Komödie in vier Akten von Erika Kainberger

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Ein Hausfreund
kommt selten allein
Komödie in vier Akten von Erika Kainberger-Kapeller
Cordula und Karl sind ein Ehepaar und schon lange verheiratet. Deshalb
haben sie sich nicht mehr viel zu sagen. Eines Tages klopft ein neuer
Briefträger an die Tür, um Cordula einen eingeschriebenen Brief zu
überreichen. Felix ist nicht nur jung und sehr fesch, sondern auch
charmant und der holden Weiblichkeit nicht abgeneigt. Außerdem taucht ein
früherer Verehrer von Cordula unerwartet auf. Von nun an hat Cordula eine
neue Lebensfreude: Sie genießt die Besuche ihrer neuen „Hausfreunde“. Die
Veränderungen seiner Frau erwecken bei Karl ein Gefühl, das er schon seit
Jahrzehnten nicht mehr spürte: Eifersucht! Er schmiedet zusammen mit
Felix’ Frau Sara einen Plan, wie sie beide ihre Ehen retten könnten: Dabei
geraten die Beiden selbst in eine verfängliche Situation...
Personen: 8 (4m/4w)
Cordula.....frustrierte Hausfrau mit Putzfimmel, Mitte 40
Karl...........ihr Ehemann mit Job-Ängsten, Anfang 50
Bettina......deren fast erwachsene Tochter; gern und oft verliebt, 18
Felix..........charmanter Briefträger; Hausfreund, ca 30
Sara...........seine Ehefrau mit Gesundheits-Tick, Mitte 20
Anna..........Cordulas Freundin und Nachbarin; sucht Liebhaber, ca 40
Leo.............Karls Freund, Frauenheld, Ende 40
Otto............ehemaliger Schulfreund von Cordula, Mitte 40
Bühnenbild: 1 (Wohn-Esszimmer: mit 1 Fenster, 1 Tisch, Sesseln,
1 Sofa, 1 Hausbar; 1 langer Vorhang, hinter dem
sich zwei Personen verstecken können, ohne entdeckt zu
werden, Zugänge (Türen): Eingang, Küche, Schlafzimmer
Spieldauer: ca 120 Minuten
Zeit:
Gegenwart
Alle Rechte bei:
Arnos Theaterladen Verlag für das Amateurtheater
Finsterlohr 46 D-97993 Creglingen
ANSICHTSEXEMPLAR
ANSICHTSEXEMPLAR
Bei Abschluss eines Aufführungsvertrages erhalten Sie lesefreundliche Texthefte
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1. Akt
(Das Wohn-/Esszimmer von Cordula und Karl. Cordula hat ein Tuch um die Haare gebunden
und trägt einen schlampigen Jogginganzug oder eine altmodische Kittelschürze. Sie ist mit
einem Eimer, diversen Putzmitteln und Lappen „bewaffnet“, räumt auf und putzt Möbel,
Bücher usw. mit einer hektischen Inbrunst, als sei es das Letzte, was sie in diesem Leben
erledigen müsse. Dabei schaut sie böse und frustriert drein. Zwischendurch nascht sie immer
wieder von einer Riesentafel Schokolade, die zwischen den Putzlappen verborgen ist, und
nippt heimlich aus einer Likörflasche, die sie zwischen Büchern versteckt hat. Karl lässt sich
davon nicht beirren und beachtet sie nicht. Er sitzt auf dem Sofa und liest. Das Publikum sieht
ihn anfangs nicht, weil er von der großformatigen Zeitung verdeckt wird. Die Beiden
sprechen zwar miteinander, hören sich jedoch nicht wirklich zu und reden anfangs total
aneinander vorbei. Aus dem Radio ertönt der Chanson „Tu t’laisses aller“ – „Du lässt dich
gehen“ von Charles Aznavour.)
1. Szene (Cordula, Karl)
Cordula:(schreit, um die Musik zu übertönen) Dieser Dreck überall macht mich noch
wahnsinnig!
Karl: (blickt nicht von seiner Zeitung auf) Jaja.
Cordula: Jeder lässt hier im Haus alles liegen und stehen!
Karl: (gleichgültig) Jaja.
Cordula: (geht zum CD-Player, um die Musik auszuschalten, und schreit weiter) Sag
mal, hörst du mir eigentlich zu, wenn ich mit dir schimpfe?!?
Karl: (würdigt sie immer noch keines Blickes) Was hast du gesagt? Und warum
schreist du denn so herum?
Cordula: (spricht jetzt in normaler Lautstärke) Da sieht man’s wieder: Ich mache mich für
dich kaputt, um dir einen sauberen und gepflegten Haushalt zu bieten, ich koche dir jeden Tag
mindestens einmal frisches, gesundes Essen, ich rackere mich ab bis zum Umfallen – und DU
findest es nicht einmal der Mühe wert, mir auch nur fünf Minuten zuzuhören!
Karl: (sieht kurz von seiner Zeitung auf) In fünf Minuten bist du fertig, sagst du? Gut. Dann
hätte ich gern was zu essen. Würdest du mich jetzt bitte den Artikel fertig lesen lassen? Der
ist nämlich interessant! (verschwindet wieder hinter der Zeitung)
Cordula: Also, diese Putzmittel sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren:
Sie werden immer teurer und die Qualität immer schlechter! Unglaublich!
Karl: (liest vor) Die Arbeitslosigkeit steigt immer mehr, und das wo die Großkonzerne immer
fettere Gewinne machen – unfassbar!
Cordula: Wie bitte?! Ich werde immer fetter?! Sag mal: Hast du nicht bemerkt, dass ich fünf
Kilo abgespeckt habe? (isst schnell ein Stück Schokolade)
Karl: Ja, genau! Wie die Maden im Speck leben diese Manager, und den kleinen Angestellten
plündern sie das letzte Hemd aus dem Kasten!
Cordula: Du hast Recht: Den Kasten muss ich auch noch putzen! Da liegt der Staub ja schon
fingerdick. Nein, das kann man so nicht lassen!
Karl: Richtig: Das kann man so nicht lassen! Aber was tun? Wir sind diesen Politikern ja auf
Gedeih und Verderb ausgeliefert! Wenn du mich fragst, sind die alle nur noch Marionetten
der Großkonzerne!
Cordula: Was sagst du? Die Marionetten? Aber Karl, seit Bettina nicht mehr mit ihnen spielt,
hab ich so doch schon auf dem Dachboden verstaut. Sind ja nur Staubfänger! (macht heimlich
einen Schluck aus der Likörflasche)
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Karl: (sieht kurz von der Zeitung auf) Cordula! Was redest du da für einen Blödsinn!
Könntest du einmal an etwas anderes denken als an deine dämliche Putzerei?!
Cordula: (versteckt schnell die Flasche) Und könntest du mal etwas anderes tun als immer
nur Zeitung lesen?! - Karl: Wie bitte?! Willst du mir jetzt auch noch das Zeitung Lesen verbieten? Im Übrigen
würde es dir nicht schaden, wenn du auch mal wieder etwas lesen würdest, anstatt dich
ständig als Putzteufel zu betätigen!
Cordula: WIE hast du mich soeben genannt?! – Ach was! Du kannst mich mal ... gern
haben! (putzt weiter)
Karl: (immer noch hinter der Zeitung) Ja, das HATTE ich einmal...
Cordula: Wie bitte?
Die Beiden reden nun wieder aneinander vorbei ...
Karl: Ich sagte: - - - Ich HATTE ... heuer Ärger – in der Firma.
Cordula: (putzt weiter; zu sich) Dämliche Putzerei sagt er. Dabei könnte er mir jeden Tag die
Füße küssen, dass ich ihm kostenlos den Haushalt führe!
Karl: Dieser Typ sägt Tag für Tag mehr an meinem Sessel.
Cordula: Aber den Sessel hab ich doch schon geputzt!
Karl: Dabei ist er doch erst seit einem halben Jahr in der Firma...
Cordula: Aber nein! Nicht vor einem halben Jahr! Erst gestern hab ich ...
Karl: (schaut verärgert von seiner Zeitung auf) Das kommt davon, dass du mir nie richtig
zuhörst! Ich sagte: Mein neuer Kollege will meinen Job haben!
Cordula: (unterbricht kurz ihr Putzen) Aber du bist schon mehr als zwanzig Jahre in dieser
Firma. Das kann dein Chef doch nicht zulassen!
Karl: Da sieht man’s wieder mal: Du hast einfach keine Ahnung vom Leben „da draußen“!
Typisch Hausfrau! (zynisch) Du solltest vielleicht wenigstens ab und zu Zeitung lesen! Dann
wüsstest du, dass heutzutage der Mensch im Job nichts mehr wert ist. Was zählt, sind nur
Bilanzen und Gewinnmaximierung.
Cordula: Aber dein Chef hielt doch immer so große Stücke auf dich und lobte immer deine
Loyalität... Glaubst du, dass er dich raus schmeißt?
Karl: Das ist gut möglich! Seit dieser junge Typ gekommen ist und um fast die Hälfte Gehalt
genauso viel arbeitet wie ich, ist alles anders! Vor allem ist er viel schneller fertig als ich! Die
Jungen lernen heute eben schon im Kindergarten, mit dem Computer umzugehen!
Cordula: Na, dann solltest du halt einen Computerkurs machen.
Karl: Was glaubst du, womit ich abends meine Zeit verbringe?!
Cordula: Keine Ahnung. (pikiert) Ich weiß nur, dass du ständig Überstunden machst – und
ich die Abende allein verbringe! (nascht ein Stückchen Schokolade)
Karl: Ich muss länger arbeiten, damit ich mit meinem Pensum fertig werde! So! Und jetzt
lass mich doch bitte endlich meine Zeitung ungestört zu Ende lesen. Heute ist Sonntag, und
ich habe mir ein bisschen Ruhe verdient, meinst du nicht? (nimmt wieder die Zeitung zur
Hand)
Cordula: DU sprichst von ungestörter Sonntagsruhe? Dass ich nicht lache?! Und WANN
bitteschön habe ich einmal meine Ruhe?! ICH habe immer Alltag! IMMER! (sie putzt
frustriert weiter) Seit achtzehn Jahren schon! Seit Bettina geboren wurde...
2. Szene (Cordula, Karl, Bettina)
(Bettina hat die letzten Worte ihrer Mutter gehört, als sie hereinkommt)
Bettina: Was ist mit mir?
Karl: Nichts.
Bettina: (lacht) Aber Mama! Du musst doch wirklich nicht am Sonntag putzen!
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Cordula: Oh doch, das muss sein! Ich will schließlich nicht im Dreck ersticken, auch wenn
euch das anscheinend völlig egal ist. Denn sonst würdet ihr ja ein bisschen helfen im
Haushalt!
Karl: (hinter der Zeitung) Jaja...
Bettina: Ach, Mama, ich wollte dir nur sagen, dass ich heute noch ausgehe.
Cordula: Aber komm nicht so spät nach Hause; du musst morgen wieder früh aus den
Federn.
Karl: (legt jetzt die Zeitung zur Seite; streng) Wohin gehst du, Bettina?
Bettina: (leicht verärgert) Ihr kennt das Lokal sowieso nicht, es ist neu in der Stadt.
Cordula: (unterbricht ihre Putzorgie) Mit wem triffst du dich?
Bettina: Mit meiner Clique, wie jedes Mal! Außerdem wird Mike auch da sein...
Karl: Mike? Wer ist denn das schon wieder?
Bettina: Er kommt eh mit nach Hause. Ich stelle ihn euch dann morgen vor! Er ist mega-geil!
Cordula: (verschluckt sich an einem Stück Schokolade) WAS ist er???
Bettina: Na ja, er ist ... super-porno!
Karl: WAS muss ich da hören?! Ich will keine Pornos hier im Haus!
Cordula: (mit zynischem Unterton und Seitenblick auf Karl) Ach so? ...
Karl: (zischt zu Cordula) Pscht! Das Kind muss doch nicht ....
Bettina: (lacht) Das „Kind“ ist längst erwachsen und bekommt mehr mit, als ihr glaubt! So,
und nun kriegt euch mal wieder ein! Sagt mal: Wart ihr eigentlich nie jung?
Cordula: Zu meiner Zeit sagte man solche Sachen nicht...
Karl: Also... „geil“ und „porno“ war ich sicher nie... (räuspert sich verlegen)
Bettina: Okay, ihr wart also NIE wirklich jung...
Karl: Hör mal, junge Dame! Ein wildfremder Kerl kommt uns nicht ins Haus – und schon gar
nicht in dein Schlafzimmer, verstanden?!
Bettina: (schnauft verächtlich) Was heißt hier ‚wildfremd’? ICH kenne ihn schließlich, und
zwar schon seit einer Woche. Ihr seid wirklich vorsintflutlich mit eurer Schein-Moral!
Karl: Sag einmal: Wie redest du überhaupt mit uns? So lange du deine Füße...
Bettina: (äfft ihm nach) ... unter meinen Tisch stellst...und so weiter und so fort! Ich kenne
dein Blabla schon in- und auswendig. (verdreht die Augen)
Karl: Ich muss schon bitten!
Cordula: Sag mal, Bettina. Wer ist eigentlich Peter?
Bettina: Mutti! Hast du schon wieder in meinem Tagebuch gelesen!?
Cordula: Na, wenn du immer alles so herum liegen lässt...
Bettina: (wütend) Ich glaub’s einfach nicht! Wie oft hab ich dich schon gebeten, mein
Zimmer in Ruhe zu lassen!
Cordula: Na, ab und zu MUSS ich deinen Saustall schließlich in Ordnung bringen!
Bettina: Nein! Musst du nicht! Kann ich nicht ein bisschen Privatsphäre in diesem Haus
haben?!? (läuft hinaus und knallt die Tür hinter sich zu)
3. Szene (Karl, Cordula)
Cordula: Was hat denn das Kind?
Karl: Na, es ist eben wegen ... ihrem Tagebuch! Das musst du doch wirklich nicht lesen.
DAS hat sie so verärgert.
Cordula: Da haben wir’s wieder: Immer fällst du mir in den Rücken, wenn es um Unser Kind
geht...
Karl: ... das längst schon erwachsen ist!
Cordula: Und außerdem glaub’ ich, dass sie sich wegen DIR so aufgeregt hat!
Karl: Ach was!?
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Cordula: Ja! Immerhin sagst DU immer: „... so lange du deine Füße unter meinen Tisch
stellst...! und so weiter!
Karl: Fängst du jetzt auch noch an, mir nachzuäffen?! Kann man denn nicht mal am Sonntag
ein bisschen Ruhe in diesem Haus haben?! – Weißt du was: Ich gehe zum Frühschoppen!
(knallt die Zeitung auf den Tisch und dann die Tür hinter sich zu)
4. Szene (Cordula, Anna)
Cordula: Lange halte ich das nicht mehr aus! Womit hab ich das bloß verdient? (putzt
wütend weiter) Alles hab ich aufgegeben für meine Familie! Meine Heimat. Meinen Beruf.
Meinen Sprachkurs, meine.... ach, einfach alles! Und was ist der Dank dafür? (zum Publikum)
Sie haben’s ja gerade gesehen!
Anna: (tritt ein) Grüß dich, Cordula! Ich wollte nur mal sehen, wie es dir so geht. Bist du
allein? (geht zu ihr und gibt ihr ein Küsschen auf die Wange)
Cordula: Hallo, Anna! Du kommst gerade zur richtigen Zeit! Mensch, bin ich frustriert! (holt
die Flasche mit dem Aprikosenlikör aus dem Versteck und schenkt sich und Anna ein Glas
ein)
Anna: Danke. Sag mal: Versteckst du immer noch die Flaschen vor deinem Mann?
Cordula: (verschämt) Na ja,.... er mag nicht, wenn ich Alkohol trinke.
Anna: Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht immer das machen sollst, was dein
Mann von dir will!
Cordula: Du hast leicht reden: Immerhin lebst du allein und brauchst auf niemanden
Rücksicht nehmen!
Anna: Ach ja? Und nimmt Karl auf DICH Rücksicht? – (da Cordula keine Antwort gibt...)
Na eben! – Also: Raus mit der Sprache: Was ist los?
Cordula: (zynisch) Meine zwei „netten“ Mitbewohner schmeißen nur noch mit den Türen!
(macht ein entsprechendes Zeichen mit der Hand) Bumm!
Anna: Oje! Das klingt nach dicker Luft!
Cordula: Sag bloß nicht „dick“! Wenn ich das Wort schon höre! Karl hat nicht mal
bemerkt, dass ich fünf Kilo abgenommen habe! (schaut an sich herab)
Anna: Ach, ärgere dich bloß nicht! Das bemerken Männer eh nie! Die schauen uns Frauen
doch kaum noch an, sobald sie mehr als zwei Jahre mit uns verheiratet sind! Dann
interessieren sie nur noch die jungen Girlies in ihren Miniröcken! Was glaubst du, warum ich
mich habe scheiden lassen!?
Cordula: Ja, warum eigentlich?
Anna: Na, wegen so einer ... (abschätzig) “Lolita“!
Cordula: Darüber sollte ich auch mal nachdenken! Ich habe es so satt, immer nur das
Dienstmädchen für meine Familie zu spielen! Und das zum Null-Lohn! (holt die Schokolade
und isst ein Stück) Magst du auch ein Stück?
Anna: Nein, danke. Das hab’ ich nicht mehr nötig, seit Egon aus dem Haus ist. – Weißt du
was: Du solltest dir wieder einen Job suchen und dich auf eigene Füße stellen!
Cordula: Wie stellst du dir das vor? Immerhin bin ich schon seit Bettinas Geburt raus aus
dem Geschäft. Und wer soll mich in meinem Alter noch einstellen?
Anna: Ja, da gebe ich dir Recht: Kinder zu bekommen – und vor allem sich um
sie
Jahre lang zu kümmern – ist wirklich ein ziemliches Risiko für eine Frau, wenn sie wieder
berufstätig sein will!
Cordula: Nein, SO habe ich mir mein Leben wirklich nicht vorgestellt. (sie schenkt sich noch
Likör nach) Trinkst du noch ein Gläschen mit mir?
Anna: (abwehrend) Nein, danke! Sag mal: Seit wann trinkst du schon am Vormittag
Alkohol?
Cordula: Das ist doch kein Alkohol, sondern nur Aprikosenlikör.
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Anna: Na, wenn das SO ist... Warum eigentlich nicht? (sie hält ihr Glas hin)
Cordula: (schenkt ein) Prost!
Anna: Wohl bekomm’s! - - Worauf trinken wir eigentlich?
Cordula: (trocken) Na, sicher nicht auf die Männer. Apropos: Wie geht’s dir eigentlich mit
deinem Hans?
Anna: Der ist Schnee von gestern. Ich bin wieder solo. Und es geht mir ausgezeichnet dabei.
Ich schau in nächster Zeit sicher keinem Kerl mehr zu tief in die Augen! Ich bleibe lieber
Single!
Cordula: Also, so ganz allein zu sein, könnte ich mir nicht vorstellen...
Anna: Ha! Da „verkaufst“ du dich lieber an deinen Mann, bedienst ihn von vorn bis hinten
und bist unglücklich und frustriert dabei!
Cordula: Das klingt ja gerade so, als wolltest du mir meinen Mann madig machen!
Anna: Aber das brauche ich doch gar nicht! Wenn man dich so ansieht ... Ich muss schon
sagen: Die Ehe scheint dir nicht gerade gut zu tun...
Cordula: Naja, irgendwie hast du ja Recht! Ich fühle mich ... wie hundert Jahre alt!
Anna: Na, dann wird es aber höchste Zeit, dass du dein Leben veränderst!
Cordula: DU hast leicht reden: Schließlich hast du keine Kinder und bist frei!
Anna: Bettina ist doch schon so gut wie erwachsen und kann auf eigenen Beinen stehen. Im
Übrigen danken es einem die Kinder sowieso nicht, wenn man sich für sich aufopfert!
Cordula: Ja, da ist schon was dran... (nachdenklich) Hm, vielleicht wäre ich mit Otto
glücklicher geworden...?
Anna: Mit Otto?!? Diesem schrulligen Typ von der Schule???
Cordula: Ja, genau! Du erinnerst dich an ihn?
Anna: (lacht) Otto war wirklich zu komisch! Immer hat er etwas vergessen oder ist über
seine eigenen Beine gestolpert...
Cordula: ... und er war sehr verliebt in mich!
Anna: Du aber nicht in ihn!
Cordula: Na ja, die Anderen haben immer gespöttelt über ihn...
Anna: Und deshalb bist du nicht mit ihm gegangen?
Cordula: Du weißt doch, wie man als Teenager denkt!
Anna: Ja, da zählt die Meinung der Anderen meist mehr als die eigene!
Cordula: Aber Otto hat mir auch nicht gefallen. Als Mann meine ich...
Anna: Dafür war dir Karl umso lieber – ich erinnere mich genau, wie du ihn damals
angehimmelt hast!
Cordula: (seufzt) Ach ja, lang ist her... Hoffentlich ist wenigstens Otto glücklich geworden!
Anna: Hast du nie mehr etwas von ihm gehört?
Cordula: Nein. Du weißt ja, er ist nach Australien ausgewandert.
Anna: Otto bei den „Aussis“! Unvorstellbar! - Du, ich muss jetzt aber gehen. Ich bekomme
noch Besuch. Also dann, bis bald – und einen schönen Tag!
Cordula: Ja, dir auch, Anna!
Anna: (während sie hinaus geht) Und putz’ nicht den ganzen Tag – heute ist Sonntag! (winkt
ihr fröhlich zu)
Cordula: Ja, das hab ich heute schon mal gehört. - - Leben verändern... - - Undankbare
Kinder... - - verkauft an meinen Mann?!? (sie nimmt die Likörflasche und die restliche Tafel
Schokolade mit und geht seufzend hinaus)
5. Szene (Bettina, Karl)
(die Bühne bleibt einen Augenblick leer, dann kommt Bettina herein, die gerade am Handy
telefoniert)
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Bettina: Klar komm ich heute Abend ins „Mega“... Ja, und die Anderen von der Clique auch.
- - Ja, Schatzi! Natürlich kommst du dann mit mir nach Hause! Kein Problem! Nein, meine
Eltern haben nichts dagegen. Außerdem frag’ ich die gar nicht! Ciao, bis später!
(Karl kommt während des letzten Satzes herein)
Karl: Bettina! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht ständig mit dem Handy
telefonieren sollst! Das ist nicht gut für die Gesundheit und kann sogar Krebs erregend sein!
Bettina: (zynisch) Ach, soll ich lieber das Festnetz benutzen?
Karl: Bloß nicht! Denk an die letzte Telefonrechnung! Hast du schon überlegt, wie du die
bezahlen willst?
Bettina: (unschuldig) Nein. Wozu auch? Wofür hat man schließlich Eltern...?
Karl: So geht das nicht weiter, junge Dame...!
Bettina: (gleichzeitig)
Karl: (gleichzeitig) So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst ...
Bettina: Vati, bitte! Diesen Spruch kann ich jetzt wirklich schon nicht mehr hören!
Karl: Und ICH kann deine ständigen Klingeltöne nicht mehr hören! Deine „Telefonitis“ ist ja
schon die reinste Sucht!
Bettina: Glaubst du nicht, dass du jetzt ein bisschen übertreibst?
Karl: Und im Übrigen warnt eine neue EU-Studie vor dem Telefonieren mit dem Handy,
weißt du das überhaupt? Die Strahlen können sogar unfruchtbar machen!
Bettina: Ich will sowieso keine Kinder!
Karl: Deine Ignoranz ist einfach unfassbar! Und DAFÜR habe ich mich achtzehn Jahre lang
abgerackert.
Bettina: Ich hab dich nicht darum gebeten! (sie zieht demonstrativ ihr Handy hervor und
wählt) Hallo? Leo? Ja, ich bin’s! Sehen wir uns später im „Mega“? Du, da wird heute Nacht
die Hölle los sein. - - Ja, diese coole Band spielt wieder... (während des letzten Satzes geht sie
hinaus und wirft ihrem Vater noch eine Kusshand zu)
6. Szene (Karl, Leo)
Karl: Womit hab ich bloß so eine freche Göre verdient?! - - Womit hab ich überhaupt
diese schreckliche Familie verdient? - Eines ist sicher: Lange halte ich das nicht mehr aus!
Irgend etwas muss sich ändern... (es klopft an der Tür) Herein!
Leo: (tritt ein, ist schon ein bisschen beschwipst, hat eine Bierflasche in der Hand) Na, alter
Freund! Da bist du ja! Ich dachte, wir treffen uns beim Frühschoppen? Prost!
Karl: Ich wollte ja kommen, Leo aber...
Leo: (kichert) Hat dich deine Alte wieder mal nicht gehen lassen?
Karl: Ach was! Die frag’ ich doch gar nicht! Überhaupt kannst du da nicht mitreden, warst
schließlich nie verheiratet...
Leo: Zum Glück! Ich wusste schon, warum ich immer rechtzeitig die Flucht ergriffen habe!
Und deshalb konnte ich immer tun und lassen, was ich wollte und war nie einer Frau
Rechenschaft schuldig!
Karl: Manchmal hab ich dich schon beneidet in all den Jahren...
Leo: Es ist nie zu spät! Zieh’ doch endlich deine Konsequenzen und komm wieder zurück in
die Freiheit! Dann hauen wir gemeinsam auf den Putz und ziehen wieder die ganze Nacht um
die Häuser, wie in alten Zeiten! (klopft ihm jovial auf die Schulter) Na, was hältst du davon?
Karl: Ich weiß nicht so recht... Das kann ich Cordula doch nicht antun!
Leo: Hast du nicht gesagt, dass ihr in letzter Zeit nur noch streitet?
Karl: Na ja, schon... aber ich glaube, das würde ich irgendwie sogar vermissen! Ich hab mich
schon richtig daran gewöhnt.
Leo: Aber was redest du denn da? Blödsinn! Mach’s doch wie ich.
Karl: Ach, du meinst, ich soll mir jeden Monat eine andere Freundin zulegen?
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Leo: Ich sag dir: Das ist nicht das Schlechteste! Bevor eine Frau zu fordernd oder langweilig
wird – mach’ ich Schluss mit ihr! (lacht) Prost!
Karl: Fühlst du dich denn nie einsam?
Leo: Einsam? (lacht) Ich weiß gar nicht, was dieses Wort bedeutet! (schüttelt die leere
Bierflasche) Hast du noch ein Bier für mich?
Karl: Klar. Warte, ich hol dir eines aus der Küche. (geht hinaus)
7. Szene (Leo, Cordula)
Leo: (zu sich; frustriert) Wieso sollte ausgerechnet ich einsam sein? (betrachtet die leere
Flasche in seiner Hand und spricht zu dieser) Na ja, ... allerdings fühle ich mich manchmal
genau so leer ... wie du es jetzt bist!
Cordula: (kommt herein; unfreundlich) Ach, du bist da, Leo! Ich dachte, ihr würdet euch
beim Frühschoppen treffen?
Leo: Das dachte ich auch. Aber weil Karl nicht gekommen ist, bin ich jetzt eben da, um ihn
abzuholen.
Cordula: Wo ist Karl denn?
Leo: Er ist in die Küche gegangen, um Bier zu holen.
Cordula: (spöttisch) Meinst du nicht, dass du heute schon genug hast?
Leo: (gereizt) Ich wüsste nicht, was DICH das angeht!
Cordula: So lange du in meiner Wohnung bist, geht mich das sehr wohl was an!
Leo: (zynisch) Ach, ich dachte, das wäre auch Karls Haus?
Cordula: (schaut prüfend zur Küche, ob Karl herein kommt) Bilde dir bloß nicht ein, dass du
SO mit mir reden kannst, weil wir mal was miteinander hatten! Das war nur ein Ausrutscher!
Leo: (wird plötzlich sentimental) Warum bloß hast du damals nicht mich genommen, sondern
Karl? (er versucht sie zu umarmen)
Cordula: (wehrt ihm ab, schaut nervös zur Küchentür) Aber Leo! Fang’ doch nicht wieder
mit der alten Geschichte an! Das ist doch schon Ewigkeiten her! Und außerdem: Wenn Karl
uns sieht...
Leo: Was sind schon zwanzig Jahre, wenn man die Liebe seines Lebens verloren hat...
Cordula: Jetzt übertreibst du aber, Leo!
Leo: Die Wahrheit ist, dass ich immer nur dich geliebt habe in all den Jahren...
Cordula: (zynisch) Ach, wirklich? Deshalb wechselst du wohl auch deine Freundinnen wie
andere die Unterhosen, was?
Leo: Wegen dir hab ich es nie länger als ein paar Wochen mit einer Frau ausgehalten ...
(fummelt ein bisschen an ihr herum)
Cordula: (klopft ihm auf die Finger) Oder sie mit dir!
Leo: Och, Cordula, ... sei doch nicht so streng mit mir! (versucht sie zu küssen)
7. Szene (Leo, Cordula, Karl)
(Karl kommt wieder herein; Cordula erschrickt und macht sich schnell von Leo los)
Cordula: Ah!
Karl: (zynisch zu Cordula) Na, fängst du schon wieder mit dem Schreien an?! (zu Leo) Leider
haben wir kein Bier mehr im Haus, Leo! Ich hab sogar noch im Keller nachgeschaut...
Leo: Kein Problem, Karl! Gehen wir eben doch noch zum Frühschoppen! (schaut nervös zu
Cordula)
Karl: Alles klar! (zu Cordula; kühl) Also dann...
Cordula: Um zwölf Uhr essen wir.
Karl: Warte nicht auf mich!
Cordula: (spitz) Was ist mit dir, Leo? Willst DU vielleicht zum Essen kommen?
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(Leo und Karl schauen sich fragend an)
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2. Akt
(Am nächsten Morgen. Die Familie sitzt am Frühstückstisch: Cordula im Morgenmantel, mit
Lockenwickler im Haar, Vater und Tochter sind angezogen; es herrscht allgemeine Hektik.)
1. Szene (Cordula. Karl, Bettina)
Cordula: Kind, du hast schon wieder nichts gegessen!
Bettina: Erstens bin ich kein Kind mehr, und zweitens weißt du ganz genau, das ich morgens
NIE was runter bringe! (sie trinkt schnell noch einen Schluck Kaffee aus ihrer Tasse,
währenddessen steht sie auf und sucht ihre Tasche)
Karl: (wie üblich hinter seiner Zeitung) Könntest du Bettina nicht einmal in Ruhe lassen!?
Du bist aber auch wirklich eine Nervensäge, Cordula!
Cordula: (beleidigt) Und musst DU mir ständig in den Rücken fallen, Karl?!
Bettina: (sie nimmt ihr Handy und wählt) Ja, ich komm gleich. Wir treffen uns unten an der
Haltestelle! (legt auf) Also, eure ewige Streiterei halte ich bald nicht mehr aus!
Karl: Bitteschön! Du kannst ja ausziehen! Immerhin verdienst du schon dein eigenes Geld!
Cordula: Karl! Ich werde es nicht zulassen, dass du unsere Tochter hinaus wirfst!
Bettina: Also dann: Fröhliches Streiten allerseits! Ciao! (sie geht ab)
2. Szene ( Cordula, Karl)
Cordula: Da siehst du, was du angerichtet hast! (nimmt ihm verärgert die Zeitung weg und
knallt sie auf den Tisch)
Karl: Wieso ich??? DU hast sie schließlich verzogen!
Cordula: Ich glaub ich hör wohl nicht richtig! Du bist ein Macho, wie er im Buch steht!
Karl: (sieht auf die Uhr, rollt die Zeitung zusammen, die er mit nehmen will) Bitte, Cordula!
Keine untergriffigen Beleidigungen! Also: Dann werde ich mich mal auf den Weg machen.
Warte nicht mit dem Abendessen auf mich; ich weiß nicht genau, wann ich mit meiner Arbeit
fertig werde und heim komme.
Cordula: Zahlt dein Chef wenigstens die Überstunden?
Karl: (leicht verächtlich) Träum’ weiter, meine Liebe!
Cordula: Lass mir die Zeitung da!
Karl: Wie bitte? Seit wann liest du Zeitung?
Cordula: (pikiert) Ich fange heute damit an! Und DU solltest im Büro sowieso nicht Zeitung
lesen – vielleicht würdest du dann mal früher mit der Arbeit fertig werden!
(Karl wirft ihr einen bösen Blick zu, wirft ihr die Zeitung hin und verlässt grußlos den Raum)
3. Szene (Cordula, Felix)
Cordula: Vielleicht hat Anna ja doch Recht und es lebt sich besser und glücklicher OHNE
Mann? (schlägt die Zeitung auf und liest laut) „Die durchschnittliche Scheidungsrate im
ländlichen Raum beträgt mittlerweile 41 %, in größeren Städten liegt sie bereits bei rund
53%.“ Na, wer sagt’s denn? Und vielleicht wird die Rate bald erhöht – von MIR!
(es klingelt an der Tür, sie geht hin und öffnet; Felix tritt ein)
Felix: Guten Morgen! Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Felix Prall.
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Ich bin der neue Briefträger! Ich habe einen eingeschriebenen Brief für Sie. Sie sind doch
Frau Mai, oder?
Cordula: (angenehm überrascht) Ja, das bin ich... ähm... entschuldigen Sie bitte, dass ich
noch nicht angezogen bin, aber... (sie zupft an ihren Haaren, löst einige Lockenwickler, zieht
den Bindegürtel an ihrem Morgenmantel etwas fester zu und lächelt nervös)
Felix: Das macht doch nichts, Frau Mai. Als Briefträger ist man solche Anblicke gewohnt.
Cordula: (unsicher) Ach, ja?
Felix: Würden Sie bitte hier unterschreiben? (reicht ihr ein Formular und einen
Kugelschreiber und zeigt auf die Stelle)
Cordula: Ja, natürlich. Wo? Hier? (sie kommt näher, dabei berühren sich ihre Hände;
Cordula unterschreibt, lässt den Kuli nicht los und schaut Felix groß an)
Felix: (freundlich) Sonst ist heute für Sie nichts dabei, Frau Mai! Dürfte ich meinen
Kugelschreiber bitte wieder zurück haben?
Cordula: (fasst sich wieder) Ach ja, natürlich! Und entschuldigen Sie bitte dass ich Sie im
Morgenmantel empfange! Wenn Sie das nächste Mal kommen, ziehe ich mich vorher aus ....
ähm, ich wollte natürlich sagen: AN!
Felix: Aber ich bitte Sie! Das macht doch nichts. Sie sind doch ein hübscher Anblick.
Außerdem bin ich da ganz andere Sachen gewöhnt...
Cordula: Ach wirklich? Welche denn zum Beispiel?
Felix : Na ja, ... zum Beispiel beißende Hunde, fauchende Katzen... Aber ich will Sie wirklich
nicht weiter belästigen, Frau Mai!
Cordula: Aber von Belästigung kann doch gar keine Rede sein! – Hätten Sie vielleicht Lust,
eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken? – Ähm, ich meine, ich habe früher gerade frischen
gemacht, und es ist noch welcher da...
Felix: Ja, warum eigentlich nicht? Ich bin sowieso schon seit Stunden unterwegs, und eine
kleine Pause könnte nicht schaden!
Cordula: Bitte, setzen Sie sich doch, ich bringe Ihnen eine Tasse! (sie nimmt die zwei Tassen
von Karl und Bettina mit und geht in die Küche)
Felix: Na, das ist aber ein netter Empfang! Hoffentlich sind die anderen Leute in diesem
Bezirk auch so freundlich... (er sieht sich eine Zeitlang im Zimmer um) ... und hoffentlich
haben sie keine Katzen oder Hunde!
Cordula: (kommt mit einer neuen Tasse zurück, die sie Felix gibt; in der anderen Hand hält
sie eine Kaffee-/Thermoskanne) Ich freue mich, dass Sie mir ein bisschen Gesellschaft leisten,
Felix. Ich darf doch Felix zu Ihnen sagen? (sie schenkt ihm ein)
Felix: Warum eigentlich nicht? Wenn man sich sympathisch ist, sollte man sich unbedingt
beim Vornamen nennen!
Cordula: Ich heiße Cordula. – Wollen wir uns nicht setzen?
Felix: Danke!
(sie setzen sich gemeinsam hin, berühren sich unabsichtlich, was sie beide sichtlich ein
bisschen nervös macht)
Cordula: Milch? Zucker?
Felix: Nein danke, ich trinke meinen Kaffee lieber schwarz.
Cordula: Felix ... was für ein schöner Name. Wissen Sie eigentlich, dass „Felix“ „der
Glückliche“ heißt?
Felix: Ach ja? Nein. Wusste ich nicht. Und trifft auch nicht zu. Aber ich weiß, dass „Cordula“
so viel bedeutet wie „Herzchen“ – wussten SIE das?
Cordula: (entzückt) Nein! Was Sie nicht sagen?
Felix: Ja, und ich finde, der Name passt ausgezeichnet zu Ihnen!
Cordula: (kramt die restliche Tafel Schokolade hervor und bietet Felix ein Stück an) Was ist
denn mit Ihrem Vorgänger passiert? Ich meine, der frühere Briefträger war doch noch nicht
alt genug für die Rente...?
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Felix: Nein, ich glaube nicht, dass er schon pensioniert wurde. Die Zentrale hat etliche
Postämter zusammen gelegt, einige geschlossen. Vielleicht wurde er versetzt... keine Ahnung!
Man hat uns nicht informiert.
Cordula: Sagen Sie, Felix: Sind Sie eigentlich verheiratet?
Felix: Wie bitte?
Cordula: Oh, entschuldigen Sie! Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.
Felix: Aber das tun Sie doch nicht!
Cordula: Also? Sind Sie’s?
Felix: Ach, Herzchen – ich meine Cordula – erinnern Sie mich bloß nicht daran!
Cordula: Warum denn? Ist Ihre Frau denn so schrecklich?
Felix: Naja, ‚schrecklich’ kann man sie nicht nennen.
Cordula: Was bedrückt Sie dann? (rückt näher an ihn heran und schaut ihn groß an)
Felix: (seufzend) Im Vertrauen gesagt: Meine Frau hat nur ihre Karriere im Kopf! Und ihr
Fitnesswahn kann auch nicht mehr als gesund bezeichnet werden!
Cordula: Wie meinen Sie das?
Felix: Schauen Sie, Sara arbeitet in einem Immobilienbüro. Ständig ist sie unterwegs, um
irgendwelchen Leuten irgendwelche Häuser, Grundstücke oder Wohnungen zu zeigen.. Nie
weiß ich genau, wann sie nach Hause kommt... IRGENDWANN kommt sie dann doch... Oder
auch nicht.
Cordula: (seufzt) Ich verstehe Sie nur zu gut...
Felix : Was nützt mir mein geregelter Job mit geregelten Arbeitszeiten und geregeltem
Einkommen, wenn ich dann doch die meiste Zeit allein zu Hause herum sitze und auf
Warteposition bin! Das jedoch REGELMÄSSIG!
Cordula: Ach, Sie Ärmster! Wie lange sind Sie denn schon verheiratet?
Felix: Knapp drei Jahre!
Cordula: Oh. So kurz und schon so frustriert! (nimmt ein Stück Schokolade und gibt Felix
auch eines) Das hilft! Da sind Glückshormone drin!
Felix: Danke! (er isst automatisch die Schokolade) Frustriert! Ja, das kann mal wohl sagen!
Aber das Beste kommt erst: Wenn Sara dann endlich fertig ist mit ihrer Arbeit und frei hat, ist
sie auch so gut wie nie zu Hause. Ihre Freizeit verbringt sie im Fitness-Center!
Cordula: Aber ein Hobby ist doch etwas Schönes, und turnen ist immerhin gut für die
Figur... (sieht an sich herab und räumt schnell die Schokolade weg)
Felix: Wenn’s um ein bisschen ‚turnen’ ginge: DAS könnte sie auch daheim machen! Aber
nein, Sara muss ja unbedingt raus aus der Bude, weil ihr angeblich zu Hause die Decke auf
den Kopf fällt! Sagt sie.
Cordula: Die Decke auf den Kopf? Ja, DAS wiederum kann ich gut nachvollziehen. Mir geht
es ja auch oft so! Abgesehen davon ist aber ein bisschen Gymnastik sehr gesund, finden Sie
nicht, Felix?
Felix: Ja, „ein bisschen“ ließe ich mir ja noch einreden. Aber Sara übertreibt es, wenn Sie
mich fragen. Es kann doch nicht gesund sein, wenn man tagtäglich praktisch jede freie Minute
mit Herumturnen, Tanzen, Laufen und Krafttraining verbringt! Und im Winter geht sie Ski
fahren und Eis laufen.
Cordula: Oh! Ja, wenn man es SO betrachtet...
Felix: Dazu kommt, dass Sara Vegetarierin ist und sich fast nur noch aus Körnern und ein
paar Salatblättern ernährt!
Cordula: Brrr! Das klingt ja grauslich, da könnte einem doch glatt der Appettit vergehen.
Felix: Sie sagen es! MIR ist jedenfalls schon der Appetit auf alles Mögliche vergangen bei
Sara!
Cordula: Ach, Sie Ärmster! (sie tätschelt seine Hand)
Felix: Und dabei wollten wir eine kleine Familie gründen, Kinder haben, mindestens zwei!
Und jetzt will Sara nicht mal mehr eins!
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Cordula: Ich bin schon seit zwanzig Jahren verheiratet, und meine Tochter wird demnächst
volljährig.
Felix: Ach wirklich? Sie haben schon so eine große Tochter? Also, ich muss schon sagen: Sie
haben sich gut gehalten. Ich hätte Sie auf höchstens Mitte dreißig geschätzt!
Cordula: (geschmeichelt) Jetzt übertreiben Sie aber...
Felix: Nein, nein, das ist keine Schmeichelei. Das meine ich schon so. Aber Sagen Sie,
Cordula .... was für ein hübscher Name übrigens! ... Sagen Sie: Sind SIE eigentlich glücklich
in Ihrer Ehe?
Cordula: (seufzt) Nun, da Sie so offen zu mir waren, kann ich Ihnen auch mein Herz
ausschütten: Ehrlich gesagt, nein!
Felix: Oh, das tut mir aber Leid. (jetzt streichelt er ihre Hand) Warum, wenn ich fragen darf?
Cordula: Nun ja, eigentlich haben wir uns nicht mehr viel zu sagen, und wir haben gar keine
gemeinsamen Interessen – abgesehen von unserer Tochter Bettina natürlich. Aber mit ihr gibt
es auch genug Probleme – mir scheint, sie kommt aus der Pubertät überhaupt nicht mehr
heraus!
(während des letzten Satzes kommt Anna herein ohne anzuklopfen; sie hält ein leeres
Küchengefäß in der Hand)
4. Szene (Cordula, Felix, Anna)
Anna: Ach, Cordula, könntest du mir wohl ein bisschen Zucker borgen? (sie erblickt Felix;
erstaunt) Oh, du hast Besuch?
Cordula: (peinlich berührt) Darf ich vorstellen: Das ist Herr Prall, unser neuer Briefträger!
Meine Nachbarin und Freundin Anna Strack.
Felix: Guten Tag! (er schüttelt ihr die Hand)
Anna: (süffisant) Cordula! Seit wann empfängst du den Briefträger im Negligee?
Cordula: (nervös) Aber von „empfangen“ kann doch gar keine Rede sein, nicht wahr, Felix?
Felix: (schüchtern; versteht nicht ganz) Nein... (??)
Anna: Oh, ihr nennt euch schon beim Vornamen? Seit wann tragen Sie eigentlich bei uns aus,
Herr Prall? Ich habe Sie noch nie gesehen hier...
Felix: Seit heute.
Anna: Ach? Erst seit heute? Und da seid ihr schon so ... intim?
Cordula: (peinlich berührt) Aber Anna! Ich bitte dich! Davon kann doch noch keine Rede
sein! ... ähm, ich meine, ... ich wollte sagen ....
Anna: (lacht) Hab’s schon kapiert! (sie setzt sich) Ach, Cordula... hast du für mich auch ein
Schlückchen Kaffee?
Cordula: (unwillig) Natürlich. Warte, ich hole dir eine Tasse. (geht in die Küche)
5. Szene (Felix, Anna)
Anna: (flirtet mit Felix) Wie war noch Ihr Name?
Felix: Prall.
Anna: (schaut wohlwollend an ihm runter) So, so! Wie sagt man so schön: ‚Nomen est
omen’. Und Ihr Vorname?
Felix: Felix.
Anna: Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie ‚Felix’ nenne, Felix? (sie rückt näher an ihn
heran)
Felix: (rückt ein bisschen zur Seite) Nein.
Anna: Sie müssen wissen: Ich LIEBE Ihren Namen!
Felix: (trocken) Er bedeutet ‚der Glückliche’.
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Anna: Sie sind auch wirklich ein Glückspilz, denn morgen kommen Sie zu MIR Kaffee
trinken!
Felix: Ach so?
Anna: (rückt wieder an ihn heran) Aber ja! Ich habe morgens Zeit, ... viel Zeit, müssen Sie
wissen! Ach, übrigens bedeutet Anna ‚die Lieb-Reizende’.
Felix: (steif) Oh! Interessant. Müssen Sie nicht zur Arbeit?
Anna: Ich habe ... (sehr betont) Gleit-Zeit!
Felix: Schön für Sie! Aber wahrscheinlich werden wir uns nicht sehen – zum Kaffee – denn
ich komme nur, wenn Sie ... etwas unterschreiben müssen!
Anna: (lacht) Na, wenn’s weiter nichts ist! Dann lass’ ich mir eben was zum Unterschreiben
schicken!
6. Szene (Cordula, Felix, Anna)
Cordula: (kommt jetzt angezogen und frisiert mit einer Tasse zurück, schenkt Anna Kaffee
ein) Na, habt ihr euch schon bekannt gemacht?
Anna: Ja, Ich weiß schon, wie er heißt: „Felix, der Glückliche“. (zu Felix) Sie dürfen mich
natürlich auch beim Vornamen nennen.
Felix: Jetzt muss ich mich aber wirklich auf den Weg machen. Auf Wiedersehen! (geht
hinaus; sein Handy lässt er liegen)
Cordula: (gleichzeitig) Bis morgen!
Anna: (gleichzeitig) Bis morgen!
7. Szene (Anna, Cordula)
Anna: Wow! Das ist aber ein toller Mann! Wie hast du es eigentlich geschafft, ihn zum
Kaffeekränzchen zu überreden?
Cordula: Ich habe ihn überhaupt nicht ‚überredet’. Es hat sich einfach so ergeben. Aber du
hast Recht: Felix ist sehr nett!
Anna: Und fesch noch dazu. Er hätte genau das richtige Alter für mich.
Cordula: Aber geh... glaubst du nicht, dass du ein bisschen zu alt für ihn bist?
Anna: Ganz sicher nicht! Weißt du denn nicht, dass die beste Beziehung die einer reiferen,
erfahrenen Frau zu einem jüngeren Geliebten ist?
Cordula: Mir scheint, du suchst einen ‚Jungbrunnen’?
Anna: Wie man’s nimmt! Glaubst du, dass er vergeben ist?
Cordula: Ja, er ist verheiratet, und zwar seit drei Jahren! Seine Frau heißt Sara.
Anna: Was DU schon alles weißt über ihn...
Cordula: Es hat sich so ergeben...
Anna: Na, wer weiß, was sich da bei mir noch so alles ‚ergeben’ wird???
Cordula: Ach ja? Hast du mir nicht vor kurzem gesagt, dass du genug hast von den
Männern?
Cordula: Man wird doch noch ein bisschen gustieren dürfen! – Darf ich mir ein bisschen
Zucker aus der Küche holen? Ich weiß eh, wo er ist (geht ab)
8. Szene (Cordula, Otto)
Cordula: Also, ich weiß nicht... irgend etwas gefällt mir in letzter Zeit gar nicht an Anna!
Vielleicht ist sie doch einsamer, als sie zugibt? (es läutet an der Tür) Nanu! Wer mag das
wohl wieder sein? (sie öffnet und erschrickt)
Otto: (tritt ein) Grüß dich, Cordula! (küsst ihr die Hand)
Cordula: (erstaunt) Was um alles in der Welt machst DU denn da?
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Otto: Oh, begrüßt man SO einen alten Freund?
Cordula: Entschuldige bitte, aber ich kann’s gar nicht fassen dich zu sehen! Wie lange ist das
nun her...?
Otto: Elf Jahre! Wir sahen uns beim letzten Klassentreffen.
Cordula: Ja, genau! Dass du dich so genau daran erinnerst...
Otto: Ich erinnere mich an ALLES was dich betrifft!
Cordula: Nun sag schon, Otto: Seit wann bist du da? Ich meine, Australien liegt ja nicht
gerade um die Ecke....
Otto: Ich mache Urlaub in der alten Heimat und da wollte ich dich unbedingt wieder sehen!
Wie geht es dir?
Cordula: Ach, das ist eine lange Geschichte...
Otto: ... die du mir unbedingt erzählen musst!
Cordula: Es tut mir leid, aber ich muss zum Arzt. Weißt du was? Treffen wir uns doch am
Nachmittag! Kann ich dich anrufen?
Otto: (gibt ihr seine Visitenkarte) Gern! Ich habe mich in der ‚Goldenen Gans’ einquartiert.
Ich freu mich schon auf deinen Anruf! Also dann... Bis bald!
Cordula: Tschüss, Otto!
(Otto wirft ihr eine Kusshand zu und geht hinaus)
Cordula: (lachend zu sich) Das gibt’s doch gar nicht! Otto – aus Australien.... ich bin ja
wirklich schon gespannt, was er mir erzählen wird...
8. Szene (Cordula, Anna)
Anna: (kommt aus der Küche, mit der gefüllten Dose und einem Päckchen Kaffee) Du, ich
borge mir auch ein bisschen Kaffee aus. Du hast doch nichts dagegen?
Cordula: Nein, natürlich nicht!
Anna: Den brauch’ ich morgen – für Felix!
Cordula: Ach ja? Und du meinst, dass er kommt? Ich meine... zu dir in die Wohnung?
Anna: Aber ja! Ich schicke mir einfach selbst ein Paket, dann muss ich unterschreiben, und
dann ...
Cordula: (etwas unwirsch) Ja, ja, ich verstehe schon! – Rate mal, wer vorhin da war!
Anna: Du weißt doch, dass ich keine Ratespiele mag. Also: Spuck’s schon aus!
Cordula: Otto!
Anna: Was?!? Du meinst, .... Otto, unser schrulliger Schulkollege von damals?
Cordula: Genau! Aber er ist gar nicht mehr so schrullig. Im Gegenteil: Er ist ein fescher,
eleganter Mann geworden!
Anna: Das gibt’s doch gar nicht! Und was machen seine Schafe in Australien? Er hat doch
eine Schafzucht aufgebaut, wenn ich mich recht erinnere...
Cordula: Das weiß ich alles noch nicht so genau. Wir treffen uns später.
Anna: (eifersüchtig) Du wirst ja ganz schön umschwärmt zur Zeit... Was wird dein Karl dazu
sagen, dass du ein Rendezvous mit deinem ehemaligen Verehrer hast?
Cordula: Karl ist eh so selten zu Hause. Er muss es ja nicht erfahren, dass ich mich mit ihm
treffe!
Anna: (lauernd) Nein, muss er nicht...
Cordula: Wenn er fragt, sag ich ihm einfach, mein Arzttermin hat länger gedauert.
Anna: Ich staune: Du entwickelst ja ganz kreative Ideen!
Cordula: Genau! Und deshalb werde ich meinen Besuch beim Arzt verschieben...
Anna: ... um WAS zu machen?
Cordula: Sag, hast du vielleicht Lust, mit mir einen Stadtbummel zu machen? Ich war schon
ewig lange nicht mehr beim Frisör – und ein Besuch bei der Kosmetikerin könnte mir auch
nicht schaden – was meinst du?
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Anna: Schau an, was ein fescher, junger Mann und ein interessanter, älterer Mann alles
bewirken können! ‚Alles neu ... für die Mai’!
Cordula: (lacht) Ja, klingt gut!
Anna: Musst du nicht putzen und kochen?
Cordula: Erstens läuft mir der Haushalt schon nicht davon! Zweitens kommen Karl und
Bettina sowieso erst am Abend nach Hause ! Und drittens: Warum sollte ich mich zu meinem
eigenen Sklaven machen?
Anna: Also, so kenne ich dich ja gar nicht... Hast du vielleicht eine Midlife-Krise?
Cordula: Kann schon sein! Aber wer weiß ... vielleicht haben wir die alle mal?
(es klingelt an der Tür, Anna geht hin, um zu öffnen)
10. Szene (Cordula, Anna, Felix)
Felix: Entschuldigen Sie bitte die Störung! Ich wollte...
Anna: (erfreut) Aber wie kommen Sie denn drauf, dass Sie stören könnten?
Felix: Ich wollte nur fragen, ob ich vielleicht mein Handy hier habe liegen lassen...
Cordula: Na, dann wollen wir mal nachschauen... ja, richtig! Hier liegt ein Handy – ist das
vielleicht Ihres, Felix? (gibt es ihm)
Felix: Ja, vielen Dank! Ja, dann...
Cordula: (gleichzeitig) Jaaaa??
Anna: (gleichzeitig) Jaaaa??
Felix: Also dann – bis morgen. (er will gehen, macht ein paar Schritte)
Anna: Und vergessen Sie nicht: Morgen gibt’s bei MIR Kaffee!
Felix: (räuspert sich verlegen) Danke! (er will gehen, macht ein paar Schritte)
Cordula: Ach, das habe ich jetzt doch glatt vergessen! (geht zur Hausbar,holt den
Aprikosenlikör und drei Gläser) Wir haben noch gar nicht Ihren Einstand als neuer
Briefträger gefeiert, Felix!
Felix: Wie bitte?
Anna: Das ist in unserer Siedlung so üblich, dass ...
Cordula: ... dass mit jedem neuen Briefträger ein kleiner Umtrunk stattfindet!
Anna: Genau! Das ist bei uns immer so!
Felix: Also, DAS ist mir noch nie passiert!
Anna: Und bei der Gelegenheit könnten wir auch gleich Bruderschaft trinken...
Cordula: Also dann: Zum Wohl allerseits und alles Gute, Felix!
(Cordula, Anna und Felix prosten sich zu, dann geben ihm die zwei Damen gleichzeitig einen
Kuss auf die Wange)
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3. Akt
(Einige Tage später, an einem Abend. Bettina liegt auf dem Sofa und telefoniert; mitten im
Raum steht ein Wäschekorb mit ungebügelter Wäsche)
1. Szene (Bettina, Karl)
Bettina: Ja, Bernd! - - Nein, Bernd! Aber das ist doch wirklich kein Problem. Du kommst
später einfach hierher und .... nein, meine Eltern haben nichts dagegen. Das ist schließlich
MEIN Leben und geht sie nichts an!
Karl: (zynisch) Oh, das Fräulein Tochter! Ich hoffe, ich störe nicht?
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Bettina: Nein, nein, Paps! Komm nur herein. Ich telefoniere gerade mit Bernd. (in den
Hörer) Bist du noch dran, Schatzi?
Karl: Wer bitteschön ist Bernd? Den Namen hast du noch nie erwähnt...
Bettina: Na klar. Ich kenne ihn doch erst seit vorgestern. – (in den Hörer)
Was sagst du, Schatzi?
Karl: Ach so? Erst seit vorgestern? Und da sagst du schon ‚Schatzi’ zu ihm?! Und was ist
nun mit diesem ... Mike oder Peter oder wie hieß er noch?
Bettina: Ach, hab dich doch nicht so! (in den Hörer) Nein, nicht DU!
Karl: So, jetzt reichts’s mir aber! Könntest du dich wohl dafür entscheiden, mit WEM von
uns beiden du jetzt sprechen willst?!
Bettina: Mit Bernd natürlich. Was hätten wir zwei schon zu besprechen?
Karl: Na, zum Beispiel wie es dir in deiner Probezeit geht und ob dein Job verlängert wird...
Bettina: Warte, Bernd! Ich gehe ins andere Zimmer – mein Vater unterbricht uns andauernd.
(sie steht auf und will hinaus gehen, das Handy weiter ans Ohr haltend)
Karl: Einen Moment noch, junge Dame! (nimmt ihr das Handy aus der Hand, sagt zu Bernd)
Meine Tochter hat jetzt für Sie keine Zeit! (legt auf)
Bettina: Was soll das?!
Karl: Weißt du, wo deine Mutter ist? Sie war heute nicht daheim, als ich von der Arbeit kam.
Zum ersten Mal übrigens.
Bettina: Keine Ahnung, wo sie ist. Ich bin schließlich nicht ihr Babysitter!
Karl: Sei bloß nicht so frech! So lange du...
Bettina: (unterbricht ihn) Hatten wir das nicht schon?
Karl: Jetzt reicht’s aber!
Bettina: Ganz meine Meinung! Kann ich jetzt mein Handy wieder haben?!
(Karl gibt ihr nachdenklich das Handy zurück; Bettina geht, während sie wählt, hinaus)
2. Szene (Karl, Anna)
Karl: Ich glaub’s einfach nicht! Sie hat heute weder gekocht noch gebügelt! (er zieht ein
Hemd aus dem Wäschekorb) Nicht mal mein Lieblingshemd, das ich morgen wieder anziehen
wollte, ist fertig! Und krank ist sie auch nicht, sonst würde sie ja im Bett liegen... Ich verstehe
das alles nicht...
Anna: (kommt wie immer ohne anzuklopfen herein) Guten Abend, Karl. Ich wollte Cordula
fragen, ob...
Karl: Sie ist nicht da!
Anna: (ungläubig) Was soll das heißen: „Sie ist nicht da“? Sie ist abends immer da....
Karl: (verärgert) HEUTE ist sie eben NICHT da!
Anna: Und wo ist sie, wenn man fragen darf?
Karl: (schaut sie nur betroffen an)
Anna: Aha. Verstehe. Du weißt es nicht.
Karl: Du hast es erraten. Ich bin vor einer Stunde von der Arbeit nach Hause gekommen, und
sie war nicht da. Einfach NICHT DA! Ist das nicht unglaublich?
Anna: (trocken) Bei normalen Frauen nicht. Bei Cordula schon.
Karl: Eben. Sag ich ja. Bei Cordula... willst du damit sagen, dass Cordula ‚nicht normal’ ist?“
Anna: Na ja, genau genommen: WAS ist schon ‚normal’? Ach, weißt du übrigens dass Otto
wieder in der Stadt ist?
Karl: Otto – kenn ich nicht!
Anna: (lächelt süffisant) Es reicht wohl, wenn Cordula ihn kennt!
Karl: Wie bitte?! Was ist mit diesem Kerl?
Anna: (falsch) Was bin ich doch für eine Plappertasche! Nein, nein, es ist sicher nichts mit
ihm! Er ist nur ein ehemaliger Schulkollege, ... der mal sehr verliebt war in Cordula...
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Karl: (wird immer nervöser) Was?!?
Anna: Aber das ist schon soooo lange her... Da ist sicher nichts mehr zwischen ihnen!
Karl: Was meinst du damit? Raus mit der Sprache!
Anna: Es ist sicher ganz harmlos, wenn sie sich treffen...
Karl: (böse) Wann? Wo? Was weißt du?
Anna: Na ja, Genaues weiß ich nicht. Nur dass sie ein kleines Rendezvous haben.
Karl: (frustriert) Das hast du aber schon.
Anna: (klopft ihm auf die Schulter) Ich finde das großartig von dir, mit welcher Fassung du
das trägst. Dann wird es dir sicher auch nichts ausmachen zu erfahren, dass Cordula auch mit
Leo .... (sie macht eine entsprechende Handbewegung)
Karl: (verzweifelt) Was hat sie mit Leo?
Anna: Ich will ja nichts gesagt haben, aber sie flirten auf Teufel-komm-raus!
Karl: Zum Teufel aber auch! Und ich Trottel hab nie was bemerkt! (er fasst sich an den
Kopf)
Anna: Tja, da kann ich dir leider nicht widersprechen.
3. Szene (Karl, Anna, Cordula)
(Cordula schwebt fröhlich herein, trällert ein Lied und ist bepackt mit etlichen Einkaufstüten;
sie ist hübsch angezogen, trägt einen auffallenden Hut)
Cordula: Hallo, allerseits!
Karl: (gleichzeitig; vorwurfsvoll)
Anna: (gleichzeitig; vorwurfsvoll) Wo warst du so lange?!!!
Cordula: (lacht) Was ist denn mit euch los?
Karl: (lauernd) Fesch schaust du aus. Neu eingekleidet? Und beim Frisör warst du auch...
Cordula: Dass dir das überhaupt auffällt, Karl...
Anna: Apropos ‚auffällig’: Also, DEN Hut finde ich unmöglich. Der passt doch gar nicht zu
dir!
Cordula: Findest du? Also, ICH mag ihn. Und warum sollte ich nicht auch einmal etwas
Besonderes tragen? ICH fühle mich jedenfalls noch nicht zu alt dafür! (sie zieht aus einer
Tüte ein anderes Kleidungsstück, das sie Karl und Anna zeigt) Na, wie gefällt euch das hier?
Anna: (steht mit offenem Mund da)
Karl: (trocken) Ich bin sprachlos.
Cordula: (lachend) Das ist ja etwas ganz Neues!
Karl: Lachst du mich etwa aus?
Anna: (steckt in einem unbemerkten Moment einen Brief in Karls Jackentasche) Also, für
eine Modenschau habe ich jetzt leider keine Zeit! Tschüss! (sie geht hinaus)
4. Szene (Karl, Cordula, Bettina)
Bettina: (kommt herein) Mama, ich wollte dich fragen, ob du ...... (sie erblickt Cordula)
Wow! Was ist denn mit dir passiert?
Cordula: Ist es wirklich so etwas Außergewöhnliches, wenn man zum Frisör geht und sich
einmal etwas Neues zum Anziehen kauft?
Bettina: Bei DIR schon, Mama. Aber ich muss sagen, klasse siehst du aus! Das war längst
überfällig, wenn du mich fragst! (sie kramt in den Einkaufstüten und schaut nach, was ihre
Mutter gekauft hat)
Karl: Gibt es heute kein Abendessen?
Cordula: Nein, ich habe heute mal nicht gekocht, sondern auswärts gegessen.
Karl: (lauernd) Ach ja? Und mit wem, wenn man fragen darf?
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Cordula: Man darf NICHT! Ich frag dich schließlich auch nicht, mit wem DU Deine Abende
im Büro verbringst! Außerdem habe ich nicht erwartet, dass du schon so früh heim kommst.
Karl: (beleidigt) Ich habe heute früher Schluss gemacht, weil ich dich zum Essen ausführen
wollte. Als Überraschung sozusagen.
Cordula: (erstaunt) Wieso das denn?
Karl: (enttäuscht) Du hast ihn wirklich vergessen.
Cordula: Wen?
Karl: Unseren Hochzeitstag!
Bettina: Uuups! (sie räumt weiter Kleider usw. aus den Tüten und probiert einige an)
Cordula: (gleichgültig) Ach, der ist heute?
Karl: (trocken) Ja. Da du schon ALLEINE essen gegangen bist, hast du sicher keine Lust
mehr auszugehen. Oder?
Cordula: (während sie die Kleider wieder in die Tüten räumt) Alleine? Wie kommst du
darauf, dass ich alleine gegessen habe?
Karl: (böse) Was soll das heißen?!
Cordula: Das soll heißen, dass ich mit Otto im Restaurant war.
Karl: Ah ja... Otto.
Cordula: Otto Schmied, mein ehemaliger Schulkollege! Er ist nach Australien ausgewandert
und zur Zeit auf Urlaub hier.
Bettina: Australien – cool! Ich werde auch auswandern...
Karl: (lauernd) Ach, und da muss er sich ausgerechnet mit dir treffen, einer verheirateten
Frau? Und WAS ist eigentlich mit Leo?!?
Cordula: Leo? Was soll mit ihm sein?
Karl: Willst du behaupten, dass ihr nicht miteinander flirtet?
Cordula: Ich sage jetzt gar nichts mehr und will nur mehr meine Ruhe! Ich habe rasende
Kopfschmerzen und werde mich gleich hinlegen.
Karl: (schnippisch) Hast wohl zu viel Wein getrunken!
Cordula: Und wenn’s so wäre, würde es dich auch nichts angehen! (geht ins Schlafzimmer
und knallt die Tür hinter sich zu)
5. Szene (Karl, Bettina)
Bettina: Also, wenn du mich fragst, Paps: Da ist mächtig Feuer im Busch!
Karl: Da sind wir ausnahmsweise mal einer Meinung!
Bettina: Ich treffe mich heute noch mit meiner Clique und werde mich jetzt umziehen. (klopft
ihm auf die Schulter) Kopf hoch! Das wird schon wieder. Vielleicht kommt sie nur in den
Wechsel...? (geht hinaus)
Karl: (nervös) Wo hab ich nur meine Zigaretten...? (sieht in seiner Jackentasche nach und
findet den Brief, den Anna zuvor hinein geschwindelt hat) Was ist denn das? (faltet den Zettel
auseinander und liest laut) „Meine geliebte Cordula! Ich kann es kaum noch erwarten, dich
das nächste Mal wieder in meine Arme zu schließen. Ich kann dich gut verstehen, dass du in
deiner Ehe so unglücklich bist. ICH würde es mit deinem Mann auch nicht aushalten. Aber
MIR geht es ja auch nicht besser: Ich bin genau wie du gefangen in einem goldenen Käfig.
Bis morgen früh, mein wunderbares Cordula- Herzchen. Ich liebe dich und werde dich
befreien, denn ich kann ohne dich nicht mehr leben! Dein Felix.“ (lässt sich aufs Sofa fallen) - Noch einer???
(es klopft an der Tür)
6. Szene (Karl, Leo)
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Karl: Herein! (er schaut immer noch ungläubig und verzweifelt auf den Brief, den er in der
Hand hält)
Leo: Hallo, alter Freund! - - Welche Laus ist denn dir über die Leber gelaufen? Du schaust ja
schrecklich aus!
Karl: Cordula betrügt mich!
Leo: (entsetzt) Nein! Sag dass das nicht wahr ist!
Karl: Was regst du dich so auf? Schließlich ist sie nicht deine Frau!
Leo: Das nicht, aber...
Karl: WAS aber?!?
Leo: Na ja, ... es kann mir schließlich nicht egal sein, wenn mein bester Freund so leidet. Und
das tust du offensichtlich!
Karl: (lauernd) Vor ein paar Tagen hast du mir noch geraten, Cordula zu verlassen!
Wahrscheinlich, damit du sie für dich allein haben kannst! Du Schuft! (er geht mit den
Fäusten auf ihn los)
Leo: (wehrt ihn ab und hält seine Hände fest) Karl, was ist denn in dich gefahren?
Karl: Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen! Was ist zwischen dir und Cordula?!
Leo: Nichts! Gar nichts! Wer hat dir denn diesen Blödsinn erzählt?
Karl: Das tut hier nichts zur Sache! – Sie ist übrigens mit einem gewissen Otto ausgegangen.
(lässt Leos Hände los)
Leo: (empört) Sie ist WAS?!? Du, ich sag dir: Lass dir bloß keine Hörner aufsetzten!
Karl: Ich glaube, das ist schon passiert! Und ich weiß nicht mal, ob es einer allein ist... (er
setzt sich aufs Sofa und hält seinen Kopf mit beiden Händen)
Leo: Das ist ja unfassbar. (er setzt sich neben Karl aufs Sofa und hält seinen Kopf mit beiden
Händen)
(nach einer kurzen Pause klopft es an der Tür, Sara kommt herein)
7. Szene (Karl, Leo, Sara)
Sara: (bleibt im Trainings-Outfit mit einer kleinen Sporttasche an der Tür stehen; spricht
sehr aufgeregt) Guten Abend! Bin ich hier richtig bei Familie Mai? Sie haben leider kein
Namensschild an der Tür.
Karl: Ja, ich bin Karl Mai.
Leo: (charmant-interessiert) Ich bin Leo Frisch. Ein Freund der Familie sozusagen. (geht zu
ihr und küsst ihr die Hand)
Karl: (steht auch auf und geht zu Sara) Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?
Sara: Sara Prall. Eigentlich suche ich Frau Cordula Mai. Ich muss dringend mit ihr sprechen.
(tritt unaufgefordert ein und sieht sich im Raum um)
Karl: (erstaunt) Meine Frau ist schon ins Bett gegangen. Sie war wohl ziemlich erschöpft von
ihrem ausgiebigen Einkaufsbummel...
Sara: Ach, dann sind Sie ihr Ehemann? Gut! Mit IHNEN muss ich auch reden. (zynisch)
Erschöpft ist Ihre Frau, sagen Sie? Ich glaube kaum, dass sie das vom Einkaufen war...
Karl: Ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen...
Sara: (mit Seitenblick auf Leo) Ich denke, es wäre besser, wenn wir die Angelegenheit unter
vier Augen besprechen würden.
Karl: Leo, du hast gehört.
Leo: Ja, aber ich gehöre doch so gut wie zur Familie! Ich störe sicher nicht...
Sara: Ich möchte aber mit Herrn Mai alleine sprechen!
Leo: Na gut! Dafür möchte ich Sie aber heute Abend auf ein Glas Wein einladen...
Sara: Nein danke, kein Interesse!
Leo: Ja, gibt’s denn so was?
Karl: (schiebt ihn zur Tür hinaus) Danke für dein Verständnis!
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