10 Differentialgeometrie in der Physik Vorlesung 2 Andererseits gilt aber folgendes Lemma Lemma 2.7 Ist(M, T ) wegzusammenhängend, so auch zusammenhängend. Beweis. Sei (M, T ) zusammenhängend. Angenommen m ist nicht zusammenhängend. Dann existieren zwei nichtleere Teilmengen A, B ∈ T mit A ∪ B = M und A ∩ B = ∅. Sei jetzt a ∈ A und b ∈ B. Dann existiert ein stetiger Weg γ : [0, 1] → M mit γ(0) = a und γ(1) = b. Da γ stetig ist müssen à = γ −1 (A) und B̃ = γ −1 (B) offen in [0, 1] sein (und nichtleer) und da [0, 1] zusammenhängend ist, ist [0, 1] 6= à ∪ B̃. Andererseits ist aber à ∪ B̃ = γ −1 (A) ∪ γ −1 (B) = γ −1 (A ∪ B) = γ −1 (M ) = [0, 1]. Widerspruch. Die Annahme war also falsch und M muss zusammenhängend sein. Bemerkung. Achtung: zusammenhängend ist nicht dasselbe wie einfach zusammenhängend. Der zweite Begriff besagt anschaulich, das die Menge kein “Loch” hat. 2 ist einfach zusammenhängend 2 \ {0} ist es nicht.2 R 2.2 R Mannigfaltigkeiten Wir werden jetzt differenzierbare Mannigfaltigkeiten einführen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten dafür – beispielsweise als bestimmte Teilmengen eines hinreichend hochdimensionalen n . In diesem Fall kann man die differenzierbare Struktur des umgebenden Raumes auf die Mannigfaltigkeiten “vererben”. Allerdings verschleiert diese Herangehensweise die Tatsache, das der umgebende Raum in der eigentlichen Theorie überhaupt keine Rolle spielt. Wir werden Mannigfaltigkeiten abstrakt einführen. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeiten ist dann ein Hausdorff’scher topologischer Raum M zusammen mit einem maximalen Atlas von Karten auf M . Diese Begriffe werden wir jetzt der Reihe nach einführen. Soweit nicht anders gesagt wird für uns “glatt” oder “differenzierbar” C ∞ – also beliebig oft stetig differenzierbar – bedeuten. Einen Großteil der Theorie kann man auch mit niedrigerer Differenzierbarkeitsordnung formulieren, allerdings ist es bisweilen mühsam (und nicht besonders instruktiv) die für die diversen Aussagen minimal nötige Differenzierbarkeitsordnug abzuzählen. R Definition 2.8 Sei (M, T ) topologischer Raum und U ⊂ M offen. R • φ : U → n heißt Karte (oder Koordinatensystem), falls φ(U ) offen und φ Homöomorphismus ist. n heißt dann die Dimension der Karte. 2 R R R Allerdings ist 3 \{0} jedoch wieder einfach zusammenhängend - 3 \{(x, 0, 0) | x ∈ } wiederum nicht. Etwas präziser ist ein topologischer Raum einfach zusammenhängend, falls sich jeder geschlossene stetige Weg stetig zu einem Punkt zusammenziehen lässt. Wir werden vermutlich später genauer darauf eingehen. 10 Vorlesung 2 Differentialgeometrie in der Physik 11 R • Man sagt zwei Karten (derselben Dimension) φ : U → n und η : V → n sind verträglich oder überlappen glatt, falls φ◦η −1 und η ◦φ−1 glatt sind (wo definiert). (Ist U ∩V = ∅ so möge das als trivial erfüllt gelten, andernfalls gibt es Ũ = φ(U ∩ V ) und Ṽ = η(U ∩ V ) und Abbildungen φ◦η −1 : Ṽ → Ũ bzw. η◦φ−1 : Ũ → Ṽ , von denen wir Differenzierbarkeit verlangen). R • Ein Atlas auf M ist eine Menge von verträglichen Karten derart, dass jeder Punkt p ∈ M in mindestens einem Definitionsbereich U einer Karte liegt (diese werden dann auch Koordinatenumgebung von p genannt). • Ein Atlas A heißt maximaler Atlas, falls jede mit jeder Karte aus A verträgliche Karte schon in A enthalten ist. Der Begriff des maximalen Atlas ist eher technischer Natur und es genügt für gewöhnlich um seine Existenz zu wissen. Bevor wir Beispiele von Mannigfaltigkeiten betrachten, formulieren wir noch ein kleines Lemma, das uns die Existenz maximale Atlanten garantiert: Lemma 2.9 Jeder Atlas ist in einem eindeutigen maximalen Atlas enthalten. Beweis. Sei der Atlas A gegeben. à bezeichne die Menge aller mit allen Karten aus A verträglichen Karten. Ist à Atlas, so ist à eindeutiger maximaler Atlas, der A enthält: Wäre  ein weiterer, so wäre jede Karte aus  mit jeder Karte aus A ⊂  verträglich, also in à enthalten. Genauso umgekehrt, d.h.  = Ã. Die Maximalität ist dann per Definition gegeben. Bleibt also z. Z., das à Atlas ist, dass also je zwei Karten φ : U → n und η : V → n verträglich sind (das jeder Punkt erreicht wird ist schon mit den Karten aus A sichergestellt): Ist U ∩ V = ∅, so ist nichts zu zeigen. Andernfalls gibt es für jedes p ∈ U ∩ V eine Karte ν : W → n in A mit p ∈ W . Nach Definition R R 11 R 12 Differentialgeometrie in der Physik Vorlesung 2 von à ist ν mit φ und η verträglich, also sind φ ◦ ν −1 und ν ◦ η −1 glatt. Damit ist aber φ ◦ η = φ ◦ ν −1 ◦ ν ◦ η −1 zumindest in η(p) differenzierbar und da wir p beliebig in U ∩ V wählen konnten, ist φ ◦ η −1 glatt, wo definiert. Das gleiche Argument funktioniert auch für η ◦ φ−1 . Auch wenn wir also in unserer Definition einer Mannigfaltigkeit einen maximalen Atlas verlangen, genügt es in der Praxis einen einfachen Atlas anzugeben, da er einen eindeutigen maximalen impliziert. Definition 2.10 eine glatte Mannigfaltigkeit ist ein Hausdorff ’scher topologischer Raum mit einem maximalen Atlas. Die Dimension der Mannigfaltigkeit sei die der Karten in ihrem Atlas. Bemerkung. Für topologische Mannigfaltigkeiten muss man in obigen Definitionen glatt/differenzierbar durch stetig ersetzen. Beispiel 2.3 R R • Die Menge, die nur die Identität enthält {id : n → n } bildet einen Atlas auf n . n ist also eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. R R R • Sei S n = {x ∈ n+1 | kxk = 1} die n-dimensionale Einheitssphäre. Sie wird mit folgenden Abbildungen zu einer n-dim. Mannigfaltigkeit: Bezeichne πk : n+1 → n die Projektionen R R (x1 , . . . , xn+1 ) 7→ (x1 , . . . , x̂k , . . . , xn−1 ). − Dann sind φ+ i = πi |S n ∩{(x1 ,...,xn+1 ) | xi >0} und φi = πi |S n ∩{(x1 ,...,xn+1 ) | xi <0} mit i ∈ {1, . . . , n + 1} Karten auf S n . Man sieht leicht, das sie zusammen einen Atlas ergeben. Das sind recht viele Karten und es geht mit weniger: Setzt man σ± : S n \ {(0, . . . , 0, ±1}, x − (0, . . . , 0, ±1) + (0, . . . , 0, ±1) , σ± (x) = πn+1 4 kx − (0, . . . , 0, ±1)k2 so bildet {σ+ , σ− } einen Atlas auf S n .3 Er hat den selben maximalen Atlas, wie der zuerst angegebene. 3 Das Argument von π hier ist die Inversion an einer n-dimensionalen Sphäre mit Mittelpunkt (0, . . . , 0, ±1) und Radius 2. 12