Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz Departement Soziale Arbeit Studiengang Sozialarbeit 2001 – 2005 Andreas Gehri Ein Coaching- und Beratungsangebot für die offene Jugendarbeit Diplomarbeit der Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz, Departement Soziale Arbeit, eingereicht im Juli 2005 zum Erwerb des Diploms in Sozialer Arbeit FH, Studienrichtung Sozialarbeit Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 1.1 Problemstellung 4 1.2 Zielsetzung der Diplomarbeit 5 1.3 Berufspraxis 6 1.4 Vorgehen 6 1.5 Aktuelle Situation in der Jugendarbeit Brügg 7 2. Theorieteil 10 2.1 Einleitung 10 2.2 Definition von Beratung 10 2.3 Definition von Coaching 11 2.4 Theoretische Ansätze 12 2.4.1 Ableitung auf die Diplomarbeit 13 2.5 Anwendungsbereiche der Beratung 13 2.5.1 Positionierung der Diplomarbeit 15 2.6 Formen und Strukturen von Beratung 16 2.6.1 Ort der Beratung 16 2.6.2 Mittelbare/ Unmittelbare Beratung 16 2.6.3 Vertikale/ Horizontale Beratung 17 2.6.4 Einzelberatung/ Gruppenberatung 18 2.7 Zwei Beratungskonzepte 20 2.7.1 Soziale Beratung nach Thiersch 20 2.7.1.1 Kritische Würdigung 22 2.7.2 Kooperative Beratung nach Mutzeck 23 2.7.2.1 Beratungsprozess der kooperativen Beratung 24 2.7.2.2 Kritische Würdigung 28 2.7.3 Resultierende Postulate für das Coaching- und Beratungsangebot 29 2.8 Entwicklungspsychologische und Jugendspezifische Aspekte der Beratung 29 2.9 Beratung in der offenen Jugendarbeit 31 2.9.1 Beziehungsarbeit 32 2.9.2 Niederschwelligkeit 32 2.9.3 Vernetzung 33 Seite 2 3. Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes 33 3.1 Grundlagen des Konzeptes 33 3.1.1 Zielsetzung 33 3.1.2 Begriff der Beratung 33 3.1.3 Begriff des Coaching 33 3.1.4 Menschenbild 34 3.2 Strukturen des Coaching- und Beratungsangebotes 35 3.2.1 Örtlichkeiten 35 3.2.2 Zusammenarbeit 35 3.2.3 Gesprächsführung 35 3.2.4 Niederschwelligkeit 36 3.2.5 Zielgruppe 36 3.2.6 Vernetzung 37 3.2.7 Aufwand 37 3.3 Coaching- und Beratungsprozess 38 3.4 Module 40 3.4.1 Modul 1: Berufswahl- Lehrstellensuche 41 3.4.1.1 Inhalt 41 3.4.1.2 Handlungsschritte 42 3.4.2 Modul 2: Freizeitprojekte 45 3.4.2.1 Inhalt 45 3.4.2.2 Handlungsschritte 46 3.4.2.3 Projektbeispiel 47 4. Schlussteil 49 4.1 Auswertung der Zielsetzung/ Kritische Diskussion 49 4.2 Ausblick 50 Literaturverzeichnis 51 Anhang 52 Seite 3 1. Einleitung 1.1 Problemstellung Jugendliche, die sich in der Adoleszenz befinden, sind mitten im Prozess der Identitätsbildung. Diese Tatsache wird in der täglichen Arbeit mit Jugendlichen besonders deutlich. Die Jugendlichen sind vollends damit beschäftigt, ihre soziale Rolle zu festigen. „Er (der Jugendliche, Anmerkung des Verfassers) ist in manchmal krankhafter, oft absonderlicher Weise darauf konzentriert herauszufinden, wie er, im Vergleich zu seinem eigenen Selbstgefühl, in den Augen anderer erscheint und wie er seine früher aufgebauten Rollen und Fertigkeiten mit den gerade modernen Idealen und Leitbildern verknüpfen kann.“ (Erikson 1973:106). Erikson wie auch Mietzel sind sich darin einig, dass die Phase der Adoleszenz für die Jugendlichen eine turbulente ist und dass in diesem Entwicklungsschritt die Identitätsstrukturen entwickelt werden, die es einem Menschen ermöglichen, herangetragene Informationen zu bewerten und zu ordnen. Mietzel verweist zudem auf eine zeitgemässe neue Herausforderung, welche er in der zunehmenden Informationsdichte erkennt. Noch vor wenigen Jahren waren die Möglichkeiten in sämtlichen Lebensbereichen für Jugendliche eingeschränkter, als sie es heute sind. Junge Menschen, deren Identitätsbildung noch nicht abgeschlossen ist, weisen gegenüber einer erhöhten Informationsflut oft mangelnde Bewältigungskompetenz auf, was zur Überforderung führen kann. Die rasch ansteigende Informationsflut und die damit verknüpften Möglichkeiten sind Eigenschaften der heutigen Zeit und deuten in ihrer Entwicklung auf eine weitere Steigerung hin. Zur Entwicklung und Bildung der eigenen Identität gehört die Identitätskrise. Durch sie werden vermittelte Identitäten hinterfragt und das Experimentieren mit neuen Identitäten wird angeregt. Die jungen Menschen sind in dieser Entwicklungsphase verunsichert und daher auf ein stützendes Umfeld angewiesen: (vgl. Mietzel 1995: 269ff.). Die Überforderung bezüglich der unendlich vielen Wahlmöglichkeiten in sämtlichen Lebensbereichen, welche von den Jugendlichen täglich viele Entscheidungen erfordern, ist in der alltäglichen Arbeit mit Jugendlichen in der Adoleszenz spürbar und ist, meines Erachtens, auch oft Ursprung von delinquentem Verhalten. Diese Überflutung mit Informationen und den damit verbundenen Wahlmöglichkeiten, beginnt in der Wahl des Aussehens (Kleider, Frisur, Figur, Szene), der Freizeitbeschäftigung (Fussball, Billard, „Rumhängen“) und endet in Entscheidungen der eigenen Zukunft (Berufswahl, Strafregister), des Wohnsitzes (Mutter, Vater) und der Sexualität (heterosexuell, homosexuell, bisexuell). Der Mensch wird mit dem Entwicklungsschritt der Identitätsbildung zu einem Zeitpunkt konfrontiert, in welchem er sich einerseits zunehmend aus der familiären Bindung löst, dieser jedoch gleichzeitig noch untergeordnet ist. Die Jugendlichen können durch die Eltern nötigenfalls immer noch zurechtgewiesen werden, erhalten aber von diesen auch Schutz und Seite 4 Unterstützung. Diese traditionellen Familienstrukturen lösen sich in der modernen Gesellschaft zusehend auf. Auch andere Bezugssysteme fallen der steigenden Individualisierung und Globalisierung zum Opfer. Gab es vor kurzer Zeit noch natürliche Bezugspersonen ausserhalb der Familie wie beispielsweise Pfarrer, Lehrer, Kioskfrau, Dorfpolizist u.a. leben diese aufgrund zunehmender Mobilität und geforderter Flexibilität immer weniger vor Ort. Fehlende Unterstützungsmöglichkeiten sind oft auch in Migrationsfamilien auszumachen. Wegen der fehlenden Unterstützung muss die Integrationsleistung von den Jugendlichen alleine bestritten werden. Mangelnd integrierte Eltern können ihren Kindern keinen Schutz und Unterstützung gewähren, da sie selber nicht über die nötigen Ressourcen verfügen. Die zunehmenden Herausforderungen für Jugendliche und die zerfallenden Familienstrukturen führen auch zu neuen Problemstellungen innerhalb der Schule, welche traditionellerweise als einzige Institution den Bildungsauftrag für Kinder und Jugendliche im obligatorischen Schulalter innehatte. Bildungsprozesse wie Konfliktlösung, Berufswahl u.a. werden von Eltern immer häufiger an die Schule delegiert, welche sich ihrerseits mit den vielschichtigen und steigenden Aufgaben zunehmend überfordert fühlt. Eine in der heutigen Zeit beobachtbare Bewältigungsstrategie der Jugendlichen ist die Unverbindlichkeit. Die Jugendlichen haben aufgrund der Angebotsdichte Angst, ihnen könnte etwas anderes entgehen, wenn sie sich auf etwas Konzentrieren. Durch ihr unverbindliches, individuelles und spontanes Handeln ermöglichen es sich die Jugendlichen überall mit dabei zu sein. Diese Bewältigungsstrategie hindert jedoch die Stärkung der eigenen Identität, weil sie eine tiefere Auseinandersetzung mit einer Sache und mit sich selbst verunmöglicht. 1.2 Zielsetzung der Diplomarbeit Die oben erwähnte Überforderung vieler Adoleszenter im Umgang mit der zunehmenden Komplexität ihres Umfeldes bei gleichzeitig sich auflösenden stützenden Familienstrukturen fordert die Jugendarbeit heraus, sich unterstützend einzumischen. Menschen mit einer gut ausgebildeten Identität genügen den vielfältigen Lebensansprüchen besser. Daher sind Hilfestellungen zur Identitätsfindung präventiver Art. Ziel der Diplomarbeit ist ein Coaching- und Beratungsangebot zu entwickeln, in welchem Jugendliche ihre Ziele besser erreichen können. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Jugendarbeit lernen die Jugendlichen einen Prozess anzugehen und zu bewältigen. Sie haben die Möglichkeit, den Prozess eigenhändig, aber mit begleitender Hiflestellung zu bestreiten. Diese Zusammenarbeit soll den Jugendlichen ein Beispiel in der Verarbeitung von Informationen und im Erreichen von Zielen sein. Durch das gemeinsame Bestreiten einer Herausforderung über längere Zeit, bilden die Jugendlichen ihre Identität weiter aus. Seite 5 Ein weiteres Ziel ist das Aufzeigen einer Alternative zur beschriebenen Bewältigungsstrategie der Unverbindlichkeit. Um einen Prozess konstruktiv zu bewältigen, ist ein Vertrauensverhältnis unabdingbar. Deshalb kann ein effektives Coaching- und Beratungsangebot nicht auf der Unverbindlichkeit aufbauen, sondern muss sich zum Ziel setzen, Jugendliche aus dem vertrauten Bewältigungshandeln herauszulösen, um ihnen alternative Bewältigungsformen aufzeigen zu können. Dieser Balanceakt erfordert von den Jugendlichen viel Vertrauen und von der Jugendarbeit ein hohes Mass an Empathie, um die Jugendlichen mit der Erwartung nach Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit nicht zu überfordern. Daher ist der Prozess der Zusammenarbeit bezüglich Dauer, gegenseitigen Erwartungen und Aufwand von Beginn an klar zu definieren und zu besprechen. Die Diplomarbeit setzt sich also zum Ziel, ein Coaching- und Beratungsangebot zu konzeptionieren, das als Grundkonzept für Prozesse mit unterschiedlichen Zielsetzungen anwendbar ist. Um den Zielsetzungen und den damit verknüpften Erwartungen von interessierten Jugendlichen optimal gerecht zu werden und um das Angebot verständlich zu präsentieren, gibt es ein Grundkonzept und darauf aufgebaut diverse Module mit je unterschiedlichen Zielsetzungen. Dies ermöglicht interessierten Jugendlichen, sich je nach ihren Bedürfnissen für ein Modul zu entscheiden. Die Zielsetzungen sind in den Modulen jeweils konkreter umschrieben. 1.3 Berufspraxis Die Idee eines Coaching- und Beratungsangebotes, welches in dieser Diplomarbeit entwickelt wird, ist aufgrund von Beobachtungen aus der unmittelbaren Berufspraxis entstanden. Ziel der Diplomarbeit ist es, diesen Beobachtungen mindestens teilweise zu entsprechen und seinen Teil an die Lösung der erkannten Problematik beizutragen. Zwar ist die Problematik schon seit einiger Zeit beobachtbar und in der Berufspraxis sind auch schon Coaching- und Beratungseinheiten erfolgt. Gefehlt hat jedoch stets ein gut strukturiertes Angebot, welches auch die gegenseitigen Erwartungen klärt. Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Erfahrungen, sowie eine explorative Bedürfnisabklärung wurden in der Jugendarbeit Brügg gemacht. Das Coaching- und Beratungsangebot soll nach seiner Erarbeitung in der Jugendarbeit Brügg umgesetzt werden. Unter Berücksichtigung der im Kapitel 1.5 ‚Aktuelle Situation in der Jugendarbeit Brügg’ beschriebenen Eigenschaften der Jugendarbeit Brügg, sowie des grundsätzlich ausgeführten Verständnisses von offener Jugendarbeit, kann das Coaching- und Beratungsangebot auch an die Bedürfnisse anderer Institutionen adaptiert werden. 1.4 Vorgehen Seite 6 Im folgenden Theorieteil werden mittels Fachliteratur für das Coaching- und Beratungsangebot relevante Aspekte der Beratung aufgegriffen. Der Begriff des Coaching ist in sozialarbeiterischer Literatur kaum vertreten, beschreibt jedoch den weiterführenden Prozess der Beratung in die zielorientierte Begleitung. Daher wird der Begriff Coaching zur Verwendung in der Sozialen Arbeit definiert. Im Weiteren werden theoretische Ansätze der Beratung aufgezeigt und die Diplomarbeit darin positioniert. Beratung wird in vielen Bereichen und mit unterschiedlichem Hintergrund und Absicht angewandt. Aufgrund dessen wird der Beratungsanspruch des Coaching- und Beratungsangebotes in seiner Funktion definiert. Im Weiteren werden verschiedene Formen und Strukturen der Beratung aufgegriffen und jeweils auf das Angebot bezogen. Zur konkreten Anwendung der Beratung dienen zwei Beratungskonzepte. Das erste ist die Soziale Beratung nach Hans Thiersch. Thiersch zeigt die Grundfunktionen wie auch die Gefahren von Beratung auf und definiert das Beratungsangebot in seiner Aufgabe und im sozialräumlichen Zusammenhang. Das zweite Beratungskonzept ist die Kooperative Beratung nach Wolfgang Mutzeck. Mutzeck stellt sein Beratungskonzept in einen detaillierten Rahmen und entwickelte einen Beratungsprozess, in dem die Beratung in einzelne Schritte gegliedert wird und der zur direkten Anwendung gedacht ist. Die beiden Beratungskonzepte werden kritisch gewürdigt und in die Entwicklung des Konzeptes des Coaching- und Beratungsangebotes einbezogen. Das Angebot dient der Anwendung in der offenen Jugendarbeit. Daher werden die strukturellen Voraussetzungen skizziert, die für eine erfolgreiche Beratung in der offenen Jugendarbeit relevant sind. Durch die Entwicklung des Angebotes für die spezifische Zielgruppe der Jugendlichen sind entwicklungspsychologische Aspekte zu berücksichtigen, welche als jugendspezifische Aspekte der Beratung zusammengefasst werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird das Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes entwickelt, das Zielsetzung, Zielgruppe, Evaluation, Teilnahmebedingungen usw. klärt. Weiter wird ein Ablaufschema gestaltet, welches der konkreten Anwendung dient. Wie in der Zielsetzung beschrieben, bilden Module aufbauend auf dem Konzept einen definierten Rahmen von Zielsetzungen, welche Jugendliche durch das Coaching- und Beratungsangebot angehen können. Vorerst werden als konkretes Angebot für die Jugendlichen zwei Module entwickelt. Zum Schluss werden die Zielsetzungen ausgewertet und eine kritische Diskussion geführt. Ein Ausblick zeigt die mögliche Anwendung des Coaching- und Beratungsangebotes in der näheren Zukunft. 1.5 Aktuelle Situation in der Jugendarbeit Brügg Seite 7 Die Idee zum Coaching- und Beratungsangebot ist aus der Praxiserfahrung in der Jugendarbeit Brügg entstanden und es wird zur Anwendung in dieser Institution entwickelt. Die Jugendarbeit Brügg ist ein Angebot im Rahmen der offenen Jugendarbeit des Kantons Bern. Sie richtet ihre Arbeit nach einem präventiven, integrativen und partizipativen Verständnis aus. Die Jugendarbeit Brügg will Jugendlichen Alternativen zu abweichenden Verhaltensweisen aufzeigen, sie in Übergängen in andere gesellschaftliche Einheiten begleiten und fördern, sie zur Selbständigkeit hin führen, sie in ihrer Eigeninitiative stärken und in Entscheidungsprozesse einbinden. Die Jugendarbeit Brügg achtet auf eine breite Zugänglichkeit der Institution für Jugendliche und hat an sich den Anspruch, für Jugendliche ein verlässlicher und ausserfamiliärer Ansprechs- und Bezugsort zu sein. Dieser Anspruch wird durch die Hervorhebung des Beziehungsaspektes erreicht, welcher in sämtlichen Angeboten und Projekten eine zentrale Rolle spielt. Mittels den Beziehungen zu den Jugendlichen ist es der Jugendarbeit möglich, die Begleitung und Förderung von Jugendlichen wahrzunehmen. Die Jugendarbeit Brügg findet in verschiedenen Räumen statt; der Hauptsitz jedoch bildet ein zweigeteiltes Büro. Im vorderen, mit Schaufenstern ausgestatteten und auf die Strasse zugewandten Bereich, können Jugendliche während bestimmter Öffnungszeiten seinesgleichen treffen, lesen, sich an einer Pinwand über aktuelle Projekte informieren oder am PC Arbeiten verrichten. Im hinteren Bereich befindet sich das Büro der Jugendarbeitenden. Während den Öffnungszeiten sind die Jugendarbeitenden dort zu finden. Dieser Raum dient auch für vertrauliche Gespräche. Die Kontaktaufnahme von Jugendlichen mit den Jugendarbeitenden geschieht meistens in laufenden Projekten und Angeboten. Wünschen die Jugendlichen ein Gespräch, kann ein Termin im Büro vereinbart werden, um sich in einem geeigneten Setting zu treffen. Die gemachten Erfahrungen bezüglich Coaching- und Beratungseinheiten innerhalb der Jugendarbeit Brügg haben in sich gemeinsam, dass sie Ergebnis vertrauensvoller Beziehungsarbeit sind. Geleistete Beziehungsarbeit und Niederschwelligkeit bezüglich den Zugangsmöglichkeiten zur Beratung sind geleistete Voraussetzungen um beratend und begleitend mit Jugendlichen zu arbeiten. Positiv zu werten ist auch die Unstrukturiertheit der Beratung, welche es ermöglicht, individuelle und unkonventionelle Beratungs- und Begleitungsmassnahmen umzusetzen. Nachteilig erscheinen die fehlenden Beratungsstrukturen in der bleibenden Unsicherheit unter den Jugendlichen. Sie haben keine oder nur beschränkte Vorstellungen darüber, was genau die Leistungen der Jugendarbeit sein könnten und worauf sie Anspruch hätten. Die nicht definierte Verbindlichkeit wirkt zwar niederschwellig, hat jedoch ihre Schattenseiten im eingeschränkten Wirkungsspektrum der Jugendarbeitenden und der Unsicherheit über einen ab- oder unabgeschlossenen Beratungsprozess. Eine verbindliche Zusammenarbeit, welche in ihren Grundzügen vielleicht sogar mit den Eltern geklärt würde, hätte den Vorteil, dass die Vorstellungen und Seite 8 Bedingungen nicht nur bei den Jugendlichen geklärt sind, sondern eben auch bei den Eltern. Dadurch lassen sich die Jugendlichen auf ihre eigene Zustimmung behaften, was gerade in der Adoleszenz, welche von schwankenden und unsicheren Phasen geprägt ist, zu einer Sicherheit für sie werden kann; Voraussetzung ist, dass der Prozess in einem überblickbaren Zeitrahmen stattfindet. Es ist zu beachten, dass die Angebote der Jugendarbeit Brügg zahlreich sind. Die geforderte und nötige Verbindlichkeit ist je nach Angebot verschieden. Deshalb kann für ein spezifisches Angebote, wie das Coaching- und Beratungsangebot es ist, eine überdurchschnittlich hohe Verbindlichkeit gefordert werden. Mittels einer explorativen Bedürfnisabklärung innerhalb der Jugendarbeit Brügg wurde die Idee des Coaching- und Beratungsangebotes an die Jugendlichen herangetragen. Ziel dieser Abklärung war die Prüfung und Ergänzung der Idee durch die Jugendlichen. Dazu wurde ein Fragebogen (siehe Anhang) an insgesamt acht Jugendliche abgegeben. Es wurde auf eine breite Verteilung bezüglich dem Geschlecht und der Szenenangehörigkeit geachtet. Insgesamt haben fünf Jungen und drei Mädchen im Alter zwischen 15 und 16 Jahren den Fragebogen ausgefüllt. Alle Jugendlichen stehen in irgendeinem Bezug zur Jugendarbeit. Die einen durch den regelmässigen Besuch des Jugendtreffs, die anderen durch die Beteiligung an weiteren Projekten. Alle acht finden die Idee des Coaching- und Beratungsangebotes gut bis sehr gut. Die Inhalte, welche sich die Jugendlichen vorstellen könnten, sind hauptsächlich Berufswahl und Lehrstellensuche, Freizeitgestaltung und Unterstützung bei Problemen verschiedener Art. Bei der Vermutung, welche Gruppe von Jugendlichen am Programm teilnehmen werden, wurden gegensätzliche Meinungen genannt. Die einen denken nur an Jungen, die anderen nur an Mädchen. Manche tippen auf alle. Die Altersangaben gehen von 12 bis 17 Jahren. Die eigene Teilnahme am Coachingund Beratungsangebot können sich drei von fünf Jungen und alle drei Mädchen vorstellen. Auf welche Art das Coaching- und Beratungsangebot vorgestellt werden müsste, wurde wiederum vielseitig beantwortet: In den Klassen, mittels attraktivem Prospekt, oder PowerPoint Präsentation. Einen Zusammenhang zwischen der Teilnahme der Jugendlichen und der ausführenden Person von der Jugendarbeit besteht grundsätzlich. Einen hohen Stellenwert hat die Sympathie. Den Jungen ist es eher egal, wem sie gegenüber sitzen. Die Mädchen hätten gerne eine kompetente Person und möchten eher selber wählen können. Einem Elterngespräch stehen die Jugendlichen eher kritisch gegenüber, wobei sie sich aber vorstellen könnten, dass ein solches Gespräch bei gewissen Themen sicher sinnvoll wäre. Seite 9 2. Theorieteil 2.1 Einleitung Die Voraussetzungen, Jugendliche zu coachen und beraten, sind vielschichtig. Für die beraterische Tätigkeit ist ein theoretischer Hintergrund von Bedeutung, für die weiterführende Begleitung ist pragmatisches Wissen zentral. Eine Schlüsselstelle in der Vermittlung von Kompetenzen und Fähigkeiten ist die Kommunikation resp. die Interaktion. Im gegenseitigen Gespräch gilt es Vertrauen aufzubauen, die Ausgangslage zu erfassen und lösungs- und zielorientierte Handlungsschritte zu planen und umzusetzen. Interaktion fokussiert auf Lösung- und Zielorientierung sowie auf Freiwilligkeit, wie es das Konzept der offenen Jugendarbeit voraussetzt, kann als Beratung definiert werden. Daher widmet sich der folgende Teil der Beratung. Ziel ist es, mittels den theoretischen Grundsätzen der Beratung, den Beratungskonzepten der Sozialen Beratung nach Thiersch und der Kooperativen Beratung nach Mutzeck, Wissen und Erkenntnisse herzuleiten. Dieser Hintergrund, in Ergänzung mit jugendspezifischen Aspekten der Beratung und strukturellen Eigenschaften von Beratung in der offenen Jugendarbeit, dienen im dritten Kapitel dieser Arbeit der Entwicklung des Konzeptes für das Coaching- und Beratungsangebot. 2.2 Definition von Beratung „Beratung“ und „beraten“ finden ihren Ursprung im Wort „Rat“ und „raten“. „Rat“ ist ein althochdeutsches Wort und meint die Besorgung notwendiger Mittel, Abhilfe, Fürsorge und gutgemeinte Vorschläge. Auch die Begriffe Stadtrat, Rathaus oder Familienrat sind auf diesen Ursprung zurückzuführen. „Raten“ wurde im Sinne von vorschlagen, empfehlen und für etwas sorgen verwendet: (vgl. Mutzeck 1997: 10). Beratung ist ein weiter Begriff. Im weitesten Sinne steht Beratung für eine Hilfeform und wird als eigenständige Methode im Arbeitsfeld von Beratungsstellen praktiziert. Beratung lässt sich jedoch nicht auf diese eine Anwendung reduzieren. Vielmehr ist sie Querschnittmethode, die in unzähligen Interaktionen zwischen Hilfesuchenden und Beratenden zum Einsatz kommt. Beratung wird im Bereich der Bildung, Erziehung, Gemeinwesenarbeit, Sozialarbeit, Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und in vielen anderen Bereichen angewendet. Beratung meint die Interaktion zwischen mindestens zwei Personen, in der die beratende Person mit Hilfe von kommunikativen Mitteln der ratsuchenden Person bezüglich einer Frage oder Problemstellung mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz vermittelt. Beratung kann vor der Manifestation von Problemen, während aktuellen Schwierigkeiten oder in Bezug zur Folgenaufarbeitung angewandt werden. Seite 10 Das Ziel einer Beratung darf demnach nicht die Problemlösung sein, sondern die Herstellung und Förderung von Bewältigungskompetenzen der ratsuchenden Person. Die Leistung der Problemlösung hat die zu beratende Person zu vollbringen. Dabei haben die BeraterInnen die Person, Situation und Umwelt erstmals zu erfassen und wahrzunehmen. In einem zweiten Schritt geht es darum, die ratsuchende Person zu unterstützen, die Strukturen und Muster ihrer Situation zu erkennen und zu ordnen. Im dritten Schritt nehmen die BeraterInnen an der Mitwirkung der Problemlösung teil und erarbeiten zusammen mit der ratsuchenden Person Auswege und Lösungen. Die ratsuchende Person wird dabei ermutigt und befähigt, Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Beratung teilt sich bei allen Anwendungen in den Prozess der Klärung des Problems, die Aufstellung von Zielen und Teilzielen, die Planung und Reflexion von Handlungsschritten und wenn nötig wiederum in erneute Handlung und Auswertung: (vgl. Sickendiek 2002: 13f). Wolfgang Mutzeck weist zudem darauf hin, dass in einer idealen Ausgangslage die ratsuchende Person eine hohe Selbstmotivation aufweist, die sich in der Freiwilligkeit der Beratung und der Bereitschaft zur Mitarbeit zeigt: (vgl. Mutzeck 1997: 12). 2.3 Definition von Coaching Coaching als Begriff in der Sozialen Arbeit gilt es erst zu definieren. Coaching wird oft in der Betriebswirtschaft, der Supervision oder im Sport verwendet. Aber auch innerhalb dieser Bereiche ist Coaching zu einem strapazierten Begriff geworden. Wer heute diesen Begriff verwendet, kommt nicht darum herum, vollständig zu erklären, welche Form und welche Art der Tätigkeit genau gemeint ist. Gemeint ist ursprünglich eine exklusive beraterische Beziehung: „(...) ein Aufgabenerfüller, sei er nun antiker Held, postmoderne Führungskraft, jugendlicher Newcomer oder vorübergehend eingesetzter Problemlöser, bespricht sein Wirken mit einem unbeteiligten Dritten zum Zwecke des Reflektierens, des Lernens, der besseren Leistung, der Entlastung, der intensivierten Analyse, der Wiederherstellung von Arbeitsfähigkeit und was die Anlässe und Motive solcher kommunikativen Nachdenklichkeit sonst noch sein mögen (...)“ (Fatzer 2002: 107). Im englischen Sprachgebrauch steht Coach für den Kutscher - der Lenker des Gefährts und der Betreuer der Pferde. In der Sozialen Arbeit kann Coaching als Strategiebegriff bezeichnet werden. Im Gegensatz zur Beratung, in der es zuerst um die Problemfindung und anschliessend um die Entwicklung einer Lösung geht, steht Coaching für eine zielorientierte Strategie. Beratung gründet grösstenteils in Theorie, Coaching hauptsächlich in pragmatischem Wissen. Coaching kümmert sich nicht um die Ursachen einer Situation, sondern wird angewandt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Hilfestellungen um ein Ziel zu erreichen sind im Unterschied zur Beratung nicht nur auf das Ratgeben beschränkt, sondern können in ihrer Form kreativ und praxisnah erfolgen. Der Coach eines Kurzstreckenläufers beschränkt seine Seite 11 Hilfestellung nicht auf das Ratgeben in der Garderobe, er geht mit auf die Rennbahn, läuft kurze Strecken mit und motiviert den Sportler am Ort des Geschehens. Durch die Ergänzung von Beratung und Coaching können nun die Stärken der systematischen Auf- und Erarbeitung von Situationen und der zielorientierten Förderung verbunden werden. 2.4 Theoretische Ansätze Wolfgang Mutzeck legt dar, dass öfters von über vierzig Beratungstheorien gesprochen wird. Beim genaueren Betrachten jedoch fällt auf, dass sich viele Theorien mit Erklärungs- und Behandlungsansätzen abgeben. Theorien, die sich speziell mit der Beratung auseinandersetzen, fehlen weitgehend. Mutzeck ist jedoch der Ansicht, es sollte nicht das Ziel sein, eine Beratungstheorie aufzustellen, sondern vielmehr eine Konzeption unterschiedlicher Ansätze. Es liegt jeder Beratung ein Beratungskonzept und somit eine Beratungstheorie zugrunde, in den meisten Fällen jedoch werden diese nicht bewusst wahrgenommen und klar umschrieben. Häufig basieren Beratungskonzepte auf dem Hintergrund therapeutischer Schulen. Mutzeck findet diese theoretischen Ansätze jedoch für ein Beratungshandeln nicht ausreichend. Mutzeck stellt die Frage: „(...) ob ein Beratungskonzept ein geschlossenes System sein muss, oder ob es möglich ist, eine Rahmenkonzeption zu entwickeln, die offen ist für unterschiedliche Konzepte innerhalb dieses Rahmens.“ (Mutzeck 1997:29). Mutzeck entwirft eine Beratungstheorie als eine Art Schachteltheorie, bestehend aus verschiedenen Ebenen (siehe Abb. a). zugrundegelegte Menschenbildannahme Handlungs- und Störungstheorie Beratungskonzeption in einer Situation Abb. a) Die Menschenbildannahme bildet die Grundlage aller nachfolgenden Elemente der Beratungstheorie. Das Verständnis von Handlungen und Verhalten des Menschen und seine Abweichung davon, beeinflusst den Beratungsprozess entscheidend. Bei der Arbeit mit Handlungs- und Störungstheorien, wie auch beim grundsätzlichen Einsatz von Theorien, gilt zu beachten, dass diese nie alle Bezüge erklären, sondern jeweils nur einen bestimmten Bereich eines komplexen Ganzen beleuchten. Die Beratungskonzeption sollte angeben, wie Seite 12 die beratende Person ihre Arbeit auffasst. Dabei sind die Bereiche der Beratungsform, der Beratungsbeziehung, der Methodenwahl und der Evaluation zu definieren. Mutzeck wirkt mit seiner Darstellung bewusst einer Methodengläubigkeit entgegen. Das Vorhandensein von Beratungstheorien beschränkt sich nicht nur auf die beratende Person. Bei beiden spielen die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen eine zusätzliche Rolle. Die beratende Person jedoch erhält die anspruchsvolle Aufgabe, zwischen ihrer eigenen wissenschaftlichen und der subjektiven Theorie des Klienten zu vermitteln: (vgl. Mutzeck 1997: 27ff). 2.4.1 Ableitung auf die Diplomarbeit In Bezug auf die Ausarbeitung eines spezifischen Beratungskonzeptes (vgl. Kapitel 1.2), ist es somit angebracht, das zu grundliegende Menschenbild sowie die Handlungs- und Störungstheorien kurz zu beschreiben. Sie bilden nach Mutzeck die Grundlage für jedes Beratungskonzept. Dieser Arbeit liegt ein Menschenbild zugrunde, das in jedem Menschen, unabhängig seinem sozialen Status und seiner kognitiven Fähigkeiten, den gleichen Wert und die gleichen Möglichkeiten der Entwicklung anerkennt. Jeder Mensch ist ein individuelles, gewolltes und geliebtes Geschöpf. Die ratgebende Person verfügt zwar über ein grösseres Fachwissen was beratungs- und lösungsorientierte Prozesse angeht, die ratsuchende Person ihrerseits verfügt jedoch über individuelle Ressourcen, welche es nicht zu bewerten und vergleichen gilt, sondern wertzuschätzen und lösungsorientiert einzusetzen. Handlungen und Verhalten eines Menschen unterliegen den vielseitigsten Einflüssen. Sie resultieren aus soziologischen, systemischen und psychischen Prägungen, was eine Handlung oder ein Verhalten zwar erklär- und nachvollziehbar werden lässt, aber nie einen Menschen aus der Eigenverantwortung entlässt. Für die Beratung von grundlegender Bedeutung ist die Einsicht der ratsuchenden Person über die Eigenverantwortung und die Selbstkompetenz des Handelns und somit auch der Lösungsfindung. Die beratende Person kann Ressourcen aufdecken oder ein Umfeld gestalten helfen, welches Fähigkeiten zu erlernen und entwickeln ermöglicht. Doch Grundlage und Bedingung jeder Zielsetzung ist die Hoffnung und der Glaube der ratsuchenden Person selbst. 2.5 Anwendungsbereiche der Beratung Beratung wird in vielen sozialen Kontexten angewandt. So erhält man einen erweiterten Zusammenhang von Beratung, wenn kurz die Anwendungen und deren Absicht in anderen Berufen ergründet wird. In der Psychologie, Sozialarbeit, Pädagogik und psychosozialen Arbeit werden Beratungskonzepte angewandt, verfolgen jedoch Perspektiven ihrer Wissenschaft. Neben charakteristischen Unterschieden der Beratungskonzepte fallen wichtige Übereinstimmungen auf, die zum Ziel haben, Selbst- und Situationserkenntnis zu Seite 13 fördern, sowie das Schaffen und Aktivieren von Kompetenzen und Ressourcen bei den Klienten. Psychologische Beratung Früher diente die Beratung in der Psychologie hauptsächlich der Diagnostik. Heute dient sie vermehrt der Informationsvermittlung, um den Klienten Entscheidungen im jeweiligen Problembereich zu erleichtern. Auffällig ist nach wie vor, dass der beratenden Person automatisch eine Expertenrolle zugeschrieben wird. Vermehrt orientiert sich die psychologische Beratung an der Prävention und am Wachstum: (vgl. Sickendiek 2002: 15ff). Soziale Beratung Unter sozialer Beratung versteht sich Hilfe für Einzelpersonen oder Gruppen mit Problemen in der sozialen Umwelt. Zur sozialen Umwelt gehören Familie, Verwandtschaft, berufliche oder schulische Umwelt und Freundeskreis. Dabei bezieht sich die soziale Beratung auf materielle, rechtliche und institutionelle Strukturen. Thiersch nennt die soziale Beratung ein methodisch ausgewiesenes, zielorientiertes Arbeitskonzept. Die Arbeitsstufen haben einen prozesshaften Zusammenhang. Die Wahrnehmung von Schwierigkeiten ist Voraussetzung für die Entwicklung von Hilfsentwürfen und führt zur Unterstützung bei der Erschliessung von Ressourcen. Es wäre ein Trugschluss, Probleme der sozialen Umwelt isoliert lösen zu wollen. Vielmehr soll die ganze Lebenswelt der Klienten miteinbezogen werden. Dabei ist die Beratung in der Form zugänglich zu gestalten. Dem Klienten ist dabei mit Respekt zu begegnen. Gemeinsam gilt es in einem Prozess die Problemfelder auszuhandeln: (vgl. Thiersch 2003: 130ff). Pädagogische Beratung Pädagogische Beratung meint einen Moment im Erziehungsprozess, welcher mit einer Frage des Ratsuchenden eröffnet wird. Die ratsuchende Person hat dabei nicht die Erwartung, erzogen zu werden, sondern wünscht sich ein offenes Gespräch. Die pädagogische Beratung hat den Anspruch eines Bildungssinns und hat demnach auch eine Verneinung der ratsuchenden Person zu akzeptieren. Bildung umfasst den Gewinn der Fähigkeit, mit der vermittelten Information umgehen zu können. Die pädagogische Beratung nimmt im Alltag einen hohen Stellenwert ein. Die KlientenInnen haben im alltäglichen Kontakt mit PädagogInnen viele und zugängliche Möglichkeiten, an Beratung zu gelangen. In diesem Sinne nehmen auch die kurzen Beratungsgespräche im Kontext der Erziehung und Bildung eine wichtige Funktion ein: (vgl. Sickendiek 2002: 18f). Seite 14 Psychosoziale Beratung Psychosozial meint die Verbindung von psychischer und sozialer Befindlichkeit mit den Lebens- und Umweltbedingungen. Im Zentrum stehen die Belastungen, die durch äussere Anforderungen an das Individuum herangetragen werden und die Bewältigungsformen, um damit umzugehen. Psychosoziale Beratung richtet sich an Probleme des sozialen Lebens, die aber als emotional-persönlich wahrgenommen werden. Von Bedeutung sind daher widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen. Durch das Erzählen der Probleme erlebt die ratsuchende Person eine emotionale Entlastung. Zusammen mit der beratenden Person gewinnt die ratsuchende Person an psychosozialer Reflexivität und lernt zwischen Umwelt und individuellen Anforderungen und Motiven zu unterscheiden. Im Weiteren orientiert sich die psychosoziale Beratung an vorhandenen Ressourcen. Im Beratungsprozess geht es darum, die persönlichen und sozialen Ressourcen zu analysieren, deren Nutzungsmöglichkeiten zu prüfen und gefährdete Ressourcen zu sichern: (vgl. Sickendiek 2002: 19ff). 2.5.1 Positionierung der Diplomarbeit Durch die beabsichtigte Verwendung dieses Coaching- und Beratungsangebotes innerhalb der sozialen Arbeit, genauer in der Jugendarbeit, sind die psychologischen sowie die psychosozialen Aspekte auszuschliessen. Die Arbeit mit Jugendlichen in der Sozialen Arbeit orientiert sich an den sozialen wie auch pädagogischen Aspekten der Beratung. Das beraterische Angebot richtet sich an Jugendliche, die mit einer Herausforderung innerhalb ihrer sozialen Umwelt konfrontiert sind und dabei Unterstützung benötigen. Im Wiederspruch zu Thiersch und anderen Verfassern von Literatur zur Beratung, liegt der Fokus im beabsichtigten Beratungsangebot nicht auf einem Problem, sondern auf einer Herausforderungen. Der Unterschied ist in erster Linie im Motivationshintergrund festzustellen. Als offene Jugendarbeit, welche im ausserschulischen Bereich tätig ist und ganz auf Freiwilligkeit beruht, ist auf die Attraktivität eines Angebotes zu achten. Gerade Jugendliche beschäftigen sich in ihrer Freizeit nicht gerne mit Problemen, jedoch mit Chancen und Herausforderung. Das Beratungsangebot bezieht sich gegenüber der sozialen Beratung nicht auf materielle, rechtliche und institutionelle Strukturen, sondern auf Begleitung, Unterstützung und Förderung. Die beraterische Tätigkeit ist methodisch ausgewiesen, baut auf prozesshaften Arbeitsstufen auf und ist zielorientiert. Dabei sind die Jugendlichen mit ihrer Lebenswelt miteinzubeziehen und zu respektieren. Das Angebot soll für Jugendliche möglichst zugänglich sein. Ein pädagogischer Anspruch besteht durch den Bildungssinn des Beratungsangebotes. Bildung geschieht durch den gemeinsamen Prozess der Erarbeitung und Bewältigung einer Herausforderung. Aufgrund der beabsichtigten Form Seite 15 der Zusammenarbeit, welche auf überblickbare Zeit verbindlich ist, werden pädagogische Prozesse initiiert. 2.6 Formen und Strukturen von Beratung Dieses Unterkapitel widmet sich den konkreten Formen und Strukturen der Anwendung von Beratung und hat zum Ziel, die Wichtigkeit von grundlegenden und oft nebensächlich erscheinenden Faktoren aufzuzeigen um das beabsichtigte Beratungskonzept auch in seiner Form und Struktur zu definieren. Das vertrauliche Beratungsgespräch unter vier Augen ist nur eine soziale Konstellation nebst vielen anderen. Kontextuell orientierte Beratung geht davon aus, dass der soziale Kontext der ratsuchenden Person ebenso eine Rolle spielt, wie die Person selber. Je nach institutionellen Möglichkeiten, ist der Einbezug des sozialen Kontextes mehr oder weniger möglich. Sehr häufig jedoch sind Gruppen in einen Problemkreis involviert und nicht nur eine einzelne Person. Beim Versuch, eine problematische Situation zu bewältigen, und dabei die Kontexte nicht in die Beratung miteinzubeziehen, können oft nur Symptome oder Teile des Problems gelöst werden. In der Beratungsliteratur wird die soziale Konstellation häufig mit dem Wort ‚Setting’ umschrieben. Sickendiek weist darauf hin, dass unter ‚Setting’ nebst den einzubeziehenden Personen auch die zeitlichen, institutionellen, räumlichen und rechtlichen Dimensionen zu verstehen sind: (vgl. Sickendiek 2002: 93f). 2.6.1 Ort der Beratung Mutzeck unterscheidet bezüglich dem Ort der Beratung zwischen vertrauter und fremder Umgebung. Viele Argumente sprechen dafür, einen Ort zu wählen, der für die ratsuchende Person vertraut ist. Wichtig ist, dass sich die ratsuchende Person wohl fühlt und es ihr somit leichter fällt, von Problemen oder auch von Herausforderungen zu berichten. In diesem Zusammenhang werden auch die Begriffe gemeindenahe und gemeindeferne Beratung gebraucht. Das Ziel einer gemeindenahen Beratung ist die Überwindung der natürlichen Barrieren im Sinne von Hemmschwellen um eine Offenheit zu erreichen, die es ermöglicht, die wirklichen Hindernisse anzugehen: (vgl. Mutzeck 1997: 20). Fazit Der Beratungsort muss demnach den Jugendlichen vertraut sein, damit sie unbefangen über ihre Situation sprechen können. Jedoch ist es erfahrungsgemäss von Vorteil, wenn der Beratungsort einen offiziellen Charakter hat, vorausgesetzt die Jugendlichen verbinden diesen Ort nicht mit negativen Erfahrungen. In der Jugendarbeit könnte ein solcher Ort das Büro der Jugendarbeitenden sein. 2.6.2 Mittelbare/ Unmittelbare Beratung Seite 16 Unmittelbare Beratung meint, dass die Kommunikation zwischen der ratsuchenden Person und der beratenden Person direkt und nicht über ein dazwischengeschaltetes Medium verläuft. Das bedingt die Anwesenheit beider Personen im gleichen Raum und den unmittelbaren Sichtkontakt. Die mittelbare Beratung geschieht über ein Medium. Die Beratung kann über das Telefon, Internet, Briefwechsel u.a. stattfinden. Dabei ist sicherlich der Grad der Niederschwelligkeit erhöht, da sich die ratsuchende Person von Zuhause aus beraten lassen kann und kein direkter Blickkontakt aufgenommen werden muss. Zusätzlich hat die ratsuchende Person es in der Hand, sofort aus der Beratung auszusteigen und kann Anonymität beanspruchen. Die mittelbare Beratung kann auch bei einer Nachbetreuung einer unmittelbaren Beratung erfolgen. Diese Beratungsform hat gegenüber der mittelbaren Beratung den Vorteil, den Aufwand zu minimieren: (vgl. Mutzeck 1997: 19). Fazit In der heutigen Zeit ist es gerade in der Jugendberatung unumgänglich neue Medien zu gebrauchen. Short message service (SMS), Telefon und Internet sind Medien, welche den Jugendlichen zur Verfügung stehen und die ihnen vertraut sind. Bereits gibt es viele Beratungsangebote für Jugendliche, welche mittelbar erfolgen. Im Sinne einer Beratung, die auch Begleitung nicht ausschliesst und in der über einen längeren Zeitraum auf einer Vertrauensbasis zusammengearbeitet wird, erscheint die unmittelbare Beratungsform angebrachter. Sie schliesst jedoch eine mittelbare Beratungsform im ergänzenden Sinn nicht aus. 2.6.3 Vertikale/ Horizontale Beratung Vertikal oder horizontal steht für die Struktur des Vorgehens. Dahinter verbergen sich nicht nur Verhaltensweisen, sondern die Betrachtung des Menschen an sich. Vertikale Beratung (direktiv, asymetrisch) steht für eine hierarchische Beziehung. Es gibt ein Oben und ein Unten. Oben ist definiert durch das Fachwissen, die Beratungs- und Fachkompetenz der beratenden Person. Unten meint die Ratlosigkeit, Unterlegenheit und die Hilfsbedürftigkeit der ratsuchenden Person. Die Beratung stellt direkte Fragen, informiert, erklärt, interpretiert und breitet Vorschläge und Handlungsanweisungen aus. Dabei verhält sich die ratsuchende Person reaktiv und passiv. Die horizontale Beratung (nicht-direktiv, symmetrisch, kooperativ) versucht die Aktivität der ratsuchenden Person herzustellen und zu stützen. Dabei wird der ratsuchenden Person Kompetenz und Kraft zugeschrieben, die es ihr ermöglichen, das Problem zu einem grossen Teil selber zu lösen. Die Beratungsbeziehung ist ausgeglichen. Beide Parteien verfügen über andere, aber gleichwertige Kompetenzen, die zusammengefügt ermöglichen, eine Problemlösung gemeinsam zu erarbeiten. Dabei ist es an der beratenden Person, die Beratung auf einer Methode aufzubauen. Zur horizontalen Seite 17 Beratung gehört auch die Fähigkeit, eigene Grenzen der Beratungstätigkeit zu erkennen und nötige Triageverbindungen einzuleiten: (vgl. Mutzeck 1997: 26f). Fazit Das Beratungsangebot entspricht klar der horizontalen Beratung. Ein Coach verfügt über keinerlei hierarchische Überlegenheiten, sondern versucht die zu begleitende Person zu motivieren und zu begleiten. Ebenso verhält es sich mit der freiwilligen Beratung, insbesondere bei Jugendlichen im Alter der Adoleszenz, weil diese auf Autoritätsstrukturen empfindlich reagieren (siehe Kapitel 2.8). Durch die Anwendung des Coaching- und Beratungsangebotes zur Bewältigung von Herausforderungen der Jugendlichen selbst, nehmen die Jugendlichen eine zentrale und aktive Rolle ein. 2.6.4 Einzelberatung/ Gruppenberatung Die Einzelberatung ist die kleinste denkbare Beratungskonstellation. Dabei entsteht eine dyadische Kommunikation, also eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen. Die Einzelberatung ist seit jeher ein zentraler Bestandteil von Beratungsprozessen. Im Mittelpunkt der Einzelberatung steht die individuelle Betrachtungsweise der Problemkonstellation. Es geht dabei um die subjektive Wahrnehmung der ratsuchenden Person. Die beratende Person versucht dabei, das Geschilderte nachzuvollziehen und Zusammenhänge zu erkennen. Andere Personen werden indirekt miteinbezogen, da in fast allen Problemkonstellationen andere Personen mitspielen: (vgl. Sickendiek 2002: 95). „Der Klient bringt in seinem Kopf oder in seinem Herzen eine Reihe anderer Menschen mit, die an ihm und an seinem Anliegen interessiert oder von der Problematik, von zukünftigen Veränderungen mitbetroffen sind.“ (Bürgi 2004: 47). Die zu beratende Person, gerade Jugendliche die noch im Elternhaus leben, hat bereits viele geäusserte Ratschläge im Kopf, die sich oft auch mit den eigenen Gedanken vermischen. Dabei kann die beratende Person durch seine Distanz dem zu Beratenden aufzeigen, welche Gedanken seine eigenen sind und welche er z.T. unreflektiert übernommen hat: (vgl. Bürgi 2004: 48). Der reale Einbezug von weiteren Personen ist jedoch bei der Einzelberatung ausgeschlossen. Es sei denn, dass die zu beratende Person einer Erweiterung ausdrücklich zustimmt. Diese strikte Regelung verschafft der Einzelberatung eine Vertrauensbasis, die durch ein Missachten der Regelung schwer verletzt würde: (vgl. Mutzeck 1997: 22). Gleichzeitig trägt die beratende Person die Verantwortung, die jeweils relevanten Problemkontexte zu thematisieren, um einer reduzierten und oberflächigen Beratung vorzubeugen: (vgl. Sickendieck 2002: 96f). In der Einzelberatung müssen Probleme nicht zwangsläufig individualisiert und auf eigenes Versagen oder eigene Inkompetenz zurückgeführt werden. Bei einer Problemindividualisierung werden weitere Kontexte und Rahmenbedingungen ausgeblendet, was die beraterische Perspektive aber auf die individuelle Problemlage der ratsuchenden Seite 18 Person konzentrieren lässt. Somit kann Einzelberatung zwar nur eine individuelle und verkürzte Problem- und Handlungsperspektive nutzen, dafür jedoch sensibel die individuelle Problemlage reflektieren. Gerade in einer Zeit der Pluralisierung kann ein individueller Kontext ein grosser Gewinn sein. Die Einzelberatung trägt daher ihren Hauptnutzen in der intensiven Form der Problembearbeitung und den individuellen Wegen der Problembewältigung. Der geschützte Rahmen ermöglicht es der ratsuchenden Person eher, Persönliches offen auszusprechen. Dies bedingt jedoch gleichzeitig ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen der ratsuchenden und der beratenden Person. In diesem Vertrauensverhältnis liegt jedoch zugleich ein gewisses Risiko der emotionalen Bindung, die besonders den Prozess der Ablösung erschweren kann. Daher fordert die Einzelberatung eine hohe Beziehungskompetenz der beratenden Person: (vgl. Sickendiek 2002: 96ff). Die Einzelberatung dient den Jugendarbeitenden in der alltäglichen Arbeit als pädagogisches Handeln, wobei dies oft ohne Auseinandersetzung mit der Frage passiert, ob das Einzelgespräch dem optimalen Kontext entspricht. Unterschieden wird jedoch zwischen informellen Gesprächen im vorbeigehen und beratenden Gesprächen, die offiziell stattfinden. Dabei ist der Wert von informellen Kurzberatungen keineswegs zu unterschätzen, bilden solche Gespräche schliesslich die Basis von pädagogischem und erzieherischem Handeln. Häufig werden Jugendliche von Jugendarbeitenden für Einzelberatungsgespräche „ins Büro“ gebeten. Diese Einzelberatungen bedeuten für die Jugendlichen das zeitweise Herauslösen aus den vertrauten Gruppenbeziehungen, die unausweichliche Auseinandersetzung mit Problemen und eine Kommunikation durch Reden, in der die Jugendlichen den Jugendarbeitenden oft unterlegen sind: (vgl. Klawe 2000: 159ff). In der Gruppenberatung wird versucht, die Gruppe als Ganzes zu fördern mit dem Ziel, dass Einzelthematiken durch die Interaktion untereinander bewältigt werden können. Dies bedingt eine optimistische Haltung, die davon ausgeht, dass Ratsuchende untereinander Hilfsberatungsfunktionen übernehmen können. Gleichzeitig wird an die Ratsuchenden ein hoher Anspruch gestellt, aber auch eine Möglichkeit gegeben, Problemstellungen erst einmal selber anzugehen. In der Einzelberatung ist es viel eher möglich, sich an die beratende Person anzulehnen und abzustützen. Nicht geübte beratende Fachpersonen fühlen sich durch die Hilfsberatungsfunktion der Ratsuchenden in ihrer Beratungsfähigkeit rivalisiert. Diese Befürchtung ist durch Supervision aufzulösen: (vgl. Mutzeck 1997: 23f). Fazit Das Beratungsangebot orientiert sich grundsätzlich an der Einzelberatung. Im Zentrum steht die individuelle Förderung, was einer Gruppenberatung widerspricht. Dennoch liegt ein Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit mit angehörigen Personen und Systemen. Die Zusammenarbeit muss jedoch durch die ratsuchende Person ausdrücklich erwünscht Seite 19 sein, wobei der Fokus nach wie vor auf der ratsuchenden Person und nicht auf der Gruppe an sich liegt. 2.7 Zwei Beratungskonzepte Im folgenden Unterkapitel werden die Beratungskonzepte Soziale Beratung von Thiersch und Kooperative Beratung von Mutzeck dargestellt. Die beiden Konzepte ergänzen sich in dem Sinne optimal, dass die Ausführungen von Thiersch die Beratung in ihren Grundsätzen und in der sozialräumlichen Umgebung skizzieren, während Mutzeck sich ganz auf den Beratungsprozess zwischen beratender und ratsuchender Person konzentriert. Das Coaching- und Beratungsangebot profitiert von den Ausführungen bezüglich Beratung in der sozialräumlichen Umgebung, den Postulaten einer professionellen und sozialen Beratung und einem detaillierten Beratungsprozess bestehend aus verschiedenen Teilschritten. 2.7.1 Soziale Beratung nach Thiersch Voraussetzung für Beratung ist das Wissen um die Lebensverhältnisse, Lebenseinschränkungen und Lebensmöglichkeiten der ratsuchenden Person. Weiter gilt es herauszufinden, wie sich die Person selber sieht und welche Erkenntnisse dazu aus der Soziologie, der Pädagogik und der Psychologie gemacht wurden. Es gilt zu versuchen, nicht vorschnell in gesellschaftlich übliche Beratungs- und Hilfeformen zu verfallen, sondern das Problem möglichst breit anzugehen um nicht von vornherein Einschränkungen vorzunehmen. Der nächste Schritt der Zusammenführung von Wahrnehmung und Machbarkeit ist nötig, vorerst aber gänzlich auszublenden. Ziel der Sozialen Beratung ist, in Lebensschwierigkeiten Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Aus dieser Zielsetzung ergeben sich drei Postulate: - „Ungleichheiten, Unterprivilegierung, Randständigkeit – einhergehend mit fehlender Kenntnis, fehlender Selbstverständlichkeit und fehlendem Mut, Hilfen in Anspruch zu nehmen, verlangen besondere kompensierend gegenläufige Strategien der Beratung, auch um sich bekannt, zugänglich, vertraut, vertrauenserweckend zu machen.“ (Thiersch 2003:132). - „Die Offenheit der Situation verlangt einen gemeinsamen Prozess des Aushandelns dessen, was als Lebensschwierigkeit verstanden und welche Form der Hilfe akzeptabel ist.“ (Thiersch 2003:132). - „Dieser Prozess (der Beratung, Anmerkung des Verfassers) ist bestimmt durch die Vermittlung zwischen dem Respekt vor den Eigensinnigkeiten des Alltags und der kritischen Kompensation seiner Schwächen durch die Möglichkeit eines professionell Seite 20 ausgewiesenen Tuns, also durch die besonderen Ressourcen von Zeit, Erfahrung, Methode und anwaltschaftlicher Solidarität.“ (Thiersch 2003:133). Soziale Beratung ist die Balance zwischen der gefährlichen Haltung der Allmacht und globalen Überlegenheit, sowie der Frustration aufgrund der schwindend kleinen Einwirkungsmöglichkeit in gesellschaftliche Missstände. Dazu notwendig und hilfegebend sind spezifische Strukturen. Eine solche Struktur ist die Kommunikation. Soziale Beratung ist Kommunikation und nicht Hilfe im Alltag wie beispielsweise Case-Management oder CareManagement. In der Praxis verbindet sich Beratung mit solchen Unterstützungen immer wieder. Dies beinhaltet in der Vermischung eine grosse Gefahr der Entstrukturierung Sozialer Beratung. Bereits die Tatsache, dass Beratung Kommunikation ist, beinhaltet in sich eine Gefahr. Kommunikation kann zum Zerreden von Problemen und Problemlösungen eingesetzt werden. Dieses Verreden kann dazu missbraucht werden, Handlungen und Entscheidungen zu umgehen. Dies kann sowohl von beratender, wie auch von ratsuchender Person ausgehen. Wichtig bezüglich der Bedeutung von Kommunikation ist das Verständnis, dass schichtenspezifische Unterschiede auszumachen sind und daher die Kommunikation auch der ratsuchenden Person in der Art angepasst werden muss. „Soziale Beratung ist Kommunikation auf der Basis von Vertrauen.“ (Thiersch 2003:134). Von daher ist Beratung nur effektiv, wenn die ratsuchende Person eine gefundene Problemlösung als den eigenen Weg erkennen und verfolgen kann. Dem zugrundeliegend ist ebenfalls das Prinzip der Freiwilligkeit. Wobei diese Freiwilligkeit oft äusserlich bleibt, denn die meisten Ratsuchenden werden von Angehörigen oder anderen Stellen zur Beratung gedrängt. Daher ist die Freiwilligkeit nur ein Teil der Grundlage einer Vertrauensbeziehung. Ein anderer weiterer vertrauensbildender Schritt kann in der Akzeptanz und Wertschätzung geschehen, welche die beratende Person der ratsuchenden entgegenbringt. Die Kommunikation der Sozialen Beratung ist in die Phase des Wahrnehmens und Erkennens, des Planens und Entwerfens und der Hilfe bei der Realisierung eingeteilt. Diese Phasen sind Grundlage aller neueren Methoden und Entwicklungen. Wichtig bei der Fülle dieser Ausführungen ist, dass diese methodischen Möglichkeiten immer als Mittel verstanden und praktiziert werden, um Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Eine Gefahr besteht hier in der Erwartung der ratsuchenden an die beratende Person. Durch eine methodisch geleitete Beratungsstruktur wird diese Erwartung verstärkt, respektive wird versucht, die Fülle von Lebenserfahrungen der ratsuchenen Person in die Strukturen des Beratungskonzeptes einzufügen und somit einzuengen. In einem ersten Zugang sollte die Beratung den Leitsatz verfolgen, die Schilderungen der ratsuchenden Person zunächst einmal interessant zu finden und stehen zu lassen: (vgl. Thiersch 2003: 131ff). Seite 21 Soziale Beratung und Institution Zunächst gilt es zu prüfen, inwiefern Soziale Beratung in andere Aufgaben eingebettet ist. Gerade in der heutigen Zeit der schwindenden Ressourcen Sozialer Arbeit ist vorgängig zu klären, inwiefern Beratung dem Institutionsauftrag, den sichergestellten Ressourcen und den angrenzenden Dienstleistungen gerecht werden kann und muss. Es gilt die Aufgaben so zu strukturieren, dass der Sozialen Beratung genügend Rechnung getragen werden kann. In dem Sinne ist es innerhalb einer Institution möglich, Akzente und Schwerpunkte zu setzen. Gleichwohl ist neben den institutionellen Aspekten auch eine weitere Sichtweise zu beachten. Innerhalb einer sinnvollen geografischen Lage sind Beratungsangebote aufeinander abzustimmen. Kooperation und Vernetzung sind unter sozialen Institutionen insgesamt wichtig, Nebeneinander aber auch verschiedener bezüglich sozialer Beratungsinstitutionen Beratungen. Zurzeit Bewegungen, die laufen im versuchen, spezifische Zielrichtungen zu setzen. Im Blick der Lebensweltorientierung erscheint diese Entwicklung jedoch dysfunktional und müsste entgegengesetzt verlaufen. So müssten allgemeine Beratungsstellen den Stellenwert eines organisierenden Zentrums haben. Dies ist mit der Medizin zu vergleichen, die auch allgemeine Zentren betreibt, die dann wenn nötig spezifisch weitervermitteln: (vgl. Thiersch 2003: 136ff). Fazit Das Coaching- und Beratungsangebot stellt in seinen Grundsätzen ein allgemeines Beratungsangebot dar, welches seine Berechtigung in der Zugangsmöglichkeit für Jugendliche und der bestehenden, geografisch bedingten Beziehungsebene zwischen Jugendarbeitenden und Jugendlichen findet. Wie Thiersch ausführt ist auf eine vernetzte und ergänzende Zusammenarbeit mit anderen Beratungsinstitutionen zu achten. Die thematische Zielsetzung des Coaching- und Beratungsangebotes ist in den Modulen definiert. Somit gilt es die Aspekte der Vernetzung und Ergänzung innerhalb jedes Moduls zu prüfen. 2.7.1.1 Kritische Würdigung Thiersch verlangt beim Betrachten eines Problems einen Weitblick, der nicht von vornherein bestimmte Aspekte ausschliesst. Auch die Lösungsfindung bedarf Kreativität, was der ratsuchenden Person nicht nur Wertschätzung entgegenbringt, sondern effektiv dazu verhelfen kann, einen individuellen und somit einen effizienten und angepassten Lösungsweg zu finden. Dem entspricht auch seine Forderung nach allgemeinen Beratungsstellen, welche als Anlaufstelle dienen und wenn nötig an spezifische Stellen weitervermitteln aber in erster Linie als uneingeschränktes Beratungsangebot stehen. In der Forderung nach allgemeinen Beratungsstellen kann in der klaren Abgrenzung von Beratung und praktischer Unterstützung ein Wiederspruch erkannt werden. Die Abgrenzung erzeugt einen eingeschränkten Handlungsspielraum, was eine möglichst breite Betrachtung von Seite 22 Problemen verhindert, respektive einer allzu häufigen Weitervermittlung bedarf. In der Entspezifizierung von Beratungsinstitutionen verbirgt sich auch die Auflösung oder zumindest die Verwässerung von spezifischen Zielsetzungen. Dies ist beispielsweise in der Aufgabenteilung des Sozialen Dienstes und der Jugendarbeit als ein Qualitätsverlust auszumachen. Würde aus diesen beiden eine Beratungsstelle, würden sich die Kompetenzen mit der Niederschwelligkeit konkurrenzieren. Von hoher Bedeutung scheint mir der Anspruch als Institution ein Beratungsangebot anzubieten, dieses mit den gängigen Zielsetzungen zu prüfen und den regionalen Überblick zu haben, um andere Beratungsstellen nicht zu konkurrenzieren, sondern zu ergänzen. Die Wertschätzung, welche Thiersch von Beratenden gegenüber den ratsuchenden Personen verlangt, ermöglicht den Anspruch an Freiwilligkeit und Vertrauen. Diese beiden Faktoren wiederum ermöglichen eine nachhaltige Problemlösung. Reinhard Fatke kritisiert an der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit, die der Sozialen Beratung zugrunde liegt, die Verwässerung des Auftrages. Dadurch würde eine Allzuständigkeit gefordert, die keine Abgrenzung mehr ermöglicht, sondern Soziale Arbeit zu einem Dienstleistungsunternehmen umfunktioniert. Diese Befürchtung scheint jedoch in Betracht eines grundsätzliches Beratungsangebotes, welches durch spezifische Zielsetzungen und spezifischen Beratungsmodule konkretisiert werden kann, nicht begründet. 2.7.2 Kooperative Beratung nach Mutzeck Der Kooperativen Beratung liegt ein Menschenbild zugrunde, welches jedem Menschen, so auch einer ratsuchenden Person, die potentiellen Fähigkeiten der Reflexion, der Kognition, der Emotion und der Handlungsfähigkeit zuschreibt. Dabei besteht kein Unterschied zwischen den potentiellen Fähigkeiten der ratsuchenden und der ratgebenden Person. Das potentiell symmetrische Verhältnis kann jedoch nur dann Realität werden, wenn gegenseitig Achtung und Respekt geübt wird. Die beratende Person nimmt dabei durch ein erweitertes Hintergrundwissen eine Modellfunktion ein. Beide Personen sind Experten, die Beratende für die Beratung an sich, die Ratsuchende für seine Alltagspraxis. Hierbei ergibt sich ein symmetrisches Verhältnis durch den gegenseitigen Austausch. Ein solcher Dialog baut Ängste, Bevormundung, Widerstand und Abhängigkeit ab und unterstützt die Autonomie des Einzelnen. „Das Beratungsobjekt wird als gleichwertiges Subjekt gesehen, und in dieser Weise wird mit ihm und nicht an ihm gearbeitet.“ (Mutzeck 1997:56). So können die jeweiligen Ressourcen optimal genutzt und eine Problemlösung bestmöglichst angestrebt werden. Ziel der geleisteten Hilfe ist, dass sich die ratsuchende Person selbst helfen kann, ohne ständig auf professionelle Hilfe angewiesen zu sein. Um Veränderung bewirken zu können, ist jedoch nicht nur der äussere Mensch mit seiner subjektiven Wahrnehmung wichtig, sondern auch der innere Mensch mit seinen Gedanken und Gefühlen. Er beinhaltet Seite 23 die Wahrnehmungsweisen, Ursachenzuschreibungen, Sinngebungen, emotionale Befindlichkeiten, Entscheidungskriterien, Ziel- und Wertvorstellungen, Planungsaspekte u.a. Das angewandte Menschenbild spricht jedem Menschen die Fähigkeit der Reflexion zu. Somit wird davon ausgegangen, dass die ratsuchende Person direkt oder indirekt Auskunft über ihre Selbst- und Weltsicht geben kann. Aufgabe der beratenden Person ist es, für die Rekonstruktions- und Verbalisierungsprozesse alle fördernden und stützenden Bedingungen zu stärken oder zu schaffen. Die Fähigkeit der Selbstreflexion wird dabei auf den Bereich des Bewusstseins d.h. auf alles absichtliche, überlegte und geplante Handeln eingeschränkt. Da die Welt- und Selbstsicht einer ratsuchenden Person meist nicht sehr differenziert ist, hat die beratende Person den Auftrag, Auskunftserleichterungen, Anregungen und Öffnungshilfen zu geben. Zudem muss sie über die Fähigkeit verfügen, sich in den Bedeutungszusammenhang der Schilderungen der ratsuchenden Person zu versetzen und den Sinn dieser zu erkennen und einzuordnen. Um sicher zu gehen, dass die Mitteilung richtig verstanden wurde, wird sie von der beratenden Person wiederholt, worauf die ratsuchende Person Korrekturen anbringen kann. Eine weitere Notwendigkeit, um einen Beratungsprozess erfolgreich bestreiten zu können, ist ein Vertrauensverhältnis zwischen ratsuchender und beratender Person. Dies ist ein wechselseitiger Prozess, dessen Basiselemente Offenheit, Sicherheit und ein angenehmes Nähe-Distanz-Verhältnis sind. Fördernde Elemente sind Schweigepflicht, Aufgaben und Rollenverteilung austauschen, Erwartungen mitteilen und räumliche sowie zeitliche Sicherheiten. Der Vertrauensprozess kann in drei Phasen eingeteilt werden, die auch parallel zueinander verlaufen können. In der ersten Phase geht es darum, eine vertrauensfördernde Kommunikation herzustellen, in der zweiten Phase um das Vorbeugen und Abbauen von vertrauenshemmenden Bedingungen und in der dritten Phase um die Sicherung einer vertrauensvollen Kommunikation: (vgl. Mutzeck 1997: 55ff). 2.7.2.1 Beratungsprozess der Kooperativen Beratung Personenzentrierte Gesprächsführung Mutzeck benennt sechs Beratungsaktivitäten, die als Stützung der Zielerreichung auf emotionaler, kognitiver und auf der Handlungsebene dienen. Die erste Beratungsaktivität ist die direkte Anrede. Die beratende Person spricht die ratsuchende Person direkt und persönlich an. Verallgemeinerungen wie „wir“ oder „man“ sollten vermieden werden. Die zweite Beratungsaktivität soll Anteilnahme vermitteln. Die Grundlage eines Beratungsgespräches ist das ‚sich Zeit nehmen’ und der ratsuchenden Person aktiv zuzuhören. Aktiv zuhören zeigt sich durch gezieltes Fragen oder Nachfragen, sowie Körperzeichen wie Nicken. Aktiv zuhören meint nicht, die eigene Meinung oder eigene Seite 24 Erfahrungen möglichst rasch einzubringen und somit die erzählende Person in die Rolle der zuhörenden Person zu drängen. Anteilnahme meint zudem, die persönlich bedeutsamen Inhalte der erzählenden Person zu respektieren und nicht sogleich zu werten. Die dritte Beratungsaktivität sieht vor, dass die beratende Person versucht, die geäusserten Gefühle der ratsuchenden Person verständlich wiederzugeben. Mit dem Aufgreifen dieser Gefühle lernt die ratsuchende Person sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen. Die Gefühlsebene ist insofern relevant, als dass sie einerseits eine Ventilfunktion für Erlebtes und andererseits auch eine richtungsweisende und auch motivierende, stärkende Funktion für zukünftige Prozesse einnimmt. Die vierte Beratungsaktivität spricht die Gedanken an. Zwar sind Gefühle und Gedanken meist einheitlich, und doch können Fragen zu momentanen Gedanken der ratsuchenden Person helfen, diese zu verbalisieren und somit zu ordnen. Die fünfte Beratungsaktivität will zum Konkretisieren veranlassen. In einem Beratungsgespräch ist es nie möglich, eine objektive Wahrheit zu finden, sondern nur, die ratsuchende Person zu unterstützen, ihre Sicht der Situation zu klären und die für sie gültigen Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dieser Prozess kann wiederum durch gezielte Fragestellungen zur Situation und den inneren Abläufen unterstützt werden. Es geht dabei um eine Strukturierung der Situation bei der ratsuchenden Person. Ziel der beratenden Person ist es, die ratsuchende Person dazu zu führen, ihre Äusserungen möglichst zu konkretisieren. Durch das Konkretisieren muss sich die ratsuchende Person vertieft mit der Situation und den inneren Abläufen auseinandersetzen und Verzerrungen, Vermischungen oder Verwirrungen können durch eine konkrete Auseinandersetzung strukturiert werden. Die sechste Beratungsaktivität will Fehler innerhalb der Gesprächsführung vermeiden. Ratsuchende Personen sollten darauf hingewiesen werden, keine Kausalzusammenhänge zu gebrauchen, die eine Problemursache definieren. Problemursachen sind nur dann für ein Beratungsgespräch relevant, wenn sie genau definier- und beschreibbar sind und im Sinne einer Problemlösung verändert werden können. Ratsuchende Personen sollten davon abgehalten werden, möglichst rasch Lösungsversuche definieren zu wollen. Lösungsversuche sind erst dann angebracht, wenn über die Problemsituation relative Klarheit herrscht. Weiter sollten Bewertungen und Moralisierungen vermieden werden. Darunter fallen bagatellisieren, kategorisieren, belehren, bewerten und moralisieren. Solche Äusserungen können das Vertrauensverhältnis erheblich stören. Um solche Fehler in einer Gesprächsführung vermeiden zu können, ist es möglich, sie als Gesprächsregeln zu definieren und zu Beginn dem Gesprächsteilnehmer mitzuteilen. So können die Regeln auch während des Gesprächs jederzeit erwähnt werden, ohne bei der ratsuchenden Person das Gefühl der Bevormundung auszulösen: (vgl. Mutzeck 1997: 70ff). Seite 25 Struktur im Beratungsprozess Problemlösestrategien sind meistens in drei Schritte eingeteilt. Im „Ist-Zustand“ geht es um den Beschrieb der gegenwärtigen Situation, die es zu verändern gilt. Im „Soll-Zustand“ wird die Situation entworfen, die es zu erreichen gilt. Und im „Lösungsweg“ werden die Handlungen definiert, die vom „Ist-Zustand“ in den „Soll-Zustand“ führen sollen. Mutzeck hat dieses Grobgerüst verfeinert und ein subjektbezogenes und transferorientiertes Problemlösekonzept entworfen (siehe Abb. b). Abb. b) Beratungsschritt: Einführung Ziel des ersten Beratungschrittes ist es, die Voraussetzungen für eine effektive Beratungsarbeit zu schaffen. Dazu gehören die Klärung vom Setting der Beratung. Die beratende Person informiert über die Möglichkeiten und Grenzen von Beratung und vereinbart mit der ratsuchenden Person gemeinsame Regeln wie Schweigepflicht etc. Dieser erste Schritt soll helfen, Missverständnisse, die auf unterschiedlichen Erwartungen gründen, vorbeugend aus der Welt zu schaffen. Seite 26 „Ist-Zustand“ _ Beratungsschritt: Beschreibung des Problems Die ratsuchende Person schildert ihre Sicht des Problems. Die beratende Person hilft durch gezielte Fragen zu präzisieren und strukturieren. Ziel ist es, das äussere und innere Geschehen eines Problems zu beschreiben, den Sinn- und Bedeutungsaspekt des Handelns herauszuarbeiten und einen Klärungsprozess einzuleiten. Die beratende Person hat am Ende dieses Schrittes die Sicht und Wirklichkeit des Geschehens der ratsuchenden Person verstanden und erfasst. „Ist-Zustand“ _ Beratungsschritt: Perspektivenwechsel Die ratsuchende Person versucht sich in andere beteiligte Personen hineinzuversetzen und deren Erfahrung der Situation zu erfassen. Diese Gedankenakrobatik ist durch die beratende Person zu unterstützen. Ziel dieses Schrittes ist es, den Erfahrungshorizont einer Situation zu erweitern und neue und andere Sichtweisen zu erfahren und zu verstehen. „Ist-Zustand“ _ Beratungsschritt: Analyse des Problems Durch die angeleitete Ordnungsschaffung der Problemsituation durch die beratende Person und die genaue Erkundung von Ursachen hinter üblichen Redewendungen kann die Problemsituation analysiert werden. Oft ergeben sich dann verschiedene Problemfelder oder wichtigere, prioritäre Problemfaktoren. Ziel ist es, die vordringlichste und hauptsächlichste Unzufriedenheit und den Gegenstand einer Veränderung zu bestimmen. „Soll-Zustand“ _ Beratungsschritt: Zielsetzung Die beratende Person verhilft der ratsuchenden ein mögliches Zukunftsbild zu entwerfen. Dieses Zukunftsbild entspricht dem Soll-Zustand. Dieser Zustand ist möglichst präzise zu umschreiben und es ist eine Bedingung, dass die ratsuchende Person für die Mitwirkung bereit ist. Diese Zielsetzung kann in verschiedene Unterziele unterteilt werden, welche wiederum in kurz-, mittel- oder langfristige Zielsetzungen gegliedert werden können. „Lösungsweg“ _ Beratungsschritt: Lösungsfindung In diesem Beratungsschritt ist es wichtig, Vielseitigkeit und Kreativität einzusetzen. In einem ersten Schritt können Lösungswege ohne weitere Strukturvorgaben erdacht werden. In einem zweiten Schritt ist ein struktureller Rahmen zu schaffen, an dem dann die erdachten Lösungswege geprüft werden können. Solche Strukturen sind jedoch auf explizit mögliche Faktoren zu beschränken und in ihrer Vielzahl einzuschränken. Seite 27 „Lösungsweg“ _ Beratungsschritt: Entscheid für eine der Handlungsmöglichkeiten Die erarbeiteten Handlungswege werden nun nach persönlich bedeutsamen Kriterien bewertet. Ineinandergehende Handlungsschritte können miteinander verbunden werden. Ziel ist es, eine selbständige und eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. „Lösungsweg“ _ Beratungsschritt: Planung und Umsetzung der Handlungsschritte Die Lösungsmöglichkeiten sind nun in konkrete Handlungsschritte umzuwandeln. Diese sollten möglichst eindeutig und konkret formuliert und klar überprüfbar sein. Die Prüfkriterien sind für jeden Handlungsschritt auszuformulieren. Die Handlungsschritte sind klein und überschaubar und verhelfen dadurch der ratsuchenden Person zu kleinen und raschen Erfolgserlebnissen. Gemeinsam werden Risikofaktoren benannt, welche die Umsetzung der gesetzten Handlungsschritte verhindern oder erschweren könnten. Beratungsschritt: Begleitung und Nachbereitung Je nach erarbeiteten Handlungsschritten ist es angebracht, sich wiederum zu treffen, um die ratsuchende Person begleitend zu unterstützen. Dem Setting einer solchen Begleitung und Nachbereitung sind keine Grenzen gesetzt. Sollten in diesem Prozess Lücken in einem vorangegangen Bereich entdeckt werden, kann sich der Beratungsprozess wiederum auf einen beliebigen vorgängigen Schritt verschieben. Eine präzise Auswertung dient schliesslich auch der beratenden Person dazu, die eigene Beratungskompetenz zu erweitern: (vgl. Mutzeck 1997: 84ff). 2.7.2.2 Kritische Würdigung Dem Beratungskonzept der Kooperativen Beratung unterliegt ein Menschenbild, das dem dieser Arbeit weitgehend entspricht (siehe 2.4.1). Mutzeck misst der Kommunikation zwischen ratsuchender und beratender Person einen hohen Stellenwert zu; zum einen als Vermittler der gegenseitigen Achtung, zum anderen als Vermittlung von informativen Daten. Die gegenseitigen Erwartungen und Meinungen gilt es beidseitig klar zu stellen und Ungenauigkeiten oder Missverständnisse auszuräumen. Mutzeck betont ein Vertrauensverhältnis, das es nicht zu stören gilt und welches Bedingung für eine konstruktive Beratungsarbeit darstellt. Im Rahmen eines Angebotes für Jugendliche mit einem minimalen Anspruch an einen Bildungs- und Erziehungsauftrag kann diese Forderung nach „Harmonie“ zu Konflikten führen. In der Arbeit mit Jugendlichen sind erzieherische und pädagogische Aspekte nie ganz auszuschliessen. Mutzeck betont jedoch, dass die Wahrnehmungen der ratsuchenden Person die geltende Wahrheit darstellt. Er legt weiter Wert auf einen genauen Aufbau des Beratungsprozesses, weil dieser für den ganzen weiteren Verlauf des Beratungsprozesses von grosser Bedeutung ist. Die wichtigsten Aspekte sind dabei die Seite 28 Klärung der Erwartungen und Möglichkeiten wie auch die Konkretisierung und Strukturierung der Ausgangslage durch die ratsuchende Person selbst. Mutzeck entwarf eine Struktur für den Beratungsprozess, welche subjekt- und transferorientiert gestaltet ist. Diese ist in neun Beratungsschritte eingeteilt, die aufbauend verlaufen und in ihrer Absicht klar verständlich und nachvollziehbar sind. Da es sich dabei um ein reines Beratungskonzept handelt, bildet die Verwendung des Konzeptes für ein Coaching- und Beratungsangebot einen Widerspruch in der Voraussetzung eines Problems. Coaching kann eingesetzt werden um ein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel muss jedoch nicht zwingend aus einem Problem resultieren sondern kann auch durch die Gesellschaft (Berufswahl, Lehrstellensuche) oder persönlichem Interesse (Freizeitprojekte) entstehen. Diese Spannung ist jedoch nicht auf das Konzept von Mutzeck zurückzuführen sondern auf die grundsätzliche Ausrichtung von Beratung (siehe 2.2). 2.7.3 Resultierende Postulate für das Coaching und Beratungsangebot Abgeleitet aus der Sozialen Beratung nach Thiersch und der Kooperativen Beratung nach Mutzeck ergeben sich für das Coaching- und Beratungsangebot folgende Postulate: - Der Zugang zum Angebot ist möglichst niederschwellig zu gestalten. Das Angebot soll für alle Jugendliche zugänglich sein. Ungleichheiten, Unterprivilegierung, Randständigkeit, Kenntnis- und Mutlosigkeit Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollen eine Teilnahme nicht verhindern. - Die Basis der Beratung ist das Vertrauen zwischen beratender und ratsuchender Person. Dies erfordert die Postulate der Freiwilligkeit, der gegenseitigen Achtung und des Respekts. - Absicht des Angebotes ist die Befähigung der ratsuchenden Person eine Zielsetzung selbständig zu erreichen. Das Angebot will keine Abhängigkeit, sondern Selbstkompetenz erreichen. - Es gilt im Coaching- und Beratungsprozess für die beratende Person, zwischen der Eigenart der ratsuchenden Person und der eigenen Fachkompetenz bestehend aus Zeitressourcen, Erfahrung und Methodenfertigkeit zu vermitteln. - Die Beratung hat zum Ziel, die Ausgangslage der ratsuchenden Person zu ordnen und strukturieren. Dies geschieht unter anderem durch gezieltes Nachfragen und Wiederholen der Aussagen. - Im Prozess der Lösungsfindung spielt zu Beginn die Machbarkeit keine Rolle. Kreativität soll zu individuellen und zielorientierten Lösungswegen anregen. - Die Lösungsfindung ist in partizipativer Mitarbeit der ratsuchenden Person zu entwickeln und auszuwählen. Die ratsuchende Person soll den Eindruck eines selbsterarbeiteten Lösungsweges erhalten. Seite 29 - Beratungsmethodik ist mit Vorsicht und Zurückhaltung anzuwenden. Die Methode ist Mittel zum Zweck und darf dadurch nicht zum Zentrum der Beratung verkommen. - Das Coaching- und Beratungsangebot strukturiert sich nach dem Beratungsprozess der Kooperativen Beratung nach Mutzeck. 2.8 Entwicklungspsychologische und jugendspezifische Aspekte der Beratung Zentral im Beratungsprozess ist das Verständnis für die Lebenslage der ratsuchenden Person. Da sich das Klientel im Alter zwischen 13 und 18 Jahren bewegen wird, lohnt sich für ein tieferes Verständnis ihrer Lebenslage eine kurze Betrachtung ihrer entwicklungspsychologischen Situation und der allgemeinen jugendspezifischen Aspekte der Beratung. Im Unterschied zur früheren Zeit ist die Menschheit einer immer grösser werdenden Informationsflut ausgesetzt, welche einen immer breiter werdenden Freiraum für eigene Meinungsbildung eröffnet und gleichzeitig aber auch Ängste, Zweifel und Unsicherheit zunehmen lässt. Die Wahlmöglichkeiten für Menschen in der Adoleszenz werden bezüglich Ausbildung, Sexualität, Freundeskreis, Zukunftspläne u.a. durch ihre Vielfalt oft zur Überforderung oder zumindest zu einer grossen Herausforderung. Die erwachsene Person selbst erlebte die eigene Zeit der Identitätsbildung in einem kleineren Möglichkeitsrahmen und verfügt mittlerweile über eine gebildete Identität, aus welcher neu herangetragene Informationen und Möglichkeiten beurteilt und dann angenommen oder abgelehnt werden können. Die Gesellschaft fordert heute von den Jugendlichen eine eigene und ausgeprägte Identität, welche es ihnen ermöglichen sollte, die Informationsflut und uneingeschränkte Wahlmöglichkeit zu bewältigen. Die Psychologie ist sich einig, dass eine Identitätskrise zum Erwachsenwerden resp. zur Entwicklung der Identität gehört. Diese Entwicklung geschieht durch Experimentieren mit Rollen und deren Auswirkungen. Viel Gelerntes aus der Kindheit wird in Frage gestellt, Ansichten und Meinungen der Eltern kritisch hinterfragt und Neues ausprobiert und erkundet. Diese Entwicklungsphase kann auch beinhalten, sich wiedersprechende Ansichten gleichzeitig zu vertreten und sehr rasch Meinungen und Ansichten zu ändern. Diese Phase der Identitätsbildung kann unterschiedlich lange dauern und findet ihren Abschluss in einem verbindlichen Entscheid von Identitätsstrukturen: (vgl. Mietzel 1995: 269ff). Ein jugendspezifischer Aspekt bezüglich Beratung ist sicherlich die vorschnelle Lösungsfindung und Befriedigung. Hierbei ist es Aufgabe der beratenden Person auf eine genaue Diagnose zu beharren und nicht vorschnell beizugeben. Ganz besonders ist bei Jugendlichen die Frage der Niederschwelligkeit zu beachten. Der Schritt zur Beratungsstelle und zum Bekenntnis der eigenen Schwäche erweist sich als sehr hemmend. Nicht einmal unter erhöhtem Leidensdruck suchen Jugendliche eine Beratung auf. In einer Umfrage in der Seite 30 Stadt Berlin gaben 90% aller befragten Jugendlichen an, am ehesten mit Problemen aus dem Themenbereich Bildung, Ausbildung und Beruf eine Beratung aufzusuchen. Eine solche Beratung kann oft den Zugang zu anderen Lebensbereichen öffnen. Jedoch kennen die Jugendlichen oft keine Beratungsangebote. Sie sind zudem der Meinung, ihre Sorgen könne niemand nachvollziehen, sie hätten gar keine Schwierigkeiten und sie hätten mit „Autoritäten“ bis jetzt nur negative Erfahrungen gemacht. In Berlin kommen rund zwei Drittel aller Jugendlichen über Mund zu Mund Propaganda zur Beratung. Die Jugendberatung geschieht über kurze Dauer oder in sehr grossen Abständen. Für die Jugendlichen von hohem Stellenwert ist das Vertrauen gegenüber der beratenden Person. Grundsätzlich ist man kritisch eingestellt, gibt der Person jedoch eine Chance, welche diese aber zur Zufriedenheit der Jugendlichen packen muss. Oft nähern sich die Jugendlichen mit Fragen, um die Person zu prüfen. Die Jugendlichen haben einen ausgeprägten Sinn für Gleichberechtigung und sie sind sehr anfällig darauf nicht ernstgenommen zu werden. Daher ist es für Jugendliche oft notwendig, dass diese den Lösungsprozess, mit der Unterstützung der beratenden Person, selbst erarbeiten. Oft neigen Jugendliche zur Unverbindlichkeit, denn sie haben keine Möglichkeit, Verbindlichkeit zu lernen. Trotzdem fühlen sie sich nicht ernstgenommen, wenn die beratende Person ihre Versprechen nicht einhält. Daher ist es für beratende Personen unausweichlich, ein hohes Mass an Verbindlichkeit vorzuleben. Nur so kann sie im Gegenzug von den Jugendlichen auch Verbindlichkeit erwarten. Jugendliche verfügen noch nicht über die gleiche Selbsteinschätzung wie Erwachsene, daher setzen sie sich z.T. Ziele, die sie nicht erreichen können. Die Scham über das eigene Versagen hindert die Jugendlichen an einer erneuten Kontaktaufnahme zur Beratung. Um dem entgegenzuwirken sind Misserfolge schon von Beginn an einzuplanen und den Jugendlichen auch so zu kommunizieren: (vgl. von der Haar 2003: 4ff). Die Probleme der Jugendlichen sind oft mehrdimensional und vielfältig. Verschiedene Schwierigkeiten werden zum Teil als ein Problem betrachtet und scheinen untrennbar. Versuche, die Jugendlichen einfache Zusammenhänge erfassen zu lassen, scheitern häufig. Entweder haben die Jugendlichen eine starke Identität und machen für alle Schwierigkeiten ihr Umfeld verantwortlich oder aber sie verfügen über einen kleinen Selbstwert und beginnen an sich und ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Die Unfähigkeit, die Probleme selbst zu analysieren und Zusammenhänge zu erkennen, wird verstärkt durch sprachliche Grenzen und fehlende Vertrauensfähigkeit in die Erwachsenenwelt. Die Jugendlichen warten oft ab, bis der Leidensdruck dermassen hoch ist, dass sich kein anderer Lösungsweg mehr anbietet. Um dem entgegenzuwirken sind Situationen zu schaffen, in denen die Jugendlichen auch diffuse Problemlagen oder deren Vorankündigung platzieren können. Dies geschieht durch einen Ort der Information und Beratung, welcher für Jugendliche konkrete Hilfe bedeutet. Konkret in den Lebensalltag umsetzbar sind Hilfestellungen für Seite 31 Jugendliche nur dann, „(...) wenn er sie mit der subjektiven Wahrnehmung seiner Lebenswirklichkeit in Verbindung bringen kann.“ (Klawe 2000:163). Um das Ergebnis eines Beratungsprozesses annehmen zu können, müssen die Jugendlichen sich verstanden fühlen, was von der Beratung verlangt, die Problemlage aus der Sicht der Jugendlichen betrachten zu können. Das bedingt einer gewissen Loslösung der Objektivität und fordert eine Betrachtung auf dem Hintergrund von für Jugendliche relevanten Werten (vgl. Klawe 2000: 148f). 2.9 Beratung in der offenen Jugendarbeit Die drei Themen Beziehungsarbeit, Niederschwelligkeit und Vernetzung bestätigen sich als fundamentale Komponenten einer erfolgreichen Beratung in der offenen Jugendarbeit. Zur Vervollständigung des theoretischen Hintergrundes bezüglich Beratung, gehört eine Betrachtung dieser drei grundsätzlichen Aspekte, welche die Voraussetzung für Beratung in der offenen Jugendarbeit darstellen. Die Ausführungen gründen in einem breiten Arbeitsverständnis sowie in aktuellen Themenschwerpunkten von Austauschgesprächen zwischen Jugendarbeitenden. 2.9.1 Beziehungsarbeit Die offene Jugendarbeit nimmt gerade in der Phase der Adoleszenz die Funktion einer ersten möglichen Anlaufstelle für Jugendliche ein. Die Jugendarbeit bietet den jungen Menschen einen vom Elternhaus unabhängigen Raum, der grösstenteils von den Eltern anerkannt wird. Dadurch bietet sich für Jugendliche ein interessantes Angebot, in welchem sie sich mit dem Einverständnis der Eltern unbefangen entfalten und Neues ausprobieren können. Die Rolle der Jugendarbeitenden ist grundsätzlich eine vorteilhafte, denn sie geniesst bei Jugendlichen wie bei Eltern, Behörden und Schule grosses Vertrauen und hat dadurch eine wichtige Vermittlungsfunktion. Diese Loyalität kann bei Jugendlichen eine Sicherheit bewirken, die es ihnen ermöglicht, Vertrauen in die Jugendarbeitenden zu gewinnen. In den vom Kanton Bern vorgegebenen Zielen von offener Jugendarbeit sind Beziehungsarbeit, Partizipation und Wohlergehen wichtige Faktoren. Alle drei münden schlussendlich in einer ähnlichen Absicht. Durch partizipative Jugendarbeit wird Beziehungsarbeit aufgebaut, welche für das Wohlergehen und zur Förderung von Jugendlichen einzusetzen ist. Insofern sind Beziehungen der Jugendarbeitenden zu Jugendlichen der Inhalt und das Gesicht einer aktiven Jugendarbeit. Gerade wenn Jugendliche aufgrund eigener Initiative eine Beratung aufsuchen, ist ihnen vorerst wichtig, mit wem sie es zu tun haben. Jugendliche suchen sich ganz bewusst Menschen aus, von denen sie Rat anzunehmen bereit sind. In der Beratung erkannte Ressourcen von Seite 32 Jugendlichen können in Projekten und Angeboten der Jugendarbeit eingesetzt und gefördert werden. 2.9.2 Niederschwelligkeit Durch die Eigenschaft einer offenen Jugendarbeit, nie restlos alle Jugendlichen ansprechen zu können, und durch die Tatsache, dass konstant Jugendliche zur Zielgruppe herausrespektive hineinwachsen, kann sich die Jugendarbeit zu keinem Zeitpunkt auf einer erarbeiteten Niederschwelligkeit ausruhen. Deshalb hat es Ziel jeder offenen Jugendarbeit zu sein, den Zugang zu ihren Angeboten konstant möglichst niederschwellig zu gestalten. Die Niederschwelligkeit kann daran gemessen werden, ob immer wieder neue Jugendliche die Angebote und Dienstleistungen zu nutzen beginnen. Verbunden mit der Beziehungsarbeit ist ein weiterer Massstab für die Zugänglichkeit der Dienstleistung die Bereitschaft von Herausforderungen Jugendlichen, mit zu In sprechen. Jugendarbeitenden dem Sinne sind über Probleme Strukturen, welche oder die Niederschwelligkeit fördern, nicht nur auf bauliche oder projektspezifische Eigenschaften zu reduzieren, sondern bedürfen einer individuellen Gestaltung und Ausrichtung der alltäglichen Arbeit. 2.9.3 Vernetzung Als Gegenbewegung zur heutigen Entwicklung von immer spezialisierteren Beratungsstellen, die direkt von der ratsuchenden Person aufzusuchen sind, appelliert Thiersch zur Rückkehr zu zentralen Anlaufstellen für soziale Probleme. Dabei wäre jedoch darauf zu achten, dass zentrale Anlaufstellen bei Überforderung und fehlender Kenntnis der Problematik, spezialisierte Fachstellen einsetzen könnten. Daher deckt sich die Forderung, dass eine Beratung über ein Verbindungsnetz verfügen muss, um spezifische Informationen und Unterstützung einholen zu können oder um die ratsuchende Person weitervermitteln zu können, mit denen von Thiersch. Aufgrund der Fülle von Angeboten und den regionalen und kantonalen Unterschieden gilt es ein solches Verbindungsnetz individuell zu erarbeiten. Seite 33 3. Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes 3.1 Grundlagen des Konzeptes In der Folge werden nun die aus dem Theorieteil abgeleiteten Erkenntnisse in einem Konzept zusammengeführt. 3.1.1 Zielsetzung Das Coaching- und Beratungsangebot hat unter anderem zum Ziel, Jugendliche in ihrer Identität zu stärken. Dies wird durch das gemeinsame Bestreiten eines zielorientierten Prozesses erreicht. Durch die Zusammenarbeit lernen die Jugendlichen solche Prozesse anzugehen. Die Jugendlichen werden in ihren Stärken gefördert und erhalten Bewältigungskompetenz vermittelt (siehe 1.2). Die Teilnehmenden werden in ihrer Selbstkompetenz gestärkt und zur Selbstständigkeit geführt. 3.1.2 Begriff der Beratung Das Angebot arbeitet mit Coaching und Beratung. Beratung wird im Verständnis gebraucht, auf der Basis von Kommunikation, Wissen, Orientierung und Lösungskompetenz zu vermitteln (siehe 2.2). Im Zentrum der beraterischen Tätigkeit steht die Begleitung, Unterstützung und Förderung. Die Beratung wird zur Erreichung eines persönlichen Zieles eingesetzt und basiert auf Freiwilligkeit (siehe 2.5.1). 3.1.3 Begriff des Coaching Coaching wird im Angebot als zielorientierte und praxisnahe Begleitung verstanden. In Kombination mit Beratung baut das Coaching auf einer zielorientierten Förderung auf und übernimmt die motivierende und anleitende Begleitung bis zur Zielerreichung (siehe 2.3). 3.1.4 Menschenbild Das diesem Konzept zugrundeliegende Menschenbild spricht jedem Menschen kognitive Fähigkeiten, Gleichwertigkeit und die Möglichkeit der Entwicklung zu. Der Mensch wird als individuelles, gewolltes und geliebtes Geschöpf erkannt. Das Verhalten des Menschen basiert auf Eigenverantwortung. Daher setzen Förderung und Entwicklung Begeisterungsund Motivationsfähigkeit voraus. Die Konstellation zwischen ratgebender und ratsuchender Person entspricht einer gleichwertigen Zusammenarbeit. Dabei verfügen beide Parteien über unterschiedliche Ressourcen, Wissen und Erfahrung (siehe 2.4.1). Seite 34 3.2 Strukturen des Coaching- und Beratungsangebotes 3.2.1 Örtlichkeiten Die Örtlichkeiten, an welchen mit den teilnehmenden Jugendlichen gearbeitet wird, haben den Jugendlichen grundsätzlich vertraut zu sein. Somit wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglicht. Gleichzeitig ist aber auch auf eine ungestörte, eventuell offiziell erscheinende Atmosphäre zu achten (siehe 2.6.1). 3.2.2 Zusammenarbeit Die Zusammenarbeit zwischen teilnehmenden Jugendlichen und leitenden Fachkräften gestaltet sich grösstenteils unmittelbar. Sie basiert auf der gründlichen Aufklärung der Teilnehmenden über die Arbeitsweise. Einmal wöchentlich treffen sich die Teilnehmenden mit den Angebotsleitenden und arbeiten gemeinsam am definierten Prozess weiter. Zusätzliche Unterstützung kann in mittelbarer Arbeitsweise erfolgen (siehe 2.6.2). Die Zusammenarbeit verläuft in der Form der Einzelbetreuung. Dies aufgrund individueller Zielsetzungen und der praktischen Begleitung, welche in Gruppenformationen nicht erfolgen kann (siehe 2.6.4). Basis der Zusammenarbeit sind Freiwilligkeit, gegenseitige Achtung und Respekt. Da zwischen den anleitenden und den teilnehmenden Personen eine Vertrauensbeziehung nötig ist, ist die Ausführung des Coaching- und Beratungsangebotes nicht an zusätzliche Fachkräfte zu delegieren, sondern wird von den Jugendarbeitenden selbst wahrgenommen (siehe 2.9.1). 3.2.3 Gesprächsführung Die Gesprächsführung im Coaching- und Beratungsangebot richtet sich nach sechs Beratungsaktivitäten, welche Mutzeck in der personenzentrierten Gesprächsführung benennt (siehe 2.7.2.1). - Die Jugendarbeitenden sprechen die Jugendlichen direkt und persönlich an. Verallgemeinerungen werden vermieden. - Die Jugendarbeitenden nehmen sich den Jugendlichen an, hören ihnen aktiv zu und respektieren die Bedeutsamkeit der Inhalte für sie selbst. - Die Jugendarbeitenden greifen die Gefühle der Jugendlichen auf und geben diese verständlich wieder. - Die Jugendarbeitenden greifen die Gedanken der Jugendlichen auf und geben diese verständlich wieder. - Die Jugendarbeitenden führen die Jugendlichen dazu, ihre Aussagen zu konkretisieren und damit die Situation zu strukturieren. Seite 35 - Die Jugendarbeitenden vermitteln den Jugendlichen die Gesprächsregeln. Diese beinhalten, dass die Problemursachen nur dann relevant sind, wenn sie genau definierund beschreibbar sind und Lösungsversuche werden erst dann relevant, wenn in der Problemsituation relative Klarheit herrscht und dass Bewertungen und Moralisierungen vermieden werden. 3.2.4 Niederschwelligkeit Der Zugang zum Coaching- und Beratungsangebot ist möglichst niederschwellig zu gestalten. Das Angebot soll für alle Jugendlichen zugänglich sein und keine besonderen kognitiven Fähigkeiten voraussetzen. Für eine gute Zugangsmöglichkeit eines Angebotes für Jugendliche ist insbesondere auf einen attraktiven Titel zu achten. Da berechtigterweise mit Beratung das Vorhandensein eines Problems assoziiert wird, diese Ausgangslage jedoch der eigentlichen Zielsetzung des Angebotes nicht entspricht, ist der Begriff ‚Beratung’ für die Verwendung im Titel des Angebotes nicht geeignet. Daher nennt sich das Angebot „Coaching-Programm“. Ein informativer und ansprechender Prospekt soll Jugendlichen wie auch Eltern das Angebot erklären (siehe Anhang). Gemäss Erfahrungswerten erzeugt ein Prospekt bei den Jugendlichen kaum die erwünschte Wirkung. Die Jugendlichen werden durch Mund zu Mund Propaganda untereinander motiviert. 3.2.5 Zielgruppe Die Zielgruppe des Coaching- und Beratungsangebotes sind Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren. Zur Zielgruppe gehören sowohl Mädchen wie auch Jungen. Daher ist es von Vorteil, wenn den Jungendlichen als Jugendarbeitende sowohl Frauen wie auch Männer zur Verfügung stehen. Besondere Eigenschaft dieser Zielgruppe ist die grosse Abhängigkeit von einem Vertrauensverhältnis. Das Vertrauen wird zu Beginn einer Kontaktaufnahme in vielfältiger Weise erprobt, was von den Fachkräften grosse Aufmerksamkeit erfordert. Das bei den Jugendlichen verbreitete Bewältigungsmuster der Unverbindlichkeit wird durch die deutliche Forderung nach Verbindlichkeit gestört. Daher beschränkt sich das Angebot auf eine kurze, überblickbare Zeitspanne. In den eigenen Zielsetzungen neigen Jugendliche dazu, sich zu überfordern. Die beiden Unsicherheiten Verbindlichkeit und Zielsetzung werden dadurch aufgegriffen, dass Misserfolge von Beginn an eingeplant werden und auch den Jugendlichen kommuniziert werden (siehe 2.8). Die Teilnahme am Coaching- und Beratungsangebot setzt voraus, dass die Jugendlichen aus eigener Initiative am Programm mitmachen. Weder Eltern noch Jugendarbeitende noch andere Bezugspersonen können Jugendliche zur Teilnahme zwingen. Das Mass an Eigenmotivation wird in der Vorbereitung in einem gemeinsamen Gespräch geklärt. Die Eigenmotivation setzt sich einerseits aus der Bereitschaft, sich persönlich weiterzuentwickeln Seite 36 und andererseits aus der Kenntnis über die Lebensbereiche, in welchen Förderung geschehen soll, zusammen: (vgl. Thiersch und Mutzeck). Die Teilnahme setzt ferner Ausdauer und Beharrlichkeit voraus, um im definierten Zeitraum des Programms entsprechend aktiv zu bleiben und kurzfristige Phasen der Müdigkeit überwinden zu können. Um die Zielsetzung des Coaching- und Beratungsangebotes effektiv verfolgen zu können, sind die bereits definierten Voraussetzungen der Jugendlichen gut zu prüfen. Diese Voraussetzungen erfordern von den Jugendlichen und der Jugendarbeit eine hohe Verbindlichkeit, welche sich im Einhalten der Abmachungen, der Pünktlichkeit und im Durchhalten zeigt. Von daher ist es wichtig, vor der gemeinsamen Einigung zur Teilnahme am Angebot die geforderte Verbindlichkeit zu thematisieren und mittels einer schriftlichen Vereinbarung zu definieren. Sofern von den Jugendlichen gewünscht, können bereits zum Zeitpunkt des Informationstreffens die Eltern, Lehrerschaft oder involvierte Fachleute einbezogen werden. Die Einwilligung der Eltern ist in jedem Falle anzustreben. 3.2.6 Vernetzung Die Vernetzung ist Grundlage der offenen Jugendarbeit an sich (siehe 2.9.3). Im Fazit bezüglich den Ausführungen von Thiersch über Beratung und Institution wird erkannt, dass das Coaching- und Beratungsangebot ein zentrales Beratungsangebot darstellt. Es ist darauf zu achten, dass innerhalb der näheren geografischen Umgebung keine anderen Angebote konkurrenziert werden, sondern eine konstruktive Zusammenarbeit ermöglicht wird (siehe 2.7.1). Diese konstruktive Zusammenarbeit mit ergänzenden Stellen wird in den einzelnen Modulen thematisiert, denn das Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes beschränkt sich nicht auf eine bestimmte Thematik. Die thematische Zielsetzung ist innerhalb der Module definiert und erfordert daher eine Auseinandersetzung mit ähnlichen Angeboten in diesem definierten Rahmen. 3.2.7 Aufwand Der geschätzte zeitliche Aufwand pro Woche und teilnehmender Person beträgt für die Jugendarbeitenden zwei Stunden. In diesen zwei Stunden sind Vorbereitung und Nachbereitung einkalkuliert. Für die Jugendlichen selber ergibt sich ein höherer Aufwand, da diese auf das nächste Treffen hin Aufgaben zu erledigen haben, die zeitaufwändig sein können. Damit die Zielsetzungen effizient erreicht werden können, ist das wöchentliche Zusammenkommen von Vorteil. Diese Treffen ergeben den Jugendlichen jeweils Aufgaben, die für das nächste Mal zu erledigen sind. Von daher ist die Programmlänge von drei Monaten aufgrund erster Erfahrungswerte zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen, was jedoch auf die Kapazität des Gesamtprogramms keine Auswirkung haben darf. Seite 37 Aufgrund des budgetierten Zeitaufwandes pro Platz von zwei Stunden in der Woche, können in einer ersten Phase maximal drei Plätze zur Verfügung gestellt werden. Je nach Nachfrage ist es sinnvoll, eine Warteliste aufzustellen und die Dringlichkeit zu klären, um eine optimale Ausnutzung des Angebotes zu erreichen. 3.3 Coaching- und Beratungsprozess Das Vorgehen im Coaching- und Beratungsprozess baut auf der Struktur des Beratungsprozesses von Mutzeck auf, welche im Kapitel 2.7.2.1 dargestellt ist. Aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung von Beratung auf eine Problemlage und dieser des Angebotes auf eine Zielsetzung, sind die einzelnen Schritte des von Mutzeck erarbeiteten Prozesses je nach Situation und Zielsetzung hervorzuheben oder zu übergehen. Das Vorgehen dient als Grundlage für alle Module mit deren spezifischen Inhalten. Kontaktaufnahme Die Jugendlichen erhalten den Prospekt des Coaching- und Beratungsangebotes oder werden von jemandem darauf hingewiesen. Sie informieren sich aufgrund der Broschüre und verschaffen sich ein erstes Bild des Coaching- und Beratungsangebotes. Falls die Jugendlichen am Angebot interessiert sind, nehmen sie mit den Jugendarbeitenden Kontakt auf. Im Team der Jugendarbeitenden wird die Anfrage kurz besprochen und vereinbart, wer den Jugendlichen als beratende Person vorgeschlagen wird. Die verantwortliche Person klärt mit den Jugendlichen die Dringlichkeit der Anfrage und vergleicht diese mit freien oder frei werdenden Kapazitäten im Coaching- und Beratungsangebot. In einem für die Jugendlichen wie auch für die Jugendarbeitenden möglichen Zeitrahmen, wird ein Info-Treffen vereinbart. Ebenfalls kann der Jugendliche zu diesem Zeitpunkt mitteilen, ob weitere Personen wie Eltern, Lehrerschaft o.a. an diesem Treffen erwünscht sind. Info-Treffen An diesem Treffen werden die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Coaching- und Beratungsprozess geschaffen. Dazu gehört die Klärung der Strukturen. Die Jugendlichen und die allenfalls weiteren Personen werden am Info-Treffen mit der Idee, den Möglichkeiten, aber auch mit den Grenzen des Angebotes konfrontiert. Dieses Vorgehen soll dazu dienen, Missverständnissen und unterschiedlichen Erwartungen vorzubeugen. Die Jugendlichen legen ihre Situation dar und formulieren, für welches Modul sie sich interessieren. Gemeinsam werden die Bedingungen und Voraussetzungen besprochen. Bei einer Einigung wird Dauer, Zeitpunkt und Regelmässigkeit der Zusammenarbeit definiert. Die Jugendlichen unterzeichnen mit der verantwortlichen Person der Jugendarbeit eine Vereinbarung. Der Termin für ein erstes Treffen wird festgesetzt. Seite 38 Ausgangslage Die Jugendlichen schildern am ersten Treffen ihre Sicht der Situation. Die Jugendarbeitenden stellen gezielte Fragen, um die Ausführungen zu präzisieren und strukturieren. Dabei geht es darum, die Auswirkung der Situation in ihrer Vielschichtigkeit zu beschreiben, den Sinn- und Bedeutungsaspekt des Handelns zu erarbeiten und Klarheit zu schaffen. Am Ende dieses Schrittes haben die Jugendarbeitenden die Sicht und Wirklichkeit der Situation aus dem Blickwinkel der Jugendlichen verstanden und erfasst. Perspektivenwechsel Betrifft die Situation der Jugendlichen weitere Personen, versuchen die Jugendlichen sich in die Rolle der Beteiligten zu versetzen, um auch deren Sichtweisen zu erfassen. Dieser Vorgang ist durch die Jugendarbeitenden zu unterstützen. Ziel dieses Schrittes ist es, den Erfahrungshorizont zu erweitern und die Sichtweise anderer Personen zu verstehen. Analyse Unter Anleitung der Jugendarbeitenden wird in der durch die Jugendlichen geschilderten Problemsituation Ordnung geschaffen und die Situation analysiert. Daraus können verschiedene Bereiche oder wichtige und prioritäre Problemfaktoren hervortreten. Ziel ist es, die vordringlichsten und hauptsächlichsten Zielsetzungen zu bestimmen. Zielsetzung In der Zielsetzung geht es darum, ein mögliches Zukunftsbild zu entwerfen. Dieses Zukunftsbild entspricht der gewünschten Veränderung, welche nach der Zielerreichung vorherrschen soll. Dieser beabsichtigte Zustand ist möglichst präzise zu umschreiben. Die Zielsetzung gilt es nun in verschiedene und realistische Unterziele zu unterteilen, welche auch in ihrer Frist zu gliedern sind. Je nach gewähltem Modul ist bezüglich der Definition von Unterzielen, insbesondere der Terminierung, auf die themenspezifischen Strukturen zu achten. Lösungsfindung Dieser Schritt ist mit Vielseitigkeit und Kreativität anzugehen. Vorerst können Lösungen ohne jegliche Strukturen und Bedacht auf Realisierbarkeit erdacht werden. Erst in einem zweiten Schritt sind die erdachten Lösungswege an den modulspezifischen Strukturen zu prüfen. Darauf sind die persönlich bedeutsamen Kriterien einzusetzen, um dann einen Handlungsweg auszuwählen, für welchen sich die Jugendlichen in selbständiger und eigenverantwortlicher Weise entscheiden. Seite 39 Planung der Handlungsschritte Der ausgewählte Handlungsweg ist nun in konkrete Handlungsschritte umzuwandeln. Die einzelnen Handlungsschritte sind eindeutig und konkret formuliert und klar überprüfbar. Die Prüfkriterien sind für jeden Handlungsschritt auszuformulieren. Die einzelnen Handlungsschritte sind überschaubar und ermöglichen den Jugendlichen kleine und rasche Erfolgserlebnisse. Die Jugendarbeitenden und Jugendlichen benennen gemeinsam Risikofaktoren, welche die Umsetzung der gesetzten Handlungsschritte verhindern oder erschweren könnten. Coaching In der Umsetzung der Handlungsschritte werden die Jugendlichen in einem Masse begleitet, das ihnen erlaubt, ihre eigenen Fähigkeiten vollumfänglich einsetzen zu können, nach Bedarf jedoch Unterstützung erhalten. Die Begleitung findet im planerischen wie auch im praktischen Umfeld statt. Die Jugendlichen werden dabei motiviert und gefördert, um ihre eigene Zielsetzung erreichen zu können. Auswertung Das letzte Treffen dient der Evaluation. Aufgrund der gesetzten Ziele gilt es zu prüfen, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht. Gemeinsam entscheiden die Jugendlichen mit den Jugendarbeitenden über einen allfälligen Abschluss des gemeinsamen Prozesses oder eine Weiterführung. Bei einer Weiterführung entspricht das Gespräch wiederum einem InfoTreffen. 3.4 Module Die Module des Coaching- und Beratungsangebotes haben ihren Zweck darin, das Coaching- und Beratungsangebot verständlich und leicht zugänglich zu machen. Erfahrungen von Jugendberatungen (siehe 2.8) zeigen, dass Beratungsstellen von Jugendlichen nur aufgrund auswegsloser Situationen aufgesucht werden. Und auch dann nur in Ausnahmefällen. Die Module sind thematisch aufgebaut und lassen sich in ihren Zielsetzungen definieren. Dadurch wird erreicht, dass das Coaching- und Beratungsangebot mittels der Module konkrete Angebote machen kann. Die Jugendlichen, wie auch deren Umfeld, können sich ein ungefähres Bild über Zweck, Dauer und Ablauf des Angebotes machen. Diese Kenntnisse sollen helfen, Barrieren der Unsicherheit und Unwissenheit zu überwinden und den Zugang zum Coaching- und Beratungsangebot niederschwellig zu gestalten. In dem Sinne bilden die Module gegen aussen den Inhalt des Angebotes. Im Seite 40 Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes bilden die Module jedoch einzig einen thematischen Rahmen. Die Module sind aufgrund der Nachfrage und der Möglichkeiten der Jugendarbeit zu definieren. Aufgrund ihrer Funktion der thematischen Sondierung und Eingrenzung in der Wahl einer Zielsetzung, sind die Module beliebig auswechselbar. Je nach aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten streicht oder fügt die Jugendarbeit neue Module hinzu. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Diplomarbeit werden zwei Module zu den Themen Berufswahl - Lehrstellensuche und Freizeitprojekte angeboten. In den Modulen wird gemäss den in Kapitel 3.3 ‚Coaching- und Beratungsprozess’ erarbeiteten Punkten vorgegangen. Auf den Punkt ‚Planung der Handlungsschritte’ wird in jedem Modul, im Sinne eines möglichen praktischen Handlungsweges, noch konkreter eingegangen. Je nach Ausgangssituation der teilnehmenden Jugendlichen sind einzelne Handlungsschritte bereits erfolgt, oder sind nicht weiter von Bedeutung. Daher bilden die erarbeiteten Schritte der Module Bausteine und nicht einen einzuhaltenden Handlungsweg. Sie dienen den Jugendarbeitenden im Coaching- und Beratungsprozess als Instrument. 3.4.1 Modul 1: Berufswahl- Lehrstellensuche 3.4.1.1 Inhalt Dieses Modul richtet sich an Jugendliche, welche für ihre Berufswahl und/ oder die Lehrstellensuche Beratung und Begleitung wünschen. Gemeinsam können die Prozesse von Beginn an oder ab aktuellem Standpunkt angegangen werden. Ziel des Coaching- und Beratungsangebotes ist unter anderem die Stärkung der Identität. Im Prozess der Identitätsbildung nimmt das Geschehen in der Schule, sowie in weiterführenden Ausbildungen einen hohen Stellenwert ein. Diese Erkenntnis ist dort offensichtlich, wo Jugendliche, welche keine Lehrstelle gefunden haben, in ihrer Identität stark erschüttert werden. Dass eine absolvierte Ausbildung zur Ausübung eines Berufes und somit zu einer selbständigen Lebensgestaltung führt, ist statistisch belegt. Dadurch entsteht ein enger Zusammenhang zwischen der Identitätsbildung und dem Start in die Berufswelt. Im Bereich der Berufswahl und Lehrstellensuche sind in der näheren, geografischen Umgebung noch einige Unterstützungsfunktion der andere Eltern, Angebote bieten vorhanden. die Schulen Nebst und der vor wichtigsten allem das Berufsinformationszentrum (BIZ) Angebote im Bereich der Berufswahl und Lehrstellensuche für Jugendliche an. Die Schulen wie auch das BIZ verfügen jedoch über beschränkte Mittel, was die individuelle Unterstützung von Jugendlichen anbelangt. Die Schulen wie auch das BIZ setzen ein weiteres Unterstützungsumfeld voraus, das sich den Jugendlichen im Prozess der Berufswahl und Lehrstellensuche annimmt. Jugendliche ohne ein solches Seite 41 unterstützendes Umfeld, verfügen entweder über genügend eigene Ressourcen oder laufen Gefahr, den Prozess der Berufswahl und Lehrstellensuche nicht erfolgreich bestreiten zu können. Das BIZ startet in unmittelbarer Zukunft in der Stadt Biel ein Angebot, welches das steigende Bedürfnis von Jugendlichen nach einer engeren Begleitung in der Berufswahl und Lehrstellensuche aufnimmt. Dazu werden Personen gesucht, die bereit sind, unentgeltlich bedürftige Jugendliche in der Berufswahl und Lehrstellensuche zu coachen. Hierzu sind Gespräche im Gang, inwiefern das Coaching- und Beratungsangebot der Jugendarbeit Brügg im Modul Berufswahl - Lehrstellensuche direkt in das Angebot des BIZ integriert werden kann, sofern es sich um Jugendliche aus dem Einzugsgebiet der Jugendarbeit Brügg handelt. Ebenso wird der Austausch mit den Lehrkräften der Oberstufe rege gepflegt. Dadurch können Synergien genutzt und Verantwortlichkeitsbereiche aufgeteilt werden. Bei diesem Modul ist die Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrerschaft und ergänzenden Stellen von grosser Wichtigkeit. 3.4.1.2 Handlungsschritte Wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, sind die nachfolgenden Handlungsschritte als Möglichkeit und keinesfalls als verbindliche Vorgehensweise zu betrachten. Die vorliegenden Schritte sind den allgemein empfohlenen Handlungsschritten für die Berufswahl- und Lehrstellensuche entnommen und sind als Instrument für den Coaching- und Beratungsprozess zu verstehen. Schritt 1: Interessen und Stärken kennen lernen Im ersten Schritt geht es darum, die eigenen Interessen zu entdecken. Die Interessen sind in den Tätigkeiten vorhanden, die man gerne tut und welche einem Spass machen. Mit was am meisten und liebsten Zeit verbracht wird, deutet genauso auf das eigene Interesse hin, wie die liebsten Schulfächer. Genauso verhält es sich auch mit den Stärken. Welche Dinge liegen einem, in welchen Tätigkeiten ist man gut. Dabei ist nicht nur die Schule in Betracht zu ziehen, sondern genauso Freizeit und Hobbys. Weiter ist es hilfreich, nahestehende Personen aus Familie und Freundeskreis zu fragen, welche Interessen und Stärken sie beobachten. Schritt 2: Berufswelt kennen lernen Es gilt der Frage nachzugehen, welche Berufe die Jugendlichen interessieren. Hilfreich ist es, zuerst einen Überblick über alle bevorzugten Berufe zu erhalten und abzuklären, welches die häufigsten Tätigkeiten darin sind und was gefordert wird. Ebenso gilt es herauszufinden, welche Voraussetzungen nötig sind, um den Beruf erlernen zu können. Informationen zu Berufen sind zu finden: Seite 42 - unter www.berufsberatung.ch > Berufswahl > Berufe und Ausbildungen. - im regionalen Berufsinformationszentrum (BIZ) in Biel. - im Gespräch mit Berufsleuten. - in Schulprojekten, an der Berufsmesse etc. Schritt 3: Vergleich der Interessen und Fähigkeiten mit den Anforderungen der Berufe Nun geht es darum, zu ordnen, was die Berufe erfordern, welche den Jugendlichen am meisten interessieren und ob die Anforderungen seinen Fähigkeiten entsprechen. Auch die zu erlernenden Fähigkeiten sollten interessant empfunden werden. Besteht Unsicherheit darüber, welches die Interessen und Stärken sind und welche berufliche Möglichkeiten in Betracht zu ziehen sind, hilft möglicherweise ein Besuch bei der Berufsberatung weiter. Schritt 4: Die Berufe genauer kennen lernen Sind aufgrund des Vergleiches zwischen interessanten Berufen und den eigenen Fähigkeiten und Interessen ein paar Berufe herausgetreten, gilt es nun diese noch besser kennen zu lernen. Hierzu eignet sich insbesondere eine Schnupperlehre, welche den Beruf praktisch erfahrbar machen lässt und auch Kontakte zu Berufsleuten ermöglicht. Hilfestellung zur Suche einer Schnupperlehre bietet folgende Checkliste für das Telefongespräch (siehe Abb. c). So gehe ich vor Ich begrüsse die Person am Telefon, sage meinen Namen und bitte, mit dem Lehrlingsbetreuer oder der Lehrlingsbetreuerin verbunden zu werden. Nach der Verbindung stelle ich mich vor mit Vorname, Name, Klasse und Schule. Ich erkläre meinen Wunsch und die Gründe, wieso ich eine Schnupperlehre in diesem Beruf und in diesem Betrieb machen möchte. Wenn eine Schnupperlehre in Frage kommt, erkundige ich mich weiter Wann darf ich kommen? Vorschläge machen, die Ferientermine vorher mit den Eltern besprechen. Agenda und Schreibzeug bereit halten. Wo und bei wem soll ich mich melden? Wie finde ich zum Betrieb? Soll ich etwas Spezielles mitnehmen oder beachten (Kleidung / Schuhe)? Gibt es ein spezielles Wochenprogramm? Wie sind die Arbeitszeiten? Zum Schluss bedanke ich mich freundlich und verabschiede mich. Wichtig ist zudem... Ich notiere mir im Verlaufe des Gespräches oder nachher alles, was besprochen wurde, vor allem auch den Namen der Kontaktperson. Quelle: www.berufsberatung.ch | 12.2003 _ Berufswahl / Schnupperlehre / Schnupperlehre suchen Abb. c) Schritt 5: Überprüfen und entscheiden Nun ist ein Überblick über die Berufswelt erarbeitet, die eigenen Fähigkeiten und Interessen sind entdeckt, die Erfordernisse des Wunschberufes bekannt. Ferner wurde der Wunschberuf in einer Schnupperlehre praktisch erforscht und die Begründung für die Wahl des Berufes kann ohne lange nachzudenken wiedergegeben werden. Zudem ist bekannt, Seite 43 welche beruflichen und schulischen Wege möglich sind. Insofern gilt es nun, die Lehrstellensuche aktiv anzugehen oder die Anmeldung an eine weiterführende Schule anzugehen. Schritt 6: Umsetzung der Entscheidung, Suche einer Lehrstelle oder Anmeldung an einer Schule Bei der Lehrstellensuche ist es sinnvoll, sich auf zwei Berufe zu konzentrieren. In einem ersten Teil gilt es, die Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Dazu gehören ein Lebenslauf, ein Bewerbungsbrief, Zeugniskopien der letzten Schuljahre und ev. ein ausgefüllter Personalbogen. Liegt der Entscheid auf einer weiterführenden Schule, geht es darum, sich anzumelden. Dazu sind die Erfordernisse und Anmeldefristen ausfindig zu machen. Gewisse Schulen erfordern eine Aufnahmeprüfung. Hierbei gilt es, mit den nötigen Vorbereitungen zu beginnen. Hilfestellungen zur Suche einer Lehrstelle bietet folgende Checkliste (siehe Abb. d). Berufsziel klären Wenn du auf Lehrstellensuche gehst, sollte deine Berufswahl abgeschlossen sein. Mit anderen Worten: Du weisst, was du werden möchtest! Das ist wichtig und erlaubt dir, gezielt zu suchen und nicht planlos nach der erstbesten Lehrstelle zu greifen. Adressen auftreiben Jetzt kannst du in Erfahrung bringen, welche Betriebe in deinem Wunschberuf eine offene Lehrstelle für den nächsten Sommer anbieten. Dazu stehen dir verschiedene Möglichkeiten und Hilfsmittel zur Verfügung: Im BIZ findest du Listen von Betrieben, die Lehrlinge im gewünschten Beruf ausbilden dürfen. Im Internet sind freie Lehrstellen abrufbar (www.berufsberatung.ch/berufswahl/lehrstellensuche). Ungefähr ab Mitte September kannst du beim Lehrstellennachweis (Adresse bei der Berufsberatung erfragen) eine Liste mit freien Lehrstellen telefonisch anfordern. In Tageszeitungen und Gratisanzeigern findest du Lehrstellenangebote. Im BIZ stehen sogenannte SSI-Terminals. Darauf kannst du selbstständig offene Lehrstellen abrufen. Viele Schülerinnen und Schüler kommen über Bekannte oder Verwandte zu einer Lehrstelle. Nutze die vorhandenen Beziehungen. Kontakt aufnehmen Jetzt hast du geeignete Adressen. Erkundige dich bei den Betrieben, ob tatsächlich eine Lehrstelle frei ist. Benütze für diesen ersten Kontakt das Telefon oder geh selber vorbei. Frag im positiven Fall weiter, wie du dich nun bewerben sollst. Dies kann von Betrieb zu Betrieb variieren. Die eine Firma will eine schriftliche Bewerbung, eine andere möchte dich vielleicht gleich persönlich kennen lernen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass du dich so bewirbst, wie dies der Betrieb verlangt. Sich bewerben Eine schriftliche Bewerbung wird früher oder später eigentlich von jedem Betrieb verlangt. Es gibt klare Regeln, wie so ein Schreiben auszusehen hat und was es beinhaltet. Du hast in der Schule oder vielleicht von deinen Eltern gelernt, wie man sich schriftlich bewirbt. Wenn du unsicher bist, hole dir die nötige Hilfe. Zum Beispiel im BIZ. Hier wirst du beraten und kannst Musterbeispiele für die schriftliche Bewerbung beziehen. Und noch ein Tipp: Bewirb dich, wenn immer möglich, an mehreren Orten gleichzeitig. Du vergrösserst damit deine Chancen auf eine Lehrstelle. Überblick behalten Es ist sinnvoll, wenn du eine Kontrolle über deine ganzen Bewerbungsaktivitäten führst. Am besten erstellst du zu diesem Zweck eine Liste, in der du notierst, wann du dich wo beworben hast, ob dir ein Termin genannt wurde und bis wann man dir Bescheid geben will. So weisst du immer, was erledigt ist, von wem du noch eine Antwort erwartest und wann du nachfragen darfst. Seite 44 Prüfungen und Gespräche meistern Immer mehr Betriebe und Verbände führen Eignungsprüfungen durch. Erkundige dich, wie dies in deinem Wunschberuf aussieht und was verlangt wird. Wenn du in die engere Auswahl kommst, will dich der Lehrmeister oder die Lehrmeisterin persönlich kennen lernen. Bereite dich auf dieses Vorstellungsgespräch vor. Überlege dir mögliche Fragen und Antworten. Bist du unsicher, besprich dich mit jemandem. Der persönliche Eindruck, den du bei diesem Gespräch hinterlässt, spielt eine wichtige Rolle. Verkauf dich deshalb gut! Zeige dich interessiert und motiviert. Absagen verkraften Die Lehrstellensituation ist in vielen Berufen schwierig. Du musst deshalb auch mit Absagen auf deine Bewerbungen rechnen. Lass dich davon keinesfalls entmutigen. Bleib dran und halt deine Anstrengungen aufrecht. Erkundige dich allenfalls nach den Gründen der Absagen. Möglicherweise kannst du in Zukunft etwas verbessern und damit deine Chancen auf einen Erfolg erhöhen. Flexibel bleiben Versteife dich nicht auf einen einzigen Beruf. Vielleicht findest du in deinem Wunschberuf keine Lehrstelle. Dann ist es wichtig, dass du für andere Lösungen offen bist. Wenn sich die gewünschte Lehrstelle trotz grosser Anstrengung über längere Zeit hinweg nicht einstellt, ist es notwendig, die Situation sorgfältig zu analysieren. Prüfe die Möglichkeit einer Lehre in verwandten Berufen, eines Zwischenjahres, eines Praktikums, eines Sprachaufenthaltes usw. Reagiere rechtzeitig und hole dir die entsprechenden Informationen oder die notwendige Hilfe. Besprich dich allenfalls mit deinem Berufsberater oder deiner Berufsberaterin und plane dein weiteres Vorgehen. So kommst du in der Berufswahl einen Schritt weiter. Quelle: www.berufsberatung.ch | 12.2003 _ Berufswahl / Lehrstellensuche / Tipps für die Lehrstellensuche / Wie gehe ich vor Abb. d) Schritt 7: Vorbereitung auf die Berufslehre oder die weiterführende Schule Die Berufslehre beinhaltet auch den Besuch der Berufsschule. Zum Teil werden die neuen Fächer nicht den bisherigen entsprechen. Daher macht es Sinn, sich auf diese bereits jetzt vorzubereiten. 3.4.2 Modul 2: Freizeitprojekte 3.4.2.1 Inhalt Das Modul Freizeitprojekte bietet Jugendlichen für ausserschulische Projekte Beratung und Unterstützung. Die Identitätsstärkung erfolgt durch das Bestreiten des Prozesses und durch das Erreichen der Zielsetzung. Die Jugendlichen lernen einen Prozess zielorientiert anzugehen, werden in ihren Stärken gefördert und erhalten Bewältigungskompetenz vermittelt. Dieses Modul entsprang dem Bedürfnis von Jugendlichen nach Unterstützung von Freizeitprojekten aller Art. Ideenentwicklung, Planung und Umsetzung, Ressourcenstärkung, Mittelbeschaffung und konzeptionelle Arbeit sind Teile dieses Moduls. Von den Jugendlichen in einer explorativen Umfrage genannte Projektbeispiele sind: Kinderhütedienst, Kinderanimation, Skaterpark, Breakdance- Streetdance- oder Billardkurse. Dabei wird nicht mit Gruppen zusammengearbeitet, sondern immer mit einzelnen Jugendlichen. Für die meisten Projekte ist die Unterstützung durch andere Jugendliche notwendig. Die Schaffung und Anleitung eines Teams bildet dann eine Zielsetzung, welche die initiierenden Jugendlichen in der Beratung und im Coaching erlernen können. Das Modul hat nicht das Seite 45 Ziel, ein Projekt umzusetzen, sondern die Jugendlichen zu befähigen, das Projekt selbstständig zu realisieren. Die aufgeführten Handlungsschritte entstanden aufgrund von Erfahrungen in der Projektarbeit und dienen als Grundlage des Moduls Freizeitprojekte. In der näheren Umgebung ist kein Angebot bekannt, mit welchem sich das Angebot des Moduls Freizeitprojekte überschneiden würde. Es sind jedoch themenspezifische Zusammenarbeiten mit anderen Angeboten möglich, so kann beispielsweise ein Filmprojekt in Zusammenarbeit mit einem auf Film spezialisierten Jugendtreff in Biel entwickelt werden. Aufgrund der uneingeschränkten Möglichkeiten erübrigt sich eine Auflistung. Mögliche Zusammenarbeiten sind nach Bedarf zu gestalten. 3.4.2.2 Handlungsschritte Die folgenden Schritte sind wiederum als möglicher Handlungsweg anzusehen, der keinen Anspruch auf Verbindlichkeit hat (siehe 3.4). Sie basieren auf vielfältigen Projekterfahrungen in der Jugendarbeit. Schritt 1: Ideenentwicklung Die Jugendlichen haben bei Beginn der Zusammenarbeit für sich bereits eine Idee entwickelt. Sie ist Grundlage für ihre Teilnahme am Angebot. In einem ersten Handlungsschritt geht es darum, die Idee und das Ziel abzuwägen. Die Interessen und Zielvorstellungen der Jugendlichen bezüglich einem Projekt, gilt es durch Nachfragen zu erfassen und zu ordnen. Durch den erweiterten Erfahrungs- und Wissenshintergrund der Jugendarbeitenden können Risikofaktoren und Schwierigkeiten diskutiert und bewertet werden. Ziel dieser Projektphase ist die Entwicklung einer Idee, die umsetzbar erscheint und vielseitig geprüft wurde. Schritt 2: Konzeptionelle Arbeit Im zweiten Schritt gilt es, ein Projektkonzept zu erarbeiten. Das Konzept dient der eigenen Zusammenfassung der wichtigsten Aspekten des Projektes und dient der Präsentation des Projektes. Im Konzept sind folgende Projektgegebenheiten umschrieben: Projektidee Projektziel Erfolgskritierien Projektform Projektteam Projektbudget Mittelbeschaffung Zeitplan Seite 46 Zuständigkeiten Regeln Schritt 3: Projektbudget und Mittelbeschaffung Im Projektbudget sind alle nötigen Aufwendungen aufzulisten. Dies betrifft sowohl finanzielle, wie auch materielle und personelle Aufwendungen. Mittelbeschaffung meint, die Aufwendungen decken zu können. Dieses Vorgehen ist zu planen und transparent aufzuführen, um so an Sponsoren und andere unterstützende Institutionen zu gelangen. Diese Unterstützer gilt es für das Projekt gewinnen zu können. Dabei werden die Jugendlichen nur im Hintergrund unterstützt. Das Vorsprechen übernehmen die Jugendlichen selbst. Schritt 4: Planung und Umsetzung Aufgrund des erstellten Projektkonzeptes gilt es nun, die Realisation zu planen und umzusetzen. Alle hierzu nötigen Grundsätze sind im Projektkonzept enthalten. In der Umsetzung werden die Jugendlichen durch die Jugendarbeitenden unterstützt und begleitet. Dabei übernehmen die Jugendlichen jedoch die Verantwortung und Initiative. Nach erfolgter Umsetzung können die Jugendlichen nach Bedarf im Bereich des Projektunterhaltes weiterhin unterstützt werden. 3.4.2.3 Projektbeispiel Zur Illustration des Moduls Freizeitprojekt wird ein kleines Projekt vorgestellt, das der Grundidee dieses Moduls entspricht. Es handelt sich hierbei um ein kleines Skaterparkprojekt, das von einem elfjährigen Jungen und seinen Freunden realisiert wurde. Seine Idee war, einen Skaterpark für sich und andere Kinder und Jugendliche zu schaffen. Ziel war, das Skaten wöchentlich zu ermöglichen, um zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung beizutragen und das regelmässige Trainieren zu ermöglichen. Die Form des Projektes war durch die Mittelbeschaffung und deren Zeitplanung eingegrenzt. Der Junge hatte kein Interesse, das Projekt in einer Grösse anzugehen, in welcher Bewilligungen und Kostengutsprachen der Verwaltung abzuwarten sind. Er wollte sein Projekt innerhalb von wenigen Wochen realisieren, um den diesjährigen Sommer mit Skaten verbringen zu können. So wurde nach einer Form gesucht, die innerhalb dieser kurzen Frist realisierbar war. Es begann die Suche nach einem geteerten Platz, der sich für das Aufstellen von mobilen Schanzen und Rampen eignet. Ein solcher Platz wurde am Rand des Dorfes gefunden, ebenso erhielten wir die informelle Unterstützung des Bauverwalters, welcher meinte, solange keine Reklamationen erfolgten, störe das niemanden. Die mobilen Skatergeräte können zudem im angrenzenden Wald deponiert werden. Auf Papier wurden Seite 47 Pläne für den Bau von Schanzen und Rampen skizziert und gemeinsam mit dem Dorfschreiner besprochen. Dieser übertrug die Aufgabe seinem Lehrling, was eine grosse Kostenreduktion ermöglichte. Der Junge konnte in seiner Freizeit dem Lehrling beim Bau der Geräte zur Seite stehen. Die Kosten von ungefähr Fr.600.-- wurden aufgeteilt zwischen dem Jungen und seinem Projektteam und der Jugendarbeit. Im Sinne eines allgemeinen Angebotes für Kinder und Jugendliche konnte ein dafür bestehendes Konto genutzt werden. Die Jugendlichen brachten ihren Betrag von Fr.100.-- mittels Unterstützung aus der Nachbarschaft, Getränkeverkauf und eigenem Ersparten zusammen. Der Skaterpark ist nun jeden Donnerstag von 13.30h bis 17.00h geöffnet. Verantwortlich dafür ist der Junge und sein Projektteam, bestehend aus einem weiteren Jungen und zwei Mädchen. Am Ende der Nachmittage werden die Geräte am Rand deponiert, mit einem Kettenschloss gesichert und mittels einem Plastik vor Regen geschützt. Mit Hilfe eines Plakates wird im Schulhaus für das Projekt geworben. Das Angebot funktioniert nun seit gut einem Monat und macht dem Jungen und seiner Projektgruppe grosse Freude. Noch befindet sich das Projekt in einer Bewährungsphase. Dadurch nimmt die Jugendarbeit noch eine begleitende unterstützende Funktion wahr. Absicht ist die Verselbständigung des Projektes. Seite 48 und 4. Schlussteil 4.1 Auswertung der Zielsetzung / Kritische Diskussion Die Zielsetzung dieser Diplomarbeit ist es, ein Coaching- und Beratungsangebot zu entwickeln, in welchem Jugendliche für sie wichtige Ziele erreichen können. Durch die Zusammenarbeit von Jugendlichen und Jugendarbeitenden lernen die Jugendlichen ein alternatives Bewältigungshandeln kennen und erarbeiten Ressourcen, um die eigene Identitätsentwicklung fördern zu können. Das Konzept des Coaching- und Beratungsangebotes entwickelte sich aufgrund theoretischer Aspekte der Beratung, insbesondere der Beratungskonzepte Soziale Beratung und Kooperative Beratung. Mit dem Coaching- und Beratungsangebot, wie es im dritten Kapitel dieser Arbeit konzeptionell erarbeitet wurde, ist die Zielsetzung nach einem zugänglichen und zielorientierten Angebot erfüllt. Herausfordernd wird in der Umsetzung der Brückenschlag zwischen der niederschwelligen Zugangsmöglichkeit und der verbindlichen und zielorientierten Zusammenarbeit. Einen niederschwelligen Zugang bedingt, dass die Jugendlichen das Angebot attraktiv finden. Verbindliche Strukturen sind für Jugendliche aber eher abstossend. Genau dieses Spannungsfeld ist es aber, welches das Angebot in seiner Qualität ausmacht, die beabsichtigten Prozesse bei den Jugendlichen auszulösen. Es ist einfach, ein niederschwelliges Coaching- und Beratungsangebot anzubieten, welches sich den gängigen Verhaltensweisen der Jugendlichen anpasst, und dadurch undefinierte und unbeendete Prozesse toleriert. Auch ist es einfach, ein Coaching- und Beratungsangebot mit hohen Anforderungen und Zielsetzungen anzubieten, das nicht den Anspruch haben muss, niederschwellig zu sein und dadurch nicht darauf angewiesen ist, dass Jugendliche das Angebot attraktiv finden. Das vorliegende Konzept versucht die beiden Aspekte in einem Gleichgewicht zu verbinden, was zumindest im konzeptionellen Bereich erreicht erscheint. In der theoretischen Erarbeitung des Angebotes entstand die Herausforderung, Beratung als qualifizierte Arbeitsform in der Sozialen Arbeit mit Coaching als eher unüblichen Begriff in der Sozialen Arbeit zu ergänzen. Fachliteratur der Sozialen Arbeit ist zum Thema Coaching kaum vorhanden, jedenfalls nicht im Bereich Arbeitsmethode mit dem Klientel. Dies erforderte eine eigene Definition des Begriffes im Verständnis der Sozialen Arbeit und verhinderte eine theoretisch abgestützte Erarbeitung der Arbeitsform ‚Coaching’. Daher kann kritisch betrachtet eine Einseitigkeit in der theoretischen Erarbeitung zugunsten der Beratung festgestellt werden. Ferner gründet die Tätigkeit des Coaching auf pragmatischem Wissen, was einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht entspricht. In der Überzeugung einer relevanten und überzeugenden Arbeitsmethode, die sich in der Sozialen Arbeit erst noch etablieren muss und für welche es keine legitimierte Alternative gibt, baut das Konzept trotzdem unter anderem auf Coaching auf. Seite 49 Am vorliegenden Coaching- und Beratungsangebot kann kritisiert werden, dass dabei zwar eine hohe Zielsetzung erreicht werden kann, die Kapazität jedoch nicht mit dem Institutionsziel übereinstimmt. Die Jugendarbeit Brügg hat zum Ziel, Angebote für alle Kinder und Jugendliche der Einwohnergemeinde zu schaffen. Zwar kann dieses Ziel auf verschiedene Angebote verteilt werden, die jeweils nur eine Teilgruppe ansprechen, zusammengeführt aber möglichst alle Interessen abdecken. Das Coaching- und Beratungsangebot kann jedoch nur einzelne Jugendliche berücksichtigen, erfordert aber einen verhältnismässig grossen Arbeitsaufwand. Verteidigend kann argumentiert werden, dass das Angebot sich zum Ziel setzt alle Jugendlichen anzusprechen, was wohl zu einer kleinen Anzahl Jugendlicher führt, die vom Angebot profitieren können, dabei aber keine bestimmten Jugendlichen ausgeschlossen werden. Somit bleibt das Angebot allen Jugendlichen zugänglich, eingeschränkt durch die Kapazität. 4.2 Ausblick Das Coaching- und Beratungsangebot ist mit der Erarbeitung dieser Diplomarbeit fertiggestellt. Der im Anhang ersichtliche Prospekt ist in einer Auflage von hundert Stück vorhanden. Das weitere Vorgehen ist durch das Bekanntmachen des Angebotes geprägt. Geplant sind Besprechungen mit den Lehrkräften der Oberstufe Brügg, den Sozialen Diensten von Brügg und dem Berufsinformationszentrum Biel. Die Besprechungen haben zum Ziel, das Angebot bekannt zu machen, allfällige Überschneidungen von Angeboten zu erkennen und die Zusammenarbeit in einer ergänzenden Weise zu gestalten. In den Besprechungen ist zudem die Bekanntmachung des Angebotes für die spezifische Zielgruppe zu planen. Im weiteren kann das Angebot auf der institutionseigenen Homepage und mittels einem Zeitungsbericht bekannt gemacht werden. Seite 50 Literaturverzeichnis Bürgi, Andreas/Eberhart, Herbert (2004) Beratung als strukturierter und kreativer Prozess. Ein Lehrbuch für die ressourcenorientierte Praxis. 1.Aufl. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen Erikson, Erik H. (1973) Identität und Lebenszyklus. 1.Aufl. Suhrkamp, Frankfurt am Main. Fatzer, Gerhard et al. (2002) Qualität und Leistung von Beratung. Supervision, Coaching, Organisationsentwicklung. 2.Aufl. Edition Humanistische Psychologie, Bergisch Gladbach Klawe, Willy (1986) Arbeit mit Jugendlichen. Einführung in Bedingungen, Ziel, Methoden und Sozialformen der Jugendarbeit. 1.Aufl. Juventa, Weinheim/München Mietzel, Gerd (1995) Wege in die Entwicklungspsychologie. Kindheit und Jugend. 2.Aufl. Beltz, Psychologie Verlags Union, Weinheim Mutzeck, Wolfgang (1997) Kooperative Beratung. Grundlagen und Methoden der Beratung und Supervision im Berufsalltag. 2.Aufl. Beltz, Weinheim/Basel Sickendiek, Ursel et al. (2002) Beratung. Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze. 2.Aufl. Juventa, Weinheim/München Thiersch, Hans (2003) Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. 5.Aufl. Juventa, Weinheim/München von der Haar, Elke (2004) Jugendberatung. Leitfaden für die Praxis in der Jugendarbeit, Ausbildung und Schule. 1.Aufl. Luchterhand/Wolters Kluwer Deutschland, Neuwied Seite 51 Anhang Prospekt des Coaching- und Beratungsangebotes Seite 52 Benutzter Fragebogen zur explorativen Bedürfnisabklärung „Coaching-Programm“ Wer: Im Rahmen der Diplomarbeit berufsbegleitendes Studium an der FH-Aargau Soziale Arbeit, Andi Gehri. Das „Coaching-Programm“ ist Teil der Dienstleistung der Jugendarbeit Brügg. Ziel: Ziel des „Coaching-Programm“ ist die Förderung von Jugendlichen durch Beratung und Begleitung. Jugendliche können innerhalb eines definierten Rahmens ihre spezifischen Themen einbringen und werden darin gefördert. Konkret: Ca. 4 bis 5 Jugendliche haben die Möglichkeit, am „Coaching-Programm“ teilzunehmen. Die Teilnahme ist verbindlich und wird über einen gemeinsam abgemachten Zeitraum definiert (Bsp.3 Monate). Voraussetzung: Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Verfügen über ein hohes Mass an Eigenmotiviation für das „Coaching-Programm“. Kennen konkrete Lebensbereiche in denen Förderung geschehen soll. Vertrauensfähigkeit und Ehrlichkeit sind vorhandene Eigenschaften der Persönlichkeit. Projektstart: Das Programm wird mit Abgabe der Diplomarbeit fertiggestellt sein. Start auf Herbstquartal 05. Fragebogen: Das Ausfüllen dieses Fragebogens dient der Abklärung der Bedürfnisse von Jugendlichen. Die Angaben dienen einer möglichst guten Ausarbeitung des Programmes. Name: ...................................................................................... Vorname: ...................................................................................... Alter: ...................................................................................... Geschlecht: männlich weiblich Persönlicher Bezug zur Jugendarbeit Brügg (Mitwirkung, Teilnahme): __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Weiss genug oder habe mir das Coaching-Programm erklären lassen. Mein erster Eindruck: __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Seite 53 Ich sehe den Sinn hinter dem Programm und komme soweit draus: ja: nein: Ich denke, Jugendliche können in folgenden Bereichen profitieren: __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Am ehesten würden Jugendliche das Angebot für folgende Thematik nutzen: __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Ich vermute, dass hauptsächlich folgende Jugendliche (Alter, Geschlecht, ...) teilnehmen werden: __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Ich könnte mir vorstellen, am Programm teilzunehmen: ja: nein: Wenn „nein“, weshalb nicht? Wenn „ja“, wo siehst du konkrete Hilfestellungen? __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Was müsste anders sein, dass Jugendliche eher darauf ansprechen würden? __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Auf welche Art müsste das Programm den Jugendlichen vorgestellt werden (attraktiver Prospekt, Vorstellen innerhalb Schulklasse, etc)? __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Seite 54 Inwiefern hängt eine mögliche Teilnahme für dich von der Person der Jugendarbeitenden ab? __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Was hälst du von einem Startgespräch mit deinen Eltern, dir und der Jugendarbeit? Oder nur für bestimmte Bereiche? Wenn ja, welche? __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Besten Dank für deine ehrlichen Antworten - Andi Seite 55