Häufig gestellt Fragen von Eltern an Ergotherapeuten, die das SI-Konzept anwenden Die nachstehenden Fragen sind solche, die dem SI-Leitungsteam des DVE zugesandt wurden. Sie haben keinen repräsentativen Charakter. Fragen von Eltern können so verschieden sein, wie es ihr Kind es ist. Wir versuchen diese Fragen mit der notwendigen Zurückhaltung zu beantworten, da es sich um individuelle Sorgen handelt. Bei den nachstehenden Fragen handelt es sich aber um häufig an uns herangetragene. Haben auch Sie Fragen zum SI-Konzept, dann schreiben Sie uns: [email protected] „Wenn Sie oder die Lehrerin sagen, dass mein Kind keine angemessene Muskelspannung hat, hat mein Kind dann zu wenig Kraft?“ Um diese Frage wirklich genau zu beantworten, müsste man genauer wissen, aufgrund welcher Beobachtungen die Therapeutin oder die Lehrerin diese Aussage gemacht haben. Vermutlich meint die Lehrerin, dass das Kind Mühe hat, lange zu sitzen oder aufrecht zu sitzen, möglicherweise sackt es beim Schreiben immer schnell in sich zusammen und liegt fast auf dem Tisch. Dies hat nicht direkt etwas mit Muskelkraft zu tun, da Kraft sich auf das willkürliche Hantieren bezieht, z.B. kann man kraftvoll zudrücken, schwere Teile heben etc. Dagegen ist beim aufrechten Sitzen oder Stehen und in vielen anderen alltäglichen Situationen eine dauernde leichte Muskelanspannung notwendig, um die Körperstellung aufrecht zu erhalten. Ist der Muskeltonus angemessen, kann das Kind also ausdauernd aufrecht sitzen und wird kleine Haltungsänderungen mühelos, ohne es selbst zu bemerken, ausgleichen, eben durch eine automatische Anspannung der Muskulatur. Vielleicht bezieht die Lehrerin ihre Aussage auch auf die Aktivität Schreiben. Hier passiert das gleiche: Es kann, muss aber nicht an mangelnder Kraft liegen, um z.B. den Bleistift bzw. Füllfederhalter festzuhalten oder zu führen, wenn ihr Kind Schreibprobleme hat. Neben der schon oben erwähnten Aufrechterhaltung der Muskelspannung muss beim Vorgang des Schreibens der gesamte Arm, die Hand und die Finger in unterschiedlicher, aber auch jeweils genau angepasster Muskelspannung gehalten werden. Dieses fein abgestimmte Muskelspiel führt bei vielen Kindern zu frühzeitiger Ermüdung bzw. Erschöpfung führen. Dies kann so aussehen, als hätten die Kinder zu wenig Kraft. „Warum fällt mein Kind nicht zuhause, sondern nur in Gruppen auf?“ Das kann sehr viele verschiedene Gründe haben und um diese Frage wirklich richtig zu beantworten, müsste man die genauen Umstände des Kindes und seines Umfeldes kennen. Grundsätzlich sind die Anforderungen an die Reizverarbeitung in Gruppen viel höher, als im häuslichen Umfeld: Durch die verschiedenen Personen entstehen diverse taktile, akustische, visuelle und gustatorische Berührungen, die auf das Kind einströmen und die eine Auswahl von wichtigen und eine Unterdrückung von unwichtigen Reizen/Informationen erfordern. Hat ein Kind bei dieser Reizverarbeitung Probleme, ist sein Gehirn im wahrsten Sinne des Wortes „beschäftigt“ und diese/seine Probleme werden zunächst häufig auf Verhaltensebene sichtbar, denn das Kind befindet sich ja jetzt in einer Kommunikation mit anderen: Es kann beispielsweise weniger gut zuhören, wird unruhig, reagiert aggressiv auf direkte Anforderungen oder zieht sich zurück. Im häuslichen Umfeld sind einerseits in der Regel weniger Reize zu verarbeiten, andererseits hat das Kind normalerweise selbst mehr Einfluss auf die einströmenden Reize, indem es sich diesen entziehen kann, z.B. durch Rückzug in sein Zimmer, und kann im erweiterten Sinn sein Verhalten besser kontrollieren. Darüber hinaus gibt die gewohnte Umgebung immer auch Sicherheit und hier können sich Routinen/Rituale bilden. „Woher kommt das? Was habe ich falsch gemacht? Wie kann ich meinem Kind helfen?“ Es ist nicht wirklich die Frage, ob falsch oder richtig. Wir gehen bei der Erziehung der Kinder davon aus, dass jeder sein bestes gibt, was nicht immer leicht ist. Vielleicht ist es eher die Frage, was Sie vom jetzigen Zeitpunkt an ändern können, um Ihr Kind mit seinen Schwierigkeiten in Zukunft besser unterstützen zu können. Dazu muss sich die Therapeutin selbstverständlich bei ihrer Befunderhebung ein genaues Bild der Probleme machen, wozu auch gehört mit Ihnen gemeinsam zu ermitteln, bei welchen Gelegenheiten es zu Schwierigkeiten kommt und wie gewichtig diese sind. Daraus können dann von der Therapeutin und Ihnen gemeinsam konkrete Ziele für die Behandlung sowie für Ihre häusliche Förderung gesteckt werden und die Therapeutin kann Sie (fein) auf Ihr Kind abgestimmt beraten, was Sie genau tun können, um Ihrem Kind zu helfen. „Wieso sitzt mein Kind in der Therapie in einer Erbsenkiste? Wozu ist das gut?“ Wir wissen natürlich nicht, warum gerade ihr Kind speziell auf diese Weise behandelt wird, wollen aber darstellen, was der Sinn und Nutzen dieses natürlichen Mediums ist: Eine Kiste ist ein überschaubarer und beherrschbarer Raum, weswegen sie sich insbesondere bei der Behandlung jüngerer Kinder als „Raum“ anbietet. Ist dieser Raum mit Erbsen gefüllt, so wird das Neugierverhalten des Kindes geweckt und kann ein Kind entscheiden, ob es mit nur den Händen, oder vielleicht auch mit den Füßen das Material erfühlt, oder durch das Hineinsetzen einen ganzkörperlichen Fühleindruck haben möchte. Je mehr Körperteile eingesetzt werden, umso mehr wird der Spüreindruck nicht mehr das oberflächliche Fühlen sein, sondern durch die Schwere des Materials ein ganzkörperlicher Spüreindruck. Diese Art der Sinnesauseinandersetzung hilft dem Kind diese taktilen und tiefensensiblen Sinneseindrücke dosiert und angemessen gefiltert aufzunehmen. Für viele Kinder reicht bereits diese einfache Materialauseinandersetzung, um sich zu beruhigen und zu regulieren. Häufig verwendet die Therapeutin darüber hinaus noch Gegenstände oder Spielsteine in der Erbsenkiste, die das Kind beispielsweise zwischen den Erbsen heraussucht. Dabei wird die Filterung der Sinnesreize und damit auch Konzentration und Aufmerksamkeitssteuerung noch stärker gefördert. „Warum stößt mein Kind ständig irgendwo dagegen oder wirft Dinge um?“ Einige Kinder haben Probleme mit ihrem Körpereigenempfinden. Sie nehmen ihren Körper und ihre Körpergrenzen nur ungenau (undifferenziert) wahr. Durch diese Schwierigkeiten kann auch die Fähigkeit beeinträchtigt sein, die eigene Kraft angemessen zu dosieren. Eine gezielte Bewegungssteuerung (z.B. ein Glas zu ergreifen) steht in Abhängigkeit vom Seheindruck und von dem „Wissen“ der Körperabmessungen, ähnlich einer Landkarte. Ist diese Landkarte sehr grob, dann können gezielt koordinierte Bewegungen Probleme bereiten und die Kinder wirken im Alltag ungeschickt und tollpatschig. „Was hat das Gleichgewicht mit Schreiben zu tun“? Schreibprobleme können bei Kindern selbstverständlich sehr viele und sehr unterschiedliche Gründe haben. Eine der zahlreichen Voraussetzungen für erfolgreiches Schreiben liegt in der Stabilisierung des Körpers bei der Sitzhaltung. Das fordert für einen Menschen keine besondere Aufmerksamkeit, wenn er seinen Körper gut spürt und sich die Körperspannung „automatisch“ anpasst, wenn die beteiligten Muskeln Ermüdungssignale senden. Dann strafft sich diese Muskulatur wieder und die Sitzhaltung bleibt stabil. Aus dieser, durch das Gleichgewicht abgesicherten, Körperposition können die Kinder dann leichter und ohne z.B. sich abstützen zu müssen, eine gute Stiftführung leisten. „Warum hat mein Kind eine so geringe Muskelspannung, wo es sich doch so viel bewegt? Was können wir zuhause tun?“ Ob wir entspannt im Sand liegen oder uns intensiv bewegen – stets verfügt unser Gehirn über Informationen der Körpergrenzen und in welcher Position sich der Körper befindet. In Bewegung liefern die Muskeln, die sich betätigen selbstverständlich eine sehr viel größere Information. Um eine angemessene Muskelspannung aufzubauen, muss der Körper die Signale aus dem Gleichgewichtssystem, der Muskulatur und den Gelenken gut verwerten. Bei zahlreichen Kindern reichen diese Signale „in der Ruhe“ nicht aus und gibt ihnen deswegen den Impuls zu Bewegung, weil sie sich dadurch besser spüren. Dieses Sich-besser-Spüren kann verbessert werden, indem man sich nicht mehr bewegt, sondern intensiver, das bedeutet Aktivitäten mit mehr Kraftaufwand, das sind Aktivitäten gegen Widerstand: Bei Ihnen zuhause kann Ihr Kind z.B. davon profitieren, dass es schwere Gegenstände trägt, wie z.B. Sprudelkisten. Im Bewegungsspiel mag ihr Kind dazu neigen „Fangen“ zu spielen (sich also viel zu bewegen), wird aber zum Aufbau einer besseren Muskelspannung mehr davon profitieren, wenn Sie „Seilziehen“ mit ihm spielen. „Warum kann ich mit meinem Kind nicht kuscheln? Es ist wie ein Betonklotz.“ Bei dieser Problematik gibt es mit Sicherheit sehr viele und vielfältige Antworten und einfachere und komplexere Erklärungen. Beim Kuscheln drücken wir mit unserem Körper unsere Gefühle aus und naheliegend ist selbstverständlich, dass auf der Gefühlsebene Probleme bestehen können. Wir drücken diese Gefühle beim Kuscheln aber eben mit unserem Körper aus und auf dieser körperlichen Ebene kann es durchaus auch Probleme geben. Es gibt Kinder, denen eine körperliche Berührung, so sehr sie sich auch nach ihr sehnen mögen, unangenehm ist. Viele, und für sie zu viele, taktile Signale „bombardieren“ ihr Gehirn, die sie in diesem Moment nicht verarbeiten können. Viele Kinder flüchten aus einer Umarmung. Eine der „kleineren“ Fluchten, nämlich eine Flucht ohne Wegrennen, ist es, wenn ein Kind sich körperlich verspannt, das kann sich dann so anfühlen, als ob das Kind wie ein Betonklotz ist. So zeigt es, dass es die Umarmung eigentlich möchte, sie aber nicht gut erträgt. Sie können Ihr Kind sicherlich gut unterstützen, wenn Sie es ermutigen selber den „Kuschelanfang“ zu machen und wenn Sie Ihr Kind zunächst nur kurz und vielleicht auch mit einem festeren Druck umarmen. „Mein Kind kann sich alltägliche Abläufe nicht merken und macht immer wieder die gleichen Fehler. Hat das etwas mit Intelligenz zu tun?“ Um sich alltägliche Abläufe zu merken, bedarf es zweifelsohne Intelligenz. Es bedarf aber auch einer praktischen Handlungsfähigkeit, welche die abgerufene Handlung auch buchstäblich „in die Tat“ umsetzt. Ob wir uns bekleiden, Schuhe binden, oder die Spülmaschine ausräumen: Stets rufen wir Erinnerungen dieser Abläufe ab und damit auch die räumliche und zeitliche Projektion, wie die einzelnen Schritte dieser Handlung auszuführen sind. Diese Schritte werden vom Gehirn zwar gespeichert, aber manche Kinder können sie nicht mit der erwarteten Sicherheit abrufen. Häufig können uns diese gleichen Kinder sogar mit Worten genau beschreiben, was eigentlich zu tun wäre, es selber aber nicht in die Tat umsetzen. Das kann einerseits damit zusammenhängen, dass die Kinder Handlungen und Handlungsfolgen nicht speichern können, kann aber auch schon auf einer einfacheren Ebene ein Problem der Verarbeitung der beteiligten Körperabschnitte sein, der eine Störung der Körperwahrnehmung zugrunde liegt. „Warum wird in der SI-Therapie so viel gespielt?“ Spiel ist der Lernweg für Kinder. Ein Kind sucht sich im Spiel neue Herausforderungen, für die es bereit ist, große Anstrengungen, Aufmerksamkeit und Ausdauer aufzubringen. In der SI-Therapie wird dem Kind eine Situation mit sensorisch reichhaltige Herausforderungen angeboten, in der es durch seine hohe Spielmotivation genau die richtigen Angebote findet, um in seinem Spielfluss Fortschritte in seinen Problembereichen zu machen. „Mein Kind schläft so schlecht ein (dauert zwei Stunden). Woran kann das liegen und was kann ich tun?“ Wenn Ihr Kind schlecht einschläft, kann das natürlich sehr viele Gründe haben: Vielleicht hat es besonders viel erlebt und ist innerlich aufgewühlt, Vielleicht war der Tagesablauf unstrukturiert, vielleicht ist es reizüberflutet durch z.B. viel Fernsehschauen oder zu viel Bewegung. Wenn dies häufiger oder sogar regelmäßig so ist, dann sollten Sie mit Ihrem Arzt über diese Problematik sprechen. Sie können Ihrem Kind sicherlich gut helfen besser einzuschlafen, wenn Sie bei der Gestaltung seines Tagesablaufes gewisse gleichbleibende Grundstrukturen einhalten und insbesondere vor dem Zu-Bett-Gehen stets gleichbleibende Rituale einführen. Vielleicht profitiert Ihr Kind auch davon, wenn es vor dem Zu-Bett-Gehen badet (oder auch nur ein Fußbad nimmt) und Sie es fest abrubbeln. Vielleicht profitiert Ihr Kind davon, dass Sie es in die Bettwäsche „pucken“. Sie selber können Ihr Kind durch Ihr eigenes Verhalten beim Einschlafen helfen, indem Sie sich eher ruhig und langsam bewegen und langsam und leise sprechen – auch das kann zu einem Ritual werden. „Warum ist es problematisch, wenn meine dreijährige Tochter keine Pullis `über den Kopf` anzieht oder nicht durch Tunnels kriechen möchte?“ Möglicherweise reagiert Ihr Kind übermäßig bei Berührungen des Kopfes oder bei Veränderungen der Position des Kopfes, vielleicht kennen Sie auch weitere Reaktionen Ihrer Tochter auf sensorische Reize, die Ihnen ungewöhnlich erscheinen. Wenn ein Kind Überreaktionen auf Berührungen hat, so kann das erhebliche Auswirkungen haben, wie z.B.: Beeinträchtigung beim Erlernen des selbstständigen An- und Ausziehens oder Vermeidung von Aktivitäten, die mit Berührungen einhergehen (z.B. Körperhygiene). Diese Beeinträchtigungen können bei den täglichen Routinen wie Anziehen oder Waschen auch die Interaktion zwischen Ihnen und Ihrem Kind beeinflussen. Auch eine Empfindlichkeit bei Veränderungen der Kopfposition im Raum hat Auswirkungen auf das Verhalten Ihres Kindes: Durch das Vermeiden eigentlich altersgerechter motorischer Aktivitäten wie Klettern oder irgendwo durchzukrabbeln, macht Ihr Kind weniger motorische Erfahrungen und der Erwerb motorischer Kompetenzen ist gefährdet. „Was kann ich tun, dass mein Kind auf dem Spielplatz die Spielgeräte so unbeschwert benutzt wie andere Kinder? Mein Sohn scheint gar nicht zu verstehen wie man die Geräte benutzt.“ Wenn Ihr Kind diese Schwierigkeiten hat, so kann das möglicherweise mit Problemen bei der Bewegungsplanung und-Handlungen zusammenhängen, vielleicht hat Ihr Kind auch Schwierigkeiten seinen Körper zu spüren und ihn so im Spiel sicher zu gebrauchen. Sicherlich hilft es am wenigsten, wenn Ihr Kind Spielplätze meidet. Ermutigen Sie Ihr Kind und gehen Sie regelmäßig auf den Spielplatz. Sie können Ihr Kind unterstützen seine Spielfreude und Spielidee erfolgreich in die Tat umzusetzen, indem Sie selber mit ihm die Spielgeräte benutzen oder einen Spielkameraden mitnehmen, der ihrem Kind praktisch zeigt, wie die Geräte benutzt werden und ihr Kind angstfrei Erfahrungen sammeln kann. Suchen Sie Zeiten, in denen nicht allzu viele Kinder auf dem Spielplatz sind, um überschaubare Spielsituationen zu schaffen. Im häuslichen Spiel können Sie ihr Kind auch gut vorbereitend unterstützen, indem Sie Körperspiele mit ihm spielen, bei denen noch gar keine Geräte benutzt werden, damit Ihr Kind Spürinformationen sammeln kann: Körperklopfspiele, Krabbeln, Matschen oder auch Sandkastenspiele.