eine Empfindlichkeit bei Veränderungen der
Kopfposition im Raum hat Auswirkungen auf das Verhalten Ihres Kindes: Durch das
Vermeiden eigentlich altersgerechter motorischer Aktivitäten wie Klettern oder
irgendwo durchzukrabbeln, macht Ihr Kind weniger motorische Erfahrungen und der
Erwerb motorischer Kompetenzen ist gefährdet.
„Was kann ich tun, dass mein Kind auf dem Spielplatz die Spielgeräte so
unbeschwert benutzt wie andere Kinder? Mein Sohn scheint gar nicht zu
verstehen wie man die Geräte benutzt.“
Wenn Ihr Kind diese Schwierigkeiten hat, so kann das möglicherweise mit Problemen
bei der Bewegungsplanung und-Handlungen zusammenhängen, vielleicht hat Ihr
Kind auch Schwierigkeiten seinen Körper zu spüren und ihn so im Spiel sicher zu
gebrauchen. Sicherlich hilft es am wenigsten, wenn Ihr Kind Spielplätze meidet.
Ermutigen Sie Ihr Kind und gehen Sie regelmäßig auf den Spielplatz. Sie können Ihr
Kind unterstützen seine Spielfreude und Spielidee erfolgreich in die Tat umzusetzen,
indem Sie selber mit ihm die Spielgeräte benutzen oder einen Spielkameraden
mitnehmen, der ihrem Kind praktisch zeigt, wie die Geräte benutzt werden und ihr
Kind angstfrei Erfahrungen sammeln kann. Suchen Sie Zeiten, in denen nicht allzu
viele Kinder auf dem Spielplatz sind, um überschaubare Spielsituationen zu schaffen.
Im häuslichen Spiel können Sie ihr Kind auch gut vorbereitend unterstützen, indem
Sie Körperspiele mit ihm spielen, bei denen noch gar keine Geräte benutzt werden,
damit Ihr Kind Spürinformationen sammeln kann: Körperklopfspiele, Krabbeln,
Matschen oder auch Sandkastenspiele.
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