Europa-Union Deutschland Landesverband Niedersachsen e. V. BV Protokoll der AGs Strategie Landestagung Nds.am 23.10.201 TOP 4: Arbeitsgruppen Deutschland zur Programmdebatte der Europa-Union Die sehr lebhafte Diskussion in den Arbeitsgruppen ergab folgende Ergebnisse: AG 1: „Die europäische Idee im 21. Jahrhundert“ (Dr. Hans Pragst/Gerd Thiel): Die Europäische Idee des 20. Jahrhunderts beruht auf den Grundsätzen der Aufklärung und ist auch für das 21. Jahrhundert gültig. Das Hertensteiner Programm muss lediglich in diesem Sinne fortgeschrieben werden. Es gilt weiterhin die Grundidee der „Einheit in Vielfalt“, wobei die Einheit der Werte, der Rechtssicherheit, der Grundrechte und die Vielfalt der Sprachen, der Kulturen und der Religionen zu beachten sind. Der Forderung nach einem demokratischen Aufbau entsprechend ist die gegenwärtig zentrale Rolle des Europäischen Rates durch die des Europäischen Parlamentes zu ersetzen. Die nationalen Egoismen müssen zurückgedrängt und nationale Kompetenzen an ein neues Staatengebilde z.B. nach Churchill = Vereinigte Staaten von Europa übertragen werden. Modelle für ein solches neu gegliedertes, föderal (Subsidiarität ist keine Einbahnstr. und auch Nationalstaaten müssen Rechte abgeben wenn es denn dem Allgemeinwohl dient, so kennen z.B. Licht, Luft, Wasser usw. keine nationalen Grenzen und die Energiefrage betrifft nicht nur enge regionale bzw. nationale Einheiten) strukturiertes Gemeinwesen gibt es schon seit der antiken Polis. Heute könnte so eine europäische Zivilgesellschaft bei klarer Trennung zwischen Staat und Religion aus europäischen Regionen bestehen, die die kulturelle Vielfalt der Kultur- und Lebensräume der Menschen widerspiegeln würden z. B. Metropolund andere Regionen u.a. mit grenzüberschreitenden Charakter, die den Menschen neue Identitäten geben würden. Da wir als Menschen über ein breites Identitätsreservoir verfügen und die Identitätsdominanten sich im Laufe des Lebens verändern, ist es u.a. möglich, die alten Ideen aus der Antike mit den Voreuropäern aus der Weimarer Zeit und den Ansätzen (vgl. oben Churchillrede und Hertensteiner Erklärung) aus der direkten Nachkriegszeit im ursprünglichen Sinn fortzuschreiben und damit weg von nationalen bzw. verwaltungstechnisch bedingten Gliederung, die immer zu Missachtung, Hetze oder auch Krieg Anlass gaben, hin zu einem friedlichen und damit menschlichen Miteinander bei Achtung und Wahrung anderer kultureller Identitäten/Kulturen/Religionen usw. zu kommen, kurz zu einer europäischen Identität, zu einem europäischen aufgeklärten Staatsbürger/innenmodell, welches nur in einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligten entstehen kann. Solche Visionen müssen wir wieder denken und diskutieren können/wollen/dürfen. 1 AG 2: „Europa vor den Herausforderungen der Zeit“ (Reinhard Burdinski ): Die Arbeitsgruppe fasst ihre Ergebnisse in sieben Punkten zusammen: 1. Europa muss lernen mit einer Stimme zu sprechen, nur so findet man Gehör im weltweiten Konzert der Stimmen aus Politik und Wirtschaft. Europäische Leitideen wie Demokratie, Menschenrechte, Bildung für alle und Gleichberechtigung können gut weltweit übernommen werden. 2. Für das Umsetzen dieser Werte sollte Europa selbst ein Vorbild sein, automatisch ließen sich dann weltweit einige Dinge leichter lösen (z.B. Bevölkerungsentwicklung ) 3. Europa sollte sich weltweit mehr einbringen. Genügend Wissen, Technologien und Kompetenzen sind vorhanden. 4. Religiöse Selbstbestimmung muss weltweit erhalten bleiben. Religiöse Toleranz ist ein wichtiges Grundprinzip des Zusammenlebens. 5. Im Jahr 2025 sollten überall Frieden, Sicherheit, Freiheit, Menschenrechte und ein sozial ausgewogener Wohlstand gewährleistet sein. 6. Die finalen Grenzen Europas sind geografisch nicht definierbar. Die EU sollte nur erweitert werden um Staaten, die unsere europäischen Wertesysteme und Prinzipien im Grundsatz übernehmen wollen. Dabei sind unterschiedliche Integrationsgeschwindigkeiten einzelner Ländergruppen durchaus vorstellbar. 7. Als Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise sollte die Bankenaufsicht deutlich verschärft werden. Notwendig sind Sanktionen bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht. AG 3: „Die Verfasstheit Europas“ (Adolf Schröder / Marcus Oberstedt): Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich mit Fragen der Verfasstheit und der demokratischen Verhältnisse in der Europäischen Union. Die Diskussion zeigte, dass die Fragen sehr komplex sind. Deshalb wird auch eine kontinuierliche Arbeitsgemeinschaft angeregt, in der die Fragen weiterentwickelt werden sollen. Dennoch einigt man sich auf folgende Punkte: 1. Kleine Länder in der EU dürfen nicht benachteiligt werden; große Länder müssen auf sie Rücksicht nehmen. Große Länder dürfen aber auch nicht benachteiligt werden. 2. Das Europäische Parlament muss gestärkt werden. Es ist das wichtigste Organ und steht für eine demokratische EU. 3. Demokratiedefizite in der EU müssen konsequent abgebaut werden. Dazu zählt die weitere Stärkung des Europäischen Parlamentes. Das Bürgerbegehren und der Bürgerbeauftragte sind weitere Meilensteine auf dem Weg zu mehr Demokratie. 2 4. Das komplexe System „EU“ ist der Öffentlichkeit noch besser zu vermitteln. Wenn dies gelingt, wird deutlich, dass Europa spannender und bunter ist, als es auf den ersten Blick scheint. AG 4: „Wir und Europa“ (Harm Adam / Wolfgang Zapfe) Die Arbeitsgruppe befasste sich mit den Leitfragen des Präsidiums der Europa-Union zu dem Kapitel „Wir und Europa“. Folgende Kernaussagen sind zu berichten: 1. Die Gleichsetzung der „Europäischen Union“ mit dem Begriff „Europa“ ist zu diskutieren. Die Leitfrage 4 „Wir und Europa“ befasst sich bislang zum Einen mit den Rechten und Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU und zum anderen mit der Rolle der Europa-Union Deutschland. Dies ist nicht sachgerecht. Es sollte eine Aufspaltung in die Leitfragen „Wir Bürgerinnen und Bürger und die Europäische Union“ bzw. „Der Auftrag der Europa-Union Deutschland“ erfolgen. 2. Hinsichtlich der Rechte und Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger fordert die Arbeitsgruppe eine Demokratisierung der Institutionen dergestalt, dass die Kommission und die einzelnen Kommissare unmittelbar dem Parlament verantwortlich sind. Die Europäische Union ist nach Auffassung der Arbeitsgruppe nur dann arbeitsfähig, wenn sie nach den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie aufgebaut ist. Dessen ungeachtet bleibt hinsichtlich einer etwaigen Stärkung der Bürgerrechte durch europäische Bürgerentscheide bzw. Bürgerbefragungen abzuwarten, welche Erfahrungen mit der Europäischen Bürgerinitiative gemacht werden. 3. Ein Schwerpunkt nahm die Diskussion über die Wahrnehmung der EU durch die Bürgerinnen und Bürger ein. Die Leitfrage des Präsidiums fordert eine „positivere“ Wahrnehmung. Hier muss zunächst an den Grundlagen gearbeitet werden. Der Bürger nimmt die EU in weiten Teilen überhaupt nicht wahr. Die Arbeitsgruppe stellte detaillierte Forderungen auf: a) für die Landesebene Niedersachsen ist die Wiedererrichtung einer Landeszentrale für politische Bildung zu fordern, die den Themenschwerpunkt „Europa“ besonders bearbeitet. Ungeachtet der jüngsten positiven Entwicklung im Bereich der Koordination der Arbeit der Europaschulen bleibt der Auftrag, Module zum Thema Europa in die Aus- und Weiterbildung der Lehrer einzubauen. Die Europa-Union Niedersachsen fordert die Landesregierung auf, die Institution des „Europaministers“ zu stärken. Der Ministerpräsident wird nicht als „Europaminister“ wahrgenommen. b) auf der kommunalen Ebene müssen all diejenigen Projekte, die erst durch Hilfe von Zuwendungen aus Fördertöpfen der EU ermöglicht wurden, auch als solche benannt werden. Nicht überall wird eine Plakette angebracht, die auf die Unterstützung der EU hinweist, selbst wenn dies in den Förderrichtlinien gefordert wird. Ein Beitrag zur Befassung der kommunalen Ebenen mit Themen der EU können entsprechende Kommunalkongresse der Europaparlamentarier sein. 3 4. Der Europa-Union Deutschland kommt eine wesentliche Funktion im Rahmen der politischen Bildung zu. Die örtlichen Verbände sind aufgerufen, an der politischen Bildung von Schülerinnen und Schülern, aber auch in der Erwachsenenbildung, aktiv mitzuwirken. Die Europa-Union Deutschland soll auf der Basis einer „proeuropäischen“ Grundhaltung den politischen Diskurs mit organisieren. Politischer Streit zu einzelnen Fragen der praktischen Politik muss hingenommen werden. Sofern Parteienstreit über Fragen der Europapolitik geführt wird, bedarf es regelmäßig keiner ausdrücklichen Positionierung der Europa-Union. Ausnahmen mögen bei einem Konsens aller im Präsidium vertretenen politischen Richtungen wie zu den EU-Finanzhilfen für Griechenland gerechtfertigt sein. Die Europa-Union Deutschland ist insbesondere dann gefordert, wenn sich die Frage einer Fortschreibung der Verträge betreffend die „Verfasstheit Europas“ diskutiert wird. Hier ist ein breiter überparteilicher Konsens erforderlich, um unseren Anliegen Gehör zu verschaffen. Im Anschluss der Beratungen werden die Ergebnisse der vier Arbeitsgemeinschaften im Plenum beraten. 4