Differential diagnosis of psychotic symptoms in adolescents and

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Differentialdiagnosisofpsychoticsymptoms
inadolescentsandyoungadultswithborderline
personalitydisorder
ArticleinPsychiatrischePraxis·October2003
DOI:10.1055/s-2003-42163·Source:PubMed
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2authors:
GerhardW.Dammann
MarcWalter
PsychiatricServicesofThurgovia
UniversityofBasel
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Zur Differenzialdiagnose psychotischer Symptome
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
mit Borderlinestörungen
Originalarbeit
304
Gerhard Dammann
Marc Walter
Differential Diagnosis of Psychotic Symptoms in Adolescents and Young Adults
with Borderline Personality Disorder
Zusammenfassung
Abstract
Anliegen: Die Arbeit gibt einen Überblick über die Differenzialdiagnose zwischen Borderlinepersönlichkeitsstörungen (BPS)
und schizophrenen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen
Erwachsenen mit psychotischen Symptomen. Methode: Dazu
wurden die relevanten, insbesondere psychodynamischen Publikationen analysiert und mit klinischen Erfahrungen verbunden.
Ergebnisse: Die differenzialdiagnostische Einordnung psychotischer Symptome in dieser Altersklasse ist nicht einfach, insbesondere, wenn Störungskriterien noch nicht voll erfüllt sind. Differenzialdiagnostische Hinweise, die für eine schwerwiegende
Anpassungsstörung, eine Borderlinestörung oder eine Schizophrenie sprechen können sowie spezifische diagnostische
Schwierigkeiten werden in der Arbeit dargestellt. Schlussfolgerungen: Eine minutiöse differenzialdiagnostische Einordnung
weist erhebliche Konsequenzen für die Art der Behandlung auf.
Objective: This paper reviews findings and problems of differential diagnosis between Borderline personality disorders and schizophrenic illness in adolescents and young adults with psychotic
symptoms. Method: Therefore relevant especially psychodynamically oriented publications were analysed and related to clinical experiences. Results: Differential diagnostic classification of
psychotic symptoms in this age group is difficult, especially
when disorder criteria are not yet completely met. Differential
diagnostic hints which can indicate severe adjustment problems,
Borderline personality disorder and schizophrenia as well as
specific diagnostic difficulties are presented in this paper. Conclusions: Well-reasoned differential diagnosis reveals significant findings for treatment options.
Einleitung
zeit nur wenige Arbeiten zur Differenzialdiagnose von Schizophrenien und Borderlinepersönlichkeitsstörungen (BPS) [1 ± 3].
Die differenzialdiagnostische Einordnung psychotischer oder
psychosenaher Symptome bei der Borderlinepersönlichkeitsstörung (BPS) ist, auch für den Erfahrenen, ein nicht einfaches, bis
heute umstrittenes Gebiet. Lange wurden zahlreiche Persönlichkeitsstörungen aufgrund des Vorliegens von Erstrangsymptomen nach Schneider als Schizophrenien diagnostiziert. Erst in
neuerer Zeit wurde festgestellt, dass diese (z. B. ¹Hören von Stimmen, die das eigene Tun mit Bemerkungen begleitenª) z. T. typisch für schwere (Borderline-)Persönlichkeitsstörungen,
schwere dissoziative Störungen des Bewusstseins und komplexe
posttraumatische Belastungsstörungen sein können. Es gibt der-
Besonders komplex, aber wegen differenzieller psychotherapeutischer, pharmakologischer und sozialpsychiatrisch-rehabilitativer Strategien von groûer Relevanz, ist die Differenzialdiagnose
bei Jugendlichen oder sehr jungen Erwachsenen. Hier kommen
neben allgemeinen differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten
noch die Probleme bei der Beurteilung der Adoleszenz dazu. In
manchen Fällen ist das Symptombild noch nicht gänzlich ausgeprägt, um zu einer definitiven diagnostischen Einschätzung zu
kommen. Der Langzeitverlauf fehlt, und schlieûlich ist die Adoleszenz und (Spät-)Pubertät selbst eine Zeit von Labilisierungen
Institutsangaben
Psychiatrische Universitätsklinik Basel
Korrespondenzadresse
Dr. med. Dipl.-Psych. Gerhard Dammann ´ Psychiatrische Universitätsklinik ´ Wilhelm-Klein-Straûe 27 ´
4025 Basel ´ Schweiz ´ E-mail: [email protected]
Bibliografie
Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311 Georg Thieme Verlag Stuttgart ´ New York ´ ISSN 0303-4259
und Identitätsschwierigkeiten, so dass manchmal eine Abgrenzung auch zu den Adoleszentenkonflikten mit entsprechendem
Agieren schwierig sein kann. Aus dieser spezifischen, labilen
Identitätsbildungsphase, die kennzeichnend ist für die Adoleszenz [4], lieûe sich evtl. auch erklären, warum in dieser Phase
manchmal relativ geringgradige Beschämungs- oder Belastungserlebnisse genügen, um eine verheerende Entwicklung in Gang
zu setzen, die in anderen Entwicklungsphasen weit weniger folgenreich verlaufen würden. Es kann hier nicht auf die erheblichen konflikthaften, aber identitätsbildenden Turbulenzen der
Adoleszenz eingegangen werden [5].
Klinische Begriffsklärung und Diagnostik
Bei den psychotischen oder psychotisch anmutenden Syndromen handelt es sich auch um ein nosologisch kompliziertes Terrain (psychotisch, pseudopsychotisch, minipsychotisch, psychosenah, dissoziativ etc.) [3].
Unter einer Psychose wird eine tief gehende Störung des Verhältnisses zur Realität (¹des Realitätsbezugsª, der ¹Realitätstestungª)
verstanden. Diese Störung des Realitätsbezugs kann sich auf verschiedenen Ebenen manifestieren (Wahrnehmung: Halluzination, Affektiviät: vernichtende Angst; Denken: Wahn etc.), aber
es ist keineswegs leicht, eine ¹Psychoseª genau zu definieren,
ebenso wie den Begriff ¹akutª [6]. Bei der BPS treten psychotische Symptome meist nur bei schwerwiegenden Belastungssituationen auf. Es gibt aber auch chronische Formen. Die Dauer
von prolongierten Phasen mit psychotischen Symptomen bei
BPS-Patienten beträgt typischerweise zwischen 3 Wochen und
4 Monaten [7].
In vielen Fällen sind bei psychotischen Episoden von BPS-Patienten phänomenologisch auch die Kriterien einer ¹kurzen psychotischen Störungª (DSM-IV, Nr. 298.8) [8] erfüllt.
Vorsichtig formuliert könnte heute einiges dafür sprechen, dass
ein Teil der psychotischen Phänomene (insbesondere assoziiert
mit stark dissoziativen Zuständen) diagnostisch zur BPS im engeren Sinn zählen könnte (emotional instabile ¹Borderlinestörungª), während länger dauernde psychotische Phasen davon zu
unterscheiden sind und möglicherweise auf eine generelle erhöhte Strukturschwäche hindeuten (¹Borderlinestrukturª). Dabei muss festgestellt werden, dass ein Teil von eigentlichen Psychosen, wie man sie bei BPS findet, bzw. die man differenzialdiagnostisch erwägen muss, eben nicht Schizophrenien sind, sondern zykloide, oneiroide, Glücks-Angst-Psychosen, ¹funktionelle
Psychosenª [9,10]. Insgesamt wird die BPS heute möglicherweise
auch überdiagnostiziert [11].
Häufigkeit psychotischer Symptome
¹Leichtereª psychotische Symptome aller Art (Halluzinationen,
überwertige Vorstellungen), die auch häufig im Zusammenhang
In der Studie von Miller et al. [13] zeigten 27 % von 92 BPS-Patienten psychotische Symptome, die im engeren Sinn als akustische oder visuelle Halluzinationen sowie wahnhafte Symptome
definiert worden waren, und in der Regel mehrere Wochen andauern (also auch in dieser Studie nicht immer ¹transientª zu
nennen waren). Diese Symptomatik war unabhängig von affektiven Störungen. In einer Studie von Zanarini et al. [14] zeigten von
50 BPS-Patienten 100 % auffällige Denkinhalte, die jedoch als
nichtpsychotisch gewertet wurden. 40 % berichteten über psychoseähnliches (¹quasi-psychoticª) Denken. Damit war dieser
Typ von Denkstörungen häufiger bei BPS-Patienten als bei allen
anderen psychiatrischen Störungen (einschlieûlich der Schizophrenie). Allerdings wiesen während den letzten zwei Jahren
vor der Untersuchung keine BPS-Patienten echte psychotische
inhaltliche Denkstörungen auf und (nur) 14 % zeigten echte psychotische Denkstörungen. Die häufigsten ¹psychotischenª Symptome bei BPS sind Derealisationen, Depersonalisationen und
Halluzinationen [15].
Originalarbeit
In der folgenden Arbeit sollen, vor einem psychodynamisch orientierten Verstehenshintergrund, Hinweise für die Differenzialdiagnose zwischen Schizophrenie und BPS entwickelt werden.
mit dissoziativen Zuständen diskutiert werden, sind bei BPS häufig [12], vor allem in Kombination mit komorbider schizotyper
Störung.
In der Untersuchung von Pope et al. [16] zeigten (nur) 8 von 33
BPS-Patienten im engeren Sinn psychotische Symptome, die zudem häufiger mit der Major-Depression oder einem Substanzabusus in Beziehung standen. In der Untersuchung von Links et
al. [17] zeigte sich ebenfalls, dass echte psychotische Symptome
(Wahnvorstellungen) bei BPS-Patienten selten und oftmals mit
komorbiden Störungen assoziiert sind, während eine breit definierte Symptomatik (z. B. mit Derealisationen) dagegen häufig
war.
In einer umfangreichen Studie bei schizophrenen und schizoaffektiven Patienten (und deren Angehörigen) konnte keine Beziehung zum Auftreten von BPS festgestellt werden [18]. In einer japanischen Studie hingegen schienen Wahnsymptome und Halluzinationen bei BPS-Patienten selten zu sein, während auch dort
Derealisationen und Depersonalisationen unter den ¹psychotischenª Symptomen dominierten [19].
Psychotische Symptome können bei BPS-Patienten auch medikamentös hervorgerufen werden, so bei der Hälfte der Patienten
durch 30 mg Amphetamin [20].
Psychotische Symptome und Angst
Von zahlreichen Borderlineexperten wird die diffuse, frei flottierende oder vernichtende Angst als der zentrale Affekt bei der BPS
konzeptualisiert [21, 22]. In einigen Studien wurde vermutet,
dass psychotische Symptome bei BPS-Patienten als massive Formen von Angstäquivalenten zu verstehen seien, zumal auch bei
schweren Angstzuständen Derealisationen- und Depersonalisationen auftreten [15]. Die Autoren führen die transienten Psychosen auf ¹intensive Angst, resultierend aus der Unfähigkeit
der Patienten mit Belastungen, insbesondere in unstrukturierten
Situationen, umzugehenª (S. 1606) zurück. Allerdings könnte
man auch argumentieren, dass der Zusammenhang ein umgekehrter sein könnte. D.h., dass ein häufiges Auftreten von schwe-
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
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ren Derealisationen und Depersonalisationen bei Panikstörungen oder die Angst verrückt zu werden, z. B. bei der generalisierten Angststörung, dafür sprechen könnte, dass schwere Angststörungen als Formen von strukturellen oder Persönlichkeitsstörungen verstanden werden könnten.
Originalarbeit
306
Mentzos [23] bezeichnet Depersonalisationen/Derealisationen
als eigenständigen Abwehrmechanismus bei schweren psychischen Störungen, wobei schmerzliche oder bedrohliche Gefühle dadurch abgemildert werden, dass sie als fremd, als nicht
zu einem selbst gehörig, empfunden werden. Er vermutet, dass
zahlreiche der beschriebenen ¹psychotischenª Phänomene bei
BPS als Depersonalisationen aufzufassen seien, und dass diese
mit Spaltungsphänomen zusammenhängen könnten.
Untersuchungen zu Adoleszenten mit Borderlinestörungen
In der Studie von McClellan et al. [24] ähnelten im Verlauf persönlichkeitsgestörte Jugendliche den psychotischen Jugendlichen hinsichtlich des Ausmaûes an Beeinträchtigung und Chronifizierung. In beiden Gruppen waren familiäre Probleme, Substanzabusus und familiäre Belastungen für psychiatrische Erkrankungen weit verbreitet, was dazu führte, dass Fehldiagnosen zu
Beginn recht häufig waren. Diese ¹verdeutlichen die Notwendigkeit von systematischen Langzeituntersuchungen bei früh einsetzenden psychotischen Störungen (early onset psychotic disorders)ª [24]. Interessanterweise scheint das Ausmaû antisozialer
Persönlichkeitszüge und das Auftreten von Sadismus vor dem
15. Lebensjahr bei BPS-Patienten mit späteren psychotischen
Symptomen korreliert zu sein [25].
In der Studie von Meng et al. [26] zu den Frühstadien der Psychosen in der Adoleszenz (VESPA) zeigte sich, dass sich jugendliche
Psychotiker von einer Vergleichsgruppe mit anderen psychischen Störungen (affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, schwere Neurosen) vor allem durch drei Aspekte unterscheiden lieûen:
± eine geringere Anzahl sozialer Kontakte (bzw. Verringerung
von diesen),
± sehr oder extrem auffällige Befunde bei den Denkstörungen
von Patienten mit juvenilen Psychosen,
± verflachte Emotionen im Wesentlichen nur Jugendliche mit
Psychosen.
Als weitere Faktoren wurden der massive Rückgang schulischer
Leistungen bei Psychosen sowie die unterschiedlichen Familiensysteme [27] gewertet.
Insgesamt kann im Querschnitt die Unterscheidung schwierig
sein. Im Längsschnitt zeigen sich jedoch erhebliche, differenzierte Unterschiede. So zeigt sich in Langzeituntersuchungen, dass
Schizophrene kaum ohne Einschränkungen arbeitsfähig sind,
während bei zahlreichen BPS-Patienten die Arbeitsfähigkeit erhalten bleibt oder sogar im Laufe der Zeit neu entsteht [28].
Entgegen der häufiger geäuûerten Ansicht, dass zahlreiche BPSPatienten mit der Zeit manifest schizophren werden, zeigten die
meisten Studien, dass nur wenige BPS-Patienten eine Schizophrenie entwickelten [28 ± 30]. Lediglich in einer skandinavi-
schen Studie, die allerdings nicht klar zwischen schizophreniformen Psychosen und schizotypen Störungen unterschied, waren
es 20 % [31].
In einer französischen Studie [32] wurden 1363 Oberstufenschüler untersucht. Bei den Adoleszenten, die Borderlinesymptome
aufwiesen, zeigte sich eine Beziehung sowohl zum bipolaren Störungsspektrum, wie zu Angststörungen. Über ¾ngste wie generalisierte Angststörungen oder Panikattacken berichteten 91,4 %
der Borderlinejugendlichen. Chabrol et al. [32] identifizierten,
ähnlich wie Kernberg postuliert, drei verschiedene Unterfaktoren, die sich auch bei jugendlichen BPS-Patienten finden lieûen:
Identitätsdiffusion mit pseudopsychotischen Symptomen, Impulsivität und affektive Symptome gepaart mit Aggressivität
und Beziehungsproblemen.
Bei Adoleszenten sollte in diesem Zusammenhang betont werden, dass der Versuch einer sehr frühen diagnostischen Einordnung Gefahren beinhaltet. Eine Differenzialdiagnostik, die ausschlieûlich auf Symptomen und Verhalten beruht, genügt oft
nicht, da besonders auch die ¹Stabilität der Persönlichkeitª (IchStärke oder ¹Strukturª) berücksichtigt werden muss.
Die verschiedenen diagnostischen Instrumente, die es für die
BPS gibt, z. B. das Borderline-Persönlichkeitsinventar (BPI) von
Leichsenring, das SCID-II-Interview (nach DSM-IV) oder das DIBR-Interview (nach Gunderson), sind nicht für Jugendliche validiert. Das DIB-Interview, das umfangreicher ist als das SCID-IIInterview, kann aufgrund seiner Fragen zu Denkstörungen (z. B.
mit bizarren Denkinhalten) für komplizierte Differenzialdiagnosen wichtige Impulse bieten.
Typische psychopathologische Symptombefunde, die in der Regel bei BPS ± auch während psychosenaher Zustände ± nicht vorkommen sind:
± formale Denkstörungen in Form von Inkohärenz und Zerfahrenheit,
± schwerwiegende Ich-Störungen, wie tief gehende Störung der
Identität mit klarer Verwischung der Ich-Grenzen,
± klare Aufhebung der innerer und äuûerer Realität.
Das von Wing [33] beschriebene ¹neurotische Syndromª der prodromalen Schizophrenie mit Verstimmungen, ¾ngsten und Reizbarkeit, erscheint nach dem klinischen Eindruck sowohl bei frühen Phasen von BPS wie bei Schizophrenien vorzukommen.
Die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV empfehlen die
Diagnose einer Persönlichkeitsstörung bei Nichterwachsenen
nur unter gröûeren Vorbehalten, sie ist jedoch möglich. Dass Persönlichkeitsstörungsdiagnosen nur mit gröûter Zurückhaltung
bei Kindern und Jugendlichen gestellt werden sollten, hängt in
erster Linie mit der sich noch entwickelnden Persönlichkeit zusammen, die manchmal noch keine definitiven Rückschlüsse zulässt [34], aber auch mit Bedenken, zu früh ein ¹Borderlinelabelª
auszusprechen [35]. Auf der anderen Seite gibt es natürlich bereits Jugendliche oder auch Kinder, die deutliche Merkmale einer
BPS aufweisen [36]. Ein weiteres Problem besteht darin, dass in
der Adoleszenz diagnostizierte ¹Borderlinekriterienª sich zwar
als relativ stabil, aber als nur wenig spezifisch erwiesen [37],
und auch, dass bereits bei Jugendlichen der typische Ge-
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
Tab. 1 Differenzialdiagnostische Hinweise in der Anamnese
typisches Merkmal
Häufigkeit in der prämorbiden
Phase der Schizophrenie
Häufigkeit in der prämorbiden
Phase der Borderlinestörung
Schizophrenien in der Familiengeschichte
häufiger
seltener
Reduktion des energetischen Potenzials (Ciompi)
(vorauslaufende Defizienz)
häufiger
selten bis nie
kognitive Eigentümlichkeiten
häufiger
selten (manchmal bei Komorbidität mit
schizotyper Persönlichkeitsstörung)
manchmal
selten
(sozialer) Rückzug
häufig
selten
Entwicklungsrückstände
manchmal
seltener
magisches Denken bereits beim Kind
manchmal
seltener
Traumatisierungen (sexueller Missbrauch, Gewalt, Vernachlässigungen) und frühe Trennungserlebnisse in der Anamnese
(dazu z. B. Ludolph et al. 1990)
seltener, kommen aber ebenfalls in der
Vorgeschichte von Schizophrenen häufiger
vor als in der Normalbevölkerung
häufig
Cannabis-Konsum
oft erheblich
seltener
emotionale Instabilität und Impulsivität
eher situativ
typisch
Hinweise auf ein hyperkinetisches Syndrom oder ein ADHS
seltener
manchmal (besonders bei männlichen
BPS-Patienten)
schlechtsbias zu verzeichnen ist, der BPS weitaus häufiger bei
Mädchen diagnostizieren lässt [38]. In der Studie von Meijer et
al. [39] wiesen lediglich zwei von 14 borderlinediagnostizierten
Jugendlichen nach drei Jahren die Störungskriterien noch auf. Bei
Jugendlichen weisen die DSM-Persönlichkeitsstörungskriterien
niedrigere interne Konsistenz und geringere diskriminative Validität auf [40], und bei adoleszenten BPS-Patienten findet sich
eine breites Spektrum an komorbiden Persönlichkeitsstörungen,
die nicht nur Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen umfassen [41].
In Tab. 1 finden sich differenzialdiagnostische Hinweise aus der
Anamnese der Patienten.
¹Phantasmatisches Selbstª und juvenile Psychose
Resch et al. [42] suchten bei 107 Patienten mit Adoleszentenkrisen nach den charakteristischen Basissymptomen, die bei schizophrenen Entwicklungen fassbar wurden. Sie fanden, dass praktisch jede adoleszenztypische Depersonalisation auch mit so genannten schizophreniecharakteristischen Symptomen, wie subjektiven Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen oder Störungen der Körperwahrnehmung einhergeht. ¹Es ist daher im Querschnitt auf phänomenaler Ebene keine Unterscheidung zwischen
schizophreniecharakteristischer und allgemein entwicklungsbezogener Depersonalisation möglich. Solche Symptome müssen
daher eher als allgemein verbreitete unspezifische Irritationszeichen, denn als schizophreniespezifische Frühzeichen oder Vulnerabilitätsindikatoren für nahende Psychosen angesehen werdenª, schreibt Resch, der die Hypothese eines ¹phantasmatischen Selbstª bei präspsychotischen Jugendlichen aufstellte.
Nach Resch zeigen Adoleszente im Vorfeld einer Psychose:
± einen Mangel an kommunikativen Fertigkeiten,
± ein geringes Selbstwertgefühl,
± einen externen ¹locus of controlª,
± eine Störung der Selbstgewissheit.
Als Konsequenz daraus versuchen die Jugendlichen ihr brüchiges
Selbstkonzept mit idealisierten Selbstanteilen, die spezifische
Fähigkeiten oder Talente betreffen, zu stabilisieren. Diese phantasmatischen Selbstaspekte werden dazu benützt, um den Mythos eines auûergewöhnlichen Selbst hinter der vulnerablen Fassade zu errichten. Dieses phantasmatische Selbst verringert zwar
zunächst Spannung und Irritation, erhöht jedoch letztlich die
Vulnerabilität in realen Situationen, weil sie verborgen vor den
interpersonellen Beziehungen geschieht, was schlieûlich zur Isolation führt. Wenn es zum Zusammenbruch dieses GröûenSelbst kommt, droht ein psychotischer Zusammenbruch. Nach
unserer Beobachtung unterscheiden sich Jugendliche mit Borderlinestruktur hiervon in zwei Punkten: Zum einen kommt es
vorwiegend zur Bildung eines z. T. ebenfalls grandiosen, aber negativen Selbst (z. B. Identifizierung mit der ¹Opferseiteª), und es
kommt in der Regel nicht zu isolationistischem Rückzug, sondern die Konflikte bleiben interpersonell manifest.
In Tab. 2 sind allgemeine psychopathologische Unterscheidungsmerkmale beider Gruppen zusammengefasst.
Persönlichkeitsorganisation
Eine andere, psychodynamische Möglichkeit wichtige Hinweise
für die Differenzialdiagnose zu finden, kann über die Einschätzung der Struktur oder Persönlichkeitsorganisation (früher oft
auch ¹Ich-Stärkeª genannt) versucht werden. Allerdings sind diese Strukturmerkmale nur z. T. operationalisiert.
Nach Kernberg konstituiert sich das Konstrukt der Persönlichkeitsorganisation oder Struktur aus den Faktoren
1. Reife der überwiegend eingesetzten Abwehrmechanismen
über die eine Person verfügt,
2. Vorhandensein eines integrierten Selbstkonzeptes, das positive und negative Aspekte umfassen sollte,
3. Fähigkeit zur Realitätsprüfung, die bei BPS-Patienten zumeist
erhalten ist,
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
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neurologische ¹soft-signsª
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Tab. 2 Psychopathologische Unterscheidungsmerkmale
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Merkmal
akute (oder produktive) Phase der Schizophrenie
akutes psychosenahes Zustandsbild bei der
Borderlinestörung
Beziehung zur äuûeren Welt
der Patient erscheint umfassend in eine ¹andere
Weltª getaucht. Das Verhalten kann hochgradig
abwegig sein
der Patient erscheint nur partiell in eine ¹andere
Weltª getaucht. Das Verhalten ist nie hochgradig
abwegig
Verfolgungswahn
der Patient fühlt sich beispielsweise verfolgt und bedroht und kann darüber meist nicht offen sprechen
der Patient fühlt sich vor allem verfolgt und bedroht,
kann aber darüber relativ frei sprechen
Beziehung zum Therapeuten während
der akuten Psychose
der Patient vermittelt, dass auch der Therapeut oder
Interviewer Teil des Wahnsystems sein könnte und
hat entsprechende Wahnwahrnehmungen
der Patient vermittelt, dass der Therapeut oder Interviewer nicht zur möglicherweise bedrohenden
Seite gehört
Halluzinationen
Wahn oder Halluzinationen sind meist gewiss oder
synton. (In einzelnen Fällen besonders bei chronischen Formen gibt es jedoch Formen der ¹doppelten
Buchführungª, d. h. der Patient meldet sich, obwohl
er glaubt, dass es einen Komplott gegen ihn gibt in
der Psychiatrie)
Wahnvorstellungen oder Halluzinationen werden
meist ± aber nicht immer ! ± trotz ihrer affektiv stark
empfundenen Qualität als nicht wirklich erkannt,
d. h. der Patient kann sich selbst distanzieren
optische Halluzinationen
sind selten
kommen (meist als Pseudohalluzinationen, z. B.
¹Schatten an der Wandª) vor
Belastungssituation
es ist nicht immer ein klarer Zusammenhang zu einer
schweren Belastungssituation erkennbar
es ist meist ein klarer Zusammenhang zu einer erheblichen Belastungssituation erkennbar
Wahnwahrnehmung
Wahnwahrnehmungen typisch (auch Personenverkennung)
echte Wahnwahrnehmungen sind selten (keine Personenverkennungen). Es zeigen sich bei Psychosen
eher Wahnideen
Fremdbeeinflussung
es besteht manchmal die Qualität des ¹Gemachtenª
(im Fühlen, Wollen und Handeln) im Sinne von
Fremdbeeinflussungserlebnissen
Qualität des ¹Gemachtenª fehlt
Ich-Störungen
tief gehend
mittelgradig
formale Denkstörungen
tief gehend (Inkohärenz)
mittelgradig
Grenzen zwischen innerer und äuûerer Realität
aufgelöst
meist erhalten
Remission
nach der Exazerbation kommt es meist nur langsam
zu einer Remission
nach der Exazerbation kommt es meist rasch zu
einer vollständigen Remission
Residuen
postpsychotische Depressionen oder Residualzustände treten gehäuft auf
nie Residuen
Störung der Körpergefühle
häufiger
seltener, kommen jedoch ebenfalls vor
habituelle Selbstverletzung
selten
häufig
Neuroleptikacompliance
trotz antipsychotischer Wirksamkeit oft schlecht
ist bei antipsychotischer Wirksamkeit meist gut
Beziehungsgestaltung
¹autistischereª Beziehungsgestaltung
fordernd, klammernd oder unberechenbar (Verhulst,
1984)
4. moralische Wertvorstellungen, Aggression und Fähigkeit zur
Intimität.
oder aber ein ganz anderes, fremdartiges ¹Präkoxgefühlª nach
Rümke [46].
Normalerweise zeigen schwer persönlichkeitsgestörte Patienten
auch bei starker psychotischer Dekompensation nicht die typischen Merkmale einer psychotischen Struktur.
Dagegen haben psychotische Phasen bei BPS-Patienten meist einen klaren an das Gegenüber gerichteten Kommunikationsaspekt (¹kümmere dich um michª, ¹lass` mich in Ruheª). Diagnostisch aufschlussreich kann auch sein, wie sich ein Patient
während eines Gesprächs verändert. Bei dekompensierten BPSPatienten kommt es oft im Laufe einer Sitzung zu einer Stabilisierung.
Nach Kernberg lassen sich die beiden Persönlichkeitsorganisationen ¹psychotischª (PPO) und ¹schwere Persönlichkeitsstörung
(Borderline)ª (BPO), wie in Tab. 3 dargestellt, unterscheiden [43].
Diese Unterscheidung lieû sich auch testdiagnostisch bei Adoleszenten in psychiatrischer Behandlung mit dem ¹Defense Mechanism Testª wiedergeben [44].
Mentzos [47] schreibt zu Recht, dass sich BPS-Patienten auch
durch die zumeist heftigeren, schwerer zu beherrschenden Gegenübertragungsgefühle, die sie im Unterschied zu Psychotikern
auslösen, und die von ¹projektiv-identifikatorischen Mechanismenª geprägt sind [48], unterscheiden lassen.
Kommunikation und Gegenübertragung
Schizophren veränderte Erlebnisweisen geschehen in einem
ganz anderen kommunikativen Feld als passagere Probleme
etwa von Gesunden. Sie erwecken entweder kein soziales Echo
Meissner et al. [1] fasst die ¹Gegenübertragungsdiagnostikª, die
in Richtung einer BPS weist, wie folgt zusammen:
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
Tab. 3 Persönlichkeitsorganisationen nach Kernberg (modifiziert nach Kernberg et al. [45])
Borderlinepersönlichkeitsorganisation (BPO)
psychotische Persönlichkeitsorganisation (PPO)
Kognition
unaufgelöste Widersprüche, die aber als solche erkannt werden
können. Der Patient kann die innere Logik der Inhalte im Gesprächsverlauf mit Hilfe ordnen. Themen werden ¹schwarz-weiûª
abgehandelt, das Denken ist entweder rigide oder konventionell
oder aber (etwas gewollt) bizarr
Abstraktes wird konkretisiert, Konkretes abstrahiert. Unlogische
und nicht begründete Aussagen. Formale Denkstörungen, Neologismen etc.
Affekt
der Affekt entspricht dem Inhalt, manchmal aber nicht der Interaktion. Die affektive Lage kann oszillieren
der Affekt passt zum Teil nicht zu Inhalt und Interaktion (parathym). Völlig unvorhersehbare affektive Zustände. Affekt kann unverständlich oder verflacht wirken ohne etwa depressiv zu sein.
Gemischte affektive Zustandsbilder (etwa euphorisch und gereizt)
Selbstrepräsentanz
die Beziehung der Person zu sich ist voller Widersprüche (Entwertung und Idealisierung wechseln sich ab), aber nicht vollkommen
inkohärent
der Patient versucht sich verzweifelt an ein bestimmtes (oft rigides
oder chaotisches) Selbstbild zu klammern. Die Selbstrepräsentanz
kann nicht nur ständig wechseln, sondern auch Elemente anderer
Personen enthalten. Gefühl von Selbstverlust. Verneinungen ¹das
ist Ihr Problem, nicht mein Problemª
Objektrepräsentanz
Personen werden entweder verallgemeinert (¹Sie ist nie nett zu
mirª) oder nur in ihrer Funktion beschrieben (¹Sie hilft mirª)
Objekte verschmelzen miteinander, Symbolisches und Konkretes
verschmilzt. Es zeigt sich eine bizarre Mischung aus Gegenständen
und Personen. Dinge oder Personen können nicht voneinander
unterschieden werden
Selbstreflexion
die Person ist zur Reflexion in der Lage, diese scheint aber nicht
dazu zu führen, dass sie dauerhaften Gebrauch von der Selbstbeobachtung macht (¹dann ging es mir plötzlich schlechtª)
der Patient beobachtet nur den Interviewer. Aufforderungen zur
Selbstbeobachtung werden zurückgewiesen. Der Patient reflektiert nicht, sondern gibt nur Kommentare über sich ab
Empathie
es wechseln Situationen wo starke Empathie gezeigt wird mit
solchen, wo es einen Mangel davon gibt (Instabilität)
auch nach längerem Gespräch kommt es oft nicht dazu, dass der
Patient die Bemühungen des Interviewers anerkennen kann. Die
Fronten bleiben verhärtet, es kommt nicht zu einer Annäherung.
Der Patient unterstellt dem Interviewer negative Motive, ignoriert
ihn oder missversteht die Gründe für das Gespräch
¹Das Vorhandensein von intensivem (oft verbal ausgedrücktem)
¾rger, die Versuche des Patienten, den Therapeuten in eine intensive, abhängige, klammernde und fordernde Beziehung hinein zu manövrieren, üblicherweise auf manipulative Weise;
die zeitweilige, partielle, oft umschrieben und ich-fremd erlebte
Qualität von psychotischen Phänomenen: die deutliche Tendenz,
Gefühle, insbesondere ¾rger, auf eine Art auszuagieren, die zu erhöhter Zuwendung oder Aufmerksamkeit von Therapeuten, Familie, Freunden oder Krankenhausteams führt; das Vorhandensein eines doch erheblichen Ausmaûes von Realitätsprüfung
und das Vorhandensein von Bereichen mit deutlicher Funktionsfähigkeit, die vorübergehende Natur der regressiven Phänomene
und die sich manifestierende Auflösung von Regression in strukturierten Umgebungen und bei angemessenem therapeutischen
Umgang, insbesondere Grenzensetzen ± all dies weist in Richtung einer Borderlinediagnose.ª In der Studie von Holmqvist
[49] war die diagnostizierte Unterscheidung von Borderlineund psychotischer Persönlichkeitsorganisation hoch korreliert
mit der subjektiven ¹Gegenübertragungsdiagnostikª des Behandlungsteams.
Aus unserer Erfahrung können dagegen das Ausbleiben von jeglicher Gegenübertragung (ein Gefühl von ¹weiûem Rauschenª),
starke Ekel-, Leere- oder Verlorenheitsgefühle oder massive Verwirrung in Richtung einer Psychose weisen. Das alte psychiatrische Konzept des ¹Präkoxgefühlsª [46] ist nichts anderes als Gegenübertragungsdiagnostik.
Originalarbeit
Strukturmerkmal
Therapeutische Schlussfolgerungen
Die differenzialdiagnostische Beurteilung bei Adoleszenten und
jungen Erwachsenen mit psychotischen Symptomen ist nicht
nur von akademischem Interesse, sondern hat therapeutische
Konsequenzen. Es kann hier nicht ausführlich auf störungsspezifische Behandlungen der schizophrenen Psychosen und der BPS
eingegangen werden. Die Entscheidung in Richtung ¹psychotische Erkrankungª oder ¹Persönlichkeitsstörungª nach sorgsamer
Abwägung ist sowohl für die Psychotherapie wie für die Psychopharmakotherapie von groûer Relevanz [3].
Von psychotherapeutischer Seite wird man jungen Schizophrenen i. R. keine konfrontative oder aufdeckende Psychotherapie
empfehlen, oft sind hier Strategien, bei denen es um Reizschutz,
soziale Kompetenzen und Compliance geht, also supportive
Techniken, angemessen, während bei BPS-Patienten insgesamt
vermehrt (sowohl von psychodynamischer wie von kognitiv-behavioraler Seite) konfrontative Techniken bevorzugt werden
[50, 51]. Die Behandlung von adoleszenten BPS-Patienten kann
als äuûerst schwierig angesehen werden. Giovacchini [52]
schreibt, dass diese die Tendenz besitzen ¹im therapeutischen
Setting Schwierigkeiten hervorzurufen, einschlieûlich (¼) ihrer
Verschwiegenheit bezüglich Bindungen und ihrer Neigung sich
mehr durch Handlungen als durch Worte oder Gefühle auszudrückenª.
In der Studie von Kutcher et al. [53] zeigte sich bei Adoleszenten,
die mit Flupentixol behandelt wurden, eine Verbesserung der
Impulsivität, Depression und des globalen Funktionsscores.
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
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Nach den Leitlinienempfehlungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung [54] werden bei BPS-Patienten in der Regel nieder dosierte [55] und keine länger dauernden [56] neuroleptischen oder Depotbehandlungen empfohlen, wenn die psychotische Symptomatik abgeklungen ist. Die Früherkennungsprojekte zur Diagnostik von juvenilen Psychosen oder beginnenden Schizophrenien hingegen, geht davon aus, dass eine frühzeitige medikamentöse Behandlung (einschlieûlich Erhaltungsdosierungen von Antipsychotika) den gesamten Krankheitsverlauf
der Psychosen positiv beeinflussen könnte [57, 58], allerdings ist
unklar, ob dies bereits für prodromale Phasen vor der Diagnosestellung gelten sollte.
Originalarbeit
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Buchbesprechung
Personenzentrierte Krankenhausbehandlung
Die Aktion Psychisch Kranke führt regelmäûig Tagungen zu den
auf Bundesebene aktuellen psychiatriepolitischen Themen
durch. Nachdem über einige Jahre der Schwerpunkt auf dem so
genannten komplementären, also aus Steuermitteln finanzierten
Bereich lag, steht jetzt zunehmend wieder der von der Gesetzlichen Krankenversicherung finanzierte Bereich im Vordergrund.
Dies spiegelt sich auch im Thema der Tagung des Jahres 2001,
das auch Titel des Kongressbandes wurde. Er enthält die Hauptreferate der Tagung und erlaubt so den Teilnehmern, ihre Erinnerung aufzufrischen und den Nichtteilnehmern, sich zu orientieren, was aktuell diskutiert wird. Während in der deutschen akademischen Psychiatrie die Versorgungsforschung nur am Rande
berücksichtigt wird, versammelt der Band ein breites Spektrum
an innovativen Modellprojekten mit solider Evaluation wie auch
gut aufbereitete Erfahrungsberichte. Konzepte wie ¹home-treatmentª, ¹assertive community treatmentª oder ¹case managementª sind von den Praktikern der psychiatrischen Versorgung
nicht nur rezipiert worden, sie werden auch umgesetzt. Ganz besonders hervorzuheben sind hier die Beiträge von Diethelm
(Frankfurt) und Horn (Krefeld), die über häusliche Akutbehandlung berichten. Das ist sicher der interessanteste Aspekt des Bandes: zu sehen, wie sich trotz der Bedingungen des bundesdeutschen Systems der sozialen Sicherung innovative Konzepte realisieren lassen. Wer also als Chefarzt einer psychiatrischen Klinik
darüber nachdenkt, wie seine Klinik in Zukunft organisiert werden soll, wie Tageskliniken und Institutsambulanzen sich positionieren können oder wie niedergelassene Nervenärzte in die
stationäre Akutbehandlung einbezogen werden können, wird
mit Gewinn diesen Band studieren. Besonders hervorzuheben
ist, dass die Bereiche Gerontopsychiatrie, Sucht und Forensik
ausführlich berücksichtigt werden. Auch die zentrale Frage nach
Vergütung und Qualitätsstandards wird in mehreren Beiträgen
eingehend und kompetent diskutiert. Wer allerdings ± vom Titel
verführt ± nach Beiträgen sucht, die darüber berichten, wie sich
personenzentrierte Krankenhausbehandlung in einen gemeindepsychiatrischen Verbund einfügt, wird enttäuscht: zu diesem
Thema findet sich explizit nur ein Beitrag von Joachim Speicher
aus Mainz. Bührig (Bremen), Klein (Berlin) und Netz (Gütersloh)
berühren das Thema immerhin in Referaten. Man darf aber zuversichtlich sein, dass das zentrale Thema der Zusammenführung aller für den betroffenen Menschen erforderlichen Hilfen
(d. h. in Kostenträgerschaft der gesetzlichen Krankenversicherung [SGB V], der Eingliederungshilfe [§ 39, 40 BSHG] und der Rehabilitationsträger [SGB IX]) in den nächsten Jahren ausführlich
behandelt werden wird, handelt es sich hierbei doch um den
Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten der Aktion Psychisch
Kranke.
Matthias Albers, Leverkusen
Schmitt-Zadel R, Kunze H (Hrsg). Mit und ohne Bett: personenzentrierte Krankenhausbehandlung im Gemeindepsychiatrischen Verbund. Aktion Psychisch Kranke. Bonn: PsychiatrieVerlag, 2002, 334 S., ISBN 3-88414-324-7. Der Titel ist kostenlos
und direkt über die APK in Bonn (Tel. 0228/676740, Fax
0228/676742) zu beziehen)
Dammann G, Walter M. Zur Differenzialdiagnose psychotischer ¼ Psychiat Prax 2003; 30: 304 ± 311
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